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Veröffentlicht am 12.01.2018

Schlink - ein genialer Erzähler

Olga
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„Was für ein Glück wäre es gewesen, geliebt zu werden!“
Mit diesen Worten zieht Olga ein Resumee aus ihrem Leben, das von ihrer Kraft und der starken Liebe zu zwei Menschen geprägt ist. Während ihr geliebter ...

„Was für ein Glück wäre es gewesen, geliebt zu werden!“
Mit diesen Worten zieht Olga ein Resumee aus ihrem Leben, das von ihrer Kraft und der starken Liebe zu zwei Menschen geprägt ist. Während ihr geliebter Herbert sich nach Heldentaten und Entdeckungen sehnt und seine Träume in die Wirklichkeit umsetzt, bleibt sie bodenständig und führt ein überschaubares, ruhiges Leben. Sie ist eine starke Frau, die weiß, was sie will und viel erreicht - eine große Leistung für eine junge Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der nur wenige finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Aus unterschiedlichen Perspektiven breitet der Autor ein langes, ereignisreiches Menschenleben vor uns aus. Bernhard Schlink bettet Olgas Leben in historische Geschehnisse, die jedoch nur gestreift werden, und teilt es in drei Abschnitte. Kindheit und Jugend werden von einem neutralen, allwissenden Erzähler geschildert; Ferdinand, Olgas Schützling und Vertrauter späterer Jahre, charakterisiert die reife Frau, und am Ende gibt Schlink seiner Protagonistin ihre eigene Stimme, die eindrucksvoll in ihren an Herbert gerichteten Briefen erklingt. In seinem prägnanten, leicht lesbaren Stil, der dazu verleitet, ohne Pausen weiter und weiter zu lesen, stellt er knapp, aber eindrücklich ein beinahe 90 Jahre währendes Leben dar. Seine Hauptfigur ist eine Stellvertreterin ihrer Generation: eine auf ihr privates Glück und (Über-)Leben konzentrierte Frau in beobachtender Position, ein kleines Rädchen innerhalb der „großen“ Weltgeschichte wie die meisten Menschen. Herbert vertritt den Typus Mann, der mit hohen Erwartungen und aktivem Einsatz zu Ruhm und Größe des eigenen Landes beitragen will und daran scheitert. Als Vorbild für seinen Part dient dem Autor die historische Figur des Herbert Schröder-Stranz. Olga und Herbert - wer von beiden ist der wahre Held? Welches sind eigentlich die wesentlichen Dinge im Leben? Ist es wichtiger zu lieben oder geliebt zu werden?
Nach dieser leicht melancholischen Lektüre bleibt der Leser nachdenklich zurück: Schlinks Roman bietet reichlich Stoff zum Reflektieren

Veröffentlicht am 09.01.2018

"Old School"

Geheimnis in Rot
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Eigentlich weist bereits das originelle Buchcover auf einen Klassiker hin. Eingebunden in traditionelles Leinen, in handlichem Format, zeigt es ein behäbiges Herrenhaus in tief verschneitem Park - und ...

Eigentlich weist bereits das originelle Buchcover auf einen Klassiker hin. Eingebunden in traditionelles Leinen, in handlichem Format, zeigt es ein behäbiges Herrenhaus in tief verschneitem Park - und gibt gleich einen Hinweis auf den ursprünglichen Titel des Kriminalromans „The Santa Klaus Murder“, der erstmalig im Jahr 1936 veröffentlicht wurde.
Zum Inhalt: Wie in jedem Jahr versammelt Sir Osmond die Familie und einige Freunde in seinem Haus in Flaxmere, um gemeinsam Weihnachten zu feiern, wobei einer von ihnen auf Wunsch des Hausherrn den Weihnachtsmann spielt. Aufgrund innerfamiliärer Spannungen ist die Atmosphäre allerdings gereizt. Sir Osmonds Schwester Mildred behauptet, „sie habe schon immer gewusst, dass bei diesen Familientreffen an Weihnachten nichts Gutes herauskomme“ – und diesmal soll sie Recht behalten.
Mit feinem Humor charakterisiert Mavis Doriel Hay (1894 – 1979) ihre Personen und zeichnet mit viel Ironie ihre Beziehungen zueinander und zum Familienoberhaupt nach. Wunderbar beobachtet und in authentischer Weise gibt sie (aus den unterschiedlichen Sichtweisen einzelner Familienmitglieder) menschliche Schwächen und Stärken wieder, wobei der ermittelnde Colonel Halstock ein Bindeglied zwischen ihnen bildet. In klassischer Manier folgt die Autorin dem Prinzip, einen Mord allein mit Hilfe von Kopfarbeit zu lösen, Reflexion und Logik stehen im Mittelpunkt. Hier ist der Leser aufgefordert, auf die Zwischentöne zu achten.
Wer ohne „Action“ auskommt und einen Krimi nicht nur konsumieren will, sondern es mag, mitzurätseln, ist mit diesem „Old School“ Roman gut bedient.

Veröffentlicht am 29.12.2017

Rückschau in warmen Tönen

Rocket Boys. Roman einer Jugend.
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Ein leuchtender Punkt, der am Himmel von West Virginia seine Bahn zieht, wird für den 14jährigen Homer zur Erleuchtung. Angeregt durch die erste Raumsonde, die Russland als Sputnik I im Jahre 1957 in die ...

Ein leuchtender Punkt, der am Himmel von West Virginia seine Bahn zieht, wird für den 14jährigen Homer zur Erleuchtung. Angeregt durch die erste Raumsonde, die Russland als Sputnik I im Jahre 1957 in die Erdumlaufbahn bringt, ist er überzeugt: er will Raketen bauen, die das Weltall erreichen können. Gemeinsam mit Freunden, die ebenso wie er dem tristen Coalwood und einer Zukunft im Kohlebergbau entkommen wollen, beginnt er, seinem großen Vorbild Wernher von Braun nachzueifern. Dabei sind sie mit ihrer (nicht ungefährlichen) Pionierarbeit zunächst ganz auf sich allein gestellt, doch nach und nach gewinnen sie immer mehr Anerkennung und Unterstützung. Besonders die neue Chemielehrerin ermutigt Sonny und gibt ihm immer wieder die notwendige Motivation. Trotz etlicher Rückschläge arbeitet er weiter und eignet sich eine Menge theoretisches Wissen an…
Dass Hickams Schilderung von Sonny und seinen Träumen so lebendig und sensibel auf den Leser wirkt, ist kein Wunder; denn es handelt sich um eine Autobiografie. Der Autor nimmt seine Leser auf eine Zeitreise in die 50er und 60er Jahre mit; es gelingt ihm ganz wunderbar, sie mit dem Alltag des Protagonisten und seiner Umgebung vertraut zu machen. Detailgetreu beleuchtet er die kohlenstaubgeschwängerte Atmosphäre des Bergarbeiterstädtchens Coalwood. In frischem, lockerem Schreibstil und mit dem ihm eigenen Humor gibt er aus Sonnys Perspektive die gegensätzlichen politischen und weltanschaulichen Meinungen, Lebensgefühl und Hoffnungen jener Zeit wieder. Was für Sonny in seiner Jugend ein Traum und noch Science Fiction war, ist für die heutige Jugend längst Realität und eine Selbstverständlichkeit..
Eine rundum gelungene Rückschau, finde ich, interessant, spannend und voll warmen Humors.

Veröffentlicht am 14.12.2017

Atemlose Spannung...

Der Näher
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… zieht sich auch durch den dritten Thriller aus Rainer Löfflers Feder. Zum Inhalt: In Gummersbach werden zwei schwangere Frauen vermisst gemeldet. Abschiedsbriefe scheinen Hinweise auf ein freiwilliges ...

… zieht sich auch durch den dritten Thriller aus Rainer Löfflers Feder. Zum Inhalt: In Gummersbach werden zwei schwangere Frauen vermisst gemeldet. Abschiedsbriefe scheinen Hinweise auf ein freiwilliges Verlassen ihrer Familie zu geben. Was zunächst wie ein Routinefall aussieht und von Kriminalhauptkommissar Borchert auch als solcher behandelt wird, entwickelt sich nach und nach zu einem komplexen Mordgeschehen. Selbst für den neu hinzugezogenen Fallanalytiker Martin Abel gilt es, eine harte Nuss zu knacken. Und ihm ist sehr schnell klar: ihm bleibt nicht viel Zeit.
Spannend, rasant, atemlos: in schwungvollem Stil, durchzogen von Sarkasmus, schwarzem Humor und besonders bildhaften Darstellungen, verwickelt der Autor seinen Leser in eine Serie von Entführungen und bestialischen Morden. Löffler spart dabei nicht mit detaillierten und äußerst brutalen Beschreibungen, so dass teilweise recht drastische Bilder vor dem geistigen Auge entstehen: ein Thriller, der seinen Namen wahrlich verdient. Auch mit dem Seelenleben des Täters macht er uns nach und nach vertraut. In diesen Abschnitten, die sich mit dem aktuellen Geschehen abwechseln, erfährt man wesentliche Details über Kindheit und Intentionen des Mörders. Die Identität des Täters allerdings bleibt bis fast zum Schluss verborgen. Abels Ermittlungen werden zu einem Wettlauf mit der Zeit, bei dem der Autor den Lesern kaum eine Verschnaufpause gönnt.
Kurz: Ein echter Thriller für Leser, die über gute Nerven verfügen.

Veröffentlicht am 14.12.2017

Mit einem Augenzwinkern

Lauter Leichen
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Der Titel des Krimis übertreibt? Keineswegs, wie der Leser sehr schnell feststellen wird! Bereits zu Beginn des Romans stolpert er über zwei Tote in der Küche von Ellis Mutter. Einer von ihnen ist Peter, ...

Der Titel des Krimis übertreibt? Keineswegs, wie der Leser sehr schnell feststellen wird! Bereits zu Beginn des Romans stolpert er über zwei Tote in der Küche von Ellis Mutter. Einer von ihnen ist Peter, Ellis Ex-Lebensgefährte. Derweil die Protagonistin noch vollauf damit beschäftigt ist, „aufzuräumen“ und mit Oma Friedas Hilfe die Sachlage zu klären, schreitet das Gesetz in Gestalt des smarten Kommissars Watkowski ein. Doch statt Aufklärung folgt zunächst nur noch mehr Verwirrung: wieviele und wessen Leichen haben diverse vornehme Hamburger Familien im Keller verborgen?
In lockerer Sprache und mit reichlich schwarzem Humor entwirrt Zarah Philips alias Elenor nach und nach die verzwickten Fäden um das mörderische Geschehen. Kundig und temporeich führt sie den Leser auf der Suche nach Gerechtigkeit durch Hamburg, stürzt ihn in ungewöhnliche Situationen und macht ihn mit ihrer skurrilen Familie und anderen merkwürdigen Personen bekannt. Dabei geht es absolut nicht zimperlich zu; aber stets spürt man das Augenzwinkern der Autorin.
Der bunt tätowierte Totenkopf auf dem Buchcover verspricht nicht zuviel: dieser Krimi ist ebenso spannend wie vergnüglich zu lesen.