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Veröffentlicht am 01.09.2022

Ein spannender Roman mit einer außergewöhnlichen Erzählkonstellation

Leinwand ohne Gesicht
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Inhalt: Seit einem fatalen Unfall, der sich vor zwei Jahren zugetragen hat, lebt die 22-jährige Lea in der Privatklinik für Gedächtnislose in Berlin. An ihre Vergangenheit kann sie sich nicht mehr erinnern. ...

Inhalt: Seit einem fatalen Unfall, der sich vor zwei Jahren zugetragen hat, lebt die 22-jährige Lea in der Privatklinik für Gedächtnislose in Berlin. An ihre Vergangenheit kann sie sich nicht mehr erinnern. Auch das Spüren von Gefühlen ist verloren gegangen. Trotz der Bemühungen des Klinikpersonals sind die Fortschritte von Lea gering. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Golo, Leas Ehemann, der durch den Gedächtnisverlust ein Fremder für sie geworden ist, will nicht mehr, dass Lea in der Klinik behandelt wird. Gleichzeitig zieht ein neuer Patient in die Klinik ein, zu dem sich Lea hingezogen fühlt…

Persönliche Meinung: „Leinwand ohne Gesicht“ ist ein Spannungsroman von Doris Wiesenbach. Eine Besonderheit des Romans ist seine Erzählsituation: Die Handlung wird nicht nur aus unterschiedlichen Figurenperspektiven erzählt, sondern auch aus verschiedenen Erzählperspektiven. So spricht die Zentralfigur Lea aus der Ich-Perspektive; bei anderen Figuren (Finn, ein ehemaliger Patient, Tom, der neue Patient, und Kalle, der Therapiefuchs (ja, richtig gelesen 🦊)) hingegen wird die personale Sicht eingenommen. Interessant ist hierbei vor allem die Perspektive Kalles, da seine Sicht nicht vermenschlicht wird, sondern tatsächlich tierisch bleibt (bspw. nimmt er die Welt vordergründig durch Gerüche wahr). Eine weitere erzähltechnische Besonderheit ist der Switch des Erzähltons innerhalb der Handlung. Im ersten Teil des Romans ist der Ton eher lakonisch, deskriptiv und emotionslos – genauso wie Lea, deren psychische Verfassung/Gemütszustand sich schön in der Erzählweise spiegelt. Ab einem bestimmten Moment innerhalb der Handlung wird der Ton allerdings lebendig, gefühlvoll und ausschweifender (mehr möchte ich wegen Spoilergefahr nicht sagen. Der Switch hat mir aber richtig gut gefallen). Die Handlung selbst ist gefüllt mit Spannungselementen. So fragt man sich permanent, was Leas Gedächtnisverlust ausgelöst hat. Außerdem wirken einzelne Figuren dubios, sodass man nicht weiß, ob Lea ihnen vertrauen kann. Zusätzlich verschwinden plötzlich Dinge in der Privatklinik, was sich keiner so richtig erklären kann. Im zweiten Teil des Romans erfährt man dann – mit Rückblicken in die Vergangenheit – schrittweise, was Lea zugestoßen ist. Mosaikartig, Steinchen für Steinchen, ergibt sich hier – in einem schönen Spannungsbogen – ein Gesamtbild. Inhaltlich beschäftigt sich der Roman außerdem mit gesellschaftlich wichtigen Themen, die ich aber hier, ohne zu spoilern, nicht nennen kann. Insgesamt ist „Leinwand ohne Gesicht“ ein spannender Roman mit einer außergewöhnlichen Erzählkonstellation, der gesellschaftlich wichtige Themen anspricht.

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Veröffentlicht am 30.08.2022

Ein spannender, wendungsreicher und klug konstruierter Thriller

Im Augenblick des Todes
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Inhalt: Als Severin Boesherz von einem stilvoll gekleideten Mann angesprochen wird, der ihm eine „kleine Überraschung“ zeigen will, ahnt Boesherz noch nicht, welche Folgen dies haben wird. Der Mann führt ...

Inhalt: Als Severin Boesherz von einem stilvoll gekleideten Mann angesprochen wird, der ihm eine „kleine Überraschung“ zeigen will, ahnt Boesherz noch nicht, welche Folgen dies haben wird. Der Mann führt ihn zu einer Arztpraxis, wo Boesherz auf die grotesk, aber mit System arrangierte Leiche des behandelnden Arztes trifft. Doch damit nicht genug: Die Inszenierung der Leiche kopiert bis ins Detail den Tatort eines früheren Falls von Boesherz – den einzigen Fall, den er nie lösen konnte. Wird es ihm diesmal gelingen, den Täter zu stellen?

Persönliche Meinung: „Im Augenblick des Todes“ von Vincent Kliesch ist der zweite Thriller um den hochbegabten Ermittler Severin Boesherz. Die Handlung des Thrillers ist in sich abgeschlossen und auch die Beziehungen der Figuren werden schnell deutlich, sodass man den Vorgängern „Bis in den Tod hinein“ nicht unbedingt gelesen haben muss, um dem 2. Band folgen zu können. Nach Möglichkeit sollte man „Im Augenblick des Todes“ aber vor dem 3. Band „Im Auge des Zebras“ lesen, da dieser einige Spoiler für die Handlung des 2. Bandes beinhaltet. Erzählt wird „Im Augenblick des Todes“ aus unterschiedlichen personalen Erzählperspektiven, wobei aber die Perspektive von Severin Boesherz im Zentrum steht (daneben wird u.a. die Perspektive seiner Kollegin Olivia Holzmann, diejenige der Täterfigur und die eines Jugendlichen, dessen Identität ich hier nicht verraten möchte, eingenommen). Wie schon im Vorgängerthriller tritt Boesherz hier ebenfalls eher als Antiheld mit arrogantem Zug auf; gleichzeitig lernt man aber noch eine weitere Seite von ihm kennen, die bisher verschlossen war. So gibt es immer wieder kurze Rückblicke, die schlaglichtartig das Leben Boesherz‘ beleuchten, das er in Oestrich-Winkel geführt hat. Die Handlung des Thrillers ist sehr rasant und spannungsgeladen. Denn: Der Täter belässt es nicht bei einem Mord und baut seine Serie wie eine Schnitzeljagd auf, sodass Boesherz unter permanentem Druck steht und von einem Tatort zum nächsten hastet. Aber nicht nur der Fall und die Frage nach der Identität des Täters sorgen für Spannung: Gleichzeitig kommt Olivia Holzmann einem privaten Geheimnis Boesherz‘ auf die Spur, das – sollten sich Olivias Schlüsse bewahrheiten – weitreichende Konsequenzen für Boesherz haben wird. Die Handlung ist insgesamt sehr schön konstruiert, wendungsreich, kaum vorhersehbar und voller Überraschungsmomente (Ich hatte blöderweise zuerst „Im Auge des Zebras“ gelesen, wodurch ich mir ein paar schöne Aha-Momente kaputt gemacht habe. Macht nicht den gleichen Fehler 🙃) Der Schreibstil von Vincent Kliesch ist anschaulich und lässt sich flüssig lesen. Insgesamt ist „Im Augenblick des Todes“ ein spannender, wendungsreicher Thriller, dessen Handlung klug durchdacht ist.

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Veröffentlicht am 26.08.2022

Ein wendungsreicher Thriller mit einer hohen Spannungskurve

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. (Die Emer-Murphy-Serie 1)
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Inhalt: Gemeinsam mit ihrem Mann Jens betreibt Lotte Wiig einen erfolgreichen Blog. Hier zeigen die beiden ihren Followerinnen nicht nur die neusten Modetrends, sondern lassen sie auch am Familienleben ...

Inhalt: Gemeinsam mit ihrem Mann Jens betreibt Lotte Wiig einen erfolgreichen Blog. Hier zeigen die beiden ihren Followerinnen nicht nur die neusten Modetrends, sondern lassen sie auch am Familienleben mit ihrer zweijährigen Tochter Poppy teilhaben. Regelmäßig gibt es Updates, besonders Bilder mit Poppy generieren Likes, alles läuft gut. Bis Poppy entführt wird – nur kurz, nachdem Lotte auf Instagram ein neues Bild von ihr gepostet hat. Ist der Entführer der Stalker, der es schon länger auf Lotte und Poppy abgesehen hat? Gibt es einen Zusammenhang zu der Entführung eines anderen Kindes, das nach 12 Stunden plötzlich wieder aufgetaucht ist? Obwohl Kommissarin Emer Murphy momentan nicht arbeiten darf, steht für sie fest: Sie will Poppy finden. Doch ist Emer wirklich schon so weit, wieder in den Dienst einzutreten?

Persönliche Meinung: „Poppy. Dein Kind verschwindet und die ganze Welt sieht zu“ ist ein Thriller von Kristine Getz. Erzählt wir der Thriller aus verschiedenen personalen Erzählperspektiven (u.a. Emer Murphy, Jens und Lotte Wiig). Zusätzlich dazu werden häufig Kommentare von User
innen unterschiedlicher Foren (z.B. Lottes MamaForum) eingestreut, die sich über das Verschwinden von Lotte austauschen, wodurch sich eine besondere Dynamik ergibt. Die Spannungskurve des Thrillers ist sehr hoch: Viele Figuren sind undurchsichtig und verbergen Geheimnisse, die erst nach und nach offenbart werden. Dadurch ist fast jede Figur verdächtig und man weiß nicht, wem man wirklich trauen kann (Die Geheimnisse führen zwar dazu, dass die Figuren distanziert wirken, aber das fand ich nicht weiter schlimm. Die Spannung gleicht die Distanz allemal aus.). Gleichzeitig ist die Handlung gespickt mit falschen Fährten und unerwarteten Wendungen: Wie die Dinge in Wahrheit liegen, offenbart sich hier oftmals erst rückblickend, was für einige schöne „Aha“-Momente sorgt. Dementsprechend ist auch das Ende des Thrillers sehr überraschend. Interessant an dem Thriller ist außerdem, dass er aktuelle Themen aufgreift: das Bloggen bzw. Social Media im Allgemeinen, wobei besonders die Gefährdung der Privatsphäre, der Druck der Öffentlichkeit und das Verstellen vor der Kamera eine Rolle spielen. Der Schreibstil von Kristine Getz ist flüssig und angenehm zu lesen, sodass man nur so durch die Seiten fliegt. Insgesamt ist „Poppy“ ein fesselnder, wendungsreicher und ein aktuelles Thema behandelter Thriller mit einer hohen Spannungskurve.

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Veröffentlicht am 15.08.2022

Ein spannender, flüissig zu lesender Kurzroman

Die Füchse von Hampstead Heath
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Inhalt: London. Seit einiger Zeit verschwinden Jugendliche, die sich in der Umgebung von Hampstead Heath aufgehalten haben, spurlos. Zwar tauchen sie nach kurzer Zeit wieder auf, doch können sie sich nicht ...

Inhalt: London. Seit einiger Zeit verschwinden Jugendliche, die sich in der Umgebung von Hampstead Heath aufgehalten haben, spurlos. Zwar tauchen sie nach kurzer Zeit wieder auf, doch können sie sich nicht daran erinnern, was ihnen widerfahren ist. Als auch Abigail von einer Grundschulfreundin zu einem „Event“ eingeladen wird, wird sie hellhörig: Die Freundin scheint verzaubert worden zu sein, und da Peter gerade auf Einhornjagd ist, stürzt Abigail sich kurzerhand allein in die Ermittlungen…

Persönliche Meinung: „Die Füchse von Hampstead Heath“ ist ein Fantasy-Kurzroman von Ben Aaronovitch. Der Roman spielt im „Die Flüsse von London“-Universum; Peter Grant tritt aber nicht auf. Peters Rolle wird von seiner 13-jährigen Cousine Abigail Kamara übernommen, die die Handlung aus der Ich-Perspektive erzählt. „Die Füchse von Hampstead Heath“ ist in sich abgeschlossen und kann daher auch ohne Kenntnis der „Die Flüsse von London“-Reihe gelesen werden (Das Lesevergnügen ist aber ungleich höher, kennt man sich ein bisschen in dem „Die Flüsse“-Universum aus). Abigail ist – trotz ihres jugendlichen Alters – eine abgeklärte Figur, die Gleichaltrigen weit voraus ist und auch mal einen sarkastischen Ton anschlägt. Begleitet wird Abigail in ihrer ersten Soloermittlung von knuffigen Sidekicks: einer Bande sprechender Füchse, die als Undercoveragenten arbeiten. Dies läuft nicht immer nach Plan, da die Füchse einen recht unbefangenen Charakter haben und die Menschenwelt nicht völlig durchschauen – was zu einigen komischen Szenen führt. Wie auch die Hauptreihe um Peter Grant zeichnet sich Abigails Abenteuer durch eine Mischung aus Krimielementen und Fantasy aus, sodass die Handlung von „Die Füchse von Hampstead Heath“ spannend, abwechslungsreich und unvorhersehbar ist. Was mir besonders gefallen hat: Als die Aufklärung des Falls näher rückt, gibt es einige verwirrende Szenen, die – da man sie zunächst gar nicht wirklich einordnen kann – für ein paar schöne Irritationsmomente sorgen (aber keine Sorge 🙃: Schrittweise ergeben die Szenen ein stimmiges Gesamtbild). Der Schreibstil von Ben Aaronovitch ist in „Die Füchse“ vergleichbar mit den Peter-Grant-Romanen. Anders als Peter nutzt Abigail allerdings häufiger jugendsprachliche Elemente. Der Aaronovitch eigene (trockene) Humor ist aber auch in Abigails Story vorhanden. Insgesamt ist „Die Füchse von Hampstead Heath“ ein spannender, flüssig zu lesender Fantasy-Krimi, der eine schöne Ergänzung zur Hauptreihe ist.

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Veröffentlicht am 09.08.2022

Ein wirklichkeitsnaher, toll recherchierter historischer Roman

1622. Ein erbärmliches Unglück
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Inhalt: Als im Mai 1618 drei Beamte des böhmischen Königs aus einem Fenster der Prager Burg gestoßen werden, ahnt der im Hamburger Umland wohnende Jonas noch nicht, welche Konsequenzen dies für ihn haben ...

Inhalt: Als im Mai 1618 drei Beamte des böhmischen Königs aus einem Fenster der Prager Burg gestoßen werden, ahnt der im Hamburger Umland wohnende Jonas noch nicht, welche Konsequenzen dies für ihn haben wird. Doch plötzlich ziehen marodierende Soldatenbanden durch das Land, die es auch auf den Hof von Jonas’ Bruder abgesehen haben. Nur dank der Raffinesse von Jonas können sie abgewehrt werden – wodurch Johan van Valckenburgh, der gerade den Bau der Hamburger Wallanlagen leitet, auf Jonas aufmerksam wird und ihn als Späher anstellen möchte. Ehe Jonas es sich versieht, ist er mitten in den konfessionellen Wirren des Krieges…

Persönliche Meinung: „2. Juli 1622 – Ein erbärmliches Unglück. Valkenburgh und die Waffenschmuggler“ ist ein historischer Roman von Jörgen Bracker. Erzählt wird die Handlung in Tagebuchform aus der Ich-Perspektive von Jonas, der es aufgrund seiner Vergangenheit nicht immer leicht hatte, jetzt aber – unter der schützenden Hand Valckenburghs – immer stärker sein Potential entfalten kann. Fluchtpunkt des Romans ist die Explosion eines Schiffes auf der Elbe am 2. Juli 1622, deren genaue Umstände bis heute nicht völlig geklärt werden konnten. Um diese offene Frage spinnt der Historiker und Archäologe Bracker eine Handlung, die literarisch zu beantworten sucht, was zur Explosion des Schiffes geführt haben könnte. Der Roman geht allerdings noch weit über die Behandlung der Explosion hinaus. So thematisiert „2. Juli 1622“ außerdem die Abenteuer, die Jonas mit seinen Freunden in Hamburg und Umfeld erlebt, mehrere Liebesgeschichten und die Anfangszeit des Dreißigjährigen Krieges. Hierbei spielen besonders die religiösen, auch intrakonfessionellen Konfliktpunkte des Krieges und die (politische) Situation Hamburgs im Krieg eine Rolle. Der historische Hintergrund wird authentisch und wirklichkeitsnah geschildert – ohne, dass der Autor in trockenes Dozieren abdriftet. Denn: Die Ereignisgeschichte hat immer direkte Konsequenzen für die Protagonisten, sodass der historische Hintergrund lebensnah veranschaulicht wird. Zudem finden sich in der Handlung häufig Politkrimi-Elemente, die das Historische auflockern: Mehrmals spioniert Jonas die politischen Feinde in brenzligen Situationen aus; welche Allianzen überdauern, wer die Seite wechselt, ist in der brisanten Kriegssituation offen. Der Schreibstil von Jörgen Bracker ist eher hypotaktisch, reich an Beschreibungen und stellenweise verschnörkelt. Anfangs ist dies etwas ungewohnt, aber man gewöhnt sich schnell daran (außerdem wirkt der Schreibstil archaisierend, wodurch der Text auch auf Sprachebene einen historischen Touch bekommt). Der Roman schließt mit einem Nachwort („Wahr oder wahrscheinlich“), in dem der Autor die gesicherten historischen Erkenntnisse zur Explosion des Schiffes festhält. Weiterhin existieren ein Index, in dem kurz historische Ereignisse, Örtlichkeiten und auftretende Personen erklärt werden, und ein Verzeichnis mit weiterführender Literatur zum Themenkomplex „Dreißigjähriger Krieg“. Insgesamt ist „2. Juli 1622 – Ein erbärmliches Unglück“ ein kurzweiliger, wirklichkeitsnaher und toll recherchierter historischer Roman.

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