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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.05.2020

Ein tragischer Fall

DUNKEL
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Inhalt: Die 64-jährige Kommissarin Hulda Hermannsdóttir steht kurz vor ihrer Rente, womit sie sich nicht anfreunden kann. Die Lage spitzt sich noch zu, als ihr von heute auf morgen mitgeteilt wird, dass ...

Inhalt: Die 64-jährige Kommissarin Hulda Hermannsdóttir steht kurz vor ihrer Rente, womit sie sich nicht anfreunden kann. Die Lage spitzt sich noch zu, als ihr von heute auf morgen mitgeteilt wird, dass sie mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand versetzt wird. Verbissen handelt sie mit ihrem Vorgesetzten einen Deal aus: Sie darf noch zwei Wochen arbeiten und sich einen abgeschlossenen Fall neu aufrollen, danach ist Schluss. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf den Todesfall der russischen Asylbewerberin Elena, der als Unfall abgetan worden ist. Ein schwerwiegender Fehler, wie sich herausstellen wird…

Persönliche Meinung: Ragnar Jónasson hat in seinem Thriller „Dunkel“ gleich zweierlei geschafft: Der Fall der verschwundenen Elena ist spannend und die Aufklärung ist durch das Spiel mit den Leser*innenerwartungen überraschend. Zusätzlich dazu ist die Ermittlerfigur Hulda sehr komplex und plastisch gezeichnet, was dadurch gelingt, dass ihre Vergangenheit in einem eigenen Handlungsstrang beleuchtet wird. Hulda ist gewissermaßen eine gebrochene Figur, wobei ihre Brüche erst nach und nach aufgedeckt werden. Diese Gebrochenheit habe ich in dieser Art noch nie zuvor gelesen. Beide Handlungsstränge hatten für mich einen ähnlich hohen Spannungsgrad. Der Erzählstil von „Dunkel“ ist sehr flüssig zu lesen und hat, passend zur Handlung, einen bedrückenden Ton. „Dunkel“, der Titel des Romans, ist Programm: Die Ermittlerin ist eine tragische Figur, ihre Vergangenheit düster, der Erzählstil melancholisch und bedrückend, Island als Handlungsort atmosphärisch dicht, der Weg, den Ragnar Jónasson geht, ist mutig und radikal. Alles ist hier dunkel – und das macht den Thriller zu einem besonderen und einmaligen Leseerlebnis.

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Veröffentlicht am 29.05.2020

Die Suche nach Kurtz

Herz der Finsternis
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Inhalt: Getrieben von dem Wunsch, die weißen Flecken des Globus zu erkunden, heuert Marlow als Schifffahrtskapitän bei einer Kolonisationsgesellschaft an, die im Kongo angesiedelt ist. Dort erhält er den ...

Inhalt: Getrieben von dem Wunsch, die weißen Flecken des Globus zu erkunden, heuert Marlow als Schifffahrtskapitän bei einer Kolonisationsgesellschaft an, die im Kongo angesiedelt ist. Dort erhält er den Auftrag, den Elfenbeinhändler Kurtz aus dem Inland wieder zurück an die Küste zu eskortieren.
Persönliche Meinung: Die Handlung setzt sich aus einer Rahmenhandlung (Treffen Marlows mit vier Freunden) mit Binnenerzählung (Marlows Erzählung seiner Erlebnisse) zusammen. Die Erlebnisse Marlows werden somit aus einer retrospektive erzählt. Die Suche nach Kurtz hat zum Teil surreale Züge: Marlow denkt, er würde ihm immer näherkommen, nur um zu erfahren, dass Kurtz schon weiter ins Landesinnere gezogen ist. Dabei hört er immer neue Gerüchte über Kurtz, sodass sich Marlows Bild von Kurtz ins Sagenhafte steigert. Der Erzählstil der Rahmenhandlung hat lyrische Züge und ist metaphernreich, doch dies tritt in weiteren Verlauf zugunsten eines nüchternen Erzählstils zurück, der teilweise schwieriger zu lesen ist. Die Erzählung ist allerdings im Geiste ihrer Zeit geschrieben, was aus heutiger Perspektive negativ aufstößt: Zwar findet sich auch Kritik am Kolonialsystem, doch ist die Erzählung durchzogen von Stereotypen und Vorurteilen der indigenen Bevölkerung gegenüber, gepaart mit einem Überlegenheitsdenken. Die Ausgabe des Diogenes Verlags ist mit einem Nachwort des Germanisten Urs Widmer versehen, der die biografischen Bezüge Joseph Conrads zur Erzählung aufführt und erörtert.

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Veröffentlicht am 21.05.2020

Eine Protagonistin im künstlichen Koma: Mord oder Unfall?

Mädchen versenken
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Inhalt: Lara liegt seit ihrem Unfall vor zwei Wochen im künstlichen Koma: Nach einer Feier ist sie in die Prinsengracht gefallen und lag dort eine Stunde im Wasser, wodurch ihr Gehirn schaden genommen ...

Inhalt: Lara liegt seit ihrem Unfall vor zwei Wochen im künstlichen Koma: Nach einer Feier ist sie in die Prinsengracht gefallen und lag dort eine Stunde im Wasser, wodurch ihr Gehirn schaden genommen hat. Ihre beste Freundin Maud macht sich schlimme Vorwürfe, denn sie wollte nicht mit Lara zu der Feier gehen, weshalb sie sich kurz vor dem Unfall gestritten haben. Seit kurzen wird Maud allerdings von einem ihr unbekannten Mann mit Basecap verfolgt, sodass sich bei ihr ein Verdacht regt: War Laras „Unfall“ tatsächlich einer? Auch Lara kommt – für Außenstehende unbemerkt – langsam wieder zu sich und kommt nach und nach zu einer dramatischen Erkenntnis…

Persönliche Meinung: „Mädchen versenken“ setzt sich aus zwei Handlungssträngen zusammen. Im ersten Handlungsstrang versucht Maud mit ihrer Trauer und den Folgen des Unfalls klar zu kommen. Erzählt wird er aus der Ich-Perspektive Mauds. Der zweite Handlungsstrang wird aus der Ich-Perspektive Laras erzählt, die nach und nach zu sich kommt und versucht dahinter zu kommen, was genau ihr passiert ist. In beiden Handlungssträngen finden sich immer wieder Suspense- und Thriller-Elemente (z.B. der Basecap-Mann). Diese gefielen mir bei Lara besser als bei Maud: Laras Gehirn funktioniert zwar wieder, doch keiner merkt es. Sie ist ans Bett gefesselt, kann ihre Augen nicht öffnen, weiß nicht, wer neben ihr am Bett sitzt, hört nur manchmal Geräusche (Klicken, Schritte, Atmungen), die sie keiner Person zuordnen kann. Anders gesagt: Es ist eine beklemmende Atmosphäre, wobei die Leser*innen genauso wenig wie Lara wissen, was wirklich um ihr Krankenbett herum passiert und wer da ist. Den Täter konnte man – im Vergleich zu den anderen Thrillern, die ich bis jetzt von der Autorin gelesen habe – etwas leichter erahnen. Allerdings war man sich nie 100%ig sicher, da es „Fallen“ gab und man immer wieder aufs Glatteis geführt wurde. „Mädchen versenken“ war auch etwas langatmiger als „Wer sich umdreht oder lacht…“ oder „Mädchen, Mädchen, tot bist du“, die mir etwas besser gefallen haben. Dennoch ist „Mädchen versenken“ ein solider Thriller mit einer guten Auflösung und Spannung.

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Veröffentlicht am 21.05.2020

Die Liste des Serienkillers

Mädchen, Mädchen, tot bist du
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Inhalt: Ein Serienmörder wütet in Amsterdam. Leila ist ihm schon zum Opfer gefallen; fünf weitere Jugendliche stehen auf seiner Liste. Schafft er es, diese Liste abzuarbeiten, oder wird ihm vorher das ...

Inhalt: Ein Serienmörder wütet in Amsterdam. Leila ist ihm schon zum Opfer gefallen; fünf weitere Jugendliche stehen auf seiner Liste. Schafft er es, diese Liste abzuarbeiten, oder wird ihm vorher das Handwerk gelegt?

Persönliche Meinung: Es ist bei „Mädchen, Mädchen tot bist du“ recht schwierig eine Rezension zu schreiben, ohne größere Spoiler für die Handlung preiszugeben. Ich versuche es aber trotzdem möglichst spoilerfrei. Seht mir daher bitte nach, wenn ich etwas vage bleibe. „Mädchen, Mädchen tot bist du“ war der erste Thriller, den ich von Mel Wallis deVries gelesen habe. Anfangs war ich etwas enttäuscht, da mir die Frage nach dem Täter recht offensichtlich und die Handlung eher einfach gestrickt schien. Dies legte sich aber mit der Zeit: Vom Ende her gesehen ist die Handlung komplexer als gedacht und auch die Frage nach dem Täter und seinem Motiv lässt sich nicht so leicht beantworten wie vermutet. Hier wurde sehr schön mit den Erwartungen der Leser*innen gespielt. „Mädchen, Mädchen tot bist du“ lässt sich zudem sehr flüssig und zügig lesen. Erzählt wird die Handlung aus der Perspektive der Mädchen, die auf der Liste des Serienmörders stehen, sodass wir mehrere unterschiedliche Protagonisten haben. Dadurch wird die Handlung auch rasant erzählt: Jeder Protagonist ist ein potenzielles Opfer und wird irgendwie bedrängt, verfolgt o.Ä. Zudem finden sich immer mal wieder kleinere, rätselhafte Fragmente, die aus der Perspektive des Täters verfasst sind. Insgesamt ist „Mädchen, Mädchen tot bist du“ ein guter Thriller für zwischendurch.

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Veröffentlicht am 21.05.2020

Ein solider Thriller mit emotionalem Tiefgang

Wer sich umdreht oder lacht ...
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Inhalt: Ein Serienmörder treibt in Amsterdam sein Unwesen. Er lauert jungen Frauen auf, dringt in ihre Häuser ein und ermordet sie. Dabei bannt er die letzten Lebensmomente der Jugendlichen auf Video und ...

Inhalt: Ein Serienmörder treibt in Amsterdam sein Unwesen. Er lauert jungen Frauen auf, dringt in ihre Häuser ein und ermordet sie. Dabei bannt er die letzten Lebensmomente der Jugendlichen auf Video und teilt sie in den sozialen Netzwerken. Wird Mandy, deren Mutter an Krebs erkrankt ist, ihm entkommen können?

Persönliche Meinung: Auch in „Wer sich umdreht oder lacht…“ schafft Mel Wallis deVries es, eine fesselnde Geschichte zu schreiben, die zudem leicht zu lesen ist. Der Thriller wird in weiten Teilen in Ich-Form aus der Perspektive von Mandy erzählt, deren Mutter Krebs hat. Eine große Stärke des Romans ist es, die Gefühlswelt Mandys plastisch darzustellen: Während für alle anderen Jugendlichen aus ihrer Klasse das Leben (mehr oder minder) sorgenfrei weitergeht, steht es für Mandy still. Ist der Krebs tödlich? Wird ihre Mutter gesund? Wie geht es überhaupt weiter? Alltagsnah und realistisch ist auch das Verhalten ihrer Freundinnen dargestellt. Diese wissen zwar um die Krankheit von Mandys Mutter, zeigen irgendwie auch Anteil, sind aber nicht direkt betroffen, wodurch sie insgesamt die Tragweite der Krebserkrankung von Mandy und ihre Sorgen nicht komplett wahrnehmen können. Insofern sind die Figuren differenzierter und plastischer als bei „Ich sehe was, was du nicht siehst“, das ich letzte Woche rezensiert habe. Jenseits der Thrillerhandlung ist es ein sehr emotionales Jugendbuch. Die Handlung ist mit vielen Suspense-Situationen gewohnt spannend und die Frage nach dem Täter ist bis zuletzt unklar. Es tummeln sich viele potenzielle Täter in „Wer sich umdreht oder lacht…“, wodurch die eigentliche Täterfigur schnell aus dem Blickfeld (und in Vergessenheit) gerät und dadurch doch überraschend ist.

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