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Veröffentlicht am 20.12.2020

Eine komplexe Erzählung

Lichternacht
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Inhalt: Am 24. Dezember 2002 treffen sich ein paar Freunde, um eine Hochzeit zu feiern. Während die Gäste auf das Erscheinen der Braut warten, erzählt der Bräutigam eine unglaubliche Geschichte seiner ...

Inhalt: Am 24. Dezember 2002 treffen sich ein paar Freunde, um eine Hochzeit zu feiern. Während die Gäste auf das Erscheinen der Braut warten, erzählt der Bräutigam eine unglaubliche Geschichte seiner Vergangenheit, die keiner von ihnen zuvor gehört hat.

Persönliche Meinung: „Lichternacht“ ist eine Weihnachtsgeschichte von knapp 20 Seiten. Sie besteht strukturell aus einer Rahmenhandlung und einer Binnenerzählung. Die Rahmenhandlung wird aus der Ich-Perspektive eines Gastes erzählt, während die Freunde auf die Braut warten. Die Binnenerzählung wiederum wird aus der Ich-Perspektive des Bräutigams erzählt, spielt allerdings 25 Jahre vor der Rahmenhandlung. Interessant ist dabei, dass sich – wenn auch nur für einen kurzen Moment – beide Erzählebenen zu überlagern scheinen. Die Binnenerzählung spielt – ebenso wie die Rahmenhandlung – zur Weihnachtszeit. Auf die Handlung der Binnenerzählung möchte ich nicht weiter eingehen, da die Spoilergefahr aufgrund der Kürze der Erzählung zu groß ist. Nur so viel: Trotz ihrer Kürze ist die Weihnachtsgeschichte vergleichsweise komplex, literarisch anspruchsvoll und deutungsoffen. Im Anhang des Büchleins findet sich ein Essay von Michaela Kopp-Marx, der ungefähr die gleiche Länge von „Lichternacht“ besitzt. In ihrem Essay interpretiert Kopp-Marx „Lichternacht“ vor dem Hintergrund der Abschieds- und Übergangsthematik, womit sie einzelne, bewusst deutungsoffene Stellen in „Lichternacht“ erklärt. Der Essay hilft insgesamt, „Lichternacht“ besser zu verstehen, allerdings muss man vorsichtig sein, inwiefern der eher deutungsoffene Text mithilfe der Abschieds- und Übergangsthematik zu stark vereinheitlicht wird.

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Veröffentlicht am 10.12.2020

Eine Einführung in die literarischen Wunderländer

Wonderlands
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"Wonderlands", herausgegeben von Laura Miller, ist eine Zusammenstellung von 100 Essays, die sich mit literarisch-imaginierten Ländern beschäftigen. Damit sind Handlungsorte gemeint, die von "unserer" ...

"Wonderlands", herausgegeben von Laura Miller, ist eine Zusammenstellung von 100 Essays, die sich mit literarisch-imaginierten Ländern beschäftigen. Damit sind Handlungsorte gemeint, die von "unserer" Welt und ihren Regeln abweichen, also "Wonderlands" sind. Ein "Wonderland" im Sinne des Buches muss aber keine Utopie sein; auch Dystopien werden thematisiert. Die beiden großen Genres, die im Sachbuch thematisiert werden, sind Science Fiction und Fantasy/Phantastik. Dabei werden sowohl klassische als auch zeitgenössische Werke vorgestellt ("Wonderlands beginnt mit dem "Gilgamesch-Epos" und endet mit Salman Rushdies "Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte"). Es ist in fünf Kapitel unterteit. Das erste Kapitel "Alte Mythen & Legenden" deckt den Zeitraum von 1750 v. Chr. bis 1666 n. Chr. ab und behandelt Texte wie "Die Göttliche Komödie" oder "Don Quijote". Das zweite Kapitel "Wissenschaft & Romantik" beschäftigt sich mit Klassikern des 18. und 19. Jahrhunderts ("Alice im Wunderland"; "Die Schatzinsel"). Kapitel 3 "Das goldene Zeitalter der Fantasy" (1901-1945) thematisiert, wie der Titel schon sagt, hauptsächlich Fantasy-Bücher ("Peter Pan"; "Mumins lange Reise"). "Neue Weltordnung" (1946-1980), das vierte Kapitel von "Wonderlands" stellt Texte unterschiedlichster Art vor ("Der Herr der Ringe", "Schlachthof" von K. Vonnegut oder W. Goldmanns "Die Brautprinzessin". Kapitel 5 "Das Computerzeitalter" (1981-heute) ist ebenfalls mit "Harry Potter", den "Scheibenwelt"-Romanen, H. Murakamis "1Q84" oder B. Atxagas "Obabakoak" breit gefächert. Es werden sowohl altbekannte Klassiker als auch Werke thematisiert, die man weniger auf dem Schirm hat, sodass "Wonderlands" eine schöne Fundgrube für Geheimtipps ist. Geographisch decken die ausgewählten Werke hauptsächlich den englischsprachigen Raum ab. Ziel des Werkes ist es, einen essayistischen Überblick über das jeweilige Werk zu geben. So besitzen die einzelnen Essays meist einen Umfang von 3 Seiten. Die Essays sind ähnlich aufgebaut: Sie informieren über die jeweilige Autor*in, geben eine kurze Inhaltsangabe des Werkes und bestimmen kurz den literar- und kulturhistorischen Wert. Zusätzlich dazu sind die Essays reich bebildert; teilweise mit Doppelseiten (Cover, Karten, Gemälde/Filmausschnitte, die auf dem Werk basieren etc.). "Wonderlands" ist insgesamt eine schön aufbereitete, informative und breit gefächerte Fundgruppe, die Werke mit fantastischen Welten näher vorstellt.

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Veröffentlicht am 10.12.2020

Eine kleine Weihnachtskomödie

Es ist ein Elch entsprungen
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Inhalt: Bei Familie Wagner ist es gerade richtig schön weihnachtlich. Es schneit, Orangenschalen verbreiten einen weihnachtlichen Duft und Bertil singt gemeinsam mit seiner Schwester Kiki und seiner Mutter ...

Inhalt: Bei Familie Wagner ist es gerade richtig schön weihnachtlich. Es schneit, Orangenschalen verbreiten einen weihnachtlichen Duft und Bertil singt gemeinsam mit seiner Schwester Kiki und seiner Mutter Weihnachtslieder. Doch dann passiert es: Ein Elch kracht durch die Wohnzimmerdecke. Ein Elch vom Weihnachtsmann, der sprechen kann.

Persönliche Meinung: "Es ist ein Elch entsprungen" ist eine Weihnachtskomödie in Form einer Novelle. Sie umfasst knapp 70 Seiten. Nicht die Rentiere, die den Schlitten des Weihnachtsmannes an Heiligabend ziehen, stehen hier im Vordergrund, sondern (in Person von Mr. Moose) die Elche, die den Schlitten, der das ganze Jahr über nur herumstand, vor seinem großen Auftritt erstmal Probe fahren müssen. Erzählt wird sie aus der Perspektive von Bertil Wagner, der die Erlebnisse mit Mr Moose, so der Name des Elchs, humorvoll schildert. Die Komik der unterschiedlichen Szenen beruht besonders auf den lakonischen Kommentaren Bertils, die den situativen Witz nicht unnötig breittreten, sondern für sich sprechen (und stehen) lassen. Auch die Nebencharaktere sind skurril: Wie beispielsweise Kiki, Bertils Schwester, die krampfhaft ihr Allgemeinwissen mitteilen muss - auch wenn die Situation unpassend ist. Die Figur des Weihnachtsmannes (hier: Santerklaus genannt und geschrieben) ist ebenfalls nicht so, wie man ihn kennt: Zumindest zu Beginn ist er recht ruppig und Omas Kirschlikör nicht abgeneigt. Mr Moose, der sprechende Elch, ist in diesem Figurenpersonal bzgl. Emotionen und Ansichten - ironischerweise - die am wenigsten skurril gezeichnete Figur. Durch den Weihnachtswunsch Bertils kommt ein ernster Zug in die Geschichte, der allerdings etwas im Hintergrund verbleibt (die Erfüllung des Wunsches bleibt zudem vage/offen). Insgesamt ist "Es ist ein Elch entsprungen" aber eine schöne Weihnachtsgeschichte mit komödienhaften Szenen.

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Veröffentlicht am 10.12.2020

Kleine Weihnachtswunder

Zauberhafte Weihnachtswunder
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"Zauberhafte Weihnachtswunder" ist eine Zusammenstellung von drei Geschichten und einem Gedicht, die von Frank Lauenroth geschrieben worden sind. Die Geschichten sind in sich abgeschlossen. In "Spätschicht" ...

"Zauberhafte Weihnachtswunder" ist eine Zusammenstellung von drei Geschichten und einem Gedicht, die von Frank Lauenroth geschrieben worden sind. Die Geschichten sind in sich abgeschlossen. In "Spätschicht" begleiten wir einen Busfahrer auf seiner einsamen Heiligabend-Spätschicht. "Der Zauber der Weihnacht" behandelt die Geschichte zweier Geschwister, die sich spinnefeind sind, aber durch eine gemeinsame Suche vereeint werden. In "Engel gibt es nicht" treffen wir auf den Hauptwachtmeister Riegenstieg, der an Heiligabend in einer Gefängniszelle eine besondere Person trifft. In allen drei Texten eine Wendung in Form eines (Weihnachts)wunders, das jeweils phantastische bzw. Science-Fiction-Elemente andeutet. Der Erzählstil lässt sich flüssig lesen, wobei er durchzogen ist von humorvollen Kommentaren, die teilweise ironisch und teilweise eher bissig sind.

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Veröffentlicht am 07.12.2020

Eine intensive Lektüre

Fast ein neues Leben
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„Fast ein neues Leben“ von Anna Prizkau ist eine Zusammenstellung von 12 Erzählungen. Die Geschichten besitzen eine Länge von 5-13 Seiten. Trotz ihrer Kürze ist die Lektüre der Erzählungen ungemein intensiv: ...

„Fast ein neues Leben“ von Anna Prizkau ist eine Zusammenstellung von 12 Erzählungen. Die Geschichten besitzen eine Länge von 5-13 Seiten. Trotz ihrer Kürze ist die Lektüre der Erzählungen ungemein intensiv: Erzählt werden sie aus der Perspektive einer namenlosen Ich-Erzählerin, die aus ihrem alten Land nach Deutschland migriert ist. Dort erhofft sich die Familie der Ich-Erzählerin ein neues Leben, doch das Leben ist nur „fast“ ein neues. Auf unterschiedlichste Arten wird die Ich-Erzählerin mit ihrer Herkunft konfrontiert: Sei es durch Ablehnung ihrer Theaterstücke, deren Themen, so die Rückmeldung des Theater, die hiesige Bevölkerung nicht interessieren würde, durch physische Gewalt oder die verbale Behandlung als Mensch zweiter Klasse. Die einzelnen Erzählungen sind sehr gut konstruiert: Ihr wahrer Gehalt bzw. ihre eigentliche Bedeutung entfaltet sich jeweils erst in den letzten Sätzen, wodurch die Intensität der Lektüre gesteigert und die Leser*innen nachhaltig zum Nachdenken angeregt werden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Erzählung „Kleine verlorene Alla“ handelt von dem Großonkel der Ich-Erzählerin, dessen Schwester seit Jahrzehnten verschollen ist. Als sich plötzlich eine Frau meldet, die behauptet, Alla zu sein, ist der Großonkel überglücklich. Die Mutter der Ich-Erzählerin wittert allerdings eine Betrügerin. Der Kniff der Erzählung ist nun, dass bis zum letzten Abschnitt offengehalten wird, ob es die echte Schwester ist oder doch eine Betrügerin. Ihr Verhalten ist dabei ambig, sodass beides möglich sein kann. Thematisch drehen sich die einzelnen Erzählungen um Migration, Zurückweisung, Scham, das Gefühl von Fremdheit und die Fragilität des Glücks. Sie erzählen dabei keine zusammenhängende Geschichte und sind auch nicht chronologisch geordnet. Jede einzelne Erzählung ist eine Facette, ein Mosaikstück des „fast“ neuen Lebens. Die Ordnung suggeriert dabei eine gewisse Assoziativität, die dem Erinnerungsprozess nachempfunden ist. So wechseln sich Episoden der jüngeren Vergangenheit mit Episoden aus der Kindheit der Protagonistin ab. Der Erzählstil ist dabei karg und eher nüchtern, was für mich die Bedeutungen der Erzählungen erhöht hat. Insgesamt ist „Fast ein neues Leben“ eine intensive Lektüre, die literarisch schön durchformt ist und zum Nachdenken anregt.

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