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Veröffentlicht am 22.08.2022

Nettes Buch - aber eben nicht mehr

Drei Tage im August
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Berlin, August 1936. Die Stadt ist schon gezeichnet von den Auswirkungen des Nationalsozialismus, doch es strömen anlässlich der Olympiade noch einmal Besucher aus allen Herren Länden nach Berlin. Anne ...

Berlin, August 1936. Die Stadt ist schon gezeichnet von den Auswirkungen des Nationalsozialismus, doch es strömen anlässlich der Olympiade noch einmal Besucher aus allen Herren Länden nach Berlin. Anne Stern lässt das frühere Berlin immer wieder sehr gelungen aufleben. Ob bei der Fräulein Gold Reihe oder hier, wenn sie den Leser an drei Tagen mit "Unter den Linden" an die Hand nimmt und anstelle der Gräuel die Chocolaterie Sawade in den Fokus stellt. Der Ort voller edlerer Pralinen ist der Arbeitsstelle der einsamen und besonderen Mitarbeiterin Elfie, die nur für den Laden zu leben scheint. Und dann erfährt sie von einer Praline, die es früher einmal gegeben haben soll und sie beginnt dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Die Zeiten sind schon düster, Berlin schon brandgefährlich, wie sich immer wieder an Personen zeigt, die ihre Auftritte in dem Buch haben. Da ist der jüdische Buchhändler, der enteignet werden soll, oder das kleinen Blumenmädchen, dass auf der Straße von Polizisten angegangen wird. Auf der anderen Seite ist da Sawade, ein Stück heile Welt. Doch auch dort ist nicht alles Gold was glänzt, denn Kakao zu bekommen fällt immer schwerer, man muss auch im Laden seine Zunge hüten, da das braune Nazi-Gelump aufmerksam zuhört. Und dann ist da noch das Geheimnis der alten Praline... Das Gros der Charaktere ist sympathisch und nett - nett auch mit der Schattenseite. Denn nett ist hier irgendwann auch einfach langweilig gewesen. Ich bin einfach nicht ganz überzeugt, auch wenn die verschiedenen Perspektiven und Charaktere sicher viel Potenzial hatten. Irgendwie blieben mir die Personen fremd und ihr Schicksal hatte mich nicht so berührt, wie ich das in diesem historischen Kontext erwartet hatte. Die Lektüre war mir dann doch irgendwie zu leicht, an anderer Stelle ein wenig zu langatmig, viel, viel zu vorhersehbar und ich drohte gelegentlich wirklich das Interesse zu verlieren. Es gab nicht eine überraschende Wendung, es kam exakt wie ich das vermutete und irgendwann hatte ich auch genug von den Beschreibungen von Schokolade etc. Vielleicht war es auch nicht das richtige Buch zu dieser Zeit. So bleibt das Gefühl, dass es ein nettes Buch war, dass sicher keinen längeren bleibenden Eindruck hinterlassen wird.

Veröffentlicht am 31.07.2022

True Crime Fan müssen einfach zugreifen

Maxima Culpa
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Was bringt einen Menschen dazu einem oder einigen oder gar sehr vielen Menschen einfach das Leben zu nehmen. Tickt ein Giftmörder anders als ein Amokläufer oder Sexualmörder? Wie arbeiten Teams zusammen ...

Was bringt einen Menschen dazu einem oder einigen oder gar sehr vielen Menschen einfach das Leben zu nehmen. Tickt ein Giftmörder anders als ein Amokläufer oder Sexualmörder? Wie arbeiten Teams zusammen und wie entsteht die unheilvolle Dynamik bei Tätergruppen? All das sind nur ein paar der Fragen, denen Joe Bausch hier auf den Grund geht.
Nachdem ich „Gangsterblues“ von Bausch regelrecht verschlungen hatte, musste ich bei dem Buch nicht lange überlegen und habe es einfach gekauft. Seine Expertise ist einfach klasse, der Schreibstil fesselnd. Kurz gesagt: Das ist genau mein Ding.
Wer ein großer True-Crime-Fan ist und schon so einiges gelesen, gehört und gesehen hat, wird hier auf etliche bekannte Fälle stoßen, vom Horrorhaus in Höxter, über Harold Shipman, die Drückermorde bis hin zu den Lainzer Todesengeln – doch das tut der Sache keinen Abbruch. Die bekanntesten Verbrecher wie Bundy, Manson, Dahmer, Haarmann oder Kroll lässt er aus, denn das wäre wahrscheinlich wirklich ein bisschen fad geworden- obwohl: Bausch schreibt so spannend, kurzweilig und unterhaltsam, dass man auch dann noch gebannt ist, selbst wenn man schon weiß, wie die Sache ausgehen wird. Zudem hat er auch etliche Fälle im Repertoire, die man so vielleicht noch nicht kennt und wer Einsteiger in das Genre ist, wird so einiges „lernen“ können.
Selbst komplizierte Zusammenhänge kann er scheinbar mit Leichtigkeit erklären und schrecklichste Verbrechen ohne extreme Effekthascherei präsentieren. Er schreibt klipp und klar, weidet die schaurigen Verbrechen aber nicht weiter aus, als nötig, sondern wendet sich dann lieber ähnlich gelagerten Fällen oder Tätertypen zu. Mir gefiel auch, dass er sich nicht nur auf Deutschland beschränkte, nicht nur auf die Gegenwart. Auch die Mordmotive, Tötungsarten oder gesellschaftlichen Schichten der Täter und Opfer sind breit gefächert. Die Bandbreite ist wirklich enorm, dennoch ist das Buch nicht überfrachtet und hat tatsächlich immer im Blick, wie es zu den Taten kommen konnte, was in den Köpfen der Täter vorgegangen sein muss, wie sich alles zuspitzte. Oft hatten Täter einen schlimme Kindheit, aber bei Leibe nicht immer. Es gibt sogar etliche Täter, denen man ihre Taten so nicht zugetraut hätte, während man sich bei anderen fragt, wie sie so lange unter dem Radar bleiben konnten.
Bausch präsentiert die psychologische Seite von Verbrechen extrem spannend und unterhaltsam, daher kann ich das Buch wirklich nur empfehlen. Allerdings sollte man nicht zartbesaitet sein, denn das Gros der Taten ist nahezu unfassbar…

Veröffentlicht am 24.07.2022

Gutes Thema, aber die Umsetzung...

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. (Die Emer-Murphy-Serie 1)
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Poppy, ein kleines zweijähriges Mädchen verschwindet und jeder schaut zu. Warum? Sie ist das Kind einer bekannten Bloggerin, die vom Modeblog zum Mamablog wechselte und ihre Kleine immer wieder vermarktet ...

Poppy, ein kleines zweijähriges Mädchen verschwindet und jeder schaut zu. Warum? Sie ist das Kind einer bekannten Bloggerin, die vom Modeblog zum Mamablog wechselte und ihre Kleine immer wieder vermarktet hat. Influencerin Lotte und ihr Mann sind sehr aktiv, nehmen quasi alle Werbeverträge an und teilen einfach alles – auch den Standort der Kleinen. Mit fatalen Folgen. Kommissarin Elmer hatte einen psychischen Zusammenbruch, nimmt eigentlich Psychopharmaka und ist noch beurlaubt, doch in diesem Fall wird sie gebraucht.

Das Thema ist sehr aktuell und brisant, denn Mamablogs sind wohl noch immer en vogue und ich lese auch gerne solche Geschichten, wenngleich ich prinzipiell keinen Influencern folge oder solche Blogs unterstütze (ausgenommen solche, die auch wirklich etwas können, was mich interessiert und in denen vor allem Kinder nicht im Mittelpunkt stehen). Die Gefahren des Internets aufzuzeigen ist auf jeden Fall eine gute Sache, denn einige scheinen zu vergessen, welche Gestalten sich dort rumtreiben.

Prinzipiell war die Geschichte nicht schlecht und der Schreibstil war auch recht rund und meist angenehm zu lesen, trotzdem gab es auch Momente, die mich weniger überzeugten. Gerade Elmers Großmutter und ihr Hokuspokus war aus meiner Sicht völlig überflüssig und das hat einen faden Beigeschmack bei mir hinterlassen. Elmer selbst fand ich hingegen recht überzeugend, nicht aalglatt, nicht allwissend, mit Problemen, aber in einem vertretbaren Maß. Ich könnte mir weitere Fälle vorstellen, ganz in der Hoffnung, dass es nicht noch mehr ins „Besondere“ abdriftet.

Die Geschichte hatte deutlich mehr Potenzial und die Auflösung fand ich nahezu genial (bis auf die letzte Aktion Elmers). Die diversen Wendungen waren sehr trickreich und ich wäre darauf auch nicht gekommen, allein die Umsetzung war dann nicht so ganz überzeugend. Insgesamt hatte ich auch das Gefühl, dass die ganze Zeit eine gewisse Distanz herrschte, man als Leser nicht so richtig mitfiebern kann, vielleicht weil es gelegentlich chaotisch wirkt?! Wären die Charaktere besser und mit mehr Tiefe dargestellt worden, wäre manches realistischer gewesen, wäre der Fokus mehr auf dem verschwundenen Kind gewesen…usw. dann hätte ich volle Punktzahl vergeben. War aber nicht so – da mich das Buch dennoch unterhalten hat vergebe ich der Sterne.

Veröffentlicht am 17.07.2022

Bücherwissen ohne Ende

Papyrus
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Bücher über Bücher sind bei bibliophilen Leuten natürlich immer willkommen, so war dieses Buch auch ein Must-have, denn eine abenteuerliche Reise durch die Geschichte des Buches – ganz ehrlich, da konnte ...

Bücher über Bücher sind bei bibliophilen Leuten natürlich immer willkommen, so war dieses Buch auch ein Must-have, denn eine abenteuerliche Reise durch die Geschichte des Buches – ganz ehrlich, da konnte ich nicht widerstehen.

Es beginnt schon spannend im alten Griechenland mit Buchjägern und der Bedeutung der Bücher als Statussymbol. Erklärungen zu Papyrus, Pergament, Schriftsysteme und so vieles mehr folgen - viel zu viel und viel zu umfangreich, um hier auch nur einen Bruchteil wiederzugeben. Was ich jedoch richtig gelungen fand, sind die Bezüge von der Antike in die Neuzeit. Interessant auch die Entstehung des Kugelschreibers und so vielem mehr. Auch autobiografische Züge sind im Buch enthalten und auch wenn sie nicht immer voranbringen, so passt es einfach zum Plauderstil, den die Autorin immer wieder einmal anschlägt und somit auch dafür sorgt, dass es nicht allzu trocken wird.

An diesem Buch habe ich eine gefühlte Ewigkeit gelesen. Normal ist das ja kein gutes Zeichen, aber hier ist es nicht ganz so dramatisch, denn das Buch ist einfach nur extrem umfangreich und auch inhaltlich teils fordernd (wenn man mal wieder von einem Zeitsprung überrascht wird, der Schreibstil ist an sich durchgängig gut, leicht verständlich), sodass man nicht einfach mal so 100 Seiten und mehr an einem Stück liest. Die Zeitreise ist mehrheitlich spannend, man merkt dem Buch im positiven Sinne an, dass die Autorin sehr viel recherchiert hat. Neben den Griechen sind auch die alten Römer zentral - als altem Lateiner war mir das natürlich ein wenig näher.

Und dennoch habe ich auch Kritik, denn manches hätte deutlich straffer sein können, mit mehr Struktur, weniger Wiederholungen und ich hatte aufgrund des Titels schon etwas andere Erwartungen – in Summe hat mich aber nichts davon extrem gestört, sodass ich nur einen Stern abziehe.
Man muss schon einiges an Interesse mitbringen, auch an der Antike, um mit diesem Buch warmzuwerden. Dazu benötigt man noch einiges an Durchhaltevermögen, aber es lohnt sich.

Veröffentlicht am 17.07.2022

Erschütternd gut

Die dunkle Leidenschaft
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Was bewegt Menschen dazu Verbrechen zu begehen? Warum nimmt der Hass im Netz immer und immer mehr zu? Was genau ist Hass in Abgrenzung zu Zorn und Wut? Was kann man gegen den Hass tun? Fragen über Fragen, ...

Was bewegt Menschen dazu Verbrechen zu begehen? Warum nimmt der Hass im Netz immer und immer mehr zu? Was genau ist Hass in Abgrenzung zu Zorn und Wut? Was kann man gegen den Hass tun? Fragen über Fragen, die sich immer wieder einmal stellen, wenn man nur die Zeitung aufschlägt, Nachrichten hört oder sieht. Das Sachbuch liefert einige Antworten…

Jeder sagt man ich hasse dieses oder jenes, aber meint man wirklich Hass? Was genau steckt hinter der destruktiven Emotion, die so viele Facetten annehmen kann, von Ausgrenzung über Verbale Attacken bis hin zu tätlichen Angriffen und Mord? Diesen Fragen geht der Autor, seines Zeichens Psychiater, Therapeut und Gerichtsgutachter auf die Spur und vermittelt sein Wissen sehr anschaulich, verständlich und nachvollziehbar. Wie Hass in familiären Beziehungen entsteht oder auch auf völlig Unbekannte projiziert wird, wie Hass in Gruppen eine Dynamik entwickeln kann und eine Spirale in Gang setzt.
Mittels neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse, Beispiele aus seinem Berufsalltag und dergleichen bringt er dem interessierten Leser diese dunkle Leidenschaft, die Leiden schafft, näher. Hass und mangelnde Empathie, dazu noch Gier oder beispielsweise Eifersucht können die schlimmsten Blüten treiben. Das Opfer wird entmenschlicht, degradiert zu einem Objekt.

Das Buch schaut zurück auf erschütternde Taten früher, ist aber auch höchst aktuell, der Krieg in der Ukraine ist schon Thema, auch der Polizistenmord bei Kusel und das hat mich wirklich sehr berührt, denn es passiert nicht mal 30 Km entfernt und was man zum Teil im Netz zu lesen bekam – und hier auch zitiert wird - ist einfach unfassbar. Auch nach dem gut verständlichen und informativen Buch kann ich noch immer nicht verstehen, wie man solchen Hass in sich haben kann. Es ist einfach erschreckend – und das war ausschließlich Hate-Speech, aber sie ist oft der potentielle Vorläufer zu realen Taten, wie im Buch auch sehr deutlich gemacht wird. Umso wichtiger, dass jeder Einzelne solche Dinge meldet und wenn möglich zur Anzeige bringt. Das Buch erklärt nicht nur, was Hass ist und wie er wirkt, sondern zeigt auch Wege auf, wie die Gesellschaft das Hass-Klima runterkühlen kann.
Trotz des schwierigen Themas lässt sich das Buch auch von Laien gut und schnell lesen. Der Stil ist eingängig, die Zusammenstellung aus Fällen, Studien und dergleichen sehr gut, lebendig.

Das war mal wieder ein Sachbuch, spannender als viele Thriller und vor allem erschütternder, denn hier entspringt es nicht „nur“ der Fantasie eines Autors, sondern basiert auf echten Fällen und Studien. Nicht selten stellten sich mir die Nackenhaare auf….