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Veröffentlicht am 07.05.2019

Babushka

Der Zopf meiner Großmutter
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„Du bist so groß geworden, ich kann kein Wort mehr von dem verstehen, was du sagst. Manchmal denke ich, du kannst kein Russisch mehr.“ [158]

Witzig, spritzig, hintergründig und teils richtig böse schreibt ...

„Du bist so groß geworden, ich kann kein Wort mehr von dem verstehen, was du sagst. Manchmal denke ich, du kannst kein Russisch mehr.“ [158]

Witzig, spritzig, hintergründig und teils richtig böse schreibt die Autorin Alina Bronsky über eine russische Patchwork-Familie. „Der Zopf meiner Großmutter“ ist ein wundervoll geschriebener Roman in dem eigenwillige und doch so liebenswerte Charaktere einen Platz haben und diesen vollends ausfüllen. Dabei geht es um die Großmutter, den Großvater, seine – mehr oder weniger heimliche - Geliebte und Max, den Enkel.

Max und seine Großeltern sind als Flüchtlinge aus Russland nach Deutschland emigriert. Und Max ist es auch, aus dessen Sicht hier berichtet wird. Er ist inmitten des ach so normalen Wahnsinns. Die Großmutter Margo, der alles in dieser neuen Gesellschaft bzw. neuem Land zu entgleiten scheint, ist das, was man heutzutage als Helikopter-Eltern bezeichnet. Sie ist in Bezug auf ihren Enkel überfürsorglich, möchte sich ständig in seiner Nähe aufhalten, um ihn zu überwachen und zu behüten. Dies sieht man auch gut an dem eingangs erwähnten Zitat.
Im Gegensatz zur Großmutter findet Max zunehmend halt in der Gesellschaft. Er entwickelt sich weiter, löst sich, integriert sich.
Der Großvater geht sparsam mit seinen Gefühlen um, wenn er denn mal welche zeigt. Und letztendlich bringt Großvater Tschingis, der sonst ruhig, zurückgezogen auftritt, die Wendung für alle.

Komödie und Tragik wechseln sich ab und Bronsky verwebt alles zu einem gelungenen Roman mit einem schwierigen und ernsten Thema, der sich aufgrund des Schreibstils schnell und flüssig lesen lässt.

Das Cover ist minimalistisch gestaltet und passt wunderbar zu dieser Geschichte.

Veröffentlicht am 07.05.2019

Spritzig mit italienischem Flair

Julipläne
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„Ein altes Rot, mit Rheuma in den Knochen, aber rüstig und munter. Ein Rot wie auf einem Renaissancebild.“ [35]

Und wieder einmal spielt Deborah Gronwald die Hauptrolle in dem neuen Roman von Martina-Marie ...

„Ein altes Rot, mit Rheuma in den Knochen, aber rüstig und munter. Ein Rot wie auf einem Renaissancebild.“ [35]

Und wieder einmal spielt Deborah Gronwald die Hauptrolle in dem neuen Roman von Martina-Marie Liertz. „Julipläne“ ist die Fortsetzung von „Januarrot“, kann aber auch als eigenständige Geschichte gelesen werden. Die Farbe Rot stellt sich als Verbindung zum vorherigen Buch dar. – mehr wird an dieser Stelle nicht verraten – Um in die Gefühlswelt richtig abzutauchen, die Aktionen bzw. Reaktionen der Charaktere optimal zu verstehen, empfiehlt es sich „Januarrot“ vorab zu lesen.

„‘Du weißt zu viel über mich‘, sagte die Venusfliegenfalle und biss der Fliege den Kopf ab. Ich schloss erschöpft die Augen.“ [39]

Diesmal findet sich Deborah in Bella Italia wieder, genauer gesagt in der Toskana. Die vorwitzige, neugierige Protagonistin kann sich nicht zurückhalten und schnüffelt herum, ermittelt auf eigene Faust. Dass der Urlaub sich nun Zusehens mehr in ein Abenteuer wandelt, bleibt nicht aus.
Der Roman ist wunderbar geschrieben, spritzig und humorvoll. Das italienische Flair wird durch die bildhafte Sprache perfekt transportiert. Man ist sofort im Geschehen, in den engen Gassen und kann sich richtig gut vorstellen, wie Sizilianische Flüche klingen.

Als humorvoller Krimi hebt sich das Buch aus der Masse ab. Aber auch die Charaktere tragen dazu bei. So eine Deborah gibt es nur einmal. Es ist einfach nur schön und kurzweilig geschrieben.

Fazit: Erneut ein besonderes Lesevergnügen für jederfrau und jedermann. Bitte mehr davon!

Veröffentlicht am 26.04.2019

revenge

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem. (Golden Cage 1)
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„Sie spürte eine vertraute Dunkelheit in jede Pore ihres Körpers einsickern, die Dunkelheit, die sie erfolgreich verdrängt hatte.“ [189]

Der Klappentext stellt die Frage, welches sich als der rote Faden ...

„Sie spürte eine vertraute Dunkelheit in jede Pore ihres Körpers einsickern, die Dunkelheit, die sie erfolgreich verdrängt hatte.“ [189]

Der Klappentext stellt die Frage, welches sich als der rote Faden durch das Buch erweist: „Was machst du, wenn dir alles genommen wird?“

„Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem.“ von Camilla Läckberg handelt von der Protagonistin Faye, die buchstäblich im goldenen Käfig sitzt. Und wie so oft trügt der äußere Schein.
„Wenn man in einem goldenen Käfig gefangen war, brauchte man Ablenkung, um sein Schicksal zu ertragen.“ [356]
Läckberg hat einen Roman geschrieben, ganz anders als ihre bisherigen Werke. Es sollte ihr erster Psychothriller sein. Für mich persönlich eher ein Thriller mit vielen Drama-Elementen, der direkt, schonungslos und abgründig daherkommt. Obwohl mit viel Gewalt – vor allem seelische-, Rache und expliziten Sexszenen garniert, liest sich das Buch richtig gut.
„Es tat weh, aber ich wollte, dass es wehtat. Der Schmerz war mir vertraut. Er gab mir Sicherheit. Die Welt stand in Flammen, und der Schmerz war mein Anker.“ [147]

Der Schreibstil ist flüssig. Spannung ist garantiert. Läckberg weiß, wie man ein Buch für eine große Masse schreibt. Gegliedert in 3 Teile, gewinnt man durch diverse Rückblenden in Fayes Vergangenheit einen Einblick, wie sich die Geschichte entwickeln wird.
Die Charaktere Faye, sowie ihr Mann Jack, werden ausreichend gut dargestellt, obgleich keiner wirklich sympathisch rüberkommt.
Das Ende ist rasant, knackig und durchdacht, auch wenn man schon weiß worauf alles hinauslaufen wird.

Veröffentlicht am 24.04.2019

Optimismus war unsere Währung

Die Geschichte der schweigenden Frauen
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„Aber selbst in unserem Kerker gewinnen wir etwas das andere Frauen in Green City niemals haben können. […] Freie Entscheidung, Selbstbestimmung, Freiheit.“ [59]

Und genau darum geht es im Roman „Die ...

„Aber selbst in unserem Kerker gewinnen wir etwas das andere Frauen in Green City niemals haben können. […] Freie Entscheidung, Selbstbestimmung, Freiheit.“ [59]

Und genau darum geht es im Roman „Die Geschichte der schweigenden Frauen“ von Bina Shah; unter anderem ist die Pakistani auch Frauenrechtlerin. Diese Dystopie soll eine moderne Parabel über das Leben von Frauen in repressiven Ländern darstellen.

Mit ihrem mitreißenden Schreibstil fesselt die Autorin den Leser bereits nach den ersten Zeilen an das wirklich schön gestaltete Buch. Erzählt wird aus verschiedenen Sichten, was differenzierte Einblicke ermöglicht und Abwechslung bringt und zugleich Spannung aufbaut.

Gegliedert ist der Roman in 3 Teile. Unrast, Rebellion und Aufruhr. Eigentlich genau so, wie es auch in Wirklichkeit ablaufen würde. Zuerst erfahren wir wie es überhaupt zu diesem Szenario kommen konnte, begleiten die Protagonistin Sabine auf ihrer Reise in die Panah. Panah ist das persische Wort, das Zuflucht bedeutet. Wobei in solchen Ländern die so autoritär, unterdrückend und diktatorisch agieren all dies ggfs. auch nur eine Illusion sein könnte.

„Perfekt für Green City. Reform, Bevölkerungszuwachs, die Wiederherstellung des Geschlechtergleichgewichts nach dem Ultimativen Krieg.“ [183]

Shah gelingt es ausgesprochen gut, ein ernstes, wichtiges Thema so spannend darzustellen, dass man das Buch regelrecht verschlingen möchte. Jedoch sind die Charaktere nicht so tief ausgearbeitet. Das geht definitiv besser. In diesem ganzen Setting - bzw. Szenario – fand ich dies aber auch nicht schlimm. Insgesamt ist das Buch sehr stimmig, auch wenn das Ende meines Erachtens etwas mehr ausgearbeitet hätte werden können.

„Optimismus war unsere Währung.“ [34]

Veröffentlicht am 08.04.2019

Berührend

Ein ganzes Leben
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Ein Leben auf weniger als 200 Seiten? So etwas geht? Ja, sogar „Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler. Auf 192 Seiten verfolgt der Leser das Leben von Andreas Egger in den Bergen Österreichs.
Das Leben ...

Ein Leben auf weniger als 200 Seiten? So etwas geht? Ja, sogar „Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler. Auf 192 Seiten verfolgt der Leser das Leben von Andreas Egger in den Bergen Österreichs.
Das Leben des Protagonisten Egger wird durch den Autor gar unprätentiös beschrieben. Genauso, wie das Leben der Romanfigur. Genügsam, karg und bescheiden verbringt Egger sein Leben. Er ist sich für keine Arbeit zu schade, packt an, lebt zurückgezogen und findet doch irgendwann eine Frau für das Leben, erleidet Schicksalsschläge, zieht in den Krieg. Und wir als Leser folgen ihm.
Es ist ein Roman der unaufgeregt daherkommt. Der Schreibstil ist flüssig, es lässt sich wunderbar lesen und man empfindet den Charakter Egger als authentisch dargestellt. Sprachlich hätte ich ein bisschen mehr erwartet, wahrscheinlich aber auch nur, weil ich den „Trafikant“ von Seethaler vorher gelesen hatte.
Im Großen und Ganzen ist es ein lesenswerter Roman, der einem auch einen Einblick in vergangene Tage und das harte Leben der damaligen Zeit gewährt.