Profilbild von schnaeppchenjaegerin

schnaeppchenjaegerin

Lesejury Star
offline

schnaeppchenjaegerin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit schnaeppchenjaegerin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.09.2017

Psychotische Nanny torpediert den Alltag einer jungen Familie - Psychothriller, den man nicht mehr aus der Hand legen kann

Dann schlaf auch du
0

Myriam und Paul Massé sind verheiratet und haben zwei kleine Kinder. Myriam fühlt sich zu Hause unterfordert und als die studierte Juristin nur noch müde und gelangweilt ist, beschließt das Paar, sich ...

Myriam und Paul Massé sind verheiratet und haben zwei kleine Kinder. Myriam fühlt sich zu Hause unterfordert und als die studierte Juristin nur noch müde und gelangweilt ist, beschließt das Paar, sich eine Nanny zu leisten, damit auch Myriam wieder arbeiten gehen kann.

Mit Louise haben sie die perfekte Kinderfrau gefunden. Die Kinder mögen sie auf Anhieb und wie eine Perle kümmert sich Louise bald nicht nur um die Kinder, sondern erledigt auch ungefragt viele Tätigkeiten im Haushalt, geht einkaufen und kocht für Familie und Freunde.

Myriam und Paul können sich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren und werden von Bekannten, um ihre zuverlässige "Nounou" beneidet. Je mehr sich Louise in der Pariser Altbauwohnung unentbehrlich macht, desto unangenehmer wird ihnen diese für sie eigentlich fremde Frau. Sie wissen nichts über ihre Herkunft, dass ihr Mann Jacques vor Kurzem verstorben ist und einen Berg Schulden hinterlassen hat, dass sie in einem schäbigen Einzimmerappartement haust und ihre eigene Tochter Stéphanie nicht im Griff hatte.

Immer häufiger kommt es zu unangenehmen Situationen, wenn Myriam oder Paul mit Louise nicht einer Meinung sind. Diese gibt zwar kaum Widerworte, der unterschwellige Zorn und der Neid auf das Leben der Besserverdiener ist jedoch spürbar.

Das Buch beginnt mit dem Ende der Tragödie und in einer chronologischen Rückblende erfährt der Leser, wie es dazu kommen konnte und ob es Anzeichen gegeben hätte, das Drama zu verhindern.
Der Roman stellt die Unterschiede der Pariser Gesellschaft sehr eindringlich dar. Auf der einen Seite hat man das bürgerliche Paar, das genügend verdient, um in einer schicken Altbauwohnung im 10. Arrondissement zu wohnen und sich als Doppelverdiener, die sich in ihrem Beruf verwirklichen wollen, eine Nanny leisten können. Auf der anderen Seite ist die soziale Unterschicht, die in den Banlieues wohnt, die sich mit schlecht bezahlten Jobs über Wasser hält. Menschen wie Louise, die vom eigenen Ehemann oder gierigen Vermietern unterdrückt werden und die anderen Nannys aus dem Maghreb oder Asien, die für einen geringen Lohn für gut situierte Paare arbeiten.

Ob der soziale Neid oder der Druck, der auf Louise lastete Auslöser für die dramatischen Ereignisse war oder ob das Kindermädchen psychisch krank war, bleibt am Ende offen, was ich etwas schade fand. Ich hätte gern mehr über die Motive von Louise und ihre Verhaltensveränderung gegenüber den Kindern erfahren.

Auch wenn das Ende schon zu Beginn vorweg genommen wird, bleibt der Roman durchgehend spannend geschrieben. Louise verursacht durch ihre biedere, verbissene Art bereits sehr früh ein unbehagliches Gefühl und löst Gänsehaut aus. Man spürt die Spannung in der Familie und fragt sich, warum es sich Myriam und Paul so einfach gemacht haben, die Anzeichen der Gefahr für ihre Kinder nicht erkennen konnten oder wollten und sich nicht mehr mit ihrem Kindermädchen auseinandergesetzt haben. Obwohl sie im Kontakt mit Louise zunehmend ein ungutes Gefühl hatten, war es ihnen wichtiger, ihre Kinder versorgt zu wissen, als sich nach einem harten Arbeitstag auch noch Gedanken um eine andere Lösung zu machen.

"Dann schlaf auch du" ist ein schockierender Psychothriller, der zeigt, wie hoch der Preis für das bisschen Glück eines perfekten Familienlebens ist und der die Schere zwischen Arm und Reich sehr realitätsnah und aus dem Leben gegriffen schildert. Für meinen Geschmack hätte der kurze Roman noch etwas ausführlicher sein können, insbesondere um das Handeln von Louise besser verstehen zu können oder um mehr Raum für eine detailliertere Aufklärung des Mords durch die Kommissarin Nina zu haben.

Veröffentlicht am 11.09.2017

Tragikomischer Roman über Liebe und das Scheitern - turbulenter Roadtrip mit sehr überraschendem Verlauf

Eddie muss weg
0

Britta und Stan sind beide Mitte 30 und seit acht Jahren ein Paar. Beruflich hat keiner von ihnen bislang viel erreicht, weshalb sie zusammen in einer von Stans Vater gesponserten Wohnung leben. Als die ...

Britta und Stan sind beide Mitte 30 und seit acht Jahren ein Paar. Beruflich hat keiner von ihnen bislang viel erreicht, weshalb sie zusammen in einer von Stans Vater gesponserten Wohnung leben. Als die Schauspielerin Britta mal wieder eine Absage für eine Rolle erhalten hat und ein am selben Abend stattgefundenes Abendessen bei einer ehemaligen Kommilitonin von Stan misslungen endet, haben sie keine Lust in die gemeinsame Wohnung zurückzukehren, wo Kumpel Olli nach Trennung und Umzug von seiner Freundin seinen Rausch ausschläft und verbringen die Nacht in ihrem Volvo, in dem sie etwas über 300 € finden. Angeregt von der DVD "Brügge sehen... und sterben?" bucht Stan spontan ein Hotelzimmer für eine Nacht und fährt mit Britta nach Belgien.

In einer Kneipe in Brügge kommen sie in engeren Kontakt mit Kellner Eddie, der die beiden nach einem Heiratsantrag von Stan traut und werden ihn, als sie wieder zurück nach Deutschland fahren wollen, so einfach nicht los.

Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht von Britta bzw. Stan erzählt. Die Perspektivenwechsel erfolgen zwar schnell, die Übergänge sind aber durch die chronologische Weitererzählung fließend, so dass man der Handlung problemlos folgen kann und Einblick in die Gefühlswelt beider Protagonisten erhält.

Stan ist derjenige, der Britta stets vor allem Bösen bewahren möchte, weshalb er auch den Roadtrip unternimmt, um die Nachricht der Jobabsage für den Werbefilm noch hinauszuzögern. Er weiß in dem Moment allerdings nicht, dass Britta ihm etwas verschweigt und dass er sie nicht vor allem schützen kann.

Der Einstieg in den Roman hat mir gut gefallen. Ich mochte den trockenen Humor und die sarkastische Erzählart, wie man Britta und Stan kennenlernt und Einblick in deren Leben erhält.
Gerade auch das aberwitzige Dinner hat genau meinen Sinn für Humor getroffen. Der Aufenthalt in Brügge, die Begegnung mit dem ominösen Kellner in der Kneipe war mir dann fast schon zu absurd. Die Intention Eddies, die beiden in der geschlossenen Kneipe zu bedienen, mit ihnen zu kiffen und am nächsten Morgen dann mit einer Urne vor deren Auto zu erscheinen, war mir zunächst nicht ganz nachvollziehbar, wurde am Ende jedoch schlüssig erklärt.
Die Stimmung auf der Fahrt zurück nach Deutschland war dann eine andere als zu Beginn des Romans. Weniger Galgenhumor, sondern vielmehr tragische Elemente, mit denen das ganze Leben von Britta und Stan in Frage gestellt wurden, standen im Vordergrund. Dass die Geschichte nicht gut enden würde, konnte man allerdings schon anhand des Klappentextes erahnen.

Wie bereits in "Fortpflanzung nach Tagesform" handelt der neue Roman von Katinka Buddenkotte von einem Pärchen meiner Generation, von der Liebe und den Problemen im Alltag, von familiären bzw. gesellschaftlichen Erwartungen und dem Scheitern, wenn man dem gängigen Muster nicht entspricht.
Die Autorin hat einen hohen Wiedererkennungswert und wer eine lebendige Mischung aus Humor und Tragik mag und auch nicht vor einer unkonventionellen, stellenweise absurden Geschichte abschrecken lässt, wird Britta und Stan auf ihrem Roadtrip in der Hoffnung eines Weges aus der Krise gern begleiten. In der Mitte des Romans war ich zwar etwas irritiert, was allerdings gewollt erschien, da nicht einmal die Protagonisten selbst mehr Fiktion und Wirklichkeit zu unterscheiden schienen, hat mir der Roman am Ende, als alle Fäden zusammengeführt wurden, gut gefallen, auch wenn ich Brittas Vorgehensweise etwas extrem fand.

Veröffentlicht am 08.09.2017

Geschichte voller Melancholie, Liebe und Verlust und die Gabe des Verzeihen, die zu Herzen geht

Der Klang deines Lächelns
0

Der Familienvater Joe Taylor rettet einen fremden Jungen und dessen Hund vor dem Ertrinken auf einem zugefrorenen See und fällt anschließend selbst ins Koma. Im Krankenhaus begegnet seine Ehefrau Alexandra, ...

Der Familienvater Joe Taylor rettet einen fremden Jungen und dessen Hund vor dem Ertrinken auf einem zugefrorenen See und fällt anschließend selbst ins Koma. Im Krankenhaus begegnet seine Ehefrau Alexandra, genannt Ally, Charlotte Williams nach fast acht Jahren wieder, die wegen ihres Mannes David auf der Intensivstation wartet. Er ist mit einem Herzanfall in einem Einkaufszentrum zusammengebrochen und leidet unter einer Viruserkrankung, die den Herzmuskel angreift.
David ist der Exfreund von Ally, der diese für Charlotte verlassen hatte. Für beide Frauen ist es ein Schock, sich in dieser Ausnahmesituation wieder zu treffen und die Nacht gemeinsam in dem engen Wartezimmer der Intensivstation verbringen zu müssen, wo sie auf neue Nachrichten der Ärzte warten.

In Rückblenden erfährt man sowohl aus Allys als auch aus Charlottes Sicht, wie sich die Frauen kennenlernten und in welche unterschiedliche Richtungen sich ihre Beziehungen zu David entwickelten. Die Erinnerungen werden nicht chronologisch erzählt, was für mich jedoch nicht verwirrend war, sondern für interessante Überraschungsmomente sorgte. Diese hat der Roman auch nötig, da die Handlung in der Gegenwart sehr vorhersehbar ist.

Nachdem ich bereits "Die Achse meiner Welt" und "Die Nacht schreibt uns neu" von Dani Atkins gelesen und geradezu verschlungen habe, hatte ich hohe Erwartungen an "Der Klang deines Lächelns", die die Autorin jedoch nicht ganz erfüllen konnte. Auch dieser Roman erzählt wieder sehr emotional vom Schicksal zweier Frauen, ist hochdramatisch, kann aber nicht wie die beiden Vorgängerromane mit einem überraschenden Ende aufwarten.

Nichtsdestotrotz taucht man als Leserin unmittelbar in die Gedanken- und Gefühlswelt der beiden Protagonistinnen ein und leidet von Anbeginn mit ihnen mit. Dani Atkins schafft es unheimlich packend und emotional zu schreiben, was sie schon zu Beginn des Buches auf dem Eis eindrucksvoll unter Beweis stellt.
Die Handlung spielt sich an nur einem verschneiten Tag im Dezember ab und dennoch lernt man alle Charaktere intensiv kennen.

Ally und Charlotte sind in ihren Charaktereigenschaften grundverschieden. Während Ally die zurückhaltende, sensible Musikerin ist, die aus eher einfach familiären Verhältnissen stammt und immer hart und ehrgeizig für ihr Vorankommen arbeiten musste, ist Charlotte eine Frau, der im Leben viel in den Schoß gefallen zu sein scheint. Das Schicksal führt die beiden nach Jahren wieder zusammen und nun befinden sie sich in ein und derselben hilflosen Situation: Sie bangen jeweils um ihren geliebten Ehemann und hoffen, dass sie das Krankenhaus gemeinsam mit ihm verlassen können.

Wie bereits in den beiden Büchern zuvor, beschäftigt sich auch dieser Roman mit der Frage, wie sich das Leben entwickelt hätte, wenn man in der Vergangenheit eine andere Entscheidung getroffen hätte und welche Auswirkungen diese auf die Gegenwart gehabt hätte. Auch wenn eine Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt als die richtige erschien, kann sie sich aus späterer Sicht als falsch erwiesen haben. Vielleicht ist aber auch alles nur Schicksal? In "Der Klang deines Lächelns" befinden sich beide Frauen letztlich in einer Dezembernacht im Krankenhaus, unabhängig davon wer mit David verheiratet ist.

Während ich den Beginn des Romans sehr ergreifend fand und es zunächst interessant war, die Protagonisten in ihren Konstellationen kennenzulernen, baute sich aufgrund der Vorhersehbarkeit des Romans im Mittelteil keine Spannung auf und die Handlung der Gegenwart plätscherte vor sich hin und wurde nur durch Erinnerungen der beiden Frauen, die zum Teil dieselben Ereignisse aus zweierlei Sicht beschreiben, unterbrochen. Im letzten Viertel des Romans, in welchen auch die Dramatik wieder zunahm, wurden doch noch Details aus den Familien Williams und Taylor bekannt, mit denen ich nicht gerechnet habe.

"Der Klang deines Lächelns" ist eine Geschichte voller Melancholie, die zu Herzen geht und ich habe vor allem mit dem Schicksal von Ally gehadert, der so viel Ungerechtigkeit widerfährt.
Es ist eine Geschichte über Liebe und Verlust und die Gabe des Verzeihens, die berührt, aber der es im Gegensatz zu den beiden anderen Romanen von Dani Atkins an den rätselhaften Elementen und einer überraschenden Wende fehlt.

Veröffentlicht am 06.09.2017

Stadtneurotikerin auf der Jagd nach ihrem Traumprinzen - humorvolle Liebesgeschichte und kreativ gestalteter Roman

Vorwärts küssen, rückwärts lieben
0

Im Supermarkt um die Ecke in Berlin Prenzlauer Berg begegnet Pia zum ersten Mal ihrem Traumprinz an den Tiefkühltruhen, als sie beide zeitgleich zur letzten Pizza Mozzarella greifen. Gentleman-like überlässt ...

Im Supermarkt um die Ecke in Berlin Prenzlauer Berg begegnet Pia zum ersten Mal ihrem Traumprinz an den Tiefkühltruhen, als sie beide zeitgleich zur letzten Pizza Mozzarella greifen. Gentleman-like überlässt der Anzugträger Pia die Pizza und verschwindet.
Pia, die freischaffend als Kinderbuchautorin arbeitet, legt sich fortan auf die Lauer, um den schönen Unbekannten rein zufällig wieder zu treffen.
Als sie sich dann tatsächlich wieder bei Kaiser's aufeinander treffen, lädt sich August spontan bei Pia zum Pizzaessen ein. Pia ist hin und weg von ihrem Schwarm, auch wenn er als reicher Schnösel nicht so ganz in ihr Beuteschema passt. Auch ihr schwuler bester Freund Eddi ist skeptisch, ob der zunächst zu perfekte August der Richtige für Pia ist. Und tatsächlich ist Pias Eroberung doch nicht so traumhaft wie sie auf den ersten Blick scheint, werden die gemeinsamen Momente aufgrund ständiger geschäftlicher Abwesenheit des Liebsten immer weniger...

Sybille Hein ist freie Illustratorin und zeichnet für Kindergeschichten, was man auch dem liebevoll gestalteten Roman entnehmen kann und weshalb man sich fragt, wie viel von der Autorin in der Protagonisten Pia stecken mag.

Die Mittdreißigerin Pia ist ein chaotischer Typ, die mit ihrem Kater Glitzi zusammenlebt und als kreativer Kopf gedanklich ihre eigenen Luftschlösser baut und schon einmal das Problem hat, Traum und Wirklichkeit von einander zu unterscheiden. Gerade ihre etwas unbedarfte Art von einem Tag auf den anderen zu leben und ihre sprunghaften Gedankengänge machen den Roman abwechslungsreich unterhaltsam.
Durch die bildhaften und eingängigen Beschreibungen der Umgebung fühlt man sich selbst nach Berlin versetzt bzw. wer schon einmal in Berlin war, wird auch den ein oder anderen Schauplatz in Pias Kiez wiedererkennen.

"Vorwärts küssen, rückwärts lieben" ist keine emotionale, sondern eine bewusst witzig gehaltene, sehr lebhafte Liebesgeschichte, was durch die wortgewandten Dialoge, den ironisch-humorvollen Schreibstil, die vereinzelten Grafiken und Liedtexte (z.B. "Montag Morgen") der Kabarettistin Sybille Hein noch unterstrichen wird.
Der Roman ist in zwei Abschnitte unterteilt, wobei der erste Teil den deutlich größeren Umfang ausmacht, und wodurch sich dann auch der Titel erklärt.
Gerade im zweiten Teil zeigen sich dann auch die "Rosinen im Kopf" der Autorin - man muss insofern offen sein für ein bisschen Verrücktheit, bis man am Ende dann doch den roten Faden des Romans erkennen kann.

In sich ist das ganze Buch samt Gestaltung ein kleines Kunstwerk, das zudem noch intelligent geschrieben ist, an mancher Stelle aber auch hätte gekürzt werden können.

Veröffentlicht am 04.09.2017

Interessante Idee für eine dramatische Liebesgeschichte mit Mysteryelementen: guter Beginn, aber gegen Ende immer platter

In dieser ganz besonderen Nacht
0

Nachdem die Mutter der 17-jährigen Amber an Krebs verstorben ist, muss sie zu ihrem Vater Ted in die USA ziehen, der Ambers Mutter früh verlassen hat und den Amber deshalb kaum kennt. In San Francisco ...

Nachdem die Mutter der 17-jährigen Amber an Krebs verstorben ist, muss sie zu ihrem Vater Ted in die USA ziehen, der Ambers Mutter früh verlassen hat und den Amber deshalb kaum kennt. In San Francisco fühlt sie sich zunächst einsam, findet aber in der Schule bald Freunde, die die selbe Gabe wie Amber teilen: Sie können verstorbene Seelen sehen.

Amber wurde dies erstmalig bewusst, als sie auf der Flucht vor einer kriminellen Bande Zuflucht in einer verlassenen Villa sucht. Dort trifft sie auf Nathaniel, der sich ihr behutsam annähert und für den sie bald viel mehr empfindet als zwischen beiden sein darf. Denn sie leben in unterschiedlichen Welten Nathaniel ist bereits im 19. Jahrhundert verstorben und die beiden können sich nicht einmal berühren. Nur in einer ganz besonderen Nacht, der Nacht auf Allerheiligen, sind die Seelen der Verstorbenen präsenter, wodurch Nathaniel Amber auch körperlich näher kommen kann. Die Konsequenzen dieser Nacht waren für beide nicht vorhersehbar. Damit Amber den Bezug zum Hier und Jetzt nicht ganz verliert und damit auch Nathaniel endlich seinen Frieden finden kann, scheint es nur eine Lösung zu geben: Nathaniel muss die Zwischenwelt überwinden und auf die andere Seite gehen.

Nachdem mir der Anfang des Romans wirklich gut gefallen hat und man als Leser die Trauer und die Wut von Amber spüren konnte, die nicht nur viel zu früh ihre Mutter verloren hat, sondern auch noch ihre vertraute Umgebung, Freunde und Großeltern verlassen musste, um zu dem ihr fremden Vater zu ziehen. Die Entwicklung, wie Amber wieder auflebt, als sie merkt, wie sehr sich ihr Vater um sie bemüht und dass sie neue Freunde in der High School finde, ist lebensnah und unterhaltsam geschrieben. Auch die Beschreibung der Stadt ist so detailliert und anschaulich, dass man sich nach San Francisco versetzt fühlt und gar nicht merkt, dass de Roman von einer deutschen Autorin verfasst ist.

[Achtung SPOILER]

Die zweite Hälfte des Romans drehte sich fast ausschließlich um die fantastische Liebesgeschichte zwischen Amber und Nathaniel. Auch wenn ich mich bewusst auf diese übersinnliche Geschichte eingelassen habe, driftete die Erzählung so weit ab, dass die Handlungen der Protagonisten und vor alle auch die Gefühlswelt von Amber überzogen bis realitätsfern wurden. Nicht nur, dass Amber auf die Schnelle drei Freunde findet, die auf mysteriöse Weise auch Geister sehen können, sondern auch diese körperliche Anziehungskraft, die für einen Jugendroman ab 12 Jahren zu ausgeprägt dargestellt war, empfand ich als übertrieben. Ein einziger Vertrauter für Amber und eine Reduzierung auf eine Seelenverwandtschaft zwischen Amber und Nathaniel wären für die Handlung ausreichend gewesen und hätten den Roman zu einer berührenden, dramatischen (Liebes-)geschichte mit Mysteryelementen machen können.

[SPOILER Ende]

Auch die Dialoge waren ab der zweiten Hälfte des Romans zunehmend platter und mich nervten insbesondere die auf Äußere reduzierten Beschreibungen der handelnden Personen wie "kaffeebraune, gazellenartige Schönheit", "perfekt geformter Po", "starke muskulöse Arme" etc., die mir im Verlauf des Lesens immer penetranter ins Auge stachen. Hätte die Autorin auf diese Beschreibungen verzichtet und den Fokus auf das Wesentliche gerichtet, wäre der Roman weitaus spannender geblieben und hätte sich nicht auf fast 600 Seiten ausdehnen müssen.