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Veröffentlicht am 31.05.2019

Die zweite Haut

Deine kalten Hände
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Es ist wirklich keine neue Erkenntnis, dass wir in einer Welt der Äußerlichkeiten und des schönen Scheins leben. Wie es dabei im Inneren des Menschen aussieht, gibt niemand gern preis. Noch extremer mag ...

Es ist wirklich keine neue Erkenntnis, dass wir in einer Welt der Äußerlichkeiten und des schönen Scheins leben. Wie es dabei im Inneren des Menschen aussieht, gibt niemand gern preis. Noch extremer mag es in der asiatischen Welt sein: Welche Gefühle verbergen sich wirklich hinter einem Lächeln?
Als guter Beobachter erfährt Jang Unhyong bereits als Kind schmerzlich, was Menschen hinter einer solchen lächelnden Maske verstecken können. Seitdem ist er bestrebt, die offizielle, gesellschaftsfähige Hülle von Menschen zu durchschauen, die Geheimnisse dahinter zu entdecken. Als Bildhauer entwickelt er schließlich das „Lifecasting“, eine Methode, Gipsabdrücke von Menschen herzustellen, die besonders naturnah und dicht an der körperlichen Realität sind.
Aus zwei unterschiedlichen Erzählperspektiven schildert die Schriftstellerin Han Kang von Jang und seiner Beziehung zu zweien seiner Modelle, die äußerlich völlig gegensätzlich erscheinen, aber beide als Kinder Dinge erlebten, die sie zu Außenseitern machten. In einer Art Tagebuch beschreibt Han die ständigen Bemühungen des Künstlers, ein Abbild von den Frauen zu nehmen, die Gipshülle des Erscheinungsbildes als leere Hülle zu präsentieren und zu dem wahren Wesen der Frauen zu gelangen: seine Absicht ist, „Menschen die verletzliche Hülle abziehen, um in ihr Inneres zu sehen“. Dabei bleibt sie eher sachlich beobachtend und kühl. Es ist verwirrend, wie wenige Emotionen ihr Roman aufkommen lässt. Vielleicht liegt es daran, dass viele Erkenntnisse zu oft wiederholt und erläutert werden? Oder zu offensichtlich sind? Zu den Protagonisten besteht ebenfalls viel Distanz. Gewollt? Wie auch immer, es bleibt ein eher unterkühltes Leseerlebnis.

Veröffentlicht am 16.05.2019

Eine düstere Welt

Witchmark. World Fantasy Award für den besten Fantasy-Roman des Jahres 2019
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Ein sterbender Journalist, der behauptet, vergiftet worden zu sein; verwundete Soldaten in einem Veteranenhospital, in deren Körpern sich etwas Bedrohliches ausbreitet - Dr. Miles Singer steht vor einigen ...

Ein sterbender Journalist, der behauptet, vergiftet worden zu sein; verwundete Soldaten in einem Veteranenhospital, in deren Körpern sich etwas Bedrohliches ausbreitet - Dr. Miles Singer steht vor einigen Rätseln. Im Verlauf seiner Nachforschungen erkennt er jedoch, dass es Zusammenhänge zwischen diesen Geschehnissen geben muss. Unterstützung erfährt er von Seiten des gutaussehenden, mit magischen Kräften versehenen Amaranthinen Tristan, der ebenfalls eine Mission zu erfüllen hat. Als Miles, selbst mit besonderen Fähigkeiten begabt, schließlich glaubt, dem Geheimnis auf der Spur zu sein, gerät er in Lebensgefahr; denn er hat mächtige Gegenspieler.
In ihrem Romandebüt entwirft die Autorin das Bild eines etwas düster wirkenden Fantasiereiches, das einer englischen Stadt des ausgehenden 19., beginnenden 20. Jahrhunderts ähnelt. In flüssigem, gut und leicht zu lesendem Stil schildert sie Aelands Bevölkerung. Die Aufteilung der Klassengesellschaft in Arm und Reich, fast rechtlose, ausgebeutete Hexen und privilegierte Zauberer, an deren Spitze eine Königin regiert, erscheint allerdings recht schlicht. Neben Themen wie Familienkonflikte, Freundschaft, Liebe oder Verrat werden auch Macht(missbrauch) und Kriegsneurosen angesprochen - zahlreiche und komplexe Probleme, eigentlich zuviele, um sie intensiver ausleuchten zu können. Da bleibt für meinen Geschmack die Umsetzung doch recht oberflächlich und vage. Ebenso blass wirken die Charaktere auf mich; einzig der Protagonist selbst erscheint plastischer. Die Spannung im Handlungsablauf wird zwar meist beibehalten, zumindest am Anfang aber immer wieder einmal unterbrochen, da (für mich als Leserin) unerklärliche und von der Autorin erst viel später erklärte Begriffe sehr verwirrend wirken. Dabei ist Polks Idee zu „Witchmark“ eigentlich ganz originell; vielleicht gelingt es ihr in der Fortsetzung des Romans, sie „runder“ auszuarbeiten.

Veröffentlicht am 26.02.2019

Etwas unscharf

Worauf wir hoffen
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Welche elterlichen Erwartungen und Wünsche kann oder muss ein Kind erfüllen? Und was erhoffen sich die Kinder selbst? Das sind nur zwei von vielen Fragen, die Fatima Farheen Mirza in ihrem Debutroman ...


Welche elterlichen Erwartungen und Wünsche kann oder muss ein Kind erfüllen? Und was erhoffen sich die Kinder selbst? Das sind nur zwei von vielen Fragen, die Fatima Farheen Mirza in ihrem Debutroman aufwirft.
Zum Inhalt: Laila folgt dem Wunsch ihrer Eltern und verlässt ihre indische Heimat, um mit Rafik, dem Ehemann, den ihre Eltern für sie bestimmt haben, in Amerika zu leben. Beide gehen in ihrem muslimischen Glauben auf und erziehen die drei Kinder in traditioneller, gottesfürchtiger Weise, wie sie es gelernt haben. Während die Töchter Hadia und Huda sich den Regeln der Gemeinschaft fügen, hat der jüngste Spross der Familie, Amar, Probleme: er zweifelt an seiner Gläubigkeit und der Religion, die das Leben seiner Familie bestimmt, stellt Verbote in Frage und bricht mit Konventionen. Das Unverständnis und die Strenge seiner Eltern entfernen ihn innerlich immer weiter von ihnen; er versucht, wenigstens zeitweise der Realität durch den Rausch von Alkohol und Drogen zu enfliehen…
Es sind vielerlei recht schwierige Themen, die Fatima Farheen Mirza in ihrem Debutroman aufgreift. Da ist einmal der Generationenkonflikt, der in fast jeder Familie entsteht, in einer konservativ muslimischen jedoch unterdrückt wird. Die problematischen Beziehungen der Familienmitglieder untereinander werden thematisiert. Wie schwierig es für die drei (in Amerika geborenen) Kinder ist, sich in die westliche Gesellschaft zu integrieren und ihren Klassenkameraden/innen anzupassen, wird nur kurz angedeutet; eine große Kluft besteht zwischen Elternhaus und Umwelt. Inwieweit lassen sich die Traditionen und Regeln der ursprünglichen Herkunft mit den Erfordernissen eines erfolgreichen Lebens in Amerika vereinbaren? Im Mittelpunkt jedoch scheint der Glaubenskonflikt zu stehen.
All diese Probleme will die Autorin aus unterschiedlichen Sichtweisen beleuchten. Aus diversen Szenen setzt sie ihre Geschichte zusammen, Gegenwart, vergangene Episoden und Erinnerungen einzelner Familienmitglieder ergänzen sich für den Leser zu einem deutlicher werdenden Bild. Hadia, Amar und ihre Mutter Laila kommen zu Wort. Was mir fehlte, ist ein Statement des „Sandwichkindes“ Huda; ihr Charakter erscheint nur am Rande in den Äußerungen der übrigen und bleibt recht schemenhaft. Nach etwa zwei Dritteln des Romans
gibt es eine deutliche Zäsur: nun endlich erwartet uns die Schilderung der Gedanken des Familienoberhauptes - und überraschende Erkenntnisse. Es wird deutlich: jedes Familienmitglied hat seine eigenen Hoffnungen und Vorstellungen vom Leben. Aber wie sind sie untereinander vereinbar?
Die 27jährige Mirza, die eigenen Aussagen zufolge acht Jahre an ihrem ersten Buch schrieb, hat sich meiner Meinung nach zuvielen komplizierten Problemen zugleich gewidmet, jedoch nicht alle gleichermaßen konsequent und überzeugend dargestellt. Vieles blieb mir leider zu vage und unbestimmt.

Veröffentlicht am 29.10.2018

Wie der Vater so die Kinder?

Mein Name ist Trump – Hinter den Kulissen von Amerikas First Family
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Vielleicht hätte Emily Jane Fox die Erläuterungen zu der Entstehung ihres Buches besser als Vorwort drucken lassen, anstatt sie im nachhinein folgen zu lassen. So würde deutlicher, dass sie diese Aufgabe ...

Vielleicht hätte Emily Jane Fox die Erläuterungen zu der Entstehung ihres Buches besser als Vorwort drucken lassen, anstatt sie im nachhinein folgen zu lassen. So würde deutlicher, dass sie diese Aufgabe eher mit gemischten Gefühlen anging.
Auch meine Gefühle als Leserin waren gemischt: Ein weiteres Buch über Amerikas umstrittenen Präsidenten? Der Untertitel „Hinter den Kulissen“ ist es, der neugierig macht. Und so schildert die Autorin auf gut fundierte Recherchen gestützt Trumps Privatleben aus der Perspektive seiner Kinder. Der Leser erfährt dabei einiges - ob neu oder bereits in den Medien ausgewalzt - über das öffentliche und private Dasein der „Mini-Voltrons“. Wie sah eigentlich ihre Kindheit aus? Wie haben sie ihre Eltern erlebt und wie gingen sie als Kinder mit dem Medienrummel um, der um Trump´sche Erfolge wie auch Skandale gemacht wurde?
Fox bemüht sich um sachliche Schilderung, dennoch sind (leise) Untertöne von Kritik oder Skepsis zu spüren. Ihr unterhaltsamer Stil, leicht und schnell zu lesen, ebenso wie die Beschreibungen zahlreicher (mir nicht so wichtig erscheinender) Details weisen auf ihren Beruf als Journalistin hin. So fühle ich mich etwa bei Berichten über Hochzeiten der Trump-Nachkommen in die Yellow Press versetzt. Immerhin glaubt der Leser nach dieser Lektüre, Donald Trump und seine Kinder etwas besser zu kennen - wenn auch nicht zu verstehen oder gar zu mögen.
Mit einer Feststellung hat die Autorin absolut recht: ohne so viel neugieriges Publikum und dessen Aufmerksamkeit fiele nur halb soviel Glanz auf diese Familie.

Veröffentlicht am 29.10.2018

"Wir sind nie allein"

Hallo, Jenseits
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Personen wahrnehmen, die nicht (mehr) im realen Leben existieren und die andere Menschen nicht sehen können - ein Albtraum. Kann man trotzdem ein normales Leben führen?
Dolly Röschli schreibt in Hallo, ...

Personen wahrnehmen, die nicht (mehr) im realen Leben existieren und die andere Menschen nicht sehen können - ein Albtraum. Kann man trotzdem ein normales Leben führen?
Dolly Röschli schreibt in Hallo, Jenseits über die Erfahrungen mit ihren speziellen Fähigkeiten, die sie als Kind und während des Prozesses des Erwachsenwerdens gemacht hat.
In ihrem „autobiografischen Sachbuch“ beschreibt sie ihren bisherigen Lebenslauf, die Entwicklung und Schulung ihrer besonderen Begabung im Londoner Arthur Findley College. In gut verständlicher Weise und mit einfachen Worten behandelt sie das Thema Sterben und Tod, das sicher jeden von uns beschäftigt, und gibt Auskunft über Begriffe wie Lebensplan und Inkarnation. Zudem erhält der Leser Einblicke in ihre Arbeit als Medium für Rat- und Trostsuchende. Mit einem Kapitel über praktische Grundübungen zu Meditation im Alltag beschließt die Autorin ihr Buch.
Was ist dran an Medialität? Eine befriedigende Antwort auf diese Frage kann Röschli in ihrem Buch nicht geben, nichts von alledem, was sie berichtet, ist wissenschaftlich nachweisbar. Sie beruft sich auf Sensitivität und das „Bauchgefühl“, das den meisten Erwachsenen abhanden gekommen ist. Ob beim Leser Skepsis überwiegt oder ob er sich überzeugen lässt: Röschli bemüht sich, ihm mit ihren Schilderungen die Angst vor dem Tod zu nehmen.