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Veröffentlicht am 25.12.2021

Ein spannender Adventskalender, dessen Ende aber etwas ernüchternd ist

Der magische Adventskalender
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Inhalt: Ravenhagen. Seit einiger Zeit ist Jonas nicht ganz er selbst. Er ist mit den Gedanken nicht bei der Sache, ist ruppig, zieht sich häufig zurück und will allein sein. Doch am 1. Dezember findet ...

Inhalt: Ravenhagen. Seit einiger Zeit ist Jonas nicht ganz er selbst. Er ist mit den Gedanken nicht bei der Sache, ist ruppig, zieht sich häufig zurück und will allein sein. Doch am 1. Dezember findet er im Rinnstein vor dem Haus, in dem er mit seinem Vater und seiner Schwester wohnt, einen seltsamen Holzkasten, der sich bei genauerem Hinsehen als Adventskalender entpuppt. Dessen aufwendig gestaltete Türchen lassen sich, wie Jonas schnell feststellt, aber nicht ohne Weiteres öffnen: Jedes Türchen besitzt ein Symbol, das auf eine ganz bestimmte Person aus Ravenhagen verweist. Nur diese kann das jeweilige Türchen öffnen. Um das Geheimnis des Adventskalenders zu lösen, muss Jonas diese Personen finden und mehr als einmal über seinen Schatten springen.

Persönliche Meinung: „Der magische Adventskalender. Eine Kindergeschichte in Zeiten der Kälte“ ist ein literarischer Adventskalender von Jan Brandt. Der Roman ist in 24 Kapitel unterteilt, sodass man jeden Dezembertag bis Weihnachten ein Kapitel lesen kann. Erzählt wird der Roman von einem allwissenden Erzähler, der Jonas auf seiner Suche nach dem Geheimnis des Adventskalenders begleitet. Ravenhagen, der Ort in dem „Der magische Adventskalender“, ist schön dargestellt. Es handelt sich um eine Kleinstadt, der eine atmosphärische Patina anhaftet und deren Bewohner – mit ihren Marotten, Vorlieben und Berufen – erscheinen, als wären sie aus der Zeit gefallen. Jedes Kapitel beinhaltet eine schwarz-weiß-blaue Illustration von Daniel Faller, die diese entrückte Atmosphäre Ravenhagens sehr gut auffängt. Der Roman ist außerdem durchweg spannend, was vor allem an den vielen kleinen und großen Geheimnissen liegt, die sich innerhalb der Handlung finden. Wer ist mit den Symbolen auf den Türchen gemeint? Woher stammt der Adventskalender? Welche Botschaft verbergen die Schokoladen-Buchstaben, die hinter jedem Türchen warten? Was schlummert noch in dem Kalender? Für zusätzliche Spannung sorgen einzelne mysteriöse Figuren, die Jonas auf seiner Reise trifft und deren wahre Absichten im Dunkeln liegen. Außerdem treten, je weiter der Roman voranschreitet, verstärkt Elemente des magischen Realismus in die Handlung hinein. Das Ende des Romans hat mich allerdings etwas zwiegespalten zurückgelassen. Einerseits wird hier die große Frage nach der Herkunft des Adventskalenders behandelt, es besitzt eine schöne Botschaft und ist insgesamt auch sinnig. Andererseits bleiben viele Antworten – besonders diejenigen, die den magischen Charakter des Adventskalenders betreffen – vage. Klar, es muss nicht immer alles hieb- und stichfest beantwortet werden und oft reizen Geschichten gerade wegen ihrer Offenheit. Hier führten die vielen vagen Antworten/offenen Fragen aber für mich eher dazu, dass die Handlung nicht völlig rund und stimmig ist. Zuletzt bin ich auch unschlüssig, ob sich „Der magische Adventskalender“ tatsächlich als „Kindergeschichte“, wie der Untertitel ankündigt, eignet. So lässt sich der Roman einerseits flüssig lesen, ist inhaltlich auch für Kinder/Jugendliche spannend und spielt durch seinen Protagonisten in ihrer Lebenswelt. Gleichzeitig ist er aber durch den Hang zum magischen Realismus und den vagen Antworten vergleichsweise komplex. Auch die stimmungsvollen, wirklich tollen Illustrationen von Daniel Faller sprechen vielleicht eher Erwachsene an. Insgesamt ist „Der magische Adventskalender“ ein spannender Roman mit einer interessanten Ausgangslage und einem atmosphärischen Handlungsort, dessen Ende allerdings für mich zu viele Fragen offen ließ.

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Veröffentlicht am 19.12.2021

Eine schöne Sammlung von weihnachtlichen Erzählungen

Sancta Lucia
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„Sancta Lucia“, erschienen im Reclam Verlag, versammelt fünf weihnachtliche Geschichten der schwedischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf. Den Anfang macht die kurze Erzählung „Die Heilige Nacht“. Eine ...

„Sancta Lucia“, erschienen im Reclam Verlag, versammelt fünf weihnachtliche Geschichten der schwedischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf. Den Anfang macht die kurze Erzählung „Die Heilige Nacht“. Eine namenlose, erwachsene Ich-Erzählerin erinnert sich in dieser Geschichte an ihre Großmutter, die ihr viele Geschichten erzählt hat. Am nachdrücklichsten ist der Ich-Erzählerin die Geschichte der Geburt Jesu in Erinnerung geblieben, die die Ich-Erzählerin nun ihrerseits den Lesenden erzählt. „Die Heilige Nacht“ ist insgesamt eine melancholisch-nostalgische Erzählung, in die vermutlich auch autobiographische Momente Lagerlöfs eingeflossen sind. Es folgt die Erzählung „Die Legende vom Luciatag“. Hier wird der Ursprung des Luciafestes, das in den skandinavischen Ländern am 13. Dezember gefeiert wird, ersponnen. Nicht Lucia von Syrakus steht in dieser Erzählung im Mittelpunkt (die Heiligenfigur tritt nur am Rande auf), sondern eine Namensschwester, die in Värmland lebt. Die Handlung dreht sich um diese schwedische Lucia, die Bedürftigen hilft, dadurch aber mit einer bösen Verwandten aneinandergerät. In „Die Legende vom Luciatag“ fließen Elemente der Märchengattung ein (Kampf von „Gut“ gegen „Böse“, Wiederholungsstruktur, Variation der „bösen Stiefmutter“). Die dritte Erzählung ist „Die Legende der Christrose“, welche von der (magischen) Herkunft der Christrose erzählt. Ein Räuberehepaar weist in dieser Geschichte zwei Mönchen den Weg zu einer besonderen Stelle, wobei in die Handlung Paradies-Motive eingeflochten werden. Sowohl „Die Legende vom Luciatag“ als auch „Die Legende von der Christrose“ sind die Kernstücke von „Sancta Lucia“. Es folgt die Erzählung „Gottesfriede“, die einen moralisch-pädagogischen Anspruch besitzt und von einem besonderen Frieden zwischen Mensch und Tier handelt. Einen ähnlichen Anspruch besitzt auch die letzte Erzählung „Der Weihnachtsgast“, die das Auftreten eines (ungebetenen) Weihnachtsgastes behandelt. Besonders „Gottesfriede“ und „Der Weihnachtsgast“ sind Weihnachtsgeschichten im eigentlichen Sinne: In beiden spielt das Weihnachtsfest, dessen Geschäftigkeit, die (Vor)Freude auf dieses und weihnachtliche Traditionen eine Rolle. Insgesamt ist „Sancta Lucia. Weihnachtliche Geschichten“ eine schöne Sammlung von verschiedenen Erzählungen, die auf das Weihnachtsfest einstimmen.

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Veröffentlicht am 16.12.2021

Eine humorvolle Krimikomödie

Jagdtrieb
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Inhalt: Paul Colossa, ein junger Münchner Rechtsanwalt, erbt nach dem Tod seines Onkels Oscar dessen Anwaltskanzlei in der bayerischen Provinz. Damit verbunden: ein Haus mit einigen Geheimnissen, eine ...

Inhalt: Paul Colossa, ein junger Münchner Rechtsanwalt, erbt nach dem Tod seines Onkels Oscar dessen Anwaltskanzlei in der bayerischen Provinz. Damit verbunden: ein Haus mit einigen Geheimnissen, eine Menge Erwartungen, die an Paul herangetragen werden, und viele Fälle mit unkonventionellen MandantInnen. Wie z.B. Maja, die Tochter eines dubiosen russischen Oligarchen. Maja beauftragt Paul damit, gegen ihren übergriffigen Exfreund ein Kontaktverbot zu erwirken. Doch je mehr Paul sich mit dem Fall beschäftigt, desto stärker wird er auch privat in diesen verwickelt, bis er selbst ins Fadenkreuz gerät…

Persönliche Meinung: „Jagdtrieb“ ist ein Kriminalroman von Hendrik Esch und der erste Band der Reihe um den jungen Rechtsanwalt Paul Colossa. Erzählt wird die Handlung aus der personalen Perspektive von Paul Colossa. Inhaltlich dreht sich der Krimi nicht nur um Majas Fall, sondern er behandelt auch ausführlich das Privat- und Berufsleben von Paul. Eine Besonderheit des Krimis sind die vielen humorvollen Elemente, die sich auf verschiedenen Ebenen durch die Handlung ziehen. So ist zum Beispiel der Protagonist Paul – vielleicht gerade wegen seiner Herzensgüte – stellenweise naiv, unbedarft und verpeilt, weshalb er kein Fettnäpfchen auslässt und sich in die verfänglichsten Situationen verstrickt, wodurch es zu einigen Slapstick-Szenen kommt. Witzig sind auch seine Gedankengänge, in denen er assoziativ, manchmal vom Hölzchen aufs Stöckchen kommend, über Gott und die Welt philosophiert, die Fallstricke des Justizapparats beleuchtet und sie u.a. vor dem Hintergrund des gesunden Menschenverstandes spiegelt. Ebenfalls humorvoll-skurril sind die Figuren, die neben Paul auftreten. Jede Figur besitzt – mindestens – ein bestimmtes Merkmal, durch das sie aus dem Rahmen fällt und für witzige Situationen sorgt. Neben allem Humor kommt aber auch die Spannung innerhalb der Handlung nicht zu kurz. Latent zieht sie sich durch den ganzen Roman, da Oscar einige Geheimnisse mit ins Grab genommen hat, denen Paul schrittweise auf die Spur kommt. Eher konkret ist die Spannung in Bezug auf Majas Fall: Kann Paul das Kontaktverbot erwirken? Ist Maja glaubwürdig? Was hat es tatsächlich mit den übergriffigen Taten auf sich? Die Kapitel von „Jagdtrieb“ sind vergleichsweise kurz. Jedem Kapitel ist überschriftartig eine Begrifflichkeit aus der Jägersprache vorangestellt, die den Inhalt des jeweiligen Kapitels – mal vertrackter, mal offensichtlicher – vorausdeutet, sodass während der Lektüre einige Aha-Momente entstehen. Insgesamt ist „Jagdtrieb“ eine sehr flüssig zu lesende Krimikomödie mit einem liebenswürdig-verpeilten Protagonisten, schrägen Figuren und vielen Slapstick-Momenten.

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Veröffentlicht am 11.12.2021

Ein spannender Thriller mit atmosphärischen Szenen

Das Korsett
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Inhalt: Dorothea strebt, im Sinne ihrer verstorbenen Mutter, danach, barmherzige Taten zu vollbringen. Daher besucht sie regelmäßig die Insassinnen des Oakgate-Gefängnisses, redet mit ihnen und leistet ...

Inhalt: Dorothea strebt, im Sinne ihrer verstorbenen Mutter, danach, barmherzige Taten zu vollbringen. Daher besucht sie regelmäßig die Insassinnen des Oakgate-Gefängnisses, redet mit ihnen und leistet mentalen Beistand. Die Besuche sind allerdings nicht völlig uneigennützig: Nebenbei versucht Dorothea in Praxis die Thesen der Phrenologie zu verifizieren. (In der Phrenologie wird davon ausgegangen, dass man anhand der Schädelform auf den jeweiligen Charakter des Menschen schließen könne). Doch als Ruth, eine des Mordes angeklagte Schneiderin, in das Gefängnis eingewiesen wird, drängen sich Dorothea neue Rätsel auf: Ruth ist davon überzeugt, dass durch ihre Stiche eine mörderische Energie in die Kleidungsstücke geflossen ist, die mehreren Menschen das Leben gekostet haben soll…

Persönliche Meinung: „Das Korsett“ von Laura Purcell ist ein Thriller, der im viktorianischen England spielt. Erzählt wird er wechselweise aus den Perspektiven von Dorothea und Ruth, wobei beide als Ich-Erzählerinnen auftreten. Die beiden Figuren und ihre jeweilige Seelenlage werden anschaulich und dreidimensional dargestellt: Beide haben mit verschiedenen Problemlagen zu kämpfen. So leidet Dorothea unter den Zwängen und Rollenerwartungen der viktorianischen Epoche. In den Augen ihres Vaters ist sie zu selbstbewusst und aufmüpfig; soll mit ihren phrenologischen Versuchen aufhören, ehe sie noch den letzten heiratswilligen Standesgenossen vergrault. Ruth ist traumatisiert von ihrer Vergangenheit und stark belastet von den (vermeintlichen) Morden. Besonders der Erzählstrang von Ruth ist sehr stark. Einerseits finden sich hier sehr viele bildgewaltige und atmosphärisch dicht erzählte Szenen, die wahrscheinlich die wenigsten Lesenden kalt lassen werden. Andererseits entfaltet sich eine schöne Spannungskurve: Ruth erzählt Dorothea (und damit auch den Lesenden) ihre Geschichte chronologisch, beginnend noch vor den ersten Morden, sodass man schrittweise erfährt, was die genauen Gründe für die Inhaftierung von Ruth waren. Für zusätzliche Spannung sorgt, dass man nicht sicher weiß, inwiefern man Ruth vertrauen kann, da sie Züge einer unzuverlässigen Erzählerin besitzt. Besitzt sie wirklich die übernatürliche Kraft, Kleidungsstücke in Mordinstrumenten zu verwandeln? Oder handelt es sich um die fixe Idee einer Figur mit traumatisierender Vergangenheit? Interessant ist dabei, dass dieses Spannungsverhältnis über die gesamte Handlung hinweg aufrechterhalten wird. Zwar begegnet die eher rational denkende Dorothea der Geschichte von Ruth mit einer gehörigen Portion Skepsis, doch eine zuverlässige, übergeordnete Erzählinstanz fehlt. Daher bleiben bestimmte Dinge bewusst vage, wodurch sich für die Lesenden ein Interpretationsspielraum öffnet. Dennoch ist die Handlung insgesamt rund. Außerdem endet sie mit einem schönen Twist, der kaum zu erahnen ist. Der Schreibstil von Laura Purcell ist sehr eingängig und lässt sich flüssig lesen. Insgesamt ist „Das Korsett“ ein spannender Thriller mit vielen düsteren, atmosphärischen Szenen und zwei interessanten Protagonistinnen/Erzählerinnen.

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Veröffentlicht am 09.12.2021

Eine schön winterliche Gedichtsammlung

Wintergedichte
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„Wintergedichte“, ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell, versammelt 52 verschiedene Gedichte, die sich inhaltlich mit der winterlichen Jahreszeit beschäftigen und lyrisch beschreiben, ...

„Wintergedichte“, ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell, versammelt 52 verschiedene Gedichte, die sich inhaltlich mit der winterlichen Jahreszeit beschäftigen und lyrisch beschreiben, wie diese durch Schnee, Frost und Kälte die Landschaft verändert. Der Winter wird in den verschiedenen Gedichten aus unterschiedlichen Warten betrachtet. So tritt er einerseits als rauer Geselle auf, der klirrende Kälte und beißenden Wind mit sich bringt; der die Natur unter sich begräbt und sie bis zum Frühling absterben lässt (z.B. G. Keller: „Erster Schnee“ oder A. v. Chamisso: „Der erste Schnee“). In einzelnen Gedichten führt diese winterliche Tristesse zu Melancholie (H. Hesse: „Grauer Wintertag“) und die Hoffnung auf einen baldigen Frühling (J. v. Eichendorff: „Winternacht“), in anderen zu einem Rückzug in die wohlige Wärme des Hauses (G. Trakl: „Ein Winterabend“; T. Kramer: „Das Nüsseklopfen“). Andere Gedichte thematisieren stärker die freudigen Aspekte des Winters. Hier ist der Winter nicht rau, sondern erschafft pudrige Wunderländer, in denen man Schneemänner bauen (A. H. Hoffmann v. Fallersleben: „Der Schneemann“), Schlitten fahren (C. Morgenstern: „Winter-Idyll“) oder eislaufen kann (G. Hauptmann: „Eislauf“). Die Wortwahl der Gedichte ist meist gehoben, die Auswahl beschränkt sich aber nicht nur auf altbekannte Klassiker. Epochentechnisch stammen die Gedichte v.a. aus der Romantik, dem Realismus und dem Expressionismus. Stellenweise finden sich in der Sammlung auch experimentelle Gedichte (E. Jandl: „vor winterbeginn“ oder N. C. Kaser: „bittrer winter“). Insgesamt ist „Wintergedichte“ eine schöne Gedichtsammlung, die verschiedene Seiten des Winters und die damit einhergehenden Gefühle bzw. Stimmungslagen behandelt.

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