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Veröffentlicht am 20.09.2019

Packend, stellenweise regelrecht rasant und echt erschreckend – Hollywood zum Lesen

Cold Storage - Es tötet
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„Öffne nie eine Tür, wenn du nicht weißt, was auf der anderen Seite ist.“ (S.118)

Meine Meinung:
Schon der kurze Prolog, in dem der Autor über den größten lebenden Einzelorganismus der Welt (ein gemeiner ...

„Öffne nie eine Tür, wenn du nicht weißt, was auf der anderen Seite ist.“ (S.118)

Meine Meinung:
Schon der kurze Prolog, in dem der Autor über den größten lebenden Einzelorganismus der Welt (ein gemeiner Hallimasch mit etwa 9,5 Quadratkilometer Ausdehnung) schreibt, sorgt für eine Gänsehaut und ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Perfekte Startbedingungen für eine Geschichte, die es wirklich in sich hat…

Die eigentliche Story beginnt in Jahr 1987, als eine kleine, aber sehr effektive Einheit von Spezialisten den Ausbruch eines im Weltall mutierten „Killerpilzes“ mitten im Australischen Outback sozusagen im Keim erstickt. Es ist schon dramatisch und zutiefst Besorgnis erregend, was dort in der Wüste passiert. Eine einzige, kleine Probe der todbringenden Gefahr wird mitten in den USA in einer Einrichtung eingelagert, die angeblich höchsten Sicherheitsstandards entspricht…

Das ist fürwahr ein Auftakt ganz nach meinem Geschmack: extrem bedrohlich, action- und temporeich. Dazu mit Roberto Diaz und Trini Romano noch zwei sympathische und fähige Protagonisten. Extrem gebannt habe ich die Geschehnisse verfolgt, die Seiten flogen beim Lesen regelrecht dahin. Doch als die Handlung dann 32 Jahre weiter in die Gegenwart springt, hat der Autor erst einmal gehörig auf die Tempo- und Spannungsbremse getreten und sich Zeit genommen, seine weiteren Protagonisten einzuführen. Allen voran den sympathischen „Loser“ Travis „Teacake“ Meacham, der leicht auf die schiefe Bahn geraten und dadurch sogar im Knast gelandet war und nun seinen eher schlecht bezahlten und langweiligen Job bei Atchinson Storage verrichtet. Ein klassischer Underdog, der genau deshalb doch im Verlauf der Story irgendwie sympathisch rüberkommt. Im Gegensatz zu „Teacake“ war mir die junge, tuoghe Naomi, der eine ungeplante Schwangerschaft einen Strich durch die eigene Lebensplanung gemacht hat, von Anfang an sympathisch. So war es durchaus unterhaltsam zu lesen, wie die beiden Lebensgeschichten sie letztendlich in dem unterirdischen Lagerhaus zusammengeführt haben und wie sie gemeinsam einem merkwürdigen Alarmton auf die Spur kommen, doch hätte es für meinen Geschmack im Mittelteil des Buches etwas mehr Spannung und Tempo sein dürfen.

Als hätte der Autor dies selbst bemerkt, dreht er im letzten Drittel diesbezüglich noch mal so richtig auf: 34 Minuten Handlung auf 100 Seiten hört sich erstmal langatmig an, aber genau das Gegenteil ist der Fall: Hier merkt man dem Autor seine Hollywood-Wurzeln an. Wie im besten Action-Blockbuster überschlagen sich die Ereignisse und das Buch hat mich ab hier dermaßen gefesselt, dass ich es in einem Rutsch zu Ende gelesen habe. Dieses „Finale“ hat mich für den eher ruhigeren Mittelteil mehr als entschädigt!

David Koepps Schreibstil ist souverän und unterhaltsam. Seine Story würzt er geschickt mit einem Schuss Horror („Das über die Betonwände und den Bodenverteilte Jackson-Pollock-Gemälde, das einst Mike Snyder gewesen war“ – S. 288) und einer immer wieder durchschimmernden Prise Humor („Es lebt sich einfach nicht so gut auf Land, das in die Luft gesprengt werden soll. Das ist gar nicht gesund.“ - S. 16). Dabei mutet die Situationskomik manchmal schon recht skurril an, was oftmals den etwas unterbelichteten (und zugegebener Maßen sehr stereotypen) Charakteren (insbesondere Mooney & Griffin) geschuldet ist.

FAZIT:
Ein Action-Blockbuster zum Lesen – trotz schwächerem Mittelteil eine insgesamt mitreißende Story.

Veröffentlicht am 10.09.2019

Harry Holes wahrscheinlich persönlichster Fall – immer wieder überraschend & mit tiefen seelischen Abgründen

Messer (Ein Harry-Hole-Krimi 12)
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„Wir sind alle notorische Schürzenjäger, Diebe, Säufer, Mörder. Wir wiederholen unsere Sünden und hoffen auf Vergebung. Von Gott, von anderen und auf jeden Fall von uns selbst.“ (S. 374)

Meine Meinung:
„Messer“ ...

„Wir sind alle notorische Schürzenjäger, Diebe, Säufer, Mörder. Wir wiederholen unsere Sünden und hoffen auf Vergebung. Von Gott, von anderen und auf jeden Fall von uns selbst.“ (S. 374)

Meine Meinung:
„Messer“ ist tatsächlich mein erster „Harry Hole“, den ich lese. Daher habe ich leider keine Vergleichsmöglichkeiten zu den 11 Vorgängern, hatte aber dennoch keinerlei Schwierigkeiten, in den Fall hineinzufinden und mit den Charakteren „warm“ zu werden.

Bereits der kurze Prolog hat mir ein sehr mulmiges Gefühl in den Magen gepflanzt, den Keim einer bösen Vorahnung. Schnell nimmt die Geschichte an Fahrt auf, und bereits auf S. 62 passiert etwas, das Harry Hole (der ja auch sonst nicht für seine psychische Stabilität bekannt zu sein scheint) in seinen Grundfesten erschüttert, ihn bricht und von einem Tag auf den anderen zu einem Schatten seiner selbst werden lässt. Von da an durchlebt er seine ganz eigene Hölle…

Es scheint wohl Holes persönlichster Fall zu sein, der ihn nun antreibt wie ein Duracell-Männchen bis an seine Grenzen – und noch ein gutes Stück darüber hinaus. Immer wieder bringt Nesbo dabei neue Charaktere und Informationsdetails ins Spiel, die dafür sorgen, dass ich mein Bild des Falls und meine Vermutungen zum Täter mehr als einmal radikal revidieren musste. So oft war ich mir sicher, nun den Täter zu erahnen (und Harry ging es dabei ganz genauso). Doch zum Schluss führte mich Nesbo so dermaßen aufs Glatteis, dass seine tatsächliche Auflösung mich genauso wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen hat wie auch Hole selbst. Eine Lösung, die ich keine Sekunde vorhergeahnt habe, für die es doch im Nachhinein betrachtet aber immer mal wieder ein Indiz gegeben hat. Hier merkt man ganz deutlich, dass Jo Neso zu Recht einer der erfolgreichsten Krimiautoren der Gegenwart ist. Dies ist wirklich ein Verwirrspiel par excellence!

Was mir an diesem Krimi ebenfalls sehr gut gefallen hat, sind die vielen tragischen Schicksale, die hier nach und nach ans Licht kommen. Dabei offenbaren sich menschliche und seelische Abgründe, die eine Spur Dunkelheit und Bitterkeit mit hineinbringen in diesen Krimi. Zwischendurch war ich zugegebener Maßen etwas enttäuscht von den vielen losen Handlungssträngen (und es drückte zeitweise auch etwas auf die Spannung), die scheinbar vor sich hinmäanderten. Doch am Ende hat Nesbo sie alle geschickt zusammengebracht und für sein großes Finale genutzt.

FAZIT:
Spannung, Tragik, Schicksale und Dramen – und dazu immer wieder überraschende Wendungen und ein schockierendes Finale. Mir hat´s gefallen!

Veröffentlicht am 10.09.2019

Starkes Setting, intensiver Schreibstil und ungewöhnlicher Charakter – leider mit einem Ende, das mir persönlich nicht gefallen hat

Die Einsamkeit der Seevögel
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„Marterung einer grundfesten Ruhe. Und zugleich, während sich der Lärm Welle um Welle fortsetzt, sinkt das Sonnenauge, flammt die Dunkelheit auf, kohlschwarze Wolken treiben heran und schließen sich rasch ...

„Marterung einer grundfesten Ruhe. Und zugleich, während sich der Lärm Welle um Welle fortsetzt, sinkt das Sonnenauge, flammt die Dunkelheit auf, kohlschwarze Wolken treiben heran und schließen sich rasch um den abnehmenden Mond, bis mein Schatten verschwindet und die Scheinwerfer des Schneemobils wie Schwerter in die Landschaft flammen.“


Meine Meinung:
Für „Die Einsamkeit der Seevögel“ hat sich die Autorin Gøhril Gabrielsen ein außergewöhnliches Setting ausgesucht: Ihre Heimat Finnmark, den nördlichsten Zipfel Norwegens, die Gegend um das berühmte Nordkap. Die raue, wilde Natur beherrscht diesen Landstrich, in dem statistisch gesehen gerade mal 1,5 Einwohner pro Quadratkilometer leben.

Hierhin verschlägt es die Protagonistin, deren Namen wir selbst nie erfahren, um in einer weit abseits gelegenen, winzigen Forschungsstation über mehrere Monate hinweg Vögel zu beobachten. Von Anfang an fasziniert dieses Setting durch die Einsamkeit der Weite und die schiere Endlosigkeit der Natur mit ihren übermächtigen Kräften und gefährlichen Launen. Die Gefühle der namenlosen Protagonistin changieren von Beginn an zwischen gespannter Neugier auf diese Herausforderung, dem Respekt vor den Urgewalten der Natur, dem schlechten Gewissen, ihre kleine Tochter bei ihrem Exmann (der nur „S“ genannt wird) zurückgelassen zu haben, und der schon fast teenagerhaften Vorfreude auf die Ankunft ihres Geliebten Jo, mit dem sie die Zeit bei der gemeinsamen Forschungsarbeit verbringen will.

Nach ihrer Ankunft bestimmt sich ihr Lebensrhythmus durch die alltäglichen Aufgaben, die sie zu verrichten hat, ihrem Beobachtungsauftrag und der sie stets allumfassenden Einsamkeit. Für den einzigen menschlichen „Kontakt“ sorgen dabei die wenigen Skype-Telefonate mit Jo, der seine Ankunft aus immer neuen Gründen ein ums andere Mal verschiebt, und die zunehmenden Tagträume über das Ehepaar Olaf & Borghild Bertelsen, die vor rund 150 Jahren ein sehr beschwerliches Leben dort geführt haben. Im Verlauf der Geschichte spürt man immer deutlicher, wie sehr die Einsamkeit, die enttäuschten Hoffnungen und das schlechte Gewissen an der Seele der Forscherin zerren. Es geschehen Dinge – meist Kleinigkeiten – die ihren Verstand scheinbar immer weiter in einen paranoiden Zustand abdriften lassen. Da die gesamte Geschichte ausschließlich aus dieser einen, zutiefst subjektiven Perspektive erzählt wird, wissen wir als Leser / Zuhörer genauso wenig, was von den Geschehnissen noch real ist, und was der – zeitweilig fiebernden – Psyche der einsamen Frau entspringt. So wird die Einsamkeit auch immer mehr zur latenten Bedrohung.

Es ist eine atmosphärisch extrem dichte Story, die Gabrielsen hier erzählt. Eine Geschichte von den Abgründen der menschlichen Seele und davon, was die Einsamkeit in einem Menschen auslösen kann. Diese Geschichte entwickelt dabei ihren ganz eigenen Sog, der mich als Leser zum stillen Beobachter dieser Entwicklung gemacht hat, in deren Verlauf mir die Forscherin doch immer irgendwie unnahbar geblieben ist. So konnte sich auch keine Sympathie aufbauen, was mich allerdings nicht gestört hat.

Nicht gefallen haben mir dagegen die immer wiederkehrenden, ausführlich beschriebenen sexuellen Phantasien. Dies sollte vermutlich ein weiterer Ausdruck der fehlenden menschlichen Nähe sein, doch gebraucht hätte ich dies im gesamten Kontext der Geschichte nicht.

Auch das Ende hat mich – ehrlich gesagt – enttäuscht. Im Verlauf der Geschichte haben sich bei mir so viele Fragen aufgetan, habe ich mehr als eine Vermutung angestellt. Doch keine davon wurde am Ende beantwortet. Es war eher, als sei einfach „der Film gerissen“ und die Vorstellung vorbei – von jetzt auf gleich. Sicherlich ist dies ein von der Autorin bewusst gewähltes und legitimes Stilmittel, mich hat es aber eher ratlos zurückgelassen, mit dem schalen Gefühl, Gabrielsen hätte selbst nicht so recht gewusst, wie sie ihre Geschichte zu einem runden Abschluss hätte bringen sollen.

Die Hörbuch-Produktion an sich hat mir sehr gut gefallen. Die Stimme von Sprecherin Jutta Seifert passt für mich sehr gut zu der Vorstellung, die ich von der Protagonistin hatte. Ihr Lesetempo, ihre – oftmals zurückhaltende – Betonung und die eher „leisen“ und zugleich doch eindringlichen Töne passen für meinen Geschmack ebenso hervorragend zu dieser Geschichte. Man spürt die Einsamkeit aus ihrer Stimme, die Sehnsucht, das langsame Abdriften in eine ganz eigene Welt. Es hat großen Spaß gemacht, ihr zuzuhören!

Für die Geschichte vergebe ich insbesondere aufgrund des Endes 3 Sterne, für die Hörbuchproduktion gerne 5. Insgesamt daher 3,5 Sterne.

FAZIT:
Eine besondere Geschichte mit hypnotischem Sog. Man sollte sich aber nur darauf einlassen, wenn man sich mit einem offenen Ende anfreunden kann.

Veröffentlicht am 03.09.2019

Humorvolle Berichte über das Zusammenleben mit Jungs – nicht nur für Jungsmütter!

Wetten, ich kann lauter furzen?
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„Jungs sind wunderbar liebevoll, herrlich direkt, unglaublich lustig und einfach nur fantastisch.“ (S. 301)

Meine Meinung:
Meiner Erfahrung nach gibt es eine klar definierte „Verständnis-Kette“ in Sachen ...

„Jungs sind wunderbar liebevoll, herrlich direkt, unglaublich lustig und einfach nur fantastisch.“ (S. 301)

Meine Meinung:
Meiner Erfahrung nach gibt es eine klar definierte „Verständnis-Kette“ in Sachen Familienleben. Erwachsene ohne Kinder haben oft keine Vorstellung darüber, was es heißt, Eltern heranwachsender Kinder zu sein. Eltern von Einzelkindern haben fast immer keine Idee davon wie es ist, zwei oder mehr der kleinen Racker zu Hause bändigen zu müssen. Und reine Mädchen-Eltern sind oft irritiert davon, wie sich Jungs verhalten. Von daher ist es schon eine Herausforderung, zwei oder mehr Jungs für die Nerven aller unbeschadet groß zu ziehen. Die einzigen, die einen in dieser Situation verstehen, sind meist selbst Jungs-Mehrfach-Eltern…

Dank Heike Abidi & Ursi Breidenbach kann nun jeder „Nichtkenner“ dieser ganz besonderen Erziehungsherausforderung seine Bildungslücke schließen und bekommt exklusive Einblicke in die Welt von Jungs-Müttern. Schon an dieser Stelle möchte ich den beiden Autorinnen für ihre Aufklärungsarbeit danken!

Was erwartet die Leser*innen nun also konkret in diesem Buch? Vor allem erst mal sehr viele, oft persönliche Anekdoten rund um das Elternsein mit Jungs. Vieles davon habe ich ganz ähnlich selbst erlebt – und das Meiste brachte mich beim Lesen zum Schmunzeln, Grinsen bis hin zu spontanem Lachen. Denn auf der gesamten Länge ist dieses Buch einfach wunderbar unterhaltsam! Meist geht es dabei um die irrwitzigen Ideen und die latent chaotische und tiefenentspannte Organisationsfähigkeit der Nachwuchs-Männer. Oder können Sie sich etwa vorstellen, dass Mädchen auf die Idee kommen könnten, einen Furz in einem Einmachglas konservieren zu wollen? So reflektieren die beiden Autorinnen den gesamten Zeitraum – von der Schwangerschaft („Herzlichen Glückwunsch, es wird ein Junge!“) bis hin zu den (ggf. wieder eingezogenen) erwachsenen Nesthockern. Zwischendurch werden dabei immer wieder interessante Fakten aus diversen Untersuchungen und Studien rund ums Thema zitiert. So war mir z.B. bislang nicht bewusst, dass in der Pubertät das Schlafhormon Melatonin ca. zwei Stunden später als bei Kindern oder Erwachsenen ausgeschüttet wird, sodass die Teenies später müde werden (S. 235). Und laut einer Studie der Wayne State University werden Jungs mit guter Bindung zur Mutter später seltener straffällig (S. 249).

Das Buch schließt ab mit „Zehn Gründen, warum es das Schönste auf der Welt ist, eine Jungsmutter zu sein“ - und ich kann jeden einzelnen nur bestätigen! (allerdings aus Jungsvater-Sicht). Danke, liebe Heike und liebe Ursi für diese wunderbare Liebeserklärung an die Jungs dieser Welt!

FAZIT:
Humorvolle Leseunterhaltung über die Herausforderung, Jungs großzuziehen. Sehr zu empfehlen, auch für Väter!

Veröffentlicht am 03.09.2019

Nachtschatten - Ein moderner, packender und äußerst überzeugender Polit-Thriller

Geblendet
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„Wir müssen alle den Menschen überwinden, der wir gestern waren.“ (S. 45)

Meine Meinung:
Schon vom ersten Band der „Jenny Aaron“-Reihe („Endgültig“) war ich total begeistert. Leider habe ich Band 2 („Niemals“) ...

„Wir müssen alle den Menschen überwinden, der wir gestern waren.“ (S. 45)

Meine Meinung:
Schon vom ersten Band der „Jenny Aaron“-Reihe („Endgültig“) war ich total begeistert. Leider habe ich Band 2 („Niemals“) verpasst und bin nun mit dem dritten Band wieder eingestiegen. Da sehr viel Bezug auf die beiden vorangegangenen Fälle genommen wird, würde ich jedem empfehlen, diese zuerst zu lesen. Dennoch kann man „Geblendet“ auch einzeln lesen (wenn man möchte), denn die Hauptstory ist in sich abgeschlossen.

Autor Andreas Pflüger hat in meinen Augen ein ganz besonderes Talent für fesselnde, actionreiche und sehr gut geschriebene Thriller. Dies wird hier erneut von der ersten Seite an deutlich. Im Prolog lernen wir das bedrückende Schicksal eines 11jährigen Mädchens kennen, das Unglaubliches über sich ergehen lassen muss – und über Nacht ihre Kindheit verliert. Geschickt spielt Andreas Pflüger dabei mit der Anonymität dieses Mädchens. Im Folgenden kehrt Pfüger dann zu seiner sehr außergewöhnlichen Protagonistin Jenny Aaron zurück, der erblindeten Top-Agentin der „Abteilung“, einer streng geheimen und legendenumwobenen Eliteeinheit für Sondereinsätze. Wie schon in Band eins kämpft Aaron weiterhin mit ihrem Schicksal und gegen ihre inneren Dämonen. Doch als ein verheerender Anschlag ihr eh schon komplexes Leben komplett auf den Kopf stellt, wird sie aus ihren eigenen Selbstzweifeln herausgerissen und muss sich einem sehr persönlichen Kampf stellen. Einmal mehr ist es Andreas Pflüger gelungen, seiner Ausnahme-Ermittlerin eine genauso brandgefährliche und exzeptionelle Protagonistin gegenüber zu stellen. Dies sorgt für Spannung, Tempo, Action und immer wieder überraschende Momente. So entfesselt der Autor etwa auf S. 194 ein wahres Inferno und nach nur 40% des Buches hat er einfach meinen Hauptverdächtigen aus dem Spiel genommen. So muss ein moderner Thriller sein!

Neben den Ausnahmecharakteren, unter denen sich gleich mehrere sehr starke Frauen finden, und der fesselnden Politthriller-Story hat mich der Autor einmal mehr mit seinem intelligenten Schreibstil überzeugt. Er benutzt viele „unabgenutzte“ Worte, wie etwa „Tapisserie“ und „manieriert“, zitiert Baudelaire und Weisheiten der Tuareg, lässt seine Charaktere über Mirandola und Machiavellismus schwadronieren. Darüber hinaus blitzen immer wieder Humor und Sarkasmus durch, oft völlig überraschend, manchmal fast zaghaft und dezent, teilweise auch überfallartig und direkt. Aber stets zur Situation und zum Gefühlsleben der Charaktere passend („Wie war´s im Kanzleramt? – Wie bei einem Hundekampf in Thailand. Nur weniger kultiviert.“ - S. 288). An anderen Stellen wird sein Schreibstil regelrecht bildgewaltig und poetisch, was oft einen überraschenden Kontrapunkt zur aufreibenden Realität seiner Charaktere und der Härte der Story bildet:

„Gaudis Schöpfung faltete die Welt zu einer neuen Dimension, in der Barcelona sich auflöste, bis es nichts mehr gab, was den Blick anzog, außer diesem steingewordenen Kniefall vor der Unendlichkeit.“ (S. 380)

FAZIT:
Ein überraschender, fesselnder und moderner Politthriller – meisterhaft erzählt. Jenny Aaron gehört auf die Kinoleinwand!