Profilbild von skaramel

skaramel

Lesejury Profi
offline

skaramel ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit skaramel über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.12.2018

Perfekt für die Vorweihnachtszeit

Sieben Tage Wir
0

Wenn man nichts erwartet und einfach mal total unbefangen an ein Buch geht, kann auch mal etwas Tolles passieren. So ging es mir mit ‚Sieben Tage Wir‘, das mich vor allem durch das schöne Cover ansprach. ...

Wenn man nichts erwartet und einfach mal total unbefangen an ein Buch geht, kann auch mal etwas Tolles passieren. So ging es mir mit ‚Sieben Tage Wir‘, das mich vor allem durch das schöne Cover ansprach.
Doch schon nach den ersten paar Seiten war klar: Nicht nur das Cover kann glänzen, auch Francesca Hornaks Debütroman. Worum es geht? Um Familie Birch, die gerade zu Weihnachten unter Quarantäne steht. Die älteste Tochter Olivia ist Ärztin, die wochenlang im Ausland gelebt hat und nun zur Sicherheit das Haus nicht verlassen darf, ebenso ihre Familie. Sieben Tage, gerade über Weihnachten, müssen die Eltern und die beiden Schwestern gemeinsam ausharren. Aber was kann schon passieren?
Familienstreitigkeiten, ein uneheliches Kind, Unverständnis und unterschiedliche Charakterentwicklungen – damit hat keiner, schon gar nicht der Leser, gerechnet. Und auch wenn es Hornaks erstes Buch ist, so weiss sie direkt zu überzeugen. Die Charaktere könnten nicht unterschiedlicher sein: Sei es der Vater, der mit seinem Job unzufrieden ist oder die Mutter, die ihren gesundheitlichen Befund verheimlicht, damit Weihnachten auch schön wird. Oder aber die Schwestern: Eine, die nichts mehr will als heiraten und eine, die gerade aus einem Dritte-Welt-Land kommt und durch den weihnachtlichen Konsum schwer überfordert ist. Trotzdem ist jeder Charakter auf seine Weise sympathisch und nachvollziehbar. Zusammen geben Sie ein wunderbares Konstrukt und eine wunderbare Basis für eine etwas andere Weihnachtsgeschichte. Ja, Olivia ist anstrengend und auch nicht jede Wendung des Buches ist zwingend sinnig. Viele Zufälle sind am Ende eben doch etwas zu viel – über den einen oder anderen Überraschungsbesuch kann man noch hinwegsehen. Doch, auch wenn Hornak über ein gutes Gespür für einen flüssigen Lesefluss verfügt und an ihrem Schreibstil nichts auszusetzen ist, fehlt dem Buch ein bisschen an dem gewissen Etwas. Die Geschichte könnte etwas runder und etwas weniger voller Knaller sein.
Jedoch überrascht das Ende mit einem eher untypischen finalen Cut, den ich – ganz in meiner Weihnachtsblase – so nicht vorgesehen hätte. Daher gleichen sich die Schwierigkeiten mit den Feinheiten und Kniffen doch wieder rundum heraus. So dass trotz kleiner Schwächen, dafür aber mit großem Potential, immer noch ein wunderbares Buch für die Vorweihnachtszeit heraus kommt.

Veröffentlicht am 17.12.2018

Typisch McFarlane ♥

Sowas kann auch nur mir passieren
0

Wer kennt es nicht? Unausgesprochenes? Taten, die wir bereuen? Dinge, die wir nicht gesagt haben? Wie würden manche Beziehungen aussehen, wenn wir noch einmal entscheiden dürften, ob wir sprechen oder ...

Wer kennt es nicht? Unausgesprochenes? Taten, die wir bereuen? Dinge, die wir nicht gesagt haben? Wie würden manche Beziehungen aussehen, wenn wir noch einmal entscheiden dürften, ob wir sprechen oder nicht? Wie viele Freundschaften wären nicht zerbrochen und Beziehungen anders verlaufen?
Georgina fragt sich dies auch, denn sie hat während ihrer Abschlussfeier etwas erlebt, dass sie noch niemandem erzählt und auch selbst kaum verarbeitet hat. Nach dieser Party ist ihre Jugendliebe beendet und ihre Wege trennen sich. Bis eines Tages Georgina ihren Kellerjob verliert und zusätzlich auch noch ihren Freund inflagranti im Bett mit seiner Assistentin findet. Zeit ihr Leben umzukrempeln, angefangen bei einem neuen Job. Das Kellnern im neuen Pub erscheint ihr fast zu perfekt: Der Chef ist nett, die Leute auszuhalten und sie wird gut bezahlt – doch wo ist der Haken? Den findet sie schneller als ihr lieb ist: Ihr zweiter Chef ist ihre ehemalige Jugendliebe und er wirkt nicht so, als würde er sie überhaupt wiedererkennen.
Was klingt wie eine profane Liebesgeschichte, die es so oder so schon mal gab, der liegt vielleicht nicht unbedingt weit daneben, doch einen Unterschied gibt es ganz gewiss: Mhairi McFarlane. Sie und ihr Schreibstil, sowie ihre Art und Weise Charaktere und Geschichte zu formen und kreieren lässt aus dieser Geschichte etwas ganz Besonderes werden. McFarlanes Bücher überzeugen vor allem auf Grund der Charaktere, denn im Beispiel von Sowas kann auch nur mir passieren ist Georgina einfach furchtbar normal. Sie ist nicht überstilisiert, sondern einfach das Mädchen von Nebenan. Und das macht die Bücher so gut, denn die Geschichten könnten mir, dir oder der Nachbarin passiert sein. Eine lebensnahe Geschichte mit einem bisschen Romanglitzer, aber keinesfalls zu viel.
Daher wie immer ein guter McFarlane, der einen das Buch mit einem leisen Seufzer schließen lässt. Und mag das Ende noch so kitschig sein, am Ende möchte man dringend noch ein paar Seiten zu lesen haben.

Veröffentlicht am 05.11.2018

Man könnte mehr draus machen..

Rachewinter
0

Endlich ist er da, der dritte Teil der „Walter Pulaski“-Reihe von Andreas Gruber. „Rachewinter“ spielt in üblicher Manier zeitgleich bei der Rechtsanwältin Evelyn Meyers in Wien sowie bei dem Ermittler ...

Endlich ist er da, der dritte Teil der „Walter Pulaski“-Reihe von Andreas Gruber. „Rachewinter“ spielt in üblicher Manier zeitgleich bei der Rechtsanwältin Evelyn Meyers in Wien sowie bei dem Ermittler Walter Pulaski in Leipzig.

Während Evelyn die Verteidigung des Sohns eines Multimillionärs, der anscheinend, sogar mit Videobeweis, seinen Liebhaber umgebracht hat, übernehmen soll, steht Pulaski vor einer Leiche, die er sogar kennt. Denn vor ihm liegt die Leiche des Vaters der besten Freundin seiner Tochter. Doch das nicht schlimm genug, denn eigentlich sollte sich dieser gerade auf Dienstreise befinden und nicht halbnackt auf dem Boden eines billigen Motels. Spannend verfolgen wir mit, wie es um den reichen, transsexuellen Mandant unserer Rechtsanwältin steht und dass man nicht einmal einem Video Glauben schenken sollte, sowie der Recherche und Ermittlung unseres asthmakranken Polizisten, der auf unliebsameweise auf einmal zwei neue Partner hat: seine Tochter und die Freundin, die beide ein großes Interesse an der Auflösung haben. Doch, was wäre diese Reihe, wenn unter allen Umständen nicht die beiden Ermittler wieder aufeinander stoßen…

…und genau dann sind wir bei dem größten Kritikpunkt: Evelyn Meyers und Walter Pulaski. Das Andreas Gruber ein Talent im Schreiben von Kriminalromanen ist, das sollte uns spätestens seit der Sneijder-Reihe aufgefallen sein, daher ist auch Rachewinter rein vom Aufbau, der Geschichte und der Handlung super. Auch die Charaktere hat man nach dem dritten Band längst in sein Herz geschlossen, doch was – mich persönlich – am meisten stört: Evelyn sitzt in Wien, Walter in Leipzig – es ist nahezu abstrus das die Beiden immer rein zufällig ein- und denselben Täter jagen, weil wieso? Ich wünschte mir Gruber würde mal einen anderen Weg wählen, wie die beiden sich finden könnten, in dem es zwei Täter gibt oder die beiden die Hilfe des anderen anfordern. Jedoch ist, nach der dritten Geschichte, die immer mit Zufällen ohne Ende endet, die Luft für mich als Leser raus.

Ansonsten trifft Gruber wie immer mitten ins Schwarze. Die Geschichte ist gut, konnte noch Wendungen annehmen, mit denen ich – als alteingesessener Krimifan – nicht gerechnet habe. Jedoch wünsche ich mir für den vierten Teil etwas mehr Innovation und eine andere Verbindung der Charaktere.

Veröffentlicht am 10.09.2018

Die Antwort auf das Warum

Mit der Faust in die Welt schlagen
0

Mit der Faust in die Welt schlagen ist ein Roman, der thematisch nicht treffender in das aktuelle Zeitgeschehen passen könnte. Die Nachrichten, die Gespräche – sie werden beherrscht durch Themen wie Rassismus, ...

Mit der Faust in die Welt schlagen ist ein Roman, der thematisch nicht treffender in das aktuelle Zeitgeschehen passen könnte. Die Nachrichten, die Gespräche – sie werden beherrscht durch Themen wie Rassismus, Demonstrationen, Ausschreitungen – zu Recht wird darüber geredet. Auch Bücher widmen sich dem Thema, so wie Lukas Rietzschels Debütroman.
Doch Mit der Faust in die Welt schlagen ist etwas anders. Literarisch ein wunderbar geschrieben Roman und zeitgleich politisch relevant. Er handelt von Tobias und Philipp, zwei Brüder, die in der ostsächsischen Provinz aufwachsen. Und Rietzschel macht aus ihnen eine Antwort, die gerade die Tage nach Chemnitz in vielen Köpfen rumschwirrt. Wie entsteht Rassismus? Wie wird man fremdenfeindlich? Warum entwickelt man solche Ansichten? Mit der Faust in die Welt schlagen versucht darauf eine mögliche Antwort zu geben, in dem Es um zwei Brüder geht, die in drei Abschnitten geteilt durch die Jahre 2000 bis 2015 begleitet werden. Vom 9/11 bis zum Dresdener Hochwasser zur Flüchtlingskrise – all dies erleben die Beiden mit, lässt sie zweifeln, formt sie zu dem was sie am Ende werden.
Hier gibt es natürlich keine Universalantwort. Aber die nüchterne und schonungslose Schilderung des Lebens in dem sächsischen Dorf gibt jedoch Aufschluss. Es wird nichts beschönigt, kein Verständnis erzeugt, sondern ohne viel Gefühl geschildert. Die beiden Jungs haben eine triste Kindheit, vorgezeichnete Wege durch Lehrer, die schon ihren Eltern nichts zu trauten. Über viele Enttäuschungen, viel Wandel im Dorf – die einzige Schule wird geschlossen, die Firmen machen dicht, die Zukunft ist beängstigend. Zeitgleich kommen immer mehr Flüchtlinge in die Gegend – Meinungen werden gebildet, Ahnung hat gefühlt keiner, doch sich zusammenzuscharren gibt Hoffnung. Gemeinsam gegen etwas sein.
Wie gesagt – eine Antwort ist es nicht, aber so wie Rietzschel es schildert – auf seine nüchterne, neutrale Art –, wirkt es logisch. Schonungslos logisch und traurig. Jede Entwicklung des Romans wirkt erschreckend folgerichtig, auch, dass die beiden Brüder bei den örtlichen Nazis landen, weil es dort eine Art „Zusammenhalt“ gibt und eben auch Bier. Und was noch als Dummheit beginnt, wird schnell ernster, gefährlicher und radikaler. Ehe sich einer versieht, ist zumindest einer der Brüder tiefer in der Szene als er es selber sieht. Denn es ist doch „nur Spaß“ und „man muss doch was tun“.
Die Figuren sind gut konstruiert und die Geschichte stimmig. Wenn das Buch mal beendet ist, lässt es einen noch lange über die einzelnen Handlungsstränge und Geschehnisse nachdenken und immer noch, während ich hier noch schreibe, fällt mir eine Kleinigkeit neu auf, die dramaturgisch wahnsinnig gut platziert wurde.
Gerade in Anbetracht des aktuellen Bezug kann ich das Buch nur händeringend empfehlen.

Veröffentlicht am 10.09.2018

Potential nicht ausgeschöpft

Hazel Wood
0

Wir alle kennen sie, lieben sie und können noch nach vielen Jahren die Geschichten erzählen: Märchen. Jeder kennt noch das Ende von Dornröschen, weiß wer von wessen Teller gegessen hat und dass man niemals ...

Wir alle kennen sie, lieben sie und können noch nach vielen Jahren die Geschichten erzählen: Märchen. Jeder kennt noch das Ende von Dornröschen, weiß wer von wessen Teller gegessen hat und dass man niemals allein seine Oma im Wald besuchen sollte. Doch was wenn Märchen auf einmal war werden? Und diese gar nicht so schön sind wie wir sie kennen? Sondern die bösen, nicht malerischen Märchen auf einmal in die reale Welt spazieren?
Das erlebt Alice, die Hauptfigur aus Melissa Alberts „Hazel Wood“, deren Mutter durch ein paar Märchengestalten entführt zu sein scheint. Generell scheint schon ihr Leben lang „etwas“ hinten ihnen her zu sein. Immerhin ist Alice‘ Großmutter Althea Prosperine, die berühmte Märchenerzählerin, die vom Hinterland und deren Wesen erzählt. Doch gesehen hat sie sie noch nie, da ihre Mutter Ella den Kontakt schlagartig abgebrochen hat. Doch plötzlich bekommen sie die Nachricht über ihr Ableben und von da an passieren seltsame Dinge.
„Hazel Wood“ ist der Auftakt einer neuen Reihe und war schon seit der Vorschau vielversprechend. Es gibt mittlerweile so viele Jugendbücher, dass ein etwas anderartiges Setting schon Interesse weckt und irgendwie wirkt das Buch auch wie eine Mischung aus Cornelia Funkes Tintenherz und auch ihr Reckless. Auch die erste Hälfte des Buches unterstützt diese Annahme und macht Lust auf mehr. Alice ist zwar ein rundum sehr blasser Charakter zu dem man nur schwer eine Bindung aufbauen kann, jedoch ist ihre Geschichte und ihr Kennenlernen mit dem mysteriösen und irgendwie doch sympathischen Finch spannend genug. Die zweite Hälfte des Buches kann leider nicht mehr mit dem spannenden Anfang mithalten.
Sobald Alice mehr über das Hinterland erfährt und mit Finch die Grenzen durchbricht, ist die Luft raus aus dem Buch. Es wird wirr, unverständlich und langatmig, obwohl die beiden Figuren endlich am „Ziel“ angelangt sind. Nach der letzten Seite blieb viel Unverständnis zurück und viele offene Fragen, die aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht in der Fortsetzung beantwortet werden.
Insgesamt fehlt vielen Figuren einfach die Tiefe – aus der Stiefschwester Audrey, auch aus Finch und Ella hätte man weitaus mehr machen können. Leider kann auch die Geschichte keine Fahrt aufnehmen und das Potential wird nicht ausgeschöpft. Außerdem wären mehr Geschichten und Einblicke in das Buch von Alice Großmutter toll gewesen. Die Thematik bleibt viel zu unberührt und „offen“, dabei fehlte mir hier die Vorstellungskraft und hätte in einigen Punkten mehr Unterstützung gebraucht.

So bleibt „Hazel Wood“ ein solider, wenn auch verwirrender Auftakt einer Jugendbuchreihe, die aber wohl nicht mit den großen Reihen mithalten kann.