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Veröffentlicht am 03.03.2019

Historischer Lesestoff, der mich gefesselt hat bis zum Ende

Licht in den Wolken
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"Licht in den Woken" ist der zweite Band nach "Tage des Sturms" in ihrer Berlin-Trilogie. Der neue Roman erscheint am 1.3.2019 im Knaur Verlag.

Das Autorenduo Iny Lorentz steht für fesselnde historische ...

"Licht in den Woken" ist der zweite Band nach "Tage des Sturms" in ihrer Berlin-Trilogie. Der neue Roman erscheint am 1.3.2019 im Knaur Verlag.

Das Autorenduo Iny Lorentz steht für fesselnde historische Romane, allein im Knaur Verlag sind von ihnen bereits 33 Romane erschienen.

1864: Deutschland befindet sich in den Wirren des Deutsch-Französischen Krieges. In der Zeit wird Friederike von Gantzow, die Tochter eines verarmten Offiziers auf ein Internat für höhere Töchter geschickt. Das Schulgeld bezahlt ihre Tante. Rieke ist selbstbewusst, ehrgeizig und gewinnt schnell eine neue Freundin, Gunda von Hartung und auch ihren Bruder Theo lernt sie bald kennen. Beide stammen aus einer reichen Fabrikantenfamilie. Rieke verbringt die Ferien bei den Hartungs, sie verliebt sich in Theo, doch ihre Verwandten haben andere Pläne mit ihr. Theo zieht in den Krieg und wer weiß, ob sie sich wiedersehen.

"Zum ersten Mal in ihrem Leben fuhr Rieke mit der Eisenbahn und kam aus dem Staunen kaum heraus. Die kleine Garnisonstadt, in der ihr Vater stationiert war, blieb so schnell hinter dem Zug zurück, dass es ihr wie ein Wunder erschien." Zitat Buchbeginn Seite 7



Wenn man die Romane von Iny Lorentz kennt, weiß man, dass sie vor den historischen Hintergründen eine Geschichte entstehen lassen, die sich mit Irrungen, Wendungen und einer gewissen Dramatik abspielt. Es geht meistens um eine Romanze und so ist es auch in diesem Roman.

Rieke und Theo müssen sich in diesem Roman durch viele Hindernisse kämpfen, bis ihre Liebe Erfolg haben kann.

Eingebettet in die Zeit des Deutsch-Französischen Krieges erlebt man das Schicksal der jungen Friederike, die sich als Mädchen und als Mitglied einer verarmten Familie behaupten muss.

Militarismus und übergriffiger Patriotismus beherrschen die Zeit. Wer in der Armee Rang und Namen hat, wird hoch angesehen, auch adelige Abstammung sorgt für Ansehen. Die sozialen Unterschiede zwischen Arm und Reich sind groß, Aufstiegschancen fast unmöglich und die Standesdünkel erschreckend. Das sorgt bei dem Großteil der Bevölkerung für finanzielle Not und großes Leid und lässt nur wenige an Reichtum und Macht teilhaben. Sie kämpfen ihre Schlachten auf dem Rücken der Abgehängten und Armen.

Mit Rieke kann man wunderbar mitfühlen, ihre Schwierigkeiten im Internat besteht sie trotz harter Schläge eisern, ihre Freundschaft zu Gunda, aber auch zu einfachen Dienstboten, macht sie zu einer sympathischen Titelfigur, die man gerne begleitet.

Es gibt viele Probleme und Missstände, Entbehrung und Verdruß in ihrem Leben. Auch in der Schule hat sie es nicht leicht, doch ihre Freundschaft zu Gunda lässt viele Hoffnungsschimmer zu. Denn auch Gundas Bruder ist ein Lichtblick in Riekes Leben. Vom Vater verhöhnt, von der Mutter nicht groß beachtet, fristet sie ein Leben in Abhängikeit von ihrer Wohltäterin, ihrer Tante, die das Schulgeld bezahlt.

Doch was kommt nach der Schulzeit? Die Ausbildung im Internat zielt auf die Führung eines höheren Haushaltes als Ehefrau hin. Will Rieke das wirklich? Sich wie ihre Mutter einem Mann unterordnen

Die Story ist mitreißend, die Figuren haben eine ausgeprägte Lebendigkeit, der man sich nicht entziehen kann. Die historischen Details leben vom Säbelrasseln, von Duellen und Kriegsgebahren. Doch auch die Schattenseiten des Krieges sind sichtbar, Verletzungen, Verstümmelungen und Tod für das Vaterland werden in der Handlung deutlich gemacht.

Glaubhaft dargestellte Emotionen der Frauenfiguren, fragwürdige Ehrbegriffe und veraltete Ansichten und das Spiel von guten und bösen Charakteren sorgen für unterhaltsame Abwechslung und lassen die Spannung stetig mitspielen. Auch wenn einige Zufälle eingebaut werden, so stören sie nicht die Grundhandlung.



Dieser Roman ist klassisch nach bewährtem Iny Lorentz-Strickmuster geschrieben und bis zum Ende absolut fesselnd.

Veröffentlicht am 01.03.2019

Hätte noch mehr Spannung vertragen

Friesengift
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"Friesengift" ist der 12. Fall für Thamsen & Co von Sandra Dünschede. Die Regionalkrimireihe erscheint im Gmeiner Verlag.


Als in Dagebüll-Hafen ein Toter entdeckt wird, stellt sich heraus, dass er mit ...

"Friesengift" ist der 12. Fall für Thamsen & Co von Sandra Dünschede. Die Regionalkrimireihe erscheint im Gmeiner Verlag.


Als in Dagebüll-Hafen ein Toter entdeckt wird, stellt sich heraus, dass er mit einem Gift ermordet wurde. Der Tote wird als Besitzer eines Tierversuchslabors identifiziert. Liegt das Motiv vielleicht bei den Tierschützern? Kommissar Thamsen übernimmt die Ermittlungen und stösst dabei auf ein dubioses Kosmetikunternehmen, dessen Produkte im Labor des Toten getestet wurden. Auch in der Familie des Opfers liegen mögliche Mordmotive. Mithilfe der Hobbyermittler Haie und Tom findet Thamsen immer mehr Spuren, die ein regelrechtes Geflecht aus Rache, Hass und Geldgier aufzeigen.


Diese Krimireihe und seine Figuren lerne ich durch "Friesengift" kennen. In Nordfriesland scheint die Welt noch in Ordnung zu sein, doch auch hier ereignen sich Morde.

Im vorliegenenden Fall liegt der Fokus der Ermittler auf der Branche der Kosmetikindustrie, für Produkte, die Anti-Aging-Mittel versprechen wird viel Geld ausgegeben, denn Schönheit wünscht sich jede Frau. Doch bevor die Mittel auf dem Markt erscheinen, müssen sie zahlreiche Tests an Tieren in Labors durchlaufen. Das bringt die Tierschützer auf die Barrikaden. Hat Christensen als Inhaber eines dieser Labors der Hass der Tierschützer das Leben gekostet?


Wie Kommissar Dirk Thamsen durch ein toxikologisches Gutachten erfährt, wurde Christensen durch Schlangengift ermordet. Dieses gilt als Faltenkiller in der Schönheitsbranche.


Thamsens Ermittlungen gestalten sich durch die vielen Verdächtigen schwierig, doch Thamsen nutzt zusätzlich die Informationen des neusten Dorfklatschs von Haie und der Inhaberin des Dorfladens. Sie bringen einige Details ein, die für die Ermittlung der Polizei wichtig sind.

Scheinbar hegen da noch einige Personen einen Groll auf Christensen.


Immer mehr Details kommen ans Licht und neben einigen privaten Einblicken in das Leben von Thamsen und Haie, erfährt man auch mehr über die Verdächtigen. Diese Familienverhältnisse und Lebensprobleme ziehen zwar die Spannung aus der Geschichte, sind aber realistisch und unterhaltsam.

Mit etwas friesisch Platt gewürzt, kommt man den Menschen hier nahe.

Die Krimihandlung hätte ich mir noch spannender gewünscht, denn der Täter wird ziemlich offensichtlich gemacht.


Mir hat es gefallen, wie hier Ermittler und Hobbydetektive zusammenarbeiten. Auf dem Land läuft das eben noch viel familiärer ab. Vom Lokalkolorit hätte ich gern noch mehr gespürt. Bis auf einige Radfahrten, die Verbindungen zum Festland und den Blick auf den Grünstrand konnte ich hier nicht so recht in Urlaubsstimmung kommen. Auch die Gerichte waren nicht die üblichen von der Küste.


Von Schreibstil her ist das Buch flüssig und sehr leicht zu lesen, es gibt einige Wiederholungen über manche Figuren, wie die Haushaltstätigkeit von Haie, die etwas ermüdend zu lesen sind.

Die Charaktere weisen interessante Merkmale auf, doch sie treten nur blass hervor.

Am Ende sorgt die Enttarnung des Täters für einen Anstieg der Spannungskurve.



"Friesengift" ist ein leicht zu lesender Nordfriesland-Krimi ohne Blutvergießen und damit die geeignete Lektüre für den Strandkorb.

Veröffentlicht am 28.02.2019

Ein perfekt eingesprocher und wundersamer Kinderbuchklassiker,

Alice im Wunderland
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Lewis Carroll schrieb 1864 die Geschichte "Alice im Wunderland". Im Verlag cbj audio erschien 2018 die Neuinszenierung als Hörbuch. Gesprochen von der Schauspielerin Josefine Preuß.
(3 CDs, Laufzeit: ca. ...

Lewis Carroll schrieb 1864 die Geschichte "Alice im Wunderland". Im Verlag cbj audio erschien 2018 die Neuinszenierung als Hörbuch. Gesprochen von der Schauspielerin Josefine Preuß.
(3 CDs, Laufzeit: ca. 2h 59)


Josefine Preuß' führt ihre Hörer in eine zauberhafte Traumwelt voller wunderbarer Fantasiefiguren. Alice geht dort allein auf eine Entdeckungsreise und trifft dort auf ausgefallene Gestalten und skurrile Figuren. Wenn ein weißes Kaninchen eine Taschenuhr trägt und eine Katze Grinsekatze heißt, kann das nur eine märchenhafte Welt sein. Was Alice in dieser Wunderwelt alles so erlebt und wie sie sich gegen die Herzkönigin behaupten kann, zeugt von Mut und Fantasie.
Diese Lesung durch Josefine Preuß dauert circa 3 Stunden und ist für die Altersklasse ab 8 Jahren geeignet.

Wer den Klassiker bereits kennt, darf sich auf ein Wiedersehen mit der zauberhaften Alice und den Tieren und märchenhaften Figuren wie dem Hutmacher im Wunderland freuen.

Die Sprecherin bringt die verschiedenen Figuren gut zur Geltung und sorgt mit unterschiedlicher Stimmfärbung für ein Wiedererkennen.

Alice kommt durch einen Zufall in diese absonderliche Welt des Wunderlandes. Sie folgt einem Häschen und landet in einer Art Parallelwelt.

Sie ist neugierig, mutig und vergleicht diese Traumwelt mit der ihr bekannten normalen Welt. Schnell muss sie feststellen, dass hier nichts so ist wie es scheint und seltsame Pilze wachsen oder schrumpfen. Die Herzkönigin fordert sie zu einer Partie Croquet auf und letztendlich erlebt sie sogar Gerichtsprozeß. Wie man erwarten wird, geht es dort natürlich ganz und gar ungewöhnlich zu.

Die Beweismittel sind unsinnig, ebenso die Wortspielereien mit der Herzkönigin.

Hier verkehrt sich die Bedeutung von Alice gewohnter Welt um in das Gegenteil.

Da kann einem schon einmal der Kopf rauchen vor lauter Absurdität. Aber Alice versucht tapfer, aus dem sie umgebenden Unsinn schlau zu werden.

Die Geschichte enthält viele Merkwürdigkeiten, Wortspielereien und aberwitzige Figuren, die man sofort in einer Traumwelt vermuten würde. Auch die Größenverhältnisse sind ungewöhnlich, Alice ist zwar noch ein Kind, aber hier erscheint sie merkwürdig groß.

Das Original ist über 150 Jahre alt und zeigt eine für die heutige Zeit ungewöhnliche Sprache mit verschachtelten Sätzen und einer etwas naseweisen Heldin. Alice hinterfragt alles, was sofort weitere Antworten nach sich führt. Ob Kinder diesen Wortgefechten mit tieferen Inhalten begeistert folgen werden, mag ich nicht beurteilen. Das hängt immer auch von Entwicklungsstand ab.
Dem Hörbuch bin ich besonders durch die fantastische Sprecherin gern gefolgt. Sie macht daraus ein fast schon magisches Märchen und lässt Emotionen erkennbar werden. Doch auch wenn Josefine Preuß mit ihrer Stimme ihr Bestes getan hat und die Figuren erkennbar intoniert hat, haben mir die bunten Illustrationen gefehlt, die den Figuren noch viel mehr Leben einhauchen.

Eine wundersame Traumreise in die verrückte Wunderwelt von Alice wird hier hervorragend gesprochen und mit jeder Figur perfekt umgesetzt.


Bunt, abwechslungsreich, märchenhaft und sehr unterhaltsam. Vielleicht ist diese fantastische Entdeckungsreise von Alice heute nicht mehr so ausgefallen, wie sie auf die Kinder früher gewirkt haben muss. Aber sie ist dennoch ein wunderbarer Kinderbuchklassiker, bei dem man ein fantasiereiches Abenteuer miterleben kann.

Veröffentlicht am 26.02.2019

Bei diesem Band fehlte mir der übliche Wohlfühleffekt

Der fabelhafte Geschenkeladen
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Die Romanreihe aus der Valerie Lane von Manuela Inusa geht weiter. Der fünfte Band trägt den Titel "Der fabelhafte Geschenkeladen" und erscheint ebenfalls im Blanvalet Verlag.

Die Valerie Lane liegt in ...

Die Romanreihe aus der Valerie Lane von Manuela Inusa geht weiter. Der fünfte Band trägt den Titel "Der fabelhafte Geschenkeladen" und erscheint ebenfalls im Blanvalet Verlag.

Die Valerie Lane liegt in Oxford und ist eine der romantischsten Straßen der Welt. Dort betreibt Orchid einen Geschenkeladen, mit dem sie sich einen Lebenstraum erfüllt hat. Sie lebt in einer Beziehung zu Patrick, so richtig glücklich ist sie allerdings nicht, denn Patrick scheint etwas vor ihr zu verheimlichen und spricht nicht gern über sich und seine Kindheit. Orchid wünscht sich mehr Offenheit und ist enttäuscht, außerdem entdeckt sie ihre Gefühle für den Blumenhändler Tobin.

Seit dem ersten Band mag ich die Valerie Lane Reihe von Manuela Inusa und verfolge sie gerne weiter.

Mir gefällt die enge und harmonische Verbundenheit der Freundinnen und besonders den etwas altmodischen Charme dieser hübschen Einkaufsstraße im britischen Oxford, den Manuela Inusa so bildhaft schön beschreibt. Wer möchte da nicht gerne mal bummeln gehen und eine Tasse Tee trinken oder sich im Wollgeschäft umsehen.


Von Erzählstil überzeugt der lockere und leicht romantische Ton der Geschichte wie immer und man fühlt sich sofort in dieser kleinen Strasse mit den liebenswürdigen Charakteren heimisch. Denn diesen Charakteren ist es zu verdanken, dass man als Leser immer wieder gerne diesem Charme der kleinen Straße erliegt.

Nun wird die Geschichte von Orchid erzählt, leider konnte ich mit ihr nicht warm werden. Ihre Gefühle schwanken zwischen zwei Männern hin und her, damit verletzt sie beide, doch irgendwie denkt sie nur an sich und verhält sich recht selbstsüchtig. Dabei wirkt sie ansonsten so hilfsbereit und hat stets für andere ein Ohr. Diese Charakterzüge passen für mich nicht zusammen und ich konnte mich für ihre Gefühle nicht erwärmen. Das romantische Prickeln hätte ich mir anders gewünscht.

Als sich Patrick endlich dazu entscheidet, Orchid die Wahrheit über sich zu erzählen, scheint es für einen guten Ausgang der Beziehung zu spät zu sein. Sein Geheimins wirkt recht spannend.

Leider passte für mich diese Neuigkeit nicht zum üblichen Stil der Reihe, es hat etwas von kriminalistischem Hintergrund und damit wird der Charme der Geschichte völlig entzaubert.

Die persönliche Entwicklung von Orchid hat mich etwas enttäuscht, auch wenn ein überraschendes Ende dann das Buch doch noch harmonisch abschliesst. Auch bei den anderen Protagonistinnen gibt es Veränderungen, die ich gerne mitverfolgt habe.

Nun hoffe ich mal, dass sich Orchid doch fängt und ihren Weg nicht mehr so wankelmütig weiter geht.


Der fünfte Band konnte mich nicht vollständig überzeugen, mir fehlte der übliche Wohlfühleffekt und das lag hauptsächlich an Orchids Charakter.

Veröffentlicht am 25.02.2019

Dieses großartige Buch gibt einen guten Einblick in die jüngste deutsche Vergangenheit

Rheinblick
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Der historische Roman "Rheinblick" der Autorin Brigitte Glaser erscheint am 22.2.2019 im List Verlag.


1972: Als Wirtin des Lokals Rheinblick kennt Hilde Kessel das Politgeschehen aus nächster Nähe. ...

Der historische Roman "Rheinblick" der Autorin Brigitte Glaser erscheint am 22.2.2019 im List Verlag.


1972: Als Wirtin des Lokals Rheinblick kennt Hilde Kessel das Politgeschehen aus nächster Nähe. Was hier bei einem Bier von Politikern und Angestellten aus den Ministerien diskutiert wird, ist nicht unbedingt für die Ohren der Öffentlichkeit gedacht. Die SPD mit Kanzlerkandidat Willy Brandt fährt einen überragenden Sieg ein und nun stehen in Bonn die Koalitionsverhandlungen an. Dabei wird Hilde in das politische Ränkespiel verwickelt und ihre Existenz steht auf dem Spiel.

Nachdem sich Willy Brandt nach seinem Stimmversagen einer Operation unterziehen muss, soll ihm die junge Logopädin Sonja Engel helfen. Auch Sonja gerät dadurch unter Druck, denn sie bekommt ebenfalls reichlich Insider-Wissen mit. Sie sucht nach ihrer Schwester.


Dieser Roman führt in eine Zeit, in der ich mich noch nicht für Politik interessiert habe. Daher ist die Lektüre für mich besonders aufschlußreich gewesen, auch wenn Brigitte Glaser das Ganze auf fiktiver Basis ausgeschmückt hat. Die politischen Fakten sind real eingebaut und bieten der Geschichte eine authentische Basis.

Das Ränkespiel in der Politik und Wirtschaft verursacht Machtkämpfe, Verrat und ist im Grunde ein Nährboden für Missgunst und Bestechung.

Was hat sich in den 70er Jahren wirklich abgespielt? Der Roman gibt einige Hintergründe frei und zeigt damit die Möglichkeiten von Intrigen und sogar Spionage auf.

Hilde Kessel ist verwitwet, ihr Rheinblick läuft nicht gerade gewinnbringend, dabei gehen neben den kleinen Leuten auch namhafte Politiker bei ihr ein und aus. Bei diesen Biertischszenen erfährt Hilde so einige Intrigen, die gegen Willy Brandt zielen. Der ist durch seine Stimmbandoperation nicht in der Lage, die Koalitionsverhandlungen zu führen und bietet damit seinen Gegnern eine Chance.

Um seine sprachlichen Heilungsprozess kümmert sich die Logopädin Sonja Engel, die neben seinem Privatleben auch das politische Machtgerangel mitbekommt.


Dieser Roman liest sich sehr flüssig, es wird mit Kölschem und Rheinischem Dialekt eine authentisch wirkende Stimmung erzeugt, die gut zum Schauplatz und zum Zeitgeschehen passt.

Die Autorin lenkt den Blick mit ihren Protagonistinnen auf die normale Bevölkerung und zieht damit den Leser unweigerlich in die 70er Jahre und das besondere politische Geschehen hinein.

Was in der Politik veranstaltet wird, kann man wunderbar mit dem Wort "Politzirkus" umschreiben, denn das Machtgerangel um Ministerposten geht mit Intrigen und geheimen Absprachen einher.



Brigitte Glaser hat für ihren Roman eine gründliche Recherche betrieben und lässt vor den Augen der Leserschaft die damalige Zeit nicht nur politisch bildhaft deutlich werden. Auch die gesellschaftliche Situation zeigt sie genau, es war die Zeit, in der Frauen für Haushalt und Familie zuständig und in der Berufswelt eher nur vereinzelt anzutreffen waren.

Wirtschaftlich gesehen gelten die 70er Jahre als Aufschwung in der deutschen Geschichte und es war auch die Zeit des studentischen Aufbegehrens.



Geschickt verflechtet Glaser das Zeitgeschehen mit ihrer fiktiven Geschichte um zwei Frauenfiguren, aber auch um einen dubiosen Mordfall, der einige Auswirkungen nach sich zieht.


Dabei sind die Charaktere gut erkennbar beschrieben, die Figuren wirken realistisch und man erlebt an ihrer Seite das Geschehen fast hautnah mit.

Hilde ist schon mit jungen Jahre Witwe und hat durch den Rheinblick eine Menge Schulden aufnehmen müssen. Sie sollte sehr verschwiegen mit den Informationen umgehen, sie ist es aber leider nicht so wie gewünscht.

Willy Brandt ist weniger an seiner Gesundung interessiert als an den Verhandlungen seiner Partei. Sonja hat schwierige familiäre Hintergründe und macht sich dauernd Gedanken um ihre verschwundene Schwester.

Die Journalistin Lotti ermittelt im Mordfall und kommt an einige Hintergründe, die den Fall in einem anderen Licht sehen lassen.


Dieser Roman stellt eine spannende Geschichte geschickt in das Zeitgeschehen der 70er Jahre, zeigt die politischen Ränkespiele aus nächster Nähe und wirft so einen klaren Blick auf die jüngste deutsche Geschichte.