ACHTUNG SPOILER
Der achtjährige Jude Srulik lebt um das Jahr 1942 im Warschauer Ghetto. Nachdem er seine Mutter verloren hat, ist er ganz allein auf sich gestellt und muss sich durchs Leben schlagen. Die Flucht gelingt ihm knapp, doch damit ist er nicht gerettet. Es beginnt eine Expedition ins Ungewisse, eine Flucht ohne Ziel. Wie soll sich ein Kind allein durchschlagen? Mit anderen jüdischen Kindern, bei Bauern, in Wäldern und selbst bei einem deutschen Soldaten findet er Rückhalt. Sie riskieren alles, um dem kleinen Waisen, der ein Jude sein könnte, zu helfen. Viele hingegen andere verraten und misshandeln ihn. Kann er jemandem vertrauen und wenn ja, wem? Hunger, Einsamkeit und die kalten Winter bringen ihn immer wieder dazu, sich aus dem geschützten Wald in Richtung Zivilisation zu bewegen. Er lernt seine Herkunft zu verleugnen, um sich und seine Unterstützer nicht in Gefahr zu bringen. Aus dem Juden Srulik wird der Katholik Jurek. Doch auch auf diesen warten harte Schicksalsschläge - trotzdem übersteht er die Zeit.
Mich fesselte das Buch, das auf der Lebensgeschichte von Yoram Friedman basiert, von Beginn an. Tatsachenberichte aus der Zeit sind an sich schon sehr bewegend, doch das Schicksal eines Kindes zu verfolgen ist zuweilen sehr hart. Ganz auf sich allein gestellt, ohne eine Vorstellung, wie er in den polnischen Wäldern überleben soll, oft verraten und verkauft und nicht wissend, was mit seiner Familie geschehen ist, schlägt sich der Junge durch. Besonders traurig machte mich, dass der Junge so sehr seine Identität leugnen musste, dass er selbst irgendwann vergaß, wie er ursprünglich hieß. Bei der Lektüre wütend wurde ich, als sich der Junge bei der Arbeit verletzte. Durch eine Operation hätte seine rechte Hand gerettet werden können, doch der Arzt weigerte sich den Juden zu operieren. Am Folgetag musste der Arm über dem Ellbogen abgenommen werden. Doch neben abscheulichen Gräueltaten und menschlicher Härte gibt es auch Lichtblicke. Hilfsbereite Menschen, die ihr Leben riskieren, um dem Jungen zu helfen. Besonders bewegte hier der deutsche Soldat Werner, der den Jungen nicht auslieferte, sondern in einem Schutzbunker versteckte und sich um ihn sorgte, bis er abgezogen wurde. Srulik / Jurek überrascht durch unheimliches Geschick, Auffassungsgabe und Gespür für Menschen - sonst hätte er keine Überlebenschance gehabt. Neben der Emotionalität steckt auch viel Spannung in dem Jugendbuch, da man unbedingt erfahren möchte, die es dem Jungen ergeht.
Ein emotional aufwühlendes Buch, dass auch meinen 10-jährigen Sohn begeisterte. Es ist jedoch kein Kinderbuch! Viele Szenen müssen mit dem Kind besprochen werden, doch auch das ändert nichts an der harten Realität. Empfehlen würde ich es jedem vom Jugendalter ab.