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Veröffentlicht am 16.08.2018

Verkauf deine Klugheit, erwirb dir Staunen

Drei sind ein Dorf
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Dina Nayeris anspruchsvoller Roman „Drei sind ein Dorf“ handelt von „Dr. Bahman Hamidi, einem Bonvivant und Opium-Schrägstrich-Wasserrutschen-Liebhaber“ [195] „unfähig seine Praxis, sein Ansehen, sein ...

Dina Nayeris anspruchsvoller Roman „Drei sind ein Dorf“ handelt von „Dr. Bahman Hamidi, einem Bonvivant und Opium-Schrägstrich-Wasserrutschen-Liebhaber“ [195] „unfähig seine Praxis, sein Ansehen, sein warmes Dorf und seine Fotos zurückzulassen.“ [231] Und es handelt von „Nilou, der Amerikanerin oder Europäerin oder was auch immer sie jetzt war.“ [22]

Die übergreifenden Themen sind die Flucht aus dem Iran von Nilou, ihrer Mutter und ihrem Bruder, was Familie bedeutet, wie sich Heimat definieren lässt.

Dass dies alles nicht unbedingt leichte Themen sind, merkt man an den Reflektionen von Nilou, die sich von Amerika nach Holland begibt. „Bereitete mich auf meine zweite Flucht vor. … Ich konnte mich nicht zu Hause fühlen.“[98] Auch wenn Nilou ihre eigene, sehr beeindruckende Karriere startet, einen Juristen (Gui) heiratet, so bleiben bei ihr manche persönlichen, emotionalen Gefühle auf der Strecke. Auch kann sie ihre alten Gewohnheiten nicht ablegen. Dies stellt Gui sehr treffend dar. „Du bist von einem anderen Planeten.“ [92]

Immer wieder kommt die Autorin auf die Grüne Revolution zu sprechen. Teheran wird während dieser Revolution zum Schlachtfeld und Nilous Vater „dachte an seine eigene Tochter, die diesem Wahnsinn entkommen war.“ [162] Wir bekommen einen Einblick in den Iran, den Ablauf, wie auch von höchster richterlicher Stelle entschieden wird. Nämlich total willkürlich. Aber auch in anderen Ländern ist nicht alles Gold was glänzt und so stellt sich die Protagonistin Nilou im Westen die Frage: „Wie kann ein Vorgang so willkürlich und subjektiv hässlich sein?“ [175] Aber auch andere Charaktere merken, dass es im Migrationsland nicht unbedingt besser ist als zuhause. „Im Iran hat man mich schikaniert, festgenommen…. Und dann komme ich hier an, und derselbe Mist verfolgt mich.“ [179]

Das Buch von Nayeri fordert, regt zum Diskutieren an. Dabei geht es nicht immer darum, wie man in der Heimat verwurzelt ist, sondern auch um kulturelle Unterschiede und Glaubensrichtungen. „Tod für Amerika, Tod für Israel. … Dahin führt es, wenn man einen Gott anbetet.“ [213] Als Beispiel auf einen Terroranschlag, von Bahman diesbezüglich angebracht.
Es finden sich aber auch einige Stellen, die einen schmunzeln lassen. „Spar dir die Bosheiten für deine Ehefrau auf.“ [199]

Veröffentlicht am 30.07.2018

Wer Angst hat, sieht überall Feinde

Die Schwärmer
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Wer Angst hat, sieht überall Feinde

„Moorstedt liegt unter einer Glasglocke, einsam und allein mit seiner Vergangenheit, seinen Traditionen und sich selbst. Wohin auch immer du gehst, Moorstedt liegt ...

Wer Angst hat, sieht überall Feinde

„Moorstedt liegt unter einer Glasglocke, einsam und allein mit seiner Vergangenheit, seinen Traditionen und sich selbst. Wohin auch immer du gehst, Moorstedt liegt hinter dir.“ [224] Und so kommt es, dass Teo der „anhängliche Provinzjunge“ [261], seines Zeichens Postbote, sich gezwungen sieht in die Hauptstadt Sybaris zu reisen und dort zu recherchieren warum Moorstedt keine Briefe mehr bekommt.
Dort angekommen stellt er fest, dass die „Schwärmer“ sich über einen Funknerv im Kopf verbinden und somit Nachrichten und Gefühle austauschen. „Der Funknerv ist die größte Errungenschaft der Bioelektronoik“ [287] und macht deshalb das Briefeschreiben überflüssig.

„Wer Angst hat, sieht überall Feinde“ [282]
Dieser Satz ist des Öfteren im Buch zu finden. Auf der einen Seite trifft er gut auf die Bewohner Moorstedts zu. Diese haben gar kein Interesse daran etwas an ihrem Leben, in ihrer Provinz zu ändern. Der Technik stehen sie skeptisch gegenüber. Auf der anderen Seite kann der o.g. Satz sehr gut auf die Bewohner der Hauptstadt angewendet werden. Diese speichern alle Informationen nur noch im Schwarm ab. Sozialkontakte? Fehlanzeige! Personen werden nur noch auf die sie beschreibenden Funktionen reduziert. Dass das Gehirn auf einen solchen Overkill an Informationen gar nicht eingestellt ist, Gefühle außen vor bleiben und sich alles irgendwie aufs Bewusstsein auswirkt, kann man erahnen.

Mit seinem Roman „Die Schwärmer“ gelingt Hetze ein Blick in die ferne Zukunft und er führt uns eigentlich schon jetzt vor, wie es uns ergehen könnte. Eigentlich hält der Autor der Gesellschaft den Spiegel vor. Wir unterscheiden uns in gewissen Situationen nicht von den Sybaris-Bewohnern.
Schaut man sich aktuell an, was große Konzerne erforschen, dann stellt man fest, dass die Menschheit gar nicht zu weit von der Vernetzungsvision entfernt ist:

MIT-Forscher analysieren wie das menschliche Gehirn Erinnerungen abspeichert.
Facebook will Gedanken und Schrift auf dem Computer umwandeln.
Google experimentiert mit selbstfahrenden Autos und Amazon erprobt die Zustellung per Drohne.

All dies greift Hetze in seinem Buch auf, führt es weiter aus. Heraus kommt ein sprachgewaltiger Roman der bildgewaltig und atmosphärisch daher kommt. Äußerst spannend geschrieben, teils sogar philosophisch. Man taucht ab in eine wunderbar gezeichnete Welt – dazu passt übrigens das düster gehaltene Cover - und fiebert an vielen Stellen des Buches mit einigen unerklärlichen Dingen mit und wird mit einigen Gedankenspielen bedacht, welche auch nach dem Lesen noch wirken.

Mein Fazit:
„Die Schwärmer“ muss man unbedingt gelesen haben. Einfach großartig!

Veröffentlicht am 18.07.2018

Hey – was ist so schlimm daran, das Richtige zu tun?

Dr. Knox
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„Hey – was ist so schlimm daran, das Richtige zu tun?“ [169]
Genau mit dieser Frage sieht sich der Protagonist Dr. Knox in dem Roman von Peter Spiegelman konfrontiert.
„Adam Knox, Doktor der Medizin. ...

„Hey – was ist so schlimm daran, das Richtige zu tun?“ [169]
Genau mit dieser Frage sieht sich der Protagonist Dr. Knox in dem Roman von Peter Spiegelman konfrontiert.
„Adam Knox, Doktor der Medizin. Geboren und aufgewachsen in Lakeville“ besuchte eine „schicke Uni in Providence“ und lernte danach bei „Doctors Transglobal Rescue“ einige „Dreckslöcher dieses Planeten kennen“. [131]
Die Menschen sind ihm wichtig [282] und deshalb betreibt er eine kleine Klinik und behandelt jeden der ihn bezahlen kann und nicht ins Krankenhaus möchte.
Adam Knox ist überzeugt immer das Richtige zu tun, auch wenn er von vielen Seiten eindringliche Warnhinweise und Ratschläge bekommt. „Ich finde jedenfalls, du solltest Lydia grünes Licht geben und sie das Jugendamt anrufen lassen.“ [125] Er ignoriert dies aber komplett und muss sich anhören, dass er auf seinem Arztgebiet eine Koryphäe ist, aber ansonsten seinen eigenen – steinigen – Weg geht. „Was das Urteilsvermögen bei allem anderen betrifft, bin ich mir nicht so sicher.“ [112]
Da Knox in seinen Augen immer das Richtige tut, zieht er mehr und mehr Menschen in den von ihm verursachten Strudel der Gewalt mit hinein. So sagt sein Kumpel Ben Sutter: „Du jonglierst mit Kettensägen, Bruder, und zwingst mich auch damit zu jonglieren.“ [298]
Der Autor Spiegelman zeichnet eine perfekte Welt rund um Adam Knox. Ihm zur Seite steht Sutter, mit dem er auch einige Spezialaufträge durchführt. Ohne diesen Charakter wäre das Buch nicht so spannungsgeladen. Bereits ab der ersten Seite fesselt den Leser die Welt in der sich der Doktor befindet. Der Protagonist ist sympathisch, der Schreibstil gut und das Buch lässt sich sehr gut lesen. Der Roman bietet alles was man braucht, um sich gut unterhalten zu fühlen. Gerade das große Potpourri an Themen, wie dem Einsatz im Bürgerkriegsgebiet, Prostitution, Macht, Geld, Gier und Leid und deren geschickte Kombination und Verflechtung zu einem fesselnden Strang machen dieses Buch zu einem unterhaltsamen Werk.

Veröffentlicht am 16.07.2018

Wir tranken ein Bier und unterhielten uns über alles und nichts

Im Morgengrauen
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„Wir tranken ein Bier und unterhielten uns über alles und nichts.“ [149]
So erging es mir leider auch mit dem Buch. Alles und nichts. Vielleicht halte ich es auch mit der Aussage von Richter Heyne „Kann ...

„Wir tranken ein Bier und unterhielten uns über alles und nichts.“ [149]
So erging es mir leider auch mit dem Buch. Alles und nichts. Vielleicht halte ich es auch mit der Aussage von Richter Heyne „Kann ich nicht mal einen Nachmittag verbringen, ohne darüber nachzudenken, welcher Dorftrottel den anderen umgebracht hat.“ [124]

Aber alles der Reihe nach. Auf der Suche nach einer Vermissten durchkreuzt Officer Henry Farrell, „die Ein-Mann- Polizeibehörde von Wild Thyme“ [209], die ländliche, von industriellem Niedergang schwer gezeichnete Region, welche sich als „ein richtiges Problemviertel“ [131] darstellt.

Erwartet hätte ich eine packende, bildgewaltige Story, zumal die Themen Fracking und die Beschreibung der mit ihrem Drogenproblem behafteten Region sehr viel Potenzial versprachen. Teilweise liest sich die Beschreibung der Landschaft, hier am Beispiel von Airy [127] richtig gut, aber insgesamt verliert der Autor sich selbst.
Das Thema Fracking wird nur kurz angerissen und bei den Drogenproblemen zeichnet Bouman besser. Der Officer selbst macht keine Ausnahme und findet sich in diesem Sumpf wieder. „Ich hatte einiges getrunken und an einem Joint gezogen, aber ich will Ihnen natürlich nicht Ihren Fall vermasseln.“ [92] „Außerdem suchte ich eine kleine Graspfeife.“ [107]

Die Suche nach der vermissten Penny zieht sich verworren durch das Buch. Ob das daran liegt, dass Farrell von den anderen viel zu vielen Charakteren –jede Person wird umschweifend mit Namen vorgestellt- nicht ernst genommen wird „Sie sind vielleicht kein Detective, aber einen Plan hatten Sie sicher trotzdem.“ [93], oder aber „in diesem Zustand von Trunken- und Bekifftheit“ [145] liegt?

Veröffentlicht am 16.07.2018

Gute Nacht

Gute Nacht, Gorilla!
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Der Wärter Joe ist auf seinem Rundgang und sagt den Tieren gute Nacht. Er merkt dabei nicht, dass der Gorilla ihm seine Schlüssel klaut und allen Tieren, denen er eine schöne Nacht wünscht, frei lässt; ...

Der Wärter Joe ist auf seinem Rundgang und sagt den Tieren gute Nacht. Er merkt dabei nicht, dass der Gorilla ihm seine Schlüssel klaut und allen Tieren, denen er eine schöne Nacht wünscht, frei lässt; nur damit alle in des Zoowärters Haus schlafen können.
Was man mit minimalstem Text alles vorlesen, variieren, neu entdecken kann, hat man diesem sehr schönen, detailreichen Kinderbuch zu verdanken. Auch nach dem x-ten Mal Lesen bleibt der Spaß für Groß und Klein erhalten. Mal erzählt man die Geschichte aus der Sicht der Tiere, des Gorillas oder aber verfolgt einfach nur den Ballon, der sich auf den Seiten versteckt.