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Veröffentlicht am 22.03.2024

Munyal ...

Die ungeduldigen Frauen
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… Geduld - im westlichen Kulturraum als Tugend und Weisheit gepriesen - wird in Kamerun viel ausufernder interpretiert. Munyal bedeutet für die Frauen hier ein völliges Sich-Zurücknehmen, bis zur ...


… Geduld - im westlichen Kulturraum als Tugend und Weisheit gepriesen - wird in Kamerun viel ausufernder interpretiert. Munyal bedeutet für die Frauen hier ein völliges Sich-Zurücknehmen, bis zur totalen Unterwerfung unter den Willen eines Mannes. Erst ist es der Vater, später der Ehemann, der über Wohl und Wehe der Frauen bestimmt.
In ihrem Roman lässt Djaili Amadou Amal drei unterschiedliche junge Frauen zu Wort kommen, die ihre Schicksale erzählen. Da ist zum einen die siebzehnjährige Ramla, die immerhin eine Schule besuchen durfte und davon träumte, Apothekerin zu werden, bevor sie zwangsverheiratet wird. Ihre Halbschwester Hindou wird an demselben Tag verheiratet wie sie. Wie unglücklich beide sind, kümmert niemanden: es ist das Schicksal der Frau, wie eine Sklavin einem Mann zu gehören - so, wie es der Islam verlangt.
Die dritte Frau ist Safira, bereits verheiratet mit Alhadji und nicht begeistert davon, dass er sich Ramla als Zweitfrau genommen hat. Sie empfindet sie als ernsthafte Konkurrentin um Alhadjis Gunst; denn in der weiblichen Gemeinschaft kursiert derSpruch: „Für eine Frau gibt es keinen schlimmeren Feind als eine Frau!“ Anstelle von Solidarität und gegenseitiger Hilfe wird so eher Misstrauen und sogar Hass untereinander genährt, was es wiederum dem männlichen Anspruch auf Besitz leicht macht, sich zu behaupten.
In klaren, nüchternen Worten erzählt die Autorin vom Schicksal der Frauen. Sie zeichnet ein eindrucksvolles Bild von Leben und Gebräuchen in Kamerun. Amal, die sich auch privat gegen die Unterdrückung von Frauen engagiert, liegt besonders die Situation der Mädchen und Frauen am Herzen, die nicht über ihr eigenes Leben bestimmen dürfen.
“Wer geduldig ist, bereut es nicht" sagt man in Kamerun. Nach der Lektüre dieses Romans habe ich da meine Zweifel.

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Veröffentlicht am 18.02.2024

Stillverliebt...

Der Wortschatz
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… habe ich mich in dieses wunderschöne Buch. Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger haben ein Kunstwerk geschaffen, fröhlich, farbenfroh, fantasievoll, das mit wenig Text auskommt, dem Leser aber eine ...

… habe ich mich in dieses wunderschöne Buch. Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger haben ein Kunstwerk geschaffen, fröhlich, farbenfroh, fantasievoll, das mit wenig Text auskommt, dem Leser aber eine immense Menge an (Eigenschafts-)Wörtern beschert. In großformatigen Bildern voller Witz und ebenso humorvollen kurzen Textpassagen begleiten wir den Jungen Oscar auf seinem Weg; wir erleben seine Verwirrung zu Beginn seines Fundes - eine Schatztruhe voller Wörter! - und deren recht wahllose Verwendung - bis er ganz „wortlos" dasteht. Zum Glück gibt es die poetische Louise, die ihn zum Entdecken und Sammeln neuer Wörter anleitet.
Und tatsächlich macht dieses quietschvergnügte, lebendige Bilderbuch Lust darauf, sich mehr auf eine ausdrucksvolle, schöne Sprache zu konzentrieren, aus ihrem Reichtum zu schöpfen und sie mit allen Sinnen zu erleben, so wie Oscar.
Doch das Buch des Autoren- und Illustratorenpaares hebt nicht nur den Spaß an Wörtern hervor, sondern macht ebenso darauf aufmerksam, wie wichtig ein vernünftiger, behutsamer Umgang mit Sprache ist.
Übrigens gibt es für Pädagogen zusätzlich Begleitmaterial für den Schulunterricht, das kostenlos erhältlich ist.

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Veröffentlicht am 17.02.2024

Über Generationen hinweg

Lil
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Ein Hilferuf in Briefform, vor mehr als hundert Jahren verfasst und danach verschwunden, taucht bei einer Baumaßnahme wieder auf. Er gibt der krebskranken Sarah neue Energie und Lebensmut; denn sie fühlt ...

Ein Hilferuf in Briefform, vor mehr als hundert Jahren verfasst und danach verschwunden, taucht bei einer Baumaßnahme wieder auf. Er gibt der krebskranken Sarah neue Energie und Lebensmut; denn sie fühlt sich in der Pflicht, über das Schicksal der einstigen Briefschreiberin zu berichten.
Im Zwiegespräch mit ihrer Dobermannhündin Miss Brontë erzählt sie die Geschichte ihrer Urahnin Lil, einer erfolgreichen Unternehmerin, die - von ihrem Sohn Robert entmündigt und weggesperrt - mit Hilfe der resoluten Anwältin Colby Sandberg rehabilitiert wird. Wird sie ihrem Sohn vergelten, was er ihr angetan hat? Und wie wird ihre Rache aussehen?
Gassers Roman gewährt einen spannenden Einblick in die gesellschaftlichen Verhältnisse der 1880er Jahre der Vereinigten Staaten von Amerika. Packend schreibt er über die Situation und gesellschaftliche Stellung der Frau in jener Zeit, über Vorurteile, Intoleranz und Inkompetenz. Dabei verliert er nie den Bezug zu unserer Gegenwart und zeigt Parallellen zwischen den Generationen auf. In eigenwilligem, angenehm lesbarem Stil und mit hintergründigem Humor schildert er Lils Erlebnisse und Erfahrungen und läßt geschickt ein Band zwischen ihr und ihrer Urururenkelin Sarah entstehen. Gassers Sprache passt sich den jeweiligen Charakteren an und macht die einzelnen Personen unverwechselbar.
Ob die Missstände, Vorurteile und Anmaßungen, die in Lils Generation vorherrschten, der Vergangenheit angehören? Das mag der Leser selbst entscheiden.

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Veröffentlicht am 14.01.2024

Atmosphärisch dicht

Das Philosophenschiff
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Ausgerechnet einem Schriftsteller, „dem man nicht glaubt, was er schreibt“, vertraut die berühmte Architektin Anouk Perlemann-Jacob ihre Geheimnisse an, Ereignisse aus ihrem immerhin hundert Jahre währenden ...

Ausgerechnet einem Schriftsteller, „dem man nicht glaubt, was er schreibt“, vertraut die berühmte Architektin Anouk Perlemann-Jacob ihre Geheimnisse an, Ereignisse aus ihrem immerhin hundert Jahre währenden Leben, die sie keinem ihrer Biografen bisher erzählt hat.
Und genau darauf darf sich der Leser dieses Romans auch einstellen: Was an Anouks Bericht entspricht der Wahrheit, was ist Fiktion?
In seiner gewohnt virtuosen Art verflicht Köhlmeier die fesselnde Biografie einer erfolgreichen Frau mit historischen Geschehnissen in Russland aus einhundert Jahren. Sie reichen vom Sturz des letzten Zaren bis in die Gegenwart. Allerdings konzentriert sich die Erzählung hauptsächlich auf die Begebenheiten auf einem der sogenannten „Philosophenschiffe“, mit denen Lenin 1922 unbequeme Intellektuelle, die dem Bolschewismus kritisch gegenüber standen, deportieren ließ. So auch die Perlemann-Jacobs und die damals 14jährige Anouk.
Der Autor versteht es wunderbar, die Stimmung auf dem Schiff, die Gedanken und Ängste der erwachsenen Exilanten und der jungen Anouk wiederzugeben. Er tut das auf so intensive Weise, dass der Leser hautnah und sehr intensiv etwas von der düsteren Atmosphäre jener Zeit selbst miterlebt, den Schrecken und Terror des Regimes. Und ohne sich nur auf die Berichte Perlemann-Jacobs zu verlassen, recherchiert der (fiktive) Autor/Köhlmeier auf eigene Faust und konfrontiert die Erzählerin mit weiteren Fakten…

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Veröffentlicht am 04.01.2024

Weinbergschnecke und Taubenschwänzchen

Endling
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… gehören zu den Tieren, die im Jahr 2041 so gut wie ausgestorben sind. Jedenfalls in Jasmin Schreibers neuem Roman „Endling“.
Es ist eine düstere - aber durchaus vorstellbare - Welt, in der Zoe, ...

… gehören zu den Tieren, die im Jahr 2041 so gut wie ausgestorben sind. Jedenfalls in Jasmin Schreibers neuem Roman „Endling“.
Es ist eine düstere - aber durchaus vorstellbare - Welt, in der Zoe, eine junge Biologin, lebt und arbeitet: das Artensterben ist in vollem Gange, die Menschen werden von Pandemien heimgesucht, es gibt staatliche Repressalien und frauenfeindliche Gesetze. Als Zoes Mutter eine Kur macht, um ihr Alkoholproblem in den Griff zu bekommen, beginnt für Zoe eine neue Zeit. Sie muss sich um ihre junge Schwester Hanna und ihre Tante Auguste kümmern, die ebenfalls beide nicht unproblematisch sind; Hanna steckt in einer Pubertätskrise, Auguste, ebenfalls Wissenschaftlerin, leidet unter panischer Angst vor Viren. In dieses Szenario platzt die Nachricht, dass Tante Augustes Freundin Sophie verschwunden ist, und die drei Frauen fassen einen folgenschweren Entschluss …
Der Roman ist sehr unterhaltend geschrieben, teilweise mit leisem Humor unterlegt. Die Autorin lässt den Ton zwischen Alltagssprache und wissenschaftlichen Betrachtungen wechseln, was mir recht gut gefällt.
Es sind schwerwiegende Themen, die Jasmin Schreiber hier aufgreift, allerdings werden sie nur angerissen, manches nur angedeutet. Hier habe ich ein wenig mehr Deutlichkeit vermisst.
Trotz düsterer Prognosen zeigt Schreiber aber auch Rückzugsorte auf - um etwas Licht ins Dunkel zu bringen? Leider bleiben sie äußerst nebelhaft, mystifiziert, was mir nicht zum Gesamtkonzept des Romans zu passen scheint. Schade!

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