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Veröffentlicht am 02.07.2022

Zynisch und klug!

Die Diplomatin
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Wie der Titel unschwer erkennen lässt, geht es um eine Diplomatin – Friederike Andermann. Fred.
Fred ist um die 50 und ein echtes Arbeitstier, das sich erfolgreich die Beamtenleiter hochgekämpft und das ...

Wie der Titel unschwer erkennen lässt, geht es um eine Diplomatin – Friederike Andermann. Fred.
Fred ist um die 50 und ein echtes Arbeitstier, das sich erfolgreich die Beamtenleiter hochgekämpft und das erreicht hat, was für viele andere (Frauen) jenseits jeglicher Vorstellungskraft liegt: Ein Posten in der deutschen Botschaft – und das seit bereits 20 Jahren. Jedoch ist sie kein bisschen so, wie man sich eine alteingesessene Beamtin im höheren Dienst vorstellt. Sie hält nichts von leeren Phrasen und will wirklich etwas bewirken. Auf traditionsbedingte Oberflächlichkeiten, wie beispielsweise die Ausrichtung eines dritten Oktobers, blickt sie durchaus zynisch und vertraut lieber ihrem eigenen Bauchgefühl, als dem geforderten Protokoll zu folgen, wofür sie auch des Öfteren die teilweise unschönen Konsequenzen tragen muss. Dennoch versucht sie stets, an alle Fälle objektiv heranzugehen, wodurch sie sich deutlich von einigen ihrer Kollegen unterscheidet, die das Ausmaß ihrer Handlungen meist erst mit der betreffenden Person und deren Rang und Namen abstimmen. Somit handelt es sich bei Fred um eine äußerst idealistische und unkonventionelle Vertreterin ihres Berufs.
Nichtsdestotrotz hat ihre Arbeit als deutsche Konsulin Fred auch nachhaltig geprägt und verändert: Sie tut sich oft recht schwer, andere Menschen an sich heranzulassen und hat berufsbedingt Vertrauensprobleme, was dazu führt, dass es ihr auf lange Sicht an Privatleben mangelt. Zudem ist sie unglaublich gelassen und kontrolliert, bewahrt in fast jeder Situation die Ruhe und besitzt eine beinah unmenschliche Geduld – oder zumindest den Schein davon. Dennoch ist sie alles andere als abgestumpft: Mit bemerkenswerter Inbrunst kämpft sie für Gerechtigkeit und gerät angesichts der schieren Ausweglosigkeit so mancher Situation in eine ernsthaft Existenzkrise und zweifelt den Sinn von Diplomatie mehr als einmal im Verlauf der Handlung an. Dieser kritische Blick auf ein sonst so intransparentes Berufsfeld, war eine willkommene Abwechslung, die ich sehr geschätzt habe.

Lucy Frickes Schreibstil hat mich auf allen Ebenen angesprochen: sehr nüchtern und klar, immer auf den Punkt und alles andere als gekünstelt oder verspielt. Angesichts des ernsten, aktuellen Themas eine kluge Wahl. Das ganze Buch ist wahnsinnig dialoglastig, was ich nur befürworten kann. Denn in den Dialogen liegt meiner Ansicht nach Frickes große Stärke: Die ganze Geschichte nimmt Fahrt auf und gewinnt Lebendigkeit hinzu. Mein persönliches Highlight ist jedoch definitiv der Humor der Autorin, den sie an ihre Protagonistin weitergibt. Freds unvergleichlicher Sarkasmus und Zynismus verleihen so mancher Situation eine Komik, die schon fast an eine Sitcom erinnert.

Alles in allem hatte ich eine wirklich gute Zeit beim Lesen. Ich mochte Fred als Hauptfigur sehr gern, konnte nicht anders, als ihr Durchhaltevermögen und ihre Ideale zu bewundern und habe mich trotz des großen Altersunterschieds ein Stück weit in ihrem Zynismus und ihrem Weltschmerz wiederfinden können. „Die Diplomatin“ ist ein gleichermaßen kluges wie unterhaltendes Buch, das viele aktuelle Themen kritisch beleuchtet und zum Nachdenken anregt. Eine klare Leseempfehlung für jeden, der sich für die Thematik interessiert!

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Veröffentlicht am 29.06.2022

Es spricht zu mir!

Kein Sommer ohne dich
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Sommer, Sonne, Strand und Meer. Eine Sonnenbrille, in der sich unsere beiden Protagonisten Alex und Poppy spiegeln, während sie auf einem ihrer berühmt berüchtigten Sommertrips das Leben genießen. Die ...

Sommer, Sonne, Strand und Meer. Eine Sonnenbrille, in der sich unsere beiden Protagonisten Alex und Poppy spiegeln, während sie auf einem ihrer berühmt berüchtigten Sommertrips das Leben genießen. Die gewählten Farben und das Design wirken kein bisschen kitschig, sondern angenehm frisch und sommerlich. Alles an diesem Cover von Emily Henrys Roman „Kein Sommer ohne dich“ schreit geradezu „URLAUB!“. Und zweifelsohne war dies einer der Hauptgründe, warum ich dieses Buch lesen wollte: Eine leichte Sommerlektüre, die in der aktuellen Hitze für Unterhaltung sorgt. Versteht mich nicht falsch, eine Sommerlektüre ist „Kein Sommer ohne dich“ definitiv. Aber gleichzeitig ist es noch so viel mehr.

Es ist eine Geschichte über Freundschaft, über Liebe, über das, was wirklich zählt im Leben. Eine Geschichte, die – egal wie unbeschwert sie auch erzählt sein mag – unglaubliche Tiefen aufweist. Eine Geschichte über zwei Menschen, die einander die Welt bedeuten, obwohl sie auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten. Der eine ruhig und bedacht, die andere laut und bunt. Dass sich Poppy und Alex gefunden haben, mag an Schicksal oder Zufall gelegen haben, vielleicht aber auch an Poppys Mitbewohnerin Bonnie, die die Fahrgemeinschaft der beiden in die Wege geleitet hat. Während dieser Autofahrt begegnen sie sich ohne jegliche Erwartungen und haben kein Bedürfnis, sich zu verstellen oder zu gefallen. So lernen sich Poppy und Alex ganz ungefiltert kennen und stellen fest, dass sie sich auf eine schräge Art und Weise auf derselben Wellenlänge befinden.

Diesen zarten Beginn der Freundschaft habe ich mindestens so sehr geliebt, wie die darauf folgenden Urlaube, die ja durchaus den Großteil von „Kein Sommer ohne dich“ ausmachen. Gerade für Poppy war das Reisen von enormer Bedeutung für ihre persönliche Entwicklung. So tough wie sie scheint, ist die Gute nämlich kein bisschen. Ihre Schulzeit war schlimm, sie passte nirgends hinein und die Einsamkeit war ihr ständiger Begleiter. Die gemeinsamen Sommertrips mit Alex waren genau die Flucht aus der Realität, die sie brauchte und sie war so glücklich wie noch nie in ihrem Leben, weil sie endlich sie selbst sein konnte, ohne dafür verurteilt zu werden.

Poppy ist eine wunderbare Protagonistin, mit der ich mich schon fast beängstigend gut identifizieren konnte. Alle ihre Sorgen und all die Päckchen, die sich mit sich herumträgt, sind alle so nachvollziehbar, so real. Auch Alex habe ich sofort in mein Herz geschlossen mit seiner von Zeit zu Zeit unbeholfenen, liebenswürdigen Art. Die beiden funktionieren einfach wahnsinnig gut zusammen und alle Höhen und Tiefen, die sie gemeinsam durchleben, sind stets glaubhaft und plausibel.

An dieser Stelle ein großes Kompliment an Emily Henry. Ihr Schreibstil ist von außerordentlicher Qualität. Locker, witzig, ironisch, dabei durchweg stilsicher. An keiner Stelle wirkt ihr Schreiben zu gewollt. Das gesamte Buch las sich so selbstverständlich und natürlich, wie man es sich stets wünscht aber nur selten tatsächlich zu lesen bekommt.
Auch der Aufbau von „Kein Sommer ohne dich“ verdient ein besonderes Lob. Die Aufteilung in zwei Zeitebenen – einmal die vergangenen Sommerurlaube, die sich chronologisch der Gegenwart annähern und einmal die aktuelle Reise der beiden – ist wirklich raffiniert. Zum einen erfährt man Vieles über Alex und Poppys Vergangenheit, und zum anderen weisen beide Zeitebenen eigenständige Spannungsbögen auf, die jedoch analog verlaufen und auf jeweils einen dem Leser unbekannten Höhepunkt zusteuern. Somit wird „Kein Sommer ohne dich“ zu einem regelrechten Pageturner, den man buchstäblich nicht mehr aus der Hand legen kann.

„Kein Sommer ohne dich“ war für mich ein absolutes Sommerhighlight, dass zwar schnell gelesen war, mich aber vermutlich noch sehr lange verfolgen wird. Alles an diesem Buch spricht zu mir und ist somit eine ganz klare Leseempfehlung!

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