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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.05.2019

bedrückend witzig

Der Wal und das Ende der Welt
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Plötzlich findet sich unser Held, Joe, nackt und gestrandet in einem kleinen Ort abseits des Hustle und Bustle von London wieder. Ruhig und idyllisch werden wir in St. Piran eingeführt, ein Ort wo jeder ...

Plötzlich findet sich unser Held, Joe, nackt und gestrandet in einem kleinen Ort abseits des Hustle und Bustle von London wieder. Ruhig und idyllisch werden wir in St. Piran eingeführt, ein Ort wo jeder jeden kennt. Liebenswerte Dorfbewohner, warme und fröhliche Charaktere die einem in Erinnerung bleiben durch ihre sonderbare Gastfreundschaft und Unterstützung für einander.

Witzig und clever, und durch seiner Einfachheit nachvollziehbare Gedankengänge hält Ironmonger die menschliche Natur fest, erkundet auf faszinierende Weise die Reaktionen von Menschen auf ein globales Ereignis, welche uns mit Widerstandsfähigkeit und Gemeinschaft während eines apokalyptischen Ausbruchs überraschen. Realistische Überlegungen und philosophische Anregungen machen die Gedanken an die Dystopie sehr zugänglich.

Manchmal gab es Flashbacks zu Joe's Leben in London und seiner Arbeit die mit seiner Flucht nach St. Piran zusammenhängt. Dies bedarf Gewöhnung, da die Zeitsprünge nur durch einen Absatz indiziert wurden. Die komplexen Themen der Finanzwelt werden jedoch in einfachen Dialogen und Beschreibungen erklärt.

Das Ende für mich war etwas plump, da ich dieses bisschen "Romantik" oder generell die Beziehungen Joe's für nicht spannend oder nötig für die ganze Geschichte halte. Trotz der bedrückenden Thematik bringt Ironmonger eine Leichtigkeit in seiner Vision des Endes der Welt.

Veröffentlicht am 09.05.2019

unaufgeregt doch ausbaufähig

Die Geschichte der schweigenden Frauen
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Eingeteilt in drei Parts wird die Geschichte der schweigenden Frauen enthüllt. Der Anfang war unaufgeregt und gab einen Überblick über die momentane Situation der dystopischen Welt. Green City, die Stadt ...

Eingeteilt in drei Parts wird die Geschichte der schweigenden Frauen enthüllt. Der Anfang war unaufgeregt und gab einen Überblick über die momentane Situation der dystopischen Welt. Green City, die Stadt wo Frauen als Gebärmaschinen dienen und mehrere Gatten haben und Panah, eine Welt im Untergrund, wo Frauen im Geheimen Männern Gesellschaft leisten indem sie ihnen emotionale Intimität gewähren.

Der Klimax der Geschichte war eher nüchtern. Zwar hatte ich es mir nicht so ausgemalt, doch die Richtung in die die Geschichte verläuft war nicht sehr überraschend. Einige Handlungsstränge waren sehr klischeehaft und Vermutungen für den Verlauf wurden demnach bestätigt. Das Ende war trotz Komplikationen in der Handlung doch recht geschmeidig, auch wenn ich nun mehr Fragen habe als zuvor, denn es verlief sehr rasch und abrupt. Grundsätzlich hab ich nichts gegen offene Enden, doch hier hängen Handlungsstränge in der Luft. Es ist nicht so feministisch wie ich gehofft hatte, denn die Männer werden in dem Buch immer wieder ins gute Licht gerückt, als Beschützer, Helfer und Retter. Die Rebellion las sich eher wie ein Zusammenbruch von falschen Entscheidungen.

Sprachlich war es zu Beginn in Ordnung, sehr einfach und unausgeschmückt, doch ausreichend um den Leser schnell in Green City und die Untergrundwelt einzuführen. Der Ton blieb bis zum Schluss auch eher ruhig. Das Lesen ließ sich dadurch flüssig, doch für so eine Geschichte fehlte mir die Spannung. Emotionen kamen bei mir eher weniger, denn oft klang es nach Anweisungen (Was vielleicht beabsichtigt war, denn die Frauen der Dystopie unter der Obrigkeit steht.)

Obwohl es mehrere Perspektivwechsel gibt fiel es mir schwer mit den Charakteren mitzufühlen. Motive und Gründe für ihre Emotionen und Handlungen waren gut ausgearbeitet und erläutert, doch eine Erzählung aus der Ich-Perspektive hätte ich eher bevorzugt, um eine engere Verbindung zu den Figuren aufbauen zu können. Zumindest von der Protagonistin, Sabine. Die anderen Charaktere waren eher flach und unausgereift und klangen oft sehr ähnlich, so dass ich ohne den Namen als Indikator für ein neues Kapitel nicht erahnen könnte wer da gerade erzählt.

Ich hätte mir eine ausgereiftere dystopische Welt gewünscht. Zwar geht es hier um die schweigenden Frauen, doch fehlte mir oft mehr als nur ein paar Technologien, um mich vollends in die Welt dieser Figuren hineinzuversetzen.

Veröffentlicht am 09.05.2019

Die Leichtigkeit des hohen Landes

Bell und Harry
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Diese Serie von miteinander verbundenen kurzen Geschichten die die Freundschaft zweier Jungen erzählt, die in unterschiedlichen Umfeldern aufgewachsen sind und dennoch eine innige Verbindung pflegen, wird ...

Diese Serie von miteinander verbundenen kurzen Geschichten die die Freundschaft zweier Jungen erzählt, die in unterschiedlichen Umfeldern aufgewachsen sind und dennoch eine innige Verbindung pflegen, wird von Gardam wundervoll porträtiert, mit einer solchen Zuneigung und Fertigkeit für die Charaktere welche uns schnell mit ins hohle Land nehmen und mitfühlen lassen.

Bell und Harry's Freundschaft verbindet Abenteuer, Erzählungen von Geistern und Legenden, die Freude draußen zu sein und das Land, auf dem Bell aufwächst und Harry jeden Sommer über Jahre immer wieder besucht.

Gardam's Beschreibungen der moorigen Landschaft, der Gewässer und Minen scheinen wie magisch zu sein. Sowohl Erwachsene als auch Kinder, und lokale Exzentriker wurden hervorragend und glaubhaft dargestellt. Sie sind lebendig, humorvoll und absolut charmant.

Nicht nur die Freundschaft der beiden Jungen bringt sie jedes Jahr wieder zusammen. Beide Familien erleben soziale und kulturelle Veränderungen, und trotz des Komforts neuer Technologien hält ihre Liebe zum hohlen Land sie am Boden.

Ein wundervolles Buch um den Trubel und die Hektik des Alltags zu entschwinden und in die ruhige Natur einzutauchen, die Gardam mit einer Präzision für's Detail malt, und einem Ton von Frische und Witz wiedergibt.

Veröffentlicht am 28.04.2023

Eine gute Erzählung

Keine gute Geschichte
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Ein wenig bin ich, naja, enttäuscht ist zu hart ausgedrückt, doch irgendwie trifft es das doch, denn wie Arielle bereits beschrieb, ist das alles nicht sehr "deep".

Was "Keine gute Geschichte" so besonders ...

Ein wenig bin ich, naja, enttäuscht ist zu hart ausgedrückt, doch irgendwie trifft es das doch, denn wie Arielle bereits beschrieb, ist das alles nicht sehr "deep".

Was "Keine gute Geschichte" so besonders macht ist für mich die gelungene Sprache. Eine Balance aus authentischem Pott und Zynismus.
Die Sprache die die Protagonistin verwendet ist authentisch. Vulgär mit Anglizismen und Wörtern, die eine Social Media Managerin wie sie wohl häufiger verwendet. Ihre Sprache und die Art wie sie sich ausdrückt ist gemäß der Zeit, doch fand ich es machmal schon zu sehr überspitzt. Ja, sie kennt und lebt ihre Branche, aber es ist auch ziemlich unerträglich wie inkohärent manche Gedanken sind, obwohl mir die Begriffe und Satzstrukturen so nicht unbekannt sind. Die Reise von der Großstadt zurück in die Heimat hat Arielles Mundwerk wohl gelockert.
Die Ausdrucksweise der Bewohner des Prekariat passen auch hier zu ihren Charakteren. Trockener Humor und Ironie, grob und direkt und dennoch eine leichte Herzlichkeit, die die ein oder andere Person rüberbringt.

Es ist alles so oberflächlich und wiederum doch so passend zu Arielle, die in ihren letzten Jahren nur so an der Oberfläche ihrer Vergangenheit und Probleme gekratzt hat.
Die Art und Weise wie sie Probleme und Traumata verdrängt fand ich als Leser unglaublich traurig und gleichzeitig waren ihre Motive und ihr Verhalten doch so nachvollziehbar.
Es ist ein Auf und Ab zwischen Entsetzen und Mitgefühl, Bestürzung und Hoffnung, für Arielle, für die verschwundenen Mädchen, für eine Auflösung der Geschehnisse, die Arielle seit über 20 Jahren beschäftigt und schmerzt.

Es werden viele Themen angeschnitten, doch wie auch bei Arielle bleibt alles ein wenig in der Luft hängen. Das Patriarchat bekommt sein Fett weg, doch auch sexuelle Gewalt, Drogenkonsum sowie die prekären Verhältnisse in den verwahrlosen und runtergekommenen Wohnvierteln am Rande der Stadt werden aufgeführt. Es wurde auch sehr in der Klischeekiste gewühlt. Nicht nur was die Beschreibungen der desolaten Wohnviertel angeht sondern auch deren Bewohner. Ganz falsch sind sie nicht, denn ich als Pottkind habe hier und da eine Szene wieder erkannt, doch alles in diesem überspitzten Ton zu streichen ist doch ein wenig zu streng. Ich denke, ein Stich gegen Staat und Gesellschaft wäre für mich schön zu lesen gewesen. Diese Verhältnisse entstehen nicht nur durch die Bewohner, sondern auch durch die Ohnmacht die diese Menschen empfinden.
Depressionen sind hier ebenfalls Thema, doch es ist mir nicht "deep" genug, obwohl es doch so gut Arielle als Protagonistin beschreibt, denn schließlich sehen wir alles aus ihren Augen.

Um die 200 Seiten sind nicht sehr viel und obwohl alles auf den Punkt gebracht ist, wurde für mich nur das Minimum für eine gute Geschichte erbracht. Es hat alles Hand und Fuß, doch Krankheiten und Zustände sind Erklärungen für Verhaltensweisen, aber sie entschuldigen nicht Handeln. Ich wünschte, es wäre etwas "deeper" in Hinblick auf Charakterentwicklung, doch ich sehe auch, wieso es so geworden ist, wie es nun ist, obwohl ich nicht immer mit Arielle sympathisieren konnte.

Ich mochte es, kann mir aber vorstellen, dass es nicht bei jedem Anklang gewinnen könnte. Es fühlt sich für mich noch unvollendet an, auch wenn nun für mich Klarheit vorliegt.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

täuschend einfach und doch sehr tiefsinnig

Was fehlt dir
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Ich bin noch immer sehr unschlüssig, ob es für mich ein 3- oder 4-Sterne Buch ist. Vermutlich irgendetwas dazwischen.
Es fehlte mir einerseits der rote Faden, andererseits ein wenig mehr Nähe zur doch ...

Ich bin noch immer sehr unschlüssig, ob es für mich ein 3- oder 4-Sterne Buch ist. Vermutlich irgendetwas dazwischen.
Es fehlte mir einerseits der rote Faden, andererseits ein wenig mehr Nähe zur doch sehr passiven Erzählerin. Von ihr kommen viele reflektierende Gedanken und interessante Denkanstöße, weise Beobachtungen, und sie zeigt auch von viel Empathie, sich in andere Menschen reinzudenken und ihnen gegenüberzutreten, aber so ganz berührt hat sie mich mit ihrer nüchternen Distanziertheit nicht. Vor allem wirkte es im ersten Teil des Buches sehr episodenhaft und der Zusammenhang aus den einzelnen Kapiteln erschloss mir nicht ganz.
Doch schon im zweiten und auch im dritten Teil ändert sich dies. Zwischen den beurteilenden Betrachtungen gibt es auch sehr viel Mitgefühl. Ein ironischer und doch gelassener Ton, der gesellschaftliche und intellektuelle Gedanken anreizt, seziert die Autorin mit einer gewissen Leichtigkeit existentielle Themen und zwischenmenschliche Begegnungen. Klug, authentisch, prägnant über das chaotische, schmerzhafte, betäubende und doch so wahnsinnig blühende Leben und all seine Facetten.

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