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Veröffentlicht am 07.11.2022

Ein spannender Thriller, der fesselnd erzählt wird

Stille blutet
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Inhalt: Die junge Ermittlerin Fina Plank steht vor einem schwierigen Fall: Eine Nachrichtensprecherin kündigt live ihre eigene Ermordung an – und ist kurze Zeit später tot. Als ein (mehr oder weniger) ...

Inhalt: Die junge Ermittlerin Fina Plank steht vor einem schwierigen Fall: Eine Nachrichtensprecherin kündigt live ihre eigene Ermordung an – und ist kurze Zeit später tot. Als ein (mehr oder weniger) bekannter Blogger ein ähnliches Schicksal erleidet, geht plötzlich der Hashtag „inkürzetot“ viral – mit schwerwiegenden Konsequenzen: Für Fina und ihre Kollegen wird es nahezu unmöglich, zwischen geschmacklosem Scherz und tatsächlich angekündigtem Mord zu unterschieden…

Persönliche Meinung: „Stille blutet“ ist ein Thriller von Ursula Poznanski und bildet den Auftakt einer neuen Reihe. Erzählt wird der Thriller hauptsächlich aus zwei (personalen) Perspektiven von Fina Plank und Tibor Glaser, dem Ex-Freund der ermordeten Nachrichtensprecherin. In Finas Handlungsstrang spielen sowohl die Ermittlungen im Fall als auch ihre persönlichen Probleme, die u.a. auch mit einem sexistischen Kollegen zusammenhängen, eine Rolle (auf die Probleme hätte man vielleicht noch ausführlicher eingehen können, aber möglicherweise wurde dies auch für den nächsten Band aufgespart). Tibor hingegen gerät – durch unglückliche Umstände – immer mehr in den Verdacht, für die Morde verantwortlich zu sein. Dies versucht er zu widerlegen, allerdings verstrickt er sich sukzessiv weiter in Widersprüche, was wirklich spannend erzählt wird. Neben Fina und Tibor existiert noch eine weitere, spannende Erzählinstanz, die sich – unerkannt von allen anderen Figuren – in die Handlung schleicht: Ein namenloser Ich-Erzähler, der eine Liste potentieller Opfer abarbeitet. Dabei redet er permanent monologisierend zu einem anonymen „Du“, wodurch die Lesenden gewissermaßen zu Komplizen des Ichs werden. Der Spannungsgrad von „Stille blutet“ ist konstant hoch: So werden (auch durch den anonymen Ich-Erzähler) viele falsche Fährten gelegt, es existieren einige unerwartete Wendungen und die Identität der Täterfigur ist bis zuletzt offen. Dementsprechend unvorhersehbar und überraschend ist auch die Auflösung des Falls. Der Schreibstil von Ursula Poznanski ist fesselnd und lässt sich sehr flüssig lesen. Insgesamt ist „Stille blutet“ ein spannender und temporeich erzählter Thriller, auf dessen Fortsetzung ich mich schon sehr freue.

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Veröffentlicht am 04.11.2022

Ein realistischer Thriller, der auf subtile Weise zu fesseln weiß

Die Filiale
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Inhalt: Innerhalb weniger Stunden steht das Leben von Laura Jacobs, die als Angestellte bei der BWG Bank arbeitet, Kopf: Zunächst erhält sie aus dem Nichts die Kündigung für den Mietvertrag ihres Hauses. ...

Inhalt: Innerhalb weniger Stunden steht das Leben von Laura Jacobs, die als Angestellte bei der BWG Bank arbeitet, Kopf: Zunächst erhält sie aus dem Nichts die Kündigung für den Mietvertrag ihres Hauses. Dann kommt es in der BWG-Filiale, in der Laura arbeitet, zu einem Banküberfall, der nur durch Lauras beherztes eingreifen glimpflich verläuft. Kurz nach dem Banküberfall erhält sie plötzlich einen Anruf des neuen Abteilungsleiters: Er plant, Laura zu befördern, sodass sie zur stellvertretenden Leiterin ihrer Filiale aufsteigt. Kann das alles nur Zufall sein? Oder steckt mehr hinter den scheinbar voneinander losgelösten Ereignissen?

Persönliche Meinung: „Die Filiale“ ist ein Thriller von Veit Etzold. Es handelt sich um den ersten Band einer neuen Thrillerreihe, die sich um die Bankangestellte Laura Jacobs dreht. Erzählt wird die Handlung hauptsächlich aus der personalen Perspektive von Laura; zwischendurch gibt es einzelne Perspektivwechsel zu Figuren, deren Identität hier nicht verraten werden soll. Die Handlung des Thrillers baut sich eher langsam auf: Besonders im ersten Viertel des Thrillers erhält man viele Einsichten in das Bankwesen, die Börse und das Thema Kryptowährung. Dies bremst die Handlung etwas aus, allerdings sind diese Hintergrundinformationen absolut notwendig, um der Handlung im Fortgang folgen zu können. Daher ist der eher langsame Beginn für mich kein großer Kritikpunkt (außerdem sind die Infos zu Geldanlage, Aktien, Kryptowährung und Co. recht interessant). Nach dem ersten Viertel nimmt die Handlung stetig an Fahrt auf. Sehr gut haben mir dabei die subtilen Thrill-Momente gefallen, die sich über die Handlung verteilen: Fast ohne ihr Zutun gerät Laura unfreiwillig immer weiter in die Fänge des Systems „Finanzsektor“, sodass „Die Filiale“ stellenweise kafkaeske Züge erhält. Dadurch finden sich auch einige schöne Wendungen innerhalb der Handlung. Der Schreibstil von Veit Etzold ist eingängig und lässt sich sehr flüssig lesen. Insgesamt ist „Die Filiale“ ein realistischer, dadurch auch erschreckender Thriller, der auf subtile Weise zu fesseln weiß.

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Veröffentlicht am 25.10.2022

Ein interessanter und informativer Klimaroman

Die Welt kippt
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Inhalt: Tessa Hansen und Shannon O’Reilly trennen Welten. Während Tessa bereits seit ihrem 14. Lebensjahr gegen die Klimakatastrophe kämpft, ist Shannon eine erfolgreiche Investorin im Silicon Valley. ...

Inhalt: Tessa Hansen und Shannon O’Reilly trennen Welten. Während Tessa bereits seit ihrem 14. Lebensjahr gegen die Klimakatastrophe kämpft, ist Shannon eine erfolgreiche Investorin im Silicon Valley. Als die beiden sich auf einer Konferenz treffen, merken sie aber, dass ihre Ansichten gar nicht so verschieden sind – bis auf eine Grundsatzfrage, die ihre sich bald entwickelnde Beziehung auf die Probe stellen wird. Im Hintergrund, vom Rest der Welt unerkannt, setzt China seine eigene Klimapolitik durch, deren Folgen für die Welt unkalkulierbar sind.

Persönliche Meinung: „Die Welt kippt“ von Heiko von Tschischwitz ist ein politischer Roman/Klimaroman, der die Bekämpfung des Klimawandels thematisiert. Der Roman spielt in der nahen Zukunft, hauptsächlich in den Jahren 2026 bis 2028. Erzählt wird der Roman aus vielen verschiedenen personalen Perspektiven. Die Figuren, aus deren Sichtweisen erzählt wird, sind dabei auf unterschiedlichsten Teilen der Welt beheimatet. Dadurch werden einerseits die Folgen des Klimawandels auf der ganzen Welt beleuchtet, andererseits werden unterschiedliche (politische) Umgangsformen mit dem Klimawandel aufgezeigt. So spielen neben den Perspektiven der Hauptfiguren Shannon und Tessa u.a. auch diejenigen des deutschen Bundeskanzlers Carsten Pahl und des chinesischen Wirtschaftskoordinators für Klimaschutz Zāng Li eine wichtige Rolle. „Die Welt kippt“ ist ein sehr diskursiver Roman. So werden von den Figuren viele Ansätze diskutiert, wie man den Klimawandel stoppen bzw. sogar rückgängig machen kann. Die Meinungen der Figuren werden dabei nicht nach einem Gut-Böse-Schema sortiert, sondern ergebnisoffen dargestellt. Es tritt auch keine (be)wertende Erzählinstanz auf, sodass den Lesenden selbst überlassen wird, wie sie die Meinungen der Figuren beurteilen. Durch die vielen Fakten und Prognosen zum Klimawandel kommt es innerhalb der Handlung manchmal zu einer kleinen „Informationsflut“. Die Informationen sind aber immer verständlich geschrieben, interessant und besitzen einen hohen informativen Grad, sodass sie für mich nicht störend waren. Neben der Thematik des Klimawandels finden sich in „Die Welt kippt“ außerdem dystopische Züge, Elemente eines politischen Thrillers und eine Liebesgeschichte. Spannung wird innerhalb der Handlung besonders dadurch erzeugt, dass man lange Zeit nicht genau weiß, was die chinesische Regierung plant. Insgesamt ist „Die Welt kippt“ ein informativer, realistischer und diskursiv angelegter Klimaroman, der in seiner Handlung Elemente verschiedener Genres vermischt.

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Veröffentlicht am 23.10.2022

Ein poetisch geschriebener Roman, der sich empathisch mit dem Thema "Trauer" auseinandersetzt

Schlangen im Garten
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Inhalt: Seitdem Johanne Mohn gestorben ist, ist für die Familie Mohn nichts mehr so, wie es mal war. Vater Adam ist schlichtweg überfordert mit der Situation, der jüngere Sohn Micha zieht sich in sich ...

Inhalt: Seitdem Johanne Mohn gestorben ist, ist für die Familie Mohn nichts mehr so, wie es mal war. Vater Adam ist schlichtweg überfordert mit der Situation, der jüngere Sohn Micha zieht sich in sich selbst zurück, die Tochter Linne beginnt, sich mit anderen Kindern zu prügeln, und der älteste Sohn Steve versucht irgendwie, die Familie durchzubringen. Erschwerend kommt hinzu, dass alle den Mitgliedern der Familie Mohn vorschreiben, wie diese zu trauern (oder besser: nicht zu trauern) haben. Doch dann treffen die Mohns auf drei Personen, die nicht unterschiedlicher sein könnten: einen schweigsamen Riesen, der auf dem Friedhof sitzt, eine Obdachlose, die einen Ball Gassi führt, und eine Handwerkerin, die Besonderes herstellt – Begegnungen, die das Leben der Mohns verändern werden.

Persönliche Meinung: „Schlangen im Garten“ ist ein Gegenwartsroman von Stefanie vor Schulte. Erzählt wird der Roman hauptsächlich aus den personalen Erzählperspektiven von Adam, Linne, Micha und Steve (später treten noch weitere Erzählinstanzen/-situationen hinzu, die ich aber hier nicht spoilern möchte). Inhaltlich dreht sich der Roman um das Thema „Trauer“ und den Verlust eines geliebten Menschen: So werden in emphatischer Weise einerseits die Trauerrituale der Mohns ausgeführt, andererseits die individuellen Bewältigungsstrategien der einzelnen Familienmitglieder erzählt. In diesen Trauerprozess treten immer wieder weitere, empathielose Figuren ein, die den Mohns vorwerfen, sie würden falsch trauern. Besonders die Nachbarn der Mohns bombardieren diese mit (scheinbar) weisen Ratschlägen, obwohl sie die Mohns wenig bis gar nicht kennen. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto stärker häufen sich phantastische Elemente, sodass die Handlung immer mehr in Richtung magischer Realismus tendiert. So entsteht bei „Schlangen im Garten“ ein schönes Wechselspiel zwischen erzählter Wirklichkeit und dem Wunderbaren, bei dem man letztlich nicht eindeutig zuordnen kann, was tatsächlich die erzählte Wirklichkeit und was das Wunderbare ist. Dadurch zieht sich eine latente Spannung durch die Handlung. Nicht alles wird innerhalb der Handlung von „Schlangen im Garten“ geklärt, vieles bleibt offen. Diese Offenheit des Romans passt aber sehr gut zu seinem Inhalt: Auch auf die im Roman aufgeworfene Frage, wie man „richtig“ trauert, kann es keine allgemeingültige Antwort geben; jede*r muss einen für sich passenden Weg finden. In diesem Sinne spiegelt sich die Offenheit der Frage nach dem „richtigen“ Trauern gewissermaßen im offenen Ende des Romans. Der Schreibstil von Stefanie vor Schulte ist sehr poetisch und metaphernreich, sodass man – obschon man ein Prosawerk liest – oft den Eindruck hat, Lyrik vor sich zu haben. Durch diesen lyrischen Ton entstehen während der Lektüre einige schöne und eindrückliche Bilder. Insgesamt ist „Schlangen im Garten“ ein poetisch geschriebener, z.T. surreale Bilder erzeugender Roman, der empathisch mit dem Thema „Trauer“ umgeht, allerdings auch Fragen offenlässt. Diese Offenheit hat mich aber weniger gestört, da sie zum Inhalt des Romans passte.

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Ein sezierend geschriebener Roman, der sich (auch satirisch) mit der politischen Kultur der Gegenwart auseinandersetzt

Der Sandkasten
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Inhalt: Lange Zeit war Kurt Siebenstädter ein gefragter und gern gehörter Journalist. Doch die Welt hat sich geändert: Immer wieder eckt Siebenstädter mit seinen Äußerungen an; es ist nur noch eine Frage ...

Inhalt: Lange Zeit war Kurt Siebenstädter ein gefragter und gern gehörter Journalist. Doch die Welt hat sich geändert: Immer wieder eckt Siebenstädter mit seinen Äußerungen an; es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er eine terminale Grenze übertritt, sodass er für seinen Sender untragbar wird. Doch dann ändert sich von einem Tag auf den nächsten alles…

Persönliche Meinung: „Der Sandkasten“ ist ein politischer Gegenwartsroman von Christoph Peters. Der Roman spielt an einem einzelnen Tag zu Beginn des zweiten Lockdowns: dem 9. November 2020 (Der 9. November wird häufig als „Schicksalstag“ der deutschen Geschichte bezeichnet, was die Wahl dieses Tages als Handlungszeitpunkt umso interessanter macht). Erzählt wird die Handlung hauptsächlich aus der personalen Erzählperspektive von Kurt Siebenstädter (kurzzeitig wird auch die personale Perspektive von Prof. Bernburger, einem Gesundheitsexperten, eingenommen, aber diese fällt inhaltlich nicht so stark ins Gewicht). Trotz der personalen Perspektive erhält man tiefe Einsichten in die Gedankenwelt Siebenstädters: So finden sich häufig innere Monologe, in denen sezierend die Gedanken Siebenstädters offengelegt werden. Dabei offenbart sich Siebenstädter als zynischer und polemischer Anti-Held, der nahezu eigenschaftslos ist. Genau genommen hat er eine primäre Eigenschaft, mit der er bisher immer erfolgreich war: Er hinterfragt alles, räsoniert permanent, kommt aber nie zu einem endgültigen Ergebnis. Jetzt, wo diese Eigenschaft auf seiner Arbeit nicht mehr gefragt ist, fängt er an, das Räsonieren nach innen – auf sich selbst – zu richten, wodurch ihm bewusst wird, wie zerrissen er eigentlich ist. Dies führt letztlich zur eigenen Selbstdemontage. Neben Siebenstädter spielt auch die (politische) Öffentlichkeit der Gegenwart eine Rolle: Mehrfach baut Peters Figuren in die Handlung ein, die verschiedenen Politikern nachempfunden sind. Der Titel „Der Sandkasten“ besitzt dabei eine zweifache Bedeutung: Einerseits ist Siebenstädter, dadurch, dass er nie zu einer Meinung kommt und alles hinterfragt, formbar wie Sand. Andererseits erinnern die Konflikte innerhalb der Handlung und die Verhaltensweisen, die die Figuren an den Tag legen, an Sandkastenspiele: Die Figuren treten weniger als Erwachsene und stärker als große Kinder auf. Der Erzählstil von Christoph Peters ist häufig parataktisch, erzähltechnisch werden mehrfach schnelle Schnitte genutzt. Trotz der syntaktischen Komplexität ist der Text aber sehr flüssig lesbar und klar formuliert. Insgesamt ist „Der Sandkasten“ ein sezierend geschriebener Roman, der sich (auch satirisch) mit der politischen Kultur der Gegenwart auseinandersetzt.

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