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Veröffentlicht am 09.01.2018

Engagierte Ermittler und ein aufsehenerregender Fall

Blumenkinder
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Nora ist BKA-Ermittlerin und Johan ist Profiler. Sie werden zur örtlichen Kripo hinzugezogen, was nicht auf allgemeines Wohlwollen stößt. Somit haben beide eine Art Außenseiterrolle inne, die sie aber ...

Nora ist BKA-Ermittlerin und Johan ist Profiler. Sie werden zur örtlichen Kripo hinzugezogen, was nicht auf allgemeines Wohlwollen stößt. Somit haben beide eine Art Außenseiterrolle inne, die sie aber zusammen schweißt. Beide leben für ihren Job, Privatleben wird bewusst verdrängt und das lässt sie zu einem Team zusammen wachsen.

Was mir trotz der interessanten Location mit den Hippies und dem außergewöhnlichen Fall Probleme bereitet hat, ist die Person der Nora. Sie ist arbeitswütig und gibt für den Fall alles, doch ihre Person wirkt sehr verschlossen, ich kann sie nicht durchschauen. Ihr Privatleben bleibt unbekannt und sie schleppt irgendein Problem aus ihrer Vergangenheit mit sich herum, das im Buch nicht aufgeklärt wird. Sicherlich kommt das im Folgeband näher zur Sprache, für mich hat sich aber dadurch kein eindeutiges Charakterbild aufbauen lassen. Nora bleibt mir merkwürdig fremd.



Der Schreibstil ist sehr bildhaft, erklärend und ausführlich gehalten. Für einen Krimi finde ich die Sprache recht außergewöhnlich, klare Ermittlungsbeschreibungen und Gedankengänge befragter Personen erscheinen mir für einen Kriminalroman interessanter und passender. Das hat sich jedoch nicht in der Sternevergabe bemerkbar gemacht.

Ich hätte gern selbst die Chance gehabt, den Täter zu erraten. Hier wurde er letztendlich als neue Figur eingeführt, sofort als Täter benannt und in einem ohne Frage fesselnden Finale dingfest gemacht. Diese Präsentation finde ich schade. Das Motiv war mir schon früh bewusst, jedoch konnte ich keine Person mit diesem Problem benennen.

Zeitlich und inhaltlich ist der Prolog für mich nicht einzuordnen. Eine Pforte aus Licht, eine Mutter und ihr Kind bei einer Sekte. Ich habe gehofft, am Ende des Buches hier mehr zu erkennen, aber es gelang mir nicht.

Dieser Krimi hat mich gefesselt und mitgerissen, ein paar Kleinigkeiten muss ich aber bemängeln. Deswegen vergebe ich 4 Sterne und bin gespannt auf den Nachfolgeband und die Klärung von Noras Geheimnis.


Ein mitreißender Krimi, der eine ominöse Sekte aus dem Hippie-Milieu im ländlichen Lüneburg beleuchtet.

Veröffentlicht am 08.01.2018

Hat mich nicht erreicht

Die Seefahrerin
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Catherine Poulain heuerte selbst als Anfängerin auf einem Fischfangschiff in Alaska an. Jetzt erzählt sie von ihrer Faszination für diesen harten Job unter Männern.

Lili heuert auf dem Fischtrawler Rebel ...

Catherine Poulain heuerte selbst als Anfängerin auf einem Fischfangschiff in Alaska an. Jetzt erzählt sie von ihrer Faszination für diesen harten Job unter Männern.

Lili heuert auf dem Fischtrawler Rebel vor der Küste Alaskas an, als einzige Frau unter Männern. Sie liebt die Freiheit und sucht das Abenteuer. Es kostet sie viel Kraft und Durchsetzungsvermögen, sie kämpft mit den harten Witterungsbedingungen und mit der extremen Arbeitsbelastung, mit Schlafmangel und mit der Schwierigkeit, hier als Frau ihren Mann zu stehen.
Dort lernt sie auch Jude kennen, ein trinkender, rauhbeiniger Seeman, in den sie sich verliebt. Doch ihre Liebe ist unberechenbar, fast animalisch und nicht auf ein gemeinsames Leben ausgerichtet.

Eine Frau behauptet sich als Fischerin und lebt das harte Leben auf See neben harten Männern. Selbstbeweis, Freiheitsdrang und wohl auch ein paar zu viele männliche Hormone. Was treibt sie an, warum tut sie sich diese Drangsalen an? Wie hält sie das aus, täglich mit dem Fischschleim, Fischblut und dem beißenden Geruch beim Ausnehmen der glitschigen Fische, den vor Kälte und Salzwasser starren Händen? Zum Schlafen lediglich einen Schlafsack und einen Platz am Boden? Irgendwie ist sie in ihrem Freiheitsdrang voller Mut und Arbeitskraft, das habe ich bewundert. Aber ich kann es trotzdem nicht verstehen, denn ihre Kollegen sind wortkarg, rau und einfach harte Kerle.

Von diesem Roman habe ich mit anfangs noch faszinieren lassen, denn Lily ist eine extreme Figur mit großem Freiheitsdrang, couragiert und verwegen bei ihrem Arbeitseinsatz auf See. Ihr Charakter imponiert mir zunächst, doch ihr Leben erscheint mir nicht so frei wie sie es gern leben würde. Wo ist da die Freiheit, wenn man ständig den Zwängen an Bord des Trawlers unterworfen ist und ständig auf der Hut vor den männlichen Kollegen sein muss. Geht es ihr um die Anerkennung der Männer? So wie sie beschrieben wird, kann ich es nur erahnen.

Neben Lily werden die anderen Charaktere nur äußerlich abgewickelt. Mir fehlt die Tiefe durch Gedanken und der nähere Zugang zu anderen Figuren. Die Männer werden als hartgesottene Fischer dargestellt, grob, ständig trinkend und mit Träumen von einem Leben, dass sie wohl nie erreichen werden.

Was aber mein größter Kritikpunkt ist, der Schreibstil liegt mir einfach nicht. Er ist fast eine stetige Folge und Aufzählung von Vorkommnissen und Handlungsabläufen. Die Sätze sind sehr einfach, es wird viel bildhaft beschrieben, aber die Texte wirken teilweise wie abgehackt. Dabei wurde dieser Roman 2016 für den Prix Goncourt du Premier nominiert und ist mehrfach ausgezeichnet. Von der Sprache her bin ich richtig enttäuscht.

Interessant finde ich einige Abläufe an Bord, Deck schrubben, wie geht es in der Kombüse zu, die verschiedenen Fischarten und das Verarbeiten der Fische. Es gibt viele ekelhafte Szenen beim Töten und Ausnehmen der Fische. Auch der raue Ton an Bord ist gewöhnungsbedürftig, der depressive Beigeschmack zieht mich runter. Wieso hält man es als Frau an der Seite dieser Männer aus? Freiheit bedeutet doch auch andere Alternativen als zur See zu gehen.
Außerdem geht mir die ständige Sauferei der Männer auf die Nerven. Wie kann Lily es mit ihnen aushalten? Wo sind die Gespräche mit gleichgesinnten Partnern? Auch Jude ist irgendwie wie ein Tier beschrieben, Jack ein Volltrottel im Dauersuff.

Dieses Buch zieht mich neugierig an, stösst mich aber auch mit den Charakteren und Fischverarbeitungsszenen auch ab. Der zweite Teil zieht sich ziemlich, die Liebe zu Jude ist irgendwie sehr leer.

Von diesem Abenteuer einer Seefahrerin konnte ich mich nicht anstecken lassen. Freiheit kann man als Frau auch anders erleben.

Veröffentlicht am 04.01.2018

Sehr eigenartige Geschichte

Hitzewelle
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Torunn zieht aus der Großstadt Oslo aufs Land, um sich um die Schweinezucht ihres Vaters zu kümmern. Der Hof ist heruntergekommen und Torunn hat jede Menge Arbeit. Sie bekommt Hilfe von Kay Roger, der ...

Torunn zieht aus der Großstadt Oslo aufs Land, um sich um die Schweinezucht ihres Vaters zu kümmern. Der Hof ist heruntergekommen und Torunn hat jede Menge Arbeit. Sie bekommt Hilfe von Kay Roger, der sie wirklich mit voller Kraft unterstützt. Doch kann sie den Hof wirklich vor dem Verfall bewahren? Ihre merkwürdige Verwandtschaft ist ihr leider keine große Hilfe, ausserdem muss sie sich noch um ihren hilflosen Großvater kümmern.

Von diesem Buch hatte ich ganz andere Vorstellungen, aber die Charaktere haben mir mit ihren Ecken und Kanten und ihrer Schrulligkeit gut gefallen.

Torunn versucht, den verfallenden Hof ihres Vaters so gut es geht, weiter laufen zu lassen. Überall ist etwas zu reparieren und dabei ist kaum Geld vorhanden. Die Schweinezucht macht viel Arbeit und dennoch wachsen ihr die Tiere ans Herz. Nebenbei muss sie sich auch noch um den Großvater kümmern, er fordert sie rund um die Uhr. Irgendwann ist sie mit ihren Kräften am Ende. Und die Hilfe von Kay Roger hat scheinbar auch etwas mit Sympathie ihr gegenüber zu tun.

Ihre Onkel haben selbst so ihre Sorgen. Margido muss als Bestatter regelmäßig Leichen zur Aufbahrung vorbereiten. Diese Handlung wird mehrfach genau beschrieben und ich fand es recht interessant. Er versucht mit einem Sarglager auf dem Hof Torunn zu etwas Geld zu verhelfen.

Onkel Erlend ist mit seinem Lebenspartner Krumme im siebten Himmel der werdenden Vaterschaft. Ihre Kinder werden von zwei Frauen ausgetragen und die Fortschritte der Schwangerschaft wird ständig genaustens verfolgt. Erlend lebt ein verschwenderisches Luxusleben, er trinkt viel und regelmäßig und auch beim Essen ist er nicht zurückhaltend. Er plant auf dem Hof Ferienwohnungen zu errichten, ob das in Torunns Sinn ist, hinterfragt er nicht sonderlich.

Anne B. Ragde hat einen wunderbaren Erzählstil, sie schreibt lebendig, bildhaft und lässt ihre ungewöhnlichen Charaktere förmlich leben.

Die Familie zieht nicht an einem Strang, zu sehr kümmert sich jeder um seinen eigenen Kram.
Selbst Torunns Mutter sieht nur ihre eigenen Interessen.

Auch wenn ich die Vorgängerbände nicht kenne, konnte ich der Geschichte gut folgen. Allerdings wirkt die Handlung merkwürdig zerrissen und auch das Ende bleibt offen.
Hier hätte ich mir einen zufriedenstellenden Abschluss erhofft. Dennoch möchte ich den nächsten Band der Reihe lesen, schon um den Werdegang der Familie weiter zu verfolgen.

Veröffentlicht am 02.01.2018

Klassischer Whodunit zum gemütlichen Entspannen und Rätseln

Tragödie auf einem Landfriedhof
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Schweden 1954: Am Weihnachtsmorgen im Dörfchen Västlinge fallen Schneeflocken, die Menschen bereiten sich auf das Weihnachtsfest vor. Der Ort ist klein und besteht nur aus einer Kirche, dem Pfarrhaus und ...

Schweden 1954: Am Weihnachtsmorgen im Dörfchen Västlinge fallen Schneeflocken, die Menschen bereiten sich auf das Weihnachtsfest vor. Der Ort ist klein und besteht nur aus einer Kirche, dem Pfarrhaus und drei Häusern. Als im Pfarrhaus die Familie Ekstedt gemütlich zusammensitzt, stürzt Nachbarin Barbara Sandell herein, sie vermisst ihren Mann Arne. Seine Leiche findet sich schliesslich in seinem Lebensmittelladen. War es ein Raubmord?


Dieser Krimi kommt ganz klassisch daher, er erinnert mit seinem beschaulichen Erzählstil und den ruhigen Ermittlungsbeschreibungen an alte Schwarz-Weiß-Filme mit Miss Marple. Es scheint ein Relikt aus der guten alten Zeit zu sein und führt mitten hinein in ein schwedisches Dörfchen, in dem sich in der friedlichen Weihnachtszeit auf einmal ein Mörder unter den bisher friedlich scheinenden Bewohnern befindet. Nach und nach bringen die Ermittlungen neue Hintergründe zutage, ordnen den Personen ihre eigenen Charakterzüge zu und es zeigen sich hinter der harmlosen Fassade der Bewohner die ersten Risse. Einige Männer fühlen sich von der schönen Witwe des Toten angezogen, aber es gibt auch finanzielle Gründe, die ein Motiv sein könnten.


Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, ich konnte die winterliche Stimmung in Västlinge geniessen und habe begeistert mitgerätselt, wie die Tathergänge wohl abgelaufen sein könnten. Auch die Ermittlung ohne Computerabgleiche, Fingerabdrücke und Handyortung finde ich mal wohltuend und fühle mich in die Zeit zurückversetzt.


Maria Lang schafft es, mit ihren klar definierten Figuren ein Bild zu zeichnen, bei dem jeder verdächtig sein könnte. Jedes Minenspiel der Figuren könnte auf einen Verdacht hindeuten. Dazwischen lockert das Verhalten der kleinen Lotta Ekstedt die Atmosphäre etwas auf. Große Spannung kommt allerdings nicht auf, es geht alles ruhig und beschaulich vonstaten. Was mich aber gewundert und etwas enttäuscht hat, ist der Detektiv Christer Wijk. Er ist eher unauffällig und ihm fehlt das entscheidende Charisma eines Holmes oder die Tatkraft einer Miss Marple. Lediglich am Ende gelingt ihm der entscheidende Vorstoß und er legt den Täter mithilfe eines Bluffs rein.


Wer einen Wohlfühl-Krimi nach klassischem Strickmuster aus der verschneiten schwedischen Winteridylle sucht, findet hier die entsprechende Lektüre für eine gemütliche Lesezeit. Ein wenig Retro und zum Mitraten wunderbar geeignet.

Veröffentlicht am 01.01.2018

Ergreifende Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Holocaust

Abschied in Prag
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"Abschied in Prag" ist eine unglaublich berührende, dramatische und sehr bildhaft erzählte Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Holocaust.

Dieses Buch ist gegen das Vergessen und wirkt beim Leser ...

"Abschied in Prag" ist eine unglaublich berührende, dramatische und sehr bildhaft erzählte Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Holocaust.

Dieses Buch ist gegen das Vergessen und wirkt beim Leser noch lange nach. Ich war gepackt von der Geschichte und habe den wunderbaren Schreibstil genossen. Natürlich nehmen die Passagen von den grauenhaften Schrecken des Holocausts erschütternde Formen an, aber es gibt auch so viele berührende Erfahrungen und emotional schöne Momente, dass man das Buch trotzdem sehr gerne liest.

Die Schicksale gehen direkt ins Herz und beim Lesen wird deutlich, wie sehr Rassismus Menschen auf grausame Weise Schaden zugefügt hat und es noch immer tut.


Lenka und Josef finden miteinander die große Liebe und nachdem sie jahrzehntelang getrennte Lebenswege gingen, glauben sie nicht mehr an ein Wiedersehen. Ihre Geschichte ist deshalb auch so anrührend, weil die Autorin reale Schicksale in ihrem Buch verarbeitet. Die Charaktere kommen absolut lebendig und glaubwürdig daher und man ist als Leser sehr nah bei ihnen.

Auch die Schilderungen aus den Konzentrationslagern wirken sehr authentisch und gehen unter die Haut. Welche Erfahrungen Lenka und Josef in ihren neuen Ehen gemacht haben, stellt die gemeinsame Liebe nicht in den Schatten. Sie überdauert ganze sechs Jahrzehnte.


Das Wiedersehen der beiden Protagonisten ist zwar etwas unwahrscheinlich, aber dennoch gibt es solche Zufälle und Fügungen im Leben. Man sollte nie die Hoffnung aufgeben, manche Menschen sind einfach füreinander bestimmt.


Der Schreibstil Alyson Richmans ist sehr bildhaft und zeigt viele Emotionen. Ich war davon gefesselt und habe die Kapitel verschlungen.

Während sich Lenkas Schilderung um die 30er Jahre, um ihre Liebe zu Josef und zur Kunst und die Zeit in den Konzentrationslagern dreht, erzählt Josef seine Geschichte nach der Emigration und im jetzt. Dadurch kann man ihrer beider Lebensläufe wunderbar folgen. Josefs zweite Ehe mit Amalia, die gemeinsame Tochter und die Geburt des Enkels sind seine Meilensteine im Leben und werden auch so dargestellt, voller Emotionen und mit tiefer Liebe.



Dieser Roman hat mich sehr aufgewühlt und die packende Kombination zwischen Liebesgeschichte und Holocaust-Grausamkeiten hat mich sehr berührt.