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Veröffentlicht am 10.12.2022

Ein verlorener Sohn erlebt die Gnade eines Vaters, der bedingungslos liebt

Night Driver
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Chad Bird hat ein Ziel vor Augen. Er möchte Dozent am theologischen Seminar werden. Unerwartet schnell erreicht er alle seine Ziele und ist bald das jüngste Mitglied der Fakultät. Er macht Karriere und ...

Chad Bird hat ein Ziel vor Augen. Er möchte Dozent am theologischen Seminar werden. Unerwartet schnell erreicht er alle seine Ziele und ist bald das jüngste Mitglied der Fakultät. Er macht Karriere und fühlt sich in seiner neuen Welt wohl, so wohl, dass ihm sein Stolz zum Verhängnis wird. Mit einer Affäre stürzt er von seinem hohen Ross. Seine Frau verlässt ihn und er wird in Unehre entlassen. Auf einen Schlag verliert er Familie und Arbeitsstelle.

In diesem Buch beschreibt Chad Bird die nachfolgenden Jahre. Dabei sind seine Erlebnisse eher eine Randnotiz; seine langen Nächte als LKW-Fahrer, eine neue Ehe, die schnell scheitert, seine Versuche sich Gott wieder anzunähern. Im Mittelpunkt dieses Buchs stehen seine Gedanken über die unverschämte Gnade eines himmlischen Vaters, der seinen verlorenen Kindern nachgeht und sie auf den Weg nach Hause begleitet.

Die tiefsinnigen Gedanken des Autors über Stolz, Versagen und Gnade sind unerwartet ehrlich. Er reißt die fromme Maske herunter und spricht offen über Wut, versteckte Motive und Sehnsucht nach Sünde. Die grundlegende Botschaft dieses Buchs, ist, dass unsere eigenen Bemühungen uns nicht retten können. Wir sind allein auf Gottes Gnade angewiesen, vom Anfang bis zum Ende. Ob es darum geht umzukehren, anderen und uns selbst zu vergeben, oder auf dem neuen Weg zu bleiben, aus eigener Kraft können wir das nicht. Der verlorene Sohn ist ein gutes Beispiel für unsere Versuche der Rettung etwas hinzuzufügen, denn er will zwar nach Hause, dabei legt er sich selbst jedoch einen Plan zur Rettung zurecht. Aber, meint der Autor, es ist allein Gott, der rettet und unser Leben neu macht.

„Unser Vater schreibt die Lebensgeschichte mit der Tinte des Kreuzes neu. Er nimmt unsere stümperhaften Narrative voller Ich und füllt sie mit Jesus. „Mein Sohn“, sagt er, „das ist, wer du jetzt bist. Er ist deine Geschichte, deine Identität, dein Alles.“ Man könnte sagen, dass wir die einzige gute Art von Identitätsdiebstahl erlebt haben. Jesus hat unsere alte Identität gestohlen und uns eine neue gegeben. Er ist geworden, wer wir einst waren. Und wir werden, wer er ist.“

Fazit: Dieses Buch ist weniger eine Lebensgeschichte als vielmehr ein Lesebuch über Gnade. Schonungslos offen, deckt es auf wie Stolz und Eigenständigkeit uns zu Fall bringen können, und wie liebevoll der Vater uns aus der Dunkelheit unseres Scheinlebens herausholen will.

Veröffentlicht am 05.12.2022

Wenn ein Priester gleichzeitig leidenschaftlicher Koch ist

Das große Festmahl
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Dieses 1969 erstmals erschienene Buch ist so bekannt, dass es zur englischen Originalausgabe sogar einen Wikipedia Eintrag gibt. Es einem bestimmten Genre zuzuordnen ist hingegen schwer, doch der Autor ...

Dieses 1969 erstmals erschienene Buch ist so bekannt, dass es zur englischen Originalausgabe sogar einen Wikipedia Eintrag gibt. Es einem bestimmten Genre zuzuordnen ist hingegen schwer, doch der Autor stellt gleich im Vorwort fest, dass das so in Ordnung ist, denn er ist ja schließlich der Autor und darum kann er sein Buch so schreiben, wie es am besten zu ihm passt.

Und so liegt hier ein Buch vor, das weder Kochbuch, Ratgeber noch theologische Abhandlung ist, sondern ein bisschen von allem. Grundgerüst ist das Rezept „Vier Mal Lamm für acht Personen“, und dieses Rezept zieht sich durch das ganze Buch. Doch enthält das Buch trotzdem so viel mehr, was das Kochen angeht. Dabei liegt der Schwerpunkt auf das Selbermachen. Sauce Hollandaise, Blätterteig, Nudelteig oder Fond sind nur einige der Grundrezepte, die dieses Buch enthält. Und der Autor beginnt auch wirklich mit den Grundlagen. So kann allein das bedächtige Schälen einer Zwiebel eine Stunde dauern, denn dabei gibt es allerhand zu bedenken.

Es ist schwer sich in diesem Buch zurechtzufinden, denn es fühlt sich so an als hätte der Autor alle Zeit der Welt und würde gemütlich beim Zubereiten einer herrlichen Mahlzeit über Gott und die Welt plaudern. Dabei hat er ausschweifende Gedankengänge, spricht mal über Erziehung, mal über Diäten oder erklärt, was bei der Vorbereitung einer Dinnerparty zu beachten ist, und welche Heilmittel bei Sodbrennen helfen. Sehr leidenschaftlich wird er, wenn es um das richtige Werkzeug in der Küche, und erst recht, wenn es um Lebensmittel geht. Der Grundtenor seiner Ausführungen ist eine große Liebe für das Leben und das Essen, beides gute Gaben Gottes, die genossen werden sollen. Und es geht tatsächlich in diesem Kochbuch immer wieder um den Glauben. Dabei betont der Autor vor allem Gottes Liebe und das Wunder der Schöpfung.

Zwei Werte, die in unserer Zeit wiederentdeckt werden, liegen ihm am Herzen: Achtsamkeit und Nachhaltigkeit. Beim Zelebrieren der Zubereitung einer Mahlzeit bringt er das zum Ausdruck. Es wird nicht rasch eine Speise zubereitet, stattdessen werden zunächst einmal die Zutaten und Vorgänge beim Kochen in Ruhe betrachtet und erwägt. Und weggeworfen sollte man auch nichts, aus einem Stück Fleisch können schließlich mehrere Mahlzeiten zubereitet werden.

Fazit: Für Liebhaber von gutem Essen und der wunderbaren Schöpfung Gottes. Dieses Buch ist nicht wirklich ein Kochbuch, sondern eher das Vermächtnis eines Priesters und Kochs, und ein sehr persönliches Statement über Lebensmittel, Geistliches, Achtsamkeit und Nachhaltigkeit.

Veröffentlicht am 03.12.2022

Bei Jesus zur Ruhe kommen

Das Ende der Rastlosigkeit
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Der 1980 geborene Pastor John Mark Comer beginnt dieses Buch mit einer traurigen Beschreibung seines Lebens Jahre zuvor. Weil seine Gemeinde so schnell wächst, muss er sonntags sechsmal predigen, dazu ...

Der 1980 geborene Pastor John Mark Comer beginnt dieses Buch mit einer traurigen Beschreibung seines Lebens Jahre zuvor. Weil seine Gemeinde so schnell wächst, muss er sonntags sechsmal predigen, dazu zehren viele andere Aufgaben an ihm. Er führt ein Leben auf der Überholspur, hat kaum Zeit für Frau und Kinder. Und er stellt fest, dass er die Person, zu der er geworden ist, überhaupt nicht mag.

Mit der Hilfe von vielen Gesprächen und Ratgebern gelingt es ihm sein Leben zu entschleunigen. Er nimmt sich zunächst eine Sabbatzeit und steigt danach mit verminderten Aufgaben wieder in die Gemeindearbeit ein. Nach fünf Jahren stellt er fest, dass dieser neue Lebensrhythmus für ihn zu einer Gewohnheit geworden ist, und er ist sehr zufrieden mit der Veränderung. Mit diesem Ratgeber gibt er das weiter, was ihm geholfen hat.

Am Anfang des Buchs beschreibt er wie ausgebrannt er war, und wie dringend eine Veränderung seiner Situation nötig war. Dabei erzählt er offen und voller Demut von seinen Fehlern, was ihn sehr sympathisch macht. Anschließend skizziert er kurz die Lösung - auf dem Weg Jesu unterwegs sein. In der zweiten Hälfte des Buchs beschreibt er vier geistliche Disziplinen. Dieser Teil enthält außerdem viele hilfreiche und praktische Ratschläge.

Die vier Übungen, die Comer vorschlägt, sind Stille, Sabbat, Einfachheit und Entschleunigung; Zeiten der Stille im Leben einbauen, den Sabbat wiederentdecken, schrittweise zu einem einfacheren Lebensstil finden und mit einem langsameren Lebenstempo unterwegs sein.

Comer ist ein begeisterter Leser, und so zitiert er viele Autoren, allen voran Dallas Willard und John Ortberg. Die ausführlichen Fußnoten sind eine wunderbare Entdeckungsreise zu weiteren Büchern, die sich mit den angesprochenen Themen befassen.

Die Sprache ist alltagstauglich, stellenweise vielleicht sogar zu salopp. Man spürt, dass er jeden ansprechen möchte, nicht nur Menschen, die sich für intellektuelle Inhalte interessieren. Teilweise wiederholt er sich, aber das passt insgesamt zum Stil des Buchs, das ein bisschen an eine Predigt erinnert. Wichtige Punkte werden mehrmals betont, damit sie auch wirklich ankommen.

Insgesamt ist es wirklich ein tolles Buch, da es nicht nur die Probleme unserer heutigen rastlosen Zeit aufdeckt, sondern auch praktische und alltagstaugliche Lösungen und Wege aufzeigt.

Fazit: Ein Pastor einer Megakirche zeigt anhand von persönlichen Erfahrungen, wie entlastend ein einfacheres und ruhigeres Leben sein kann, und er erklärt eindrücklich welche Schritte zu diesem Ziel führen. Sehr empfehlenswert, vor allem für Menschen mit einem zu vollen Leben!

Veröffentlicht am 01.12.2022

Gott ist gut, auch wenn ich nicht ihn nicht verstehe

Das hatte ich so nicht bestellt
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Dieses bunte und abwechslungsreiche Buch verbindet in gelungener Weise persönliche Berichte mit fachlichem Rat. Elf Frauen erzählen aus ihrem Leben; von einschneidenden Ereignissen oder Schicksalsschlägen ...

Dieses bunte und abwechslungsreiche Buch verbindet in gelungener Weise persönliche Berichte mit fachlichem Rat. Elf Frauen erzählen aus ihrem Leben; von einschneidenden Ereignissen oder Schicksalsschlägen und von emotionaler Not. Da geht es beispielsweise um das Gefühl der Heimatlosigkeit oder um eine Kindheit in Armut, um einen Todesfall, um Krankheit, Schwangerschaft oder berufliche Schwierigkeiten. Das Spektrum der geschilderten Nöte ist groß. Die Frauen, die hier berichten, gehen sehr unterschiedlich mit den Krisen um, und nicht bei allen steht am Ende ein „happy end“. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie Halt im Glauben finden, selbst dann, wenn sie Gott nicht verstehen.

Die Gestaltung mit den vielen Bildern ist wunderschön. Das Lesen erinnert ein bisschen an das Lesen einer Zeitschrift. Die große Stärke dieses Buchs sind die Experteninterviews, die sehr gut zu den Lebensgeschichten passen. Es geht in den vier Interviews um Glück, Loslassen, das Alter und Enttäuschungen.

Dieses Buch enthält sehr viel Lebensweisheit! Die Frauen, die von ihren persönlichen Krisen berichten, erzählen, was ihnen in der Not geholfen hat, und wie sie dabei Gott erlebt haben. Das bietet dem Leser Anschauungsmaterial für eigene Krisen. „Wir können unsere Erlebnisse nicht ändern, aber deren Deutung und unsere Haltung. Die Vergangenheit können wir nicht umgestalten, aber unsere Zukunft.“

Die Experteninterviews vermitteln ein herzerwärmendes Bild von der Liebe Gottes und von seinem Nahe sein, auch in schweren Zeiten. Mehrere berichten, dass ihr Glaubensleben durch die Krise ehrlicher und authentischer wurde, ihr Gottesbild sich änderte, und sie selbst mitfühlender wurden.

Fazit: Wunderschön gestaltet und angefüllt mit hilfreichen Erfahrungsschätzen kann dieses Buch gut an Menschen weitergegeben werden, die etwas Schweres mitmachen oder eine Enttäuschung erleben. Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 30.11.2022

Den Menschen lieben, die Verschwörungstheorie entlarven

Entschwörung
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Der Sekten- und Weltanschauungsbeauftragter der evangelischen Kirche Andreas Hahn geht in diesem Buch auf aktuelle Verschwörungstheorien ein und zeigt, wie man mit seinen Freunden und Angehörigen, die ...

Der Sekten- und Weltanschauungsbeauftragter der evangelischen Kirche Andreas Hahn geht in diesem Buch auf aktuelle Verschwörungstheorien ein und zeigt, wie man mit seinen Freunden und Angehörigen, die solchen Theorien Glauben schenken, im Gespräch bleiben kann.

Nach einer Einführung, in der es um die eher lustige Vorstellung geht, dass die Stadt Bielefeld gar nicht existiert, untersucht der Autor in drei Teilen, was Verschwörungstheorien sind, und wie Christen damit umgehen können.

Der erste Teil ist am ausführlichsten und zeigt, was eine Verschwörungstheorie auszeichnet und welche Kennzeichen Menschen haben, die dazu neigen solchen Theorien zu glauben.

Der zweite Teil ist wesentlich kürzer und untersucht den Zusammenhang zwischen christlichen Glauben und Verschwörungsdenken. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass Christen nicht unbedingt anfälliger sind für Verschwörungen, allerdings ist es wichtig sowohl in einer guten Gemeinschaft eingebunden zu sein als auch Abstand zu nehmen von einem angstbesetzten Glauben.

Der dritte Teil bietet wertvolle Hilfen für das Gespräch mit Menschen, die an Verschwörungen glauben. An einem fiktiven Beispiel zeigt der Autor entscheidende Kennzeichen einer Verschwörung und erklärt, wo man im Gespräch einhaken kann. Sehr schön an diesem Teil ist die Aufforderung zuerst einmal verständnisvoll zuzuhören und nicht die Überzeugung des anderen lächerlich zu machen.

Die Aussagen über Verschwörungstheorien und der Neigung einem solchen Weltbild zu folgen sind erhellend. So geht es weniger um bestimmte Fakten, die geglaubt werden, sondern eher, um ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Autoritäten. Daneben steht das Bedürfnis ein umfassendes Weltbild zu haben, das alle Zusammenhänge erklärt und keine Fragen offenlässt. Der Autor zeigt, wie sich der christliche Glaube davon unterscheidet, da Christen im Vertrauen leben und zugeben können, dass sie nicht alle Antworten haben.

Schade bei diesem hilfreichen Buch ist allerdings, dass es in erster Linie um Themen rund um Covid geht; die Querdenkerszene und Impf- und Maskenpflicht stehen eindeutig im Mittelpunkt. Dabei gibt es viele andere ernstzunehmende Verschwörungen, wie beispielsweise QAnon. Darauf wird zwar kurz eingegangen, doch der Schwerpunkt liegt eindeutig auf Corona, Impfpflicht und ähnliches. Allerdings gibt das Buch genügend Hilfen, um das Gelesene auf andere Theorien anzuwenden.

Fazit: Ein gut zu lesendes und hilfreiches Buch, das zeigt was Verschwörungen sind, warum sie Zulauf haben, und wie Christen aus ihrem Glauben heraus Verschwörungsgläubigen helfen können. Sehr empfehlenswert, vor allem für Menschen, die im Gespräch mit Anhängern von Verschwörungstheorien sind.