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Veröffentlicht am 02.09.2017

Gewohnt humorvolle Liebesgeschichte von Petra Hülsmann mit Happy End-Garantie

Wenn Schmetterlinge Loopings fliegen
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Karoline Maus stammt aus dem Ruhrpott in der Nähe von Bochum und hat per Fernstudium Wirtschaftswissenschaft studiert. Da sie in ihrer Heimat keinen Job findet, nimmt die 28-Jährige eine bessere Praktikantenstelle ...

Karoline Maus stammt aus dem Ruhrpott in der Nähe von Bochum und hat per Fernstudium Wirtschaftswissenschaft studiert. Da sie in ihrer Heimat keinen Job findet, nimmt die 28-Jährige eine bessere Praktikantenstelle bei dem Erstliga-Fußballverein Eintracht Hamburg an. Dort ist sie persönlich für den Star-Spieler Patrick Weidinger verantwortlich, der eine Formkrise hat und davon abgehalten werden soll, nachts in Kneipen herumzuhängen sowie - selbst ohne Führerschein - pünktlich zum Training gefahren werden soll.

Auch wenn die neue Arbeit nicht ihrem Studium gerecht wird, lässt sich Karo aufgrund der guten Bezahlung auf das Angebot ein und zieht in eine WG zu ihrer alten Freundin Saskia, die sich die Wohnung mit dem Finnen Pekka und Nils teilt.

Patrick behandelt Karo zunächst etwas herablassend als seine Fahrerin ohne viele Worte mit ihr zu wechseln.
Da sie aber notgedrungen viel Zeit miteinander verbringen, nähern sie sich doch so langsam an und Patrick findet sogar allmählich ohne weitere Exzesse zu seiner alten Form zurück, so dass auch der Verein sich aus der Abstiegszone entfernt. Karo wechselt dann vom Spielermanagement ins Sponsoring, wo sie gute Ideen entwickelt, aber weder von ihrer Kollegin Nadja noch von ihrem Chef ernst genommen wird. Auch das Verhältnis zu Patrick ist merklich unterkühlt, seitdem sie bei der Weihnachtsfeier mit Pekka, ihrem angeblichen Lebensgefährten, erschienen ist. Aus dem Lügengeflecht kommt sie aber so einfach nicht mehr heraus und auch in der WG herrscht dicke Luft, weil Saskia und Nils aus falschem Stolz nicht zueinander finden.

"Wenn Schmetterlinge Loopings fliegen" ist das dritte Buch, den ich von Petra Hülsmann nach "Glück ist, wenn man trotzdem liebt" und "Das Leben fällt, wohin es will" gelesen habe.
Auch dieser Roman, der wieder überwiegend in Hamburg spielt, bietet wieder eine leichte Lektüre, die auf humorvolle Art im gewohnten Stil der Autorin unterhält.
Gerade zu Beginn, als sich Karo und Patrick kabbeln und Karo in ihrer lockeren Art kein Blatt vor den Mund nimmt, ist der Roman wirklich amüsant zu lesen. Als dann jedoch klar wird, dass Karo mehr für Patrick empfindet und er ihr gegenüber auch nicht abgeneigt sein kann, sie sich aber nicht offenbart, dass die Beziehung zu Pekka nur zur Erlangung des Jobs von ihr erfunden wurde, beginnt das für Chic Lit so typische Hin und Her und die Geschichte driftet dann etwas einfallslos vor sich hin, wobei insbesondere die Protagonisten ihrem Glück selbst im Weg steht, bis das vorhersehbare Happy End eintrifft und Karo endlich weiß, was sie privat und beruflich möchte.

Der zweite von Petra Hülsmann veröffentlichte Roman erfüllt alle Erwartungen, die man an eine romantische Liebeskomödie hat, konnte aber keine unvergesslichen Highlights setzen. Wenn man schon mehrere Romane der Autorin gelesen hat, die einen hohen Wiedererkennungswert haben, wird auch offensichtlich, dass sich die Charaktere der jungen Frauen sehr ähneln.

Veröffentlicht am 01.09.2017

Prequel zu dem berührenden Liebesroman "Ein Bild von dir", Kurzgeschichten über den Zweifel der Protagonisten Sophie und Liv zu Beginn ihrer Ehen

Die Tage in Paris
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Bei "Die Tage in Paris" handelt es sich um das Prequel zu "Ein Bild von dir". Erzählt wird die Zeit als sowohl Olivia wie auch Sophie mit ihren Ehegatten frisch vermählt sind und zweifeln, ob es die richtige ...

Bei "Die Tage in Paris" handelt es sich um das Prequel zu "Ein Bild von dir". Erzählt wird die Zeit als sowohl Olivia wie auch Sophie mit ihren Ehegatten frisch vermählt sind und zweifeln, ob es die richtige Entscheidung war, zu heiraten.

Liv und David verbringen ihre Flitterwochen im Jahr 1998 in Paris. David hatte die Hochzeitsreise bereits im Vorfeld von einer Woche auf fünf Tage verkürzt und nimmt auch jetzt in Paris Geschäftstermine war statt sie Zeit mit seiner Ehefrau zu verbringen. Liv ist enttäuscht, dass David seine Karriere wichtiger zu sein scheint als ihre junge Liebe und erkundet Paris notgedrungen auf eigene Faust. Wenn sich das Paar dann wiedersieht, kommt es immer wieder zum Streit.

1912 erleben Sophie und Édouard Lefèvre ihre ersten Tage nach der Hochzeit in Paris miteinander. Édouard ist ein talentierter und gefragter Maler, er allerdings keinen Geschäftssinn hat, weshalb sich Sophie, die aus sehr einfachen Verhältnissen stammt, dafür engagiert, dass seine Kunden ihre offenen Rechnungen begleichen. Édouard umgibt sich gern mit schönen Frauen, die er zeichnet, weshalb Sophie bei der Begegnung mit einem seiner Aktmodelle ernsthafte Zweifel an seiner Treue hegt.

Als Vorgeschichte zu "Ein Bild von dir" erfährt man, wie das Bild "Gattin, verstimmt" entstanden ist und wie es letztlich zwei Ehen vor einem frühzeitigen Scheitern rettete.

Da ich die berührenden Lebensgeschichten von Sophie und Liv sehr gern gelesen hatte, fand ich diese Ergänzung interessant, um noch ein bisschen mehr zum Hintergrund beider Frauen zu erfahren, insbesondere da Livs Ehemann in "Ein Bild von dir" bereits tot war - für das Verständnis des Romans zwingend notwendig ist die Vorgeschichte allerdings nicht.

Auch wenn man mit diesem Buch nur einen kurzen Einblick in Livs und Sophies Lebens- und Gefühlswelt erhält, fühlt man mit ihnen mit und kann ihre Zweifel an ihren Ehemännern nachvollziehen und verstehen, dass sie besorgt sind, einen schweren Fehler begangen zu haben. Schön war es, die Parallelen zwischen beiden Frauen festzustellen und wie die Verbindung zwischen beiden durch das von Édouard gefertigte Porträt hergestellt wird.

Da es sich um ein sehr schmales Hardcover mit kaum mehr als 100 Seiten handelt, könnte man von einer XXL-Leseprobe von "Ein Bild von dir" sprechen. Da das Büchlein aber auch innen liebevoll durch einzelne hübsche Grafiken mit Szenen aus Paris gestaltet ist, ist der Preis dafür geradeso gerechtfertigt. Als Geschenkbuch und für eingefleischte Jojo Moyes-Fans kann ich es daher empfehlen.

Veröffentlicht am 30.08.2017

Im Grunde eine schöne Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen, aber zu viel Schicksalsschläge, Drama und am Ende überwog der Kitsch.

Heute fängt der Himmel an
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Die Geschichte von Emily Emerson bzw. ihrer verstorbenen Großmutter Margaret Mae Evans wird auf zwei Zeitebenen erzählt.
Die Gegenwart handelt von Emily und wie sie einen anonymen Brief mit einem Bild ...

Die Geschichte von Emily Emerson bzw. ihrer verstorbenen Großmutter Margaret Mae Evans wird auf zwei Zeitebenen erzählt.
Die Gegenwart handelt von Emily und wie sie einen anonymen Brief mit einem Bild ihrer Großmutter erhält, durch den sie erfährt, dass ihr Großvater angeblich nie aufgehört hat, Margaret zu lieben. Das Bild wurde in einer Galerie in Deutschland restauriert, die ihr telefonisch jedoch keine weiteren Auskünfte erteilen kann, den Maler oder den Überbringer der Botschaft ausfindig zu machen. Emily nimmt sodann Kontakt mit ihrem Vater auf, der sie und ihre bereits vor einigen Jahren verstorbene Mutter verlassen hatte. Er erzählt ihr von einem Jeremiah, der ein guter Freund seiner Mutter war. Emily besucht ihn und kann so einiges von der Vergangenheit ihrer Großmutter in Erfahrung bringen und zumindest die Identität ihre Großvaters klären.
Sie begibt sich auf die Suche nach ihm und wird dabei von ihrem Vater, der offensichtlich von einem schlechten Gewissen geplagt Wiedergutmachung leisten möchte, bis nach Deutschland begleitet.

Die Geschichte der Gegenwart wird durch Kapitel unterbrochen, die in den Jahren 1944 bis 1946 spielen und in denen zu erfahren ist, wie Margarete im Jahr 1944 den Kriegsgefangenen Peter Dahler, der auf der Zuckerrohrplantage ihrer Eltern in Florida beschäftigt war, kennenlernte. Dieser hatte in Afrika unter Rommel gekämpft, bis die Alliierten die deutsch-italienische Allianz besiegten. Die beiden verlieben sich verbotenerweise ineinander und Margarete wird von ihm schwanger. Als der Zweite Weltkrieg vorbei ist, kehrt Peter wieder nach Deutschland zurück und verspricht, Margarete nachzuholen. Diese erhält aber lange keine Nachricht von ihm, bis er ihr in einem Brief mitteilt, dass er eine langjährige Freundin heiraten wird.

Von der Autorin habe ich bereits den gefühlvollen Roman "Über uns der Himmel" gelesen.

Wie auch der Roman auf zwei völlig unterschiedlichen Handlungsebenen spielt, lässt er mich mit gemischten Gefühlen zurück, was vor allem daran liegt, dass er in meinen Augen zu überladen ist.

[Achtung Spoiler]

Da ist zunächst Emily, die als Kind von ihrem Vater verlassen wurde und mit gerade einmal 18 Jahren ihre Mutter verloren hat, als sie selbst schwanger war. Sie verließ ihre große Liebe, um Nick nicht mit der Verantwortung einer ungewollten Schwangerschaft zu belasten, bringt das Kind ohne sein Wissen zur Welt und gibt es zur Adoption frei. Halt fand Emily bei ihrer Großmutter väterlicherseits, die sich ich in dieser schwierigen Zeit um sie kümmerte. Dies ist nun vor Kurzem verstorben und auch ihren Freund Scott hat Emily verlassen, weshalb sie sich ganz allein fühlt. Sie bereut es, ihre Tochter weggegeben zu haben und versucht sie über verschiedene Adoptionsforen ausfindig zu machen seit ihre Catherine volljährig ist.

Durch den Erhalt des Gemäldes mit dem geheimnisvollen Brief nimmt die gerade auch noch arbeitslos gewordene Journalistin Kontakt zu ihrem Vater auf. Nach wie vor hegt sie einen tiefen Groll gegen Victor, nimmt aber seine Unterstützung bei der Suche nach ihrem Großvater an. Bei ihren Begegnungen mit historischen Zeitzeugen kommen sich Vater und Tochter näher, bis das Schicksal ein weiteres Mal zuschlägt und Emily erfährt, dass Victor an Leberkrebs erkrankt ist.

Das Leben ihrer Großmutter wird interessanterweise rein aus der Perspektive von Peter erzählt. Einerseits habe ich dadurch einige Details über die Zet des Zweiten Weltkrieges und die Jahre danach erfahren, die mir noch nicht bekannt waren. Die Situation von Peter als deutschen Kriegsgefangenen in Amerika und späteren Zwangsarbeiter in England war interessant und lehrreich zu lesen, vor allem da die Autorin die Deutschen nicht per se als Nationalsozialisten abgestempelt hat. Auf der anderen Seite blieb mir Margaret, die sich nicht für die deutschen Kriegsgefangenen interessierte, sondern sich auch gegen den Rassismus in den Südstaaten einsetzte, fremd und die traurige Liebesgeschichte zwischen Peter und ihr konnte mich nicht berühren, da es schlicht zu wenig Kontakte zwischen den beiden gegeben hat. Dass beide von ihrer "großen Liebe" gesprochen haben, die aber unerreichbar war und sie nie wieder richtig glücklich geworden sind, konnte ich insofern nicht nachvollziehen.

[Spoiler Ende]

Emilys Ansichten sind sehr engstirnig, so kann sie lange sich selbst und auch ihrem Vater nicht verzeihen und macht sich damit das Leben unnötig schwer. In Männer hat sie jedwedes Vertrauen verloren, weshalb sie zu keiner glücklichen Beziehung fähig ist. Ihren Exfreund ruft sie nachts an, um körperliche Befriedigung zu erfahren, was nicht so richtig zu der sonst so sensiblen Emily passen wollte. Ich empfand den vom Schicksal gebeutelten Charakter schwierig und konnte mich nicht mit ihr identifizieren.

Dennoch ist es spannend zu erfahren, was es mit dem Gemälde auf sich hat, das die junge Margaret darstellt und ob es Emily gelingen wird, ihren Großvater zu finden, der inzwischen im hohen Alter von über 90 Jahren sein muss. Gegenwart und Vergangenheit werden dabei geschickt und in einem ausgewogenen Verhältnis miteinander verwoben. Die Geschichte von Emily und ihrer Großmutter bzw. ihren Großvater enthielt mit dennoch zu viele Schicksalsschläge, zu viel Drama und am Ende zu viel Kitsch. Die Charakteren wirkten in Teilen unglaubwürdig und unausgereift.

Den "himmlischen" Roman, den ich im letzten Jahr von der Autorin gelesen hatte, wusste mich insofern mehr zu überzeugen.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Roman über ein einsames Mädchen, das die Welt verbessern möchte, dabei an ihre Grenzen stößt und mit der harten Realität konfrontiert wird.

No & ich
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Die 13-jährige Lou Bertignac hat einen IQ von 160, zwei Klassen übersprungen und geht in die 10. Klasse einer ganz normalen Schule in Paris. Sie ist schüchtern, möchte nicht auffallen und hält sich während ...

Die 13-jährige Lou Bertignac hat einen IQ von 160, zwei Klassen übersprungen und geht in die 10. Klasse einer ganz normalen Schule in Paris. Sie ist schüchtern, möchte nicht auffallen und hält sich während des Unterrichts mit Beiträgen zurück. Als sie ein Referat vor der Klasse halten soll, wählt sie aus einer spontanen Idee die Obdachlosigkeit von Frauen in Frankreich als Thema aus, da ihr eine junge Frau am Bahnhof aufgefallen war.

No ist 18 Jahre alt und lebt auf der Straße. Für ihr Referat möchte Lou sie interviewen und nähert sich ihr an, indem sie No in Cafés einlädt. Statt zur Cola greift No allerdings zu Wodka und erzählt Lou nach und nach ihre Geschichte.

Die hochbegabte Lou ist ein Mensch, der alles versucht zu analysieren, um es in Gänze zu durchdringen. Sie stellt Theorien auf, die es zu bestätigen bzw. zu widerlegen gilt und führt in ihrer Freizeit zu Hause in Eigenregie kleine "Konzeptexperimente" und "Widerstandsfähigkeitstests" durch. No entwickelt sich zu ihrem ganz eigenen Projekt und als sie merkt, dass No vergeblich versucht an Jobs zu kommen, die daran scheitern, dass sie keinen festen Wohnsitz hat, kann Lou sogar ihre Eltern dazu bewegen, No im Kinderzimmer ihrer am plötzlichen Kindstod verstorbenen Schwester aufzunehmen.

In ihrer kindlichen Naivität versucht Lou No von der Straße zu retten und ihrem Leben eine Struktur zu geben. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, die junge Frau zu zähmen, was eine enorme Herausforderung für die sonst so ängstliche Lou herausstellt, die sich von ihrer Mutter vernachlässigt und ungeliebt fühlt und an ihrer neuen Aufgabe über sich hinauswächst.

"No & ich" ist ein Roman über eine ganz besondere Freundschaft zwischen zwei ungleichen Menschen, die sich kaum kennen. Die jüngere Lou ist eine Einzelgängerin und versucht die obdachlose No, die aus dem sozialen Netz gefallen ist, wieder zu integrieren. Lou ist zwar ein sehr analytisch denkender Mensch, geht das Projekt "No" aber sehr blauäugig an. Sie hat schon fast eine romantische Vorstellung davon, No zu einer festen Arbeit und einer eigenen Wohnung zu verhelfen. Sie kann einfach nicht verstehen, wie es in einer so fortschrittlichen Welt Menschen geben kann, die verwahrlost auf der Straße leben.

Es ist ein einerseits sehr positiver Roman der die Welt ein Stück besser machen will und in der Lou mit ihren naiven Vorstellungen eine Vorbildfunktion für die Erwachsenen einnimmt, die Obdachlose in ihrem Alltag nicht mehr wahrnehmen. Auf der anderen Seite ist es aber auch ein melancholischer Roman, da Lou aus in einem traurigen Elternhaus großgeworden ist und ihr einsamer Alltag sehr monoton ist. Durch das Zusammenleben mit No erwacht Lous Mutter aus ihrer Lethargie und beginnt, ihre Umwelt wieder wahrzunehmen, No selbst hat jedoch massive Schwierigkeiten, sich zu integrieren.
Der Roman zeigt, wie schwierig es ist und wie viel Geduld und Hingabe nötig sind, um einen Menschen schon nach nur wenigen Wochen oder Monaten auf der Straße mit einer ganz anderen Abhängigkeit zu konfrontieren.

"No & ich" ist zwar eine Geschichte über das Erwachsenwerden, die ich mich auch als Schullektüre vorstellen könnte, ist aber auch für Erwachsene lesenswert und zum Nachdenken anregend.

Veröffentlicht am 26.08.2017

Geschichte über Landflucht, Außenseitertum und die ungeschönte Härte des Lebens, hier wird "Dunkeldeutschland" seinem Namen gerecht

Nach Onkalo
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Der 40-jährige Hans Matuschek wohnt in einem Ort im Norden Ostddeutschlands, der einen trostlosen, verlassenen Eindruck macht. Seine Mutter, die sich bisher um alles im Haushalt und das Wohlergehen ihres ...

Der 40-jährige Hans Matuschek wohnt in einem Ort im Norden Ostddeutschlands, der einen trostlosen, verlassenen Eindruck macht. Seine Mutter, die sich bisher um alles im Haushalt und das Wohlergehen ihres Sohnes gekümmert hat, ist gerade verstorben. Hätte Matuschek nicht seinen hilfsbereiten Nachbarn,m den Russen Igor und den "Alten" Witt, wäre Matuschek hilflos auf sich allein gestellt.

Matuschek züchtet seit seinem 14. Lebensjahr als Geschenk seines Vaters Brieftauben und arbeitet als Wetterbeobachter an einem ehemaligen Militär-Flugplatz der DDR. Mit Igor geht er regelmäßig einen trinken und bekommt von ihm seine Verwandte Irina aus Irkutsk vermittelt, die in Deutschland als Änderungsschneiderin arbeitet. Doch die Affäre mit Irina währt nur kurz, sie lässt den sozial wenig empathischen Matuschek nicht an sich heran. Als Matuschek dann auch noch seine Arbeitsstelle und Igor verliert, geht "alles den Bach runter". Passend zur ohnehin schon gedrückten Stimmung, flüchtet sich Matuschek in den Alkohol, hat keine Kontakte mehr zu anderen Menschen, kümmert sich nicht einmal mehr um seine geliebten Tauben und lässt sich selbst bis zur Verwahrlosung gehen.

Der Titel "Nach Onkalo" bezieht sich auf das Atommüll-Endlager Onkalo in Finnland. Der alte Witt, der unter seinem Haus einen Bunker angelegt hat, um sich vor bürgerkriegsähnlichen Szenarien zu schützen, hat bis zur Stilllegung des Atomkraftwerks Lubmin dort gearbeitet und panische Angst vor einem atomaren Unfall.

"Nach Onkalo" steht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2017, wodurch ich erst auf die Autorin und ihren Roman aufmerksam geworden bin.

Es ist ein Roman über einen langjährigen, etwas sonderbaren Single in der ostdeutschen Provinz, dem sein Leben nach dem Tod seiner Mutter entgleitet. Der Ort, in dem Matuschek wohnt, ist von der Abwanderung der jungen Menschen, insbesondere der Frauen, in die Städte geprägt. schulen wurden geschlossen, Bahnstrecken stillgelegt und übrig ist nur noch eine Tankstelle und ein Supermarkt. Und auch Matuschek wird hier nicht bleiben, sondern sein Zuhause an Investoren aus Berlin verkaufen.

Matuschek ist wie der Russe Igor und Witt ein Außenseiter, der kaum in der Lage ist, seinen Alltag zu bewältigen. Erst als er ganz am Boden ist und alles verloren erscheint, rafft er sich auf und schafft sich selbst eine neue Perspektive.

Der Roman ist literarisch hochwertig und bildhaft geschrieben. Matuschek ist ein Antiheld, der nüchtern und aus der Distanz betrachtet wird. Auch die Sprache ist passend dazu, die Dialoge bestehen aus knappen Sätzen und können ohne Kennzeichnung als direkte Rede leicht überlesen werden.
Die Geschichte über Landflucht, Außenseitertum und das persönliche Scheitern ist nicht ganz eingängig geschrieben und schildert ungeschönt die Härte des Lebens. Auch wenn es für Matuschek nach seinem Absturz wieder aufwärts geht, war mir der Roman mit der Aussparung von etwas Freude und Glück zu brutal realistisch und nicht im eigentlichen Sinne unterhaltsam.
"Nach Onkalo" war interessant zu lesen, aber ich war froh, als ich den Roman, in dem irgendwie alles grau war, beendet hatte.