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Veröffentlicht am 18.05.2021

Verstörend

Letzte Ehre
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Friedrich Anis Romane sind keine Krimis, die man einfach konsumiert und schnell wieder vergisst. Seine Geschichten sind komplex und psychologisch gut fundiert, und ihr Tenor hallt lange nach.
In seinem ...

Friedrich Anis Romane sind keine Krimis, die man einfach konsumiert und schnell wieder vergisst. Seine Geschichten sind komplex und psychologisch gut fundiert, und ihr Tenor hallt lange nach.
In seinem neuen Buch steht die Oberkommissarin Fariza Nasri im Mittelpunkt, die bereits in dem Vorgängerroman „All die unbewohnten Zimmer" ihren Auftritt hatte. Das Älterwerden und viele schlimme Ermittlungsfälle haben ihre Spuren hinterlassen; sie fühlt sich „verbeult". Als empathische Verhörspezialistin ist es ihre Aufgabe, zunächst den gewaltsamen Tod einer 17jährigen Schülerin aufzuklären. Als Leser erleben wir diese Ermittlung und auch die weiterer Taten, die nur lose miteinander zusammenhängen, aus Nasris Gesprächen mit Zeugen und Tätern. Ani versteht es, diese Berichte auf packende Weise wiederzugeben; Berichte von Taten, denen das Thema (sexuelle) Gewalt an Mädchen und Frauen zugrundeliegen, Machtmissbrauch und gewissenlose Gier. Zeile für Zeile enthüllt Ani den Horror, den die Opfer erleb(t)en, und über den gerne ein Mantel des Schweigens gebreitet wird. „Letzte Ehre“ - ein anspruchsvoller Kriminalroman, der den Leser noch lange verfolgt.

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Veröffentlicht am 17.05.2021

So leicht und luftig wie ein Sommertag

Der große Sommer
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… erscheint Ewald Arenz´ neuer Roman „Der große Sommer“. Einen Sommer lang begleiten wir seinen Protagonisten Friedrich, der sich unter Aufsicht seiner Großeltern auf die Nachprüfung in Mathematik und ...

… erscheint Ewald Arenz´ neuer Roman „Der große Sommer“. Einen Sommer lang begleiten wir seinen Protagonisten Friedrich, der sich unter Aufsicht seiner Großeltern auf die Nachprüfung in Mathematik und Latein vorbereiten muss, um nach den Ferien doch noch versetzt zu werden. Friedrich, sechzehn Jahre alt und frisch verliebt, verbringt die verbleibende freie Zeit mit seinem Schulfreund Johann, Schwester Alma und Beate, seiner ersten Liebe - bis Johanns Vater plötzlich stirbt und sich alles für die vier Freunde ändert…
Auf einfühlsame Art schildert Arenz die kleinen und großen Probleme eines Jungen in der Pubertät. Er empfindet seine Gefühle nach, ohne dabei kitschig zu werden, beschreibt die Hochs und Tiefs, d
enen Friedrich ausgesetzt ist, und an die sich bestimmt auch jeder von uns erinnern kann. Überhaupt gelingt es dem Autor, alle Sinne des Lesers anzusprechen: der Geruch von frisch gemähtem Gras, flirrendes Licht in den Bäumen und das Rufen der Mauersegler - Eindrücke eines herrlichen Sommertages. Bei aller Leichtigkeit und Frische seiner Geschichte geht Arenz auch ernste, tiefgehende psychische Probleme an, welche die Freundschaft der vier Jugendlichen belasten. und fast zerbrechen lassen. Doch Optimismus und Lebensfreude überwiegen und lassen den Roman harmonisch ausklingen.

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Veröffentlicht am 29.04.2021

Konflikt zwischen Kuluren

Laudatio auf eine kaukasische Kuh
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Olga Evgenidis wünscht sich von ganzem Herzen einen kurzen, möglichst einsilbigen Nachnamen, und in ihrem Medizinerkollegen Felix Van Saan scheint sie ihn auch gefunden zu haben. Dabei ist dieser Wunsch ...

Olga Evgenidis wünscht sich von ganzem Herzen einen kurzen, möglichst einsilbigen Nachnamen, und in ihrem Medizinerkollegen Felix Van Saan scheint sie ihn auch gefunden zu haben. Dabei ist dieser Wunsch natürlich nur Ausdruck ihrer Sehnsucht, ihr „altes“ Leben hinter sich zu lassen. Als Tochter einer Einwandererfamilie aus Georgien arbeitet sie sich zielstrebig aus ärmlichen, beengten Verhältnissen empor; ihre Zukunft verläuft in vermeintlich geraden Bahnen, an der Seite des begüterten Felix. Doch dann kreuzt Jack Jennerwein ihren Weg …
Keine Frage, das Buch ist anschaulich und in einem angenehmen Stil geschrieben. Angelika Jodl flicht humorvolle Elemente ein, auch einige (wenige) historische Details zum Herkunftsland ihrer Protagonistin, Georgien. Dennoch bleibt der Roman für mich an der Oberfläche; viel mehr als eine Liebesgeschichte mit Hindernissen kann ich nicht erkennen. Die eigentlichen Probleme der doch sehr unterschiedlichen Kulturen in Georgien und Deutschland werden leider nur gestreift, ebenso wie Olgas Konflikte, für sich beide miteinander zu verbinden. Dabei hätte meiner Meinung nach hier das Potential deutlich mehr ausgeschöpft werden können und vermutlich zu einer wesentlich interessanteren, spannenderen Geschichte beitragen können.


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Veröffentlicht am 16.04.2021

Eindringlich

Der ehemalige Sohn
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Wie kommt ein Schriftsteller zu der Aussage, er habe die Hoffnung, dass „dieses Buch in meinem Land eines Tages nicht mehr aktuell sein wird“? Sasha Filipenko, der damit vermutlich den Nerv der Mehrzahl ...

Wie kommt ein Schriftsteller zu der Aussage, er habe die Hoffnung, dass „dieses Buch in meinem Land eines Tages nicht mehr aktuell sein wird“? Sasha Filipenko, der damit vermutlich den Nerv der Mehrzahl seiner Landsleute trifft, prangert auf subtile Weise das politische System seines eigenen Landes an, Belarus, in dem sich seit Jahrzehnten keine Besserung ankündigt. Auch mich hat sein Roman betroffen gemacht.
Sein Protagonist, der 16jährige Franzisk Lukitsch, wird bei einer Massenpanik in Minsk so schwer verletzt, dass er in ein Koma fällt. Während seine Mutter und die Ärzte die Hoffnung aufgegeben haben, dass er jemals wieder aufwachen werde, organisiert seine mutige, bodenständige Großmutter Elvira jahrelang alles, um ihren Enkel wieder zu wecken. Doch sein tasächliches Erwachen zehn Jahre später erlebt sie nicht mehr, und Franzisk ist auf sich allein gestellt …
Sehr bildhaft und lebendig erzählt Filipenko, zieht den Leser in seine Geschichte hinein und lässt ihn Teil der Ereignisse werden. Beißend ironisch kommentiert er die Gesellschaft seines Landes, die Repressalien der Politik, die Sympathisanten und Nutznießer, aber auch die Gegner des totalitären Regimes. Doch man spürt deutlich, wie sehr ihn die Verfolgung politischer anders Denkender, die Angst der Menschen, in diese brutale Maschinerie hineinzugeraten, beschäftigt. Die verzweifelten Versuche der Bevölkerung, mit Demonstrationen mehr Demokratie zu erreichen, sieht er stets aufs Neue scheitern. Jedoch hat er die Hoffnung auf eine positive Veränderung des Landes nicht aufgegeben und trägt seinen Teil dazu bei, indem er schreibt. Belarus muss doch eines Tages aus seinem „Koma" erwachen, genauso wie Franzisk …



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Veröffentlicht am 15.04.2021

Schwarz oder weiß

Die verschwindende Hälfte
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Man sieht es den Zwillingsschwestern Desiree und Stella Vignes nicht an: sie sind hellhäutige Schwarze. Aufgewachsen in dem kleinen Ort Mallard, beschließen sie als Teenager, ihre enge Heimat zu verlassen ...


Man sieht es den Zwillingsschwestern Desiree und Stella Vignes nicht an: sie sind hellhäutige Schwarze. Aufgewachsen in dem kleinen Ort Mallard, beschließen sie als Teenager, ihre enge Heimat zu verlassen und in der Stadt New Orleans ihr Glück zu versuchen. Stella, die sich für ihre Arbeit als Weiße ausgibt, verschwindet jedoch eines Tages, um ganz neu anzufangen und ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen. Desiree kämpft sich weiter durch, kehrt jedoch nach einer Ehe mit einem gewalttätigen Mann mit ihrer kleinen dunkelhäutigen Tochter zurück zu ihrer Mutter nach Mallard. Die Zwillinge leiden unter der Trennung, doch Stella kann nicht so ohne weiteres an ihre Vergangenheit wieder anknüpfen. Wie hoch ist der Preis für ein privilegiertes, „weißes“ Leben?
Außerordentlich sensibel erzählt Brit Bennett die Geschichte der unterschiedlichen Zwillinge in den Jahren 1968 bis 1988 und ihrer (auch äußerlich) so verschiedenen Töchter. Neben ihrer Schilderung von Rassismus und Vorurteilen, die das Leben der Mädchen bestimmen, streift sie auch andere gesellschaftliche und soziale Probleme der 60er und 70er Jahre. Eindrucksvoll versteht sie den Lesern deutlich zu machen, wie die Probleme der Mütter unwissentlich auf die nächste Generation übertragen werden und wie die jungen Mädchen damit umgehen. Ein Roman, der lange nachhallt.

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