Prima Setting, toller Schreibstil mit hohem Unterhaltungswert
Stallgeruch"Auf drei Dinge reagierte Walter allergisch: auf Mandeln, auf Niederlagen von Hannover 96 und auf die Rechthaberei seiner Frau. Die Nüsse ließ er einfach weg, gegen schlechten Fußball gab es Bier und bei ...
"Auf drei Dinge reagierte Walter allergisch: auf Mandeln, auf Niederlagen von Hannover 96 und auf die Rechthaberei seiner Frau. Die Nüsse ließ er einfach weg, gegen schlechten Fußball gab es Bier und bei Helga – nun, nicht ohne Grund prangte ein Wanderabzeichen in Gold an seinem Stock." Zitat Seite 7
Wenn ein Buch schon so beginnt, packt es den Leser und macht neugierig auf die weitere Handlung. Man merkt an diesen ersten Sätzen auch sofort den einzigartigen und etwas speziellen Schreibstil des Autors Dominik Kimyons. Er zeichnet wunderbar nuancierte Charaktere mit feinsinniger Gefühlsbeschreibung, gibt Einblick in unterschiedlichste Situationen und Stimmungen während der Dialoge und Ermittlungen und lässt dadurch den Leser automatisch tief in das Geschehen eintauchen. Die geschmackvollen Landschaftsbilder aus dem beschaulichen Eichsfeld in Niedersachsen geben dem Ganzen einen regionalen Rahmen.
Gespannt verfolgt man im ruhigen Eichsfeld auf dem Alpaka-Hof wie sich die Göttinger Kommissare im Mordfall Linda Becker ein Bild der Familie Mohr macht. Der Mord an der Verlobten scheint nicht auf große Verlustgefühle zu treffen. Das macht die Ermittler erst recht neugierig und sie nehmen die Betroffenen genau unter die Lupe. Aber auch die Angestellten, das Tierarztehepaar von den Greben und einige Tierschützer könnten ein Motiv haben.
Kimyon führt den Leser mehrfach mit geschickten Wendungen auf die falsche Spur zum Täter. Dabei lernt man die vielseitigen Charaktere kennen und versucht, hinter die Kulissen zu schauen.
Besonders schön sind die Einblicke in die Alpaka-Farm, sie zeigen ein interessantes Bild dieser Tiere und deren Zuchtauswahl und natürlich gibt es Tierschützer, die hier ihre eigene Sicht der Dinge vertreten.
Die vielen Charaktere zeichnet Kimyon sehr nuanciert, sodass man schnell ein jeweiliges Bild vor Augen hat. Bei den Kommissaren taucht man ein wenig in ihr Privatleben ein, der Kriminalfall steht jedoch im Vordergrund.
Es gibt einige Personen, die mir suspekt vorkommen, jedoch gelingt es dem Autor immer wieder, die Spuren neu zu legen und Verdachtsmomente neu zu streuen. Das sorgt für eine sich steigernde Spannung, die erst am Ende in einem fulminanten Finale alle Handlungsstränge logisch bündelt und den Täter präsentiert. Ich war sehr überrascht.
Bei diesem Krimi macht es Spaß, die Göttinger Kommissare ins beschauliche Eichsfeld auf ihre Ermittlung zu begleiten. Das Setting mit der Alpaka-Farm ist ausgefallen, es gibt reichlich Verdächtige und viele menschliche Geheimnisse, die man nach und nach erfährt.
"Stallgeruch" ist ein angenehm zu lesendes, sehr gelungenes kurzweiliges Debüt im Alpakastall.