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Veröffentlicht am 02.05.2021

Ein sprachlich schöner Roman über Freundschaft, Kunst und das Leben

Die Closerie
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Inhalt: Damian, ein angehender Schriftsteller, der gerade sein Studium beendet hat, möchte die Tradition des Pariser Cafés „Closerie des Lilas“ aufleben lassen. Dort trafen sich in den 1920er Jahren regelmäßig ...

Inhalt: Damian, ein angehender Schriftsteller, der gerade sein Studium beendet hat, möchte die Tradition des Pariser Cafés „Closerie des Lilas“ aufleben lassen. Dort trafen sich in den 1920er Jahren regelmäßig namhafte Künstlerinnen und Schriftstellerinnen wie Ernest Hemingway, F. Scott Fitzgerald, Gertrude Stein und Pablo Picasso um über ihre Werke/Ideen zu diskutieren und sie zu präsentieren. Damian geht 100 Jahre später einen anderen Weg, um Gleichgesinnte zu treffen: Er stellt einen Aufruf online, auf den Johannes, ein menschenscheuer Informatiker/Lyriker und Natascha, eine ehemalige Unternehmerin, die Malerin werden möchte, reagieren. Künftig tauschen sich die drei über ihre Webcams aus. Die virtuelle Closerie ist geboren.

Persönliche Meinung: „Die Closerie“ ist ein Künstlerroman von Angelina Roth, der sich um eine außergewöhnliche Freundschaft zwischen drei (angehenden) Künstler_innen dreht. Die drei Hauptfiguren Damian, Johannes und Natascha sind – im positiven Sinne – verschroben. Während der eine Menschen scheut und der andere seltsame Gespräche mit seiner Katze führt, hat die nächste ihren Hasen ausstopfen lassen – weil sie ein schlechtes Gewissen hat (der Hase ist wahrscheinlich verhungert, weil sie nur arbeiten war). Jede Figur besitzt außerdem eine tragische Hintergrundgeschichte, wodurch sie eine größere Tiefe erhält. Langsam entwickelt sich zwischen den dreien eine besondere Freundschaft. Sie tauschen sich über ihr künstlerisches Schaffen aus, muntern sich auf, geben sich Tipps und lernen einander so immer besser kennen. Gleichzeitig läuft aber nicht alles reibungslos. Sie erleben neben den Höhen auch Tiefen, die sie aber letztlich stärker zusammenschweißen. Daneben spielen auch das Künstlerdasein und die Kunst im Allgemeinen in der Handlung eine große Rolle. Die drei diskutieren Möglichkeiten und Grenzen ihrer jeweiligen Kunst, besuchen eine Messe, reden über den Literaturmarkt und tauschen sich darüber aus, was überhaupt das Künstlerdasein ausmacht bzw. von welchem Schlag „Mensch“ ein Künstler ist. Zusätzlich ist die Handlung gewürzt mit einer Prise Humor. Erzählt wird der Roman hauptsächlich von einer auktorialen Erzählinstanz; einzelne Kapitel sind allerdings aus der Ich-Perspektive Damians geschrieben. Der Schreibstil von Angelina Roth hat mir sehr gut gefallen. Er ist stilistisch ausgesprochen schön; die Wortwahl überlegt und klar. Zudem sind die Dialoge zwischen den dreien sowohl witzig als auch authentisch und lebendig. Insgesamt ist „Die Closerie“ ein thematisch außergewöhnlicher und sprachlich schöner Roman mit starken Figuren und einer Handlung, die ein wohliges Gefühl beim Lesen auslöst.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Ein diskursives Theaterstück über ein gesellschaftlich relevantes Thema

GOTT
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Inhalt: Der Ethikrat tagt und debattiert über den Wunsch Richard Gärtners. Gärtner möchte sterben. Er ist zwar kerngesund, doch seit seine Frau gestorben ist, fehlt ihm jegliche Freude am Leben. Rechtlich ...

Inhalt: Der Ethikrat tagt und debattiert über den Wunsch Richard Gärtners. Gärtner möchte sterben. Er ist zwar kerngesund, doch seit seine Frau gestorben ist, fehlt ihm jegliche Freude am Leben. Rechtlich ist die Frage nach der ärtzlichen Beihilfe zum Suizid geklärt. Der Ethikrat stellt sich einer anderen Frage. Sollen Ärzt:innen ihren Patient:innen beim Suizid helfen?

Persönliche Meinung: "Gott" ist ein Theaterstück in zwei Akten von Ferdinand von Schirach, das sich mit der ärtzlichen Beihilfe zum Suizid auseinandersetzt. Damit behandelt "Gott" ein brisantes und gesellschaftlich relevantes Thema. Interessant ist dabei, wie v. Schirach sich dem Thema annähert. Im Theaterstück kommen unterschiedliche Figuren zu Wort, die ihre jeweilige Profession repräsentieren und personifizieren: eine Professorin der Rechtswissenschaften (Litten), ein Professor der Bundesärtzekammer (Sperling) und ein Bischof (Thiel). Die moderierende Funktion übernimmt die Vorsitzende des Ethikrats. Das Setting erinnert teilweise an eine Gerichtsverhandlung. Litten, Sperling und Thiel werden der Reihe nach aufgerufen und legen ihren Standpunkt dar, wobei dieser diskursiv mithilfe von Gärtners Rechtsanwalt Biegler und Keller, einem Mitglied des Ethikrates, ausgearbeitet wird. Schweigsam ist dabei die Figur, um dessen Sterbewunsch es geht: Gärtner, dem die Profession über seinen Wunsch, sein Ich zugesprochen wird. Generell ist "Diskusivität" das große Signum, unter dem "Gott" steht. Verschiedene Standpunkte werden vorgeführt, Meinungen diskutiert. Die unterschiedlichen Ansichten werden aber nicht verurteilt und jede dargestellte Auffassung hat ihre Berechtigung. "Gott" endet daher konsequenterweise offen. Die eingangs gestellte ethische Frage, ob Ärzt:innen Patient:innen beim Suizid helfen sollen, bleibt unbeantwortet. So wird die Frage in die Realität der Leser*innen getragen: "Gott" setzt einen Denkprozess in Gange, sich selbst mit der Thematik auseinanderzusetzen und eine eigene Meinung zu bilden. Ergänzt wird das Theaterstück um drei Essays, verfasst von drei Wissenschaftlern, die die Thematik jeweils aus einem philosophischen, ethischen bzw. juristischen Blickwinkel betrachten.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Ein zeitloser Klassiker über die Mechanismen des Machtmissbrauchs

Farm der Tiere
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Inhalt: Old Major, ein preisgekrönter Eber, ruft die Tiere der Herrenfarm zu einem Treffen zusammen. Er spüre, dass er nicht mehr lange Leben werde, weshalb er den Tieren seine Weisheiten weitergeben möchte. ...

Inhalt: Old Major, ein preisgekrönter Eber, ruft die Tiere der Herrenfarm zu einem Treffen zusammen. Er spüre, dass er nicht mehr lange Leben werde, weshalb er den Tieren seine Weisheiten weitergeben möchte. In seinem langen, 12-jährigen Leben habe er einiges gelernt. So auch, dass die Tiere unfrei seien und in elender Sklaverei leben. Nur um für den Menschen zu produzieren, der nimmt, ohne selbst etwas zu erzeugen. Im Menschen liege der Grund für das Elend der Tiere, weshalb der Mensch gestürzt werden müsse. Kurz nach seiner Rede stirbt Old Major. Die Revolution beginnt nicht sofort, doch ihre Saat ist gelegt...

Persönliche Meinung: "Farm der Tiere" ist nach "1984" das bekannteste Werk des englischen Schriftstellers George Orwell. Die handelnden Figuren sind die Nutztiere der Herrenfarm, die später in die Farm der Tiere umbenannt wird. Die Tiere werden anthropomorphisiert, wobei einzelnen Tieren eine bestimmte menschliche Eigenschaft (Eitelkeit, Sturheit, Arbeitsamkeit o.Ä.) zugeschrieben wird. Nur in einzelnen - ironisch kommentierten - Szenen scheint ihre tatsächliche Tiergestalt durch. Die Handlung ist durch Verweisstrukturen innerhalb der Handlung schön komponiert. "Farm der Tiere" kann als Parabel auf die Frühgeschichte der Sowjetunion bzw. den Aufstieg des Kommunismus/Sozialismus gelesen werden. So spiegelt die Handlungsstruktur den Aufstieg Stalins wider und einzelne Tiere referieren auf historische (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung: zeitgenössische) Persönlichkeiten und Bevölkerungsgruppen. Gleichzeitig kann man "Farm der Tiere" allerdings auch von einer höheren Warte aus betrachten: Jenseits aller Anspielungen auf die Sowjetunion ist "Farm der Tiere" eine politische Fabel, die diktatorische Strukturen von Machtmissbrauch, Manipulation und Propaganda aufdeckt. Ergänzt wird "Farm der Tiere" in der Ausgabe vom Manesse-Verlag durch zwei Paratexte von G. Orwell und einem Nachwort von Eva Menasse. In "Die Pressefreiheit" kritisiert Orwell den von ihm beobachteten Umstand, dass die britische Presse hinsichtlich bestimmter Themen zu einer Selbstzensur neige. Im "Vorwort zur ukrainischen Ausgabe von ,Farm der Tiere'" stellt Orwell sich selbst auf eine ironisch-humoreske Art vor. Hieran knüpft das Nachwort von Eva Menasse an, indem sie detaillierter auf das Leben Orwells eingeht. Außerdem analysiert sie kurz die Parabelstruktur von "Farm der Tiere". Insgesamt ist "Farm der Tiere" ein bündiger Klassiker, dessen Behandlung der politischen Thematik eine zeitlose Relevanz besitzt.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Ein spannendes Jugendbuch

Das Rätsel von Ainsley Castle
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Inhalt: Lizzy ist unzufrieden. Der Grund? Die neue Partnerin ihres Vaters oder wie Lizzy sie nennt: "Stiefmutter". "Stiefmutter" kritisiert ständig Lizzys Verhalten und wegen ihr musste Lizzys umziehen. ...

Inhalt: Lizzy ist unzufrieden. Der Grund? Die neue Partnerin ihres Vaters oder wie Lizzy sie nennt: "Stiefmutter". "Stiefmutter" kritisiert ständig Lizzys Verhalten und wegen ihr musste Lizzys umziehen. Sie führt nämlich ein Hotel auf einer schottischen Insel. Zu allem Überflüss plagen Lizzy seit - ja, wann eigentlich? - Erinnerungslücken. Plötzlich erhält sie kryptische E-Mails: Jemand beschreibt haargenau, was Lizzy Sekunden vor Maileingang gemacht und sogar gedacht hat...

Persönliche Meinung: "Das Rätsel von Ainsley Castle" ist ein Jugendbuch von Holly-Jane Rahlens mit Mystery-Elementen. Erzählt wird die Handlung aus der Ich-Perspektive Lizzys. Lizzy strotzt vor Sarkasmus, fühlt sich aber zugleich auch allein und hat viel mitgemacht. Gleichzeitig ist sie - in Bezug auf ihrer gegenwärtige Situation - vielleicht ein kleines Bisschen zu wehleidig und bockig, aber das gehört ja auch irgendwie zur Pubertät, in der sie sich gerade befindet, dazu. Der Roman besitzt durch einige Mystery-Elemente eine schöne Spannungskurve (unerklärliche Erinnerungslücken, Mails mit mysteriösem Inhalt, Doppelgänger-Motiv). Später flacht die Spannungskurve zwar etwas ab, aber das tut ihr insgesamt keinen großen Abbruch. Neben dem Rätsel dreht sich die Handlung auch um Abenteuer, Freundschaft und in einer Nebenhandlung um die erste Liebe. Der Schreibstil ist gerade zu Beginn eher stakkatohaft (kurze Sätze; die Satzstrukturen ähneln sich; die Sätze beginnen recht häufig mit "ich"), wodurch der Einstieg in die Handlung erschwert wird. Nach den ersten 20, 30 Seiten legt sich dies aber und der Schreibstil wird flüssiger und abwechslungsreicher. Interessant ist auch der vergleichsweise überraschende Twist um das titelgebende Rätsel bzw. die Frage nach der Herkunft der Mails. (Ich würde hier wirklich gerne mehr zu schreiben, weil sich da viel analysieren lässt, aber selbst eine grobe Umschreibung würde des Rätsels Lösung schon spoilern). Das Ende ist im Großen und Ganzen stimmig, allerdings etwas zu rasch erzählt, wodurch einzelne Fragen offen bleiben, deren Fäden man zur Abrundung hätte aufgreifen können. Insgesamt ist "Das Rätsel von Ainsley Castle" aber ein spannendes Jugendbuch mit einem schönen Twist, den auch für ältere Leser*innen interessant sein kann.

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Veröffentlicht am 24.04.2021

Eine schöne Ergänzung zum Zamonien-Zyklus

Zamonien
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"Zamonien - Entdeckungsreise durch einen phantastischen Kontinent" ist ein Lexikon von Anja Dollinger und Walter Moers, das sich mit dem von Moers erfundenen Kontinent Zamonien beschäftigt. Es versammelt ...

"Zamonien - Entdeckungsreise durch einen phantastischen Kontinent" ist ein Lexikon von Anja Dollinger und Walter Moers, das sich mit dem von Moers erfundenen Kontinent Zamonien beschäftigt. Es versammelt über 150 Artikel, die sich auf unterschiedlichste Phönomene Zamoniens beziehen. So finden sich Artikel zu Figuren ("Rumo", "Blaubär" etc.), zamonischen Wesen ("Buchling", "Zwirge" etc.), Orten ("Buchhaim"), Besonderheiten Zamoniens ("Puppetismus") und Phänomenen, die buchübergreifend in der Reihe eine Rolle spielen wie "Tränen", "Orm" oder "Post & Nachrichtenübermittlung". Die Artikel sind in einem sachlichen Stil verfasst, wie man ihn aus Lexikas kennt. Am Ende jedes Artikels finden sich Literaturangaben (mit Seitenzahl), die aufzeigen, aus welchem Zamonien-Roman die jeweiligen Informationen geschöpft worden ist. Darüber hinaus ist (fast) jeder Artikel mit (mindestens) einer Illustration versehen und mit Zitaten aus den Zamonien-Büchern angereichert. Die Aufmachung ist hochwertig (Cover, Lesebändchen, zahlreiche Illustrationen, Verzierungen) und die einzelnen Seiten sind - wie in Lexikas üblich - in zwei Spalten aufgeteilt. Die Bücher spiegeln den Informationsstand bis "Das Labyrinth der Träumenden Bücher" wider, sodass man mit (kleineren) Spoilern rechnen muss. Inhaltlich bietet das Lexikon natürlich nichts Neues - das ist allerdings auch nicht sein Zweck oder seine Intention. Durch die kurzen und bündigen Artikel lädt es zur Wissensauffrischung, zum (Wieder-)Entdecken und Querlesen ein.

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