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Veröffentlicht am 20.09.2025

Informativ und inspirierend

Peggy Guggenheim
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Peggy Guggenheim hat in Venedig ein einzigartiges Museum für moderne Kunst hinterlassen. Wie es dazu kam kann man in diesem Buch lesen. Dieses Museum ist ihr Lebenswerk.

Sie war ein amerikanische Tochter ...

Peggy Guggenheim hat in Venedig ein einzigartiges Museum für moderne Kunst hinterlassen. Wie es dazu kam kann man in diesem Buch lesen. Dieses Museum ist ihr Lebenswerk.

Sie war ein amerikanische Tochter aus gutem Hause, reich, jüdisch und literaturinteressiert. In den 1920er Jahren war sie jung und ging auf in der Pariser Boheme. Sie lernte Künstler kennen, die damals noch niemand kannte, die heute weltberühmt sind. Und sie fing an, Bilder zu kaufen, um diese Künstler zu unterstützen.

In den 1940ern galten diese Bilder bei Nazis als entartete Kunst. Peggy schaffte es, ihre ganze Sammlung nach Amerika zu retten, eröffnete eine Galerie in New York und wurde zur Anlaufstelle für Surrealisten oder Expressionisten aus aller Welt.

Mit diesem Buch bekommt man das Leben dieser besonderen Frau wundervoll präsentiert. Es besticht durch eine dezente, edle Aufmachung, wirkt wertvoll, und liebevoll zusammengestellt. Viele tolle Fotos ergänzen perfekt den Text.

Das Buch konzentriert sich auf Peggys Werk und lässt ihre Persönlichkeit und ihr Privatleben dabei ein wenig außen vor, das finde ich etwas schade. Eigentlich lese ich genau deshalb eine Biografie. Auch bekommt man zwischendurch immer wieder lange Listen der Berühmtheiten, die Peggys Weg gekreuzt haben, das ist aufschlussreich aber auch ermüdend.

Viel gelernt habe ich trotzdem. Es war ein toller Ausflug in eine exotische Kunstwelt voller Visionäre und Exzentriker, in der Frauen eigentlich keine Rolle spielten und in der sich Peggy Guggenheim trotzdem behauptet hat. Ich bin jetzt sehr inspiriert und möchte nach Venedig fahren.

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Veröffentlicht am 17.09.2025

Spannende Romanbiografie, leicht nebulös

Prinzessin Alice
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Dass es Alice von Battenberg, Mutter von Prinz Philip, Schwiegermutter von Queen Elisabeth, Großmutter des jetzigen Königs Charles III, überhaupt gab, weiß ich nur, weil ich The Crown bis zum Schluss gesehen ...

Dass es Alice von Battenberg, Mutter von Prinz Philip, Schwiegermutter von Queen Elisabeth, Großmutter des jetzigen Königs Charles III, überhaupt gab, weiß ich nur, weil ich The Crown bis zum Schluss gesehen habe. Sie war eine tragische Gestalt, wohl beinahe ein Familiengeheimnis.

Hier lernt man sie ein klein wenig kennen, auch wenn das Buch keine komplette Romanbiografie ist. Es beleuchtet einen Teil von Alice Leben, ein wenig jedenfalls. Vieles bleibt schwammig, weil Alice selbst erzählt und Alice‘ Wahrnehmung eben bisweilen schwammig ist.

In ihren jungen Jahren war sie eine Märchenprinzessin, klug, schön, reich, zwar gehörlos, aber sie konnte in mehreren Sprachen Lippenlesen. Sie heiratete Prinz Andreas von Griechenland, aber ihre zunehmende Religiosität hat die Beziehung nicht ausgehalten. Sie passt nicht mehr in die Norm, wird Freud zur Behandlung überantwortet, wird weggesperrt, experimentellen Kuren unterzogen, bis sie es schafft, sich davon zu befreien. Besser geht es ihr danach nicht. Sie sieht die Welt mit anderen Augen, ob trotz oder wegen der Kur weiß sie selbst nicht. Wahrscheinlich weiß es Gott, wer sonst.

War diese Frau ernsthaft verrückt oder wollte sich ihr versnobtes Umfeld nicht mit ihren Eigenheiten auseinandersetzen? Dieses Buch lässt beide Interpretationen zu, vielleicht ist auch beides irgendwie wahr. Es vermittelt das Bild einer Frau, die nicht von dieser Welt ist, nichts auf Etikette gibt, der die Meinung der Welt über sie egal ist, weil sie höhere Ideale hat, die gleichzeitig egozentrisch und selbstlos sein kann. Es erzählt auch von einer gefährlich patriarchalen Gesellschaft, von royalen Fesseln, vom Leben im goldenen Käfig und wie so ein Käfig auch fallen kann.

Dieses Buch durchlebt man wie einen Traum mit viel Nebel, manches ist klar zu sehen, dann verschwimmt es wieder, manches blitzt kurz auf. Das unterstreicht kunstvoll und plastisch, wie Alice sich gefühlt haben mag, allerdings hätte ich mir ab und an ein paar mehr Fakten gewünscht. Immerhin lädt es zu gründlichem Googeln ein. Ich habe sehr unterhaltsam einiges gelernt.

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Veröffentlicht am 11.09.2025

So höllisch ist Cambridge

Katabasis
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Selten werden Bücher so sehr gehypt, wie die von Rebecca F. Kuang, deshalb lesen wir sie alle, obwohl sie polarisieren, aber man möchte ja mitreden können. Ich kann das, weil ich alle gelesen habe. Die ...

Selten werden Bücher so sehr gehypt, wie die von Rebecca F. Kuang, deshalb lesen wir sie alle, obwohl sie polarisieren, aber man möchte ja mitreden können. Ich kann das, weil ich alle gelesen habe. Die Autorin ist auf jeden Fall originell, klug, humorvoll und vielseitig, und traut sich auch an heikle Themen heran. Hier geht es sogar mitten in die Hölle hinein.

Es beginnt in Cambridge, wo Alice Law analytische Magie studiert. Bei einem Zauberunfall hat sie versehentlich ihren Professor getötet und ist verzweifelt. Das durfte nicht passieren. Kann man ihn zurückholen? Es gibt wissenschaftliche Quellen, die das behaupten. Orpheus war dort und hat berichtet, Dantes Inferno ist auch sehr aufschlussreich. Alice wagt eine Rettungsexpedition in die Hölle und Peter Murdoch, ihr ärgster Konkurrent an der Universität begleitet sie spontan.

Am Anfang war ich sehr begeistert und fand das Buch grandios, herrlicher Humor, jede Menge Spitzfindigkeiten, irrwitzige Theorien zum Tod und dem Leben danach, nur irgendwann wird es dann zu viel. Es ist zu großen Teilen hoch philosophisch, mathematisch, religiös-weltanschaulich-divers. Die Fantasie der Autorin und ihre Unverfrorenheit, Fakten mit Erfundenem so zu kombinieren, dass es hoch wissenschaftlich klingt, ist grandios, aber ich habe es auch gerne, wenn ich ein Buch verstehen kann. Das ganze Szenario ist surreal, trotzdem versuchen Alice und Peter den Weg durch die Hölle wissenschaftlich zu erschließen, sitzen in der Hölle und philosophieren endlos und kryptisch.

Dabei ist diese Hölle ein grausiger Alptraum zum Thema Universität. Sie durchwandern tückische Bibliotheken, treffen die Geister ehemaliger Universitätskollegen, um am Ende in Dis zu landen, der Abteilung für die Endabrechnung, in der man seine letzte Dissertation schreiben muss, um wiedergeboren zu werden.

Das ist natürlich fantasievoll und möglicherweise klopfen sich da Studierende oder Universitätsmitglieder auf die Schenkel: wie witzig, die echte Hölle ist Cambridge! Aber für mich ist der Gag eher lau. Wenn ich schon die Hölle bereise, erwarte ich ein vielfältiges Angebot an Gräueln, das Uni-Leben gehört nicht dazu.

Dieses Buch hat einigen Unterhaltungswert, aber richtig gefallen hat es mir nicht. Nach Yellowface hatte ich mit Genialem gerechnet. Das hier ist fantasievoll und plastisch beschrieben, der Stil ist toll, aber die Logik hakt an allen Enden. Zudem hat es viel zu viele Passagen, in denen die Autorin ihr umfangreiches Wissen ausbreitet, ohne dass es die Geschichte voranbringt. Schade.

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Veröffentlicht am 29.08.2025

Sperrig und sprunghaft

Lázár
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Von diesem Buch hatte ich mir erhofft, ein bisschen ungarische Geschichte mitzuerleben. Es fängt auch ganz vielversprechend an mit der Geburt von Lajos von Lázár im Waldschloss der Familie. Das 20. Jahrhundert ...

Von diesem Buch hatte ich mir erhofft, ein bisschen ungarische Geschichte mitzuerleben. Es fängt auch ganz vielversprechend an mit der Geburt von Lajos von Lázár im Waldschloss der Familie. Das 20. Jahrhundert ist noch neu, aber die Familie von Lázár tut, was man von Baronen seit Jahrhunderten erwartet, verwalten nach Kräften ihre Güter, heiraten standesgemäß, wahren das Gesicht und sind unglücklich.

Die ganze Familie wird gründlich vorgestellt, vom schwermütigen Vater Sandor, der verhuschten Mutter Maria bis zum verrückten Onkel Imre. Man bekommt den Eindruck, der alte ungarische Adel ist prinzipiell überspannt und Lajos bekommt das in die Wiege gelegt. Dabei ist niemand wirklich sympathisch oder besonders ungarisch. Sie haben lustige Namen und essen Gulaschsuppe, davon abgesehen könnten die ersten zwei Drittel des Buches überall spielen.

Der Erzählstil ist eigen, wechselt zwischen sprunghaft und weitschweifig, hat auch sehr komische Momente, ist aber insgesamt eher anstrengend. Immer wieder bekommt man es mit endlos verschachtelten Sätzen zu tun, die direkt mehrere Geschichten im Nebensatz erzählen. Ich habe dabei oft den Faden verloren und musste Sätze mehrfach lesen. Man verliert unterwegs leicht den Überblick. Von wem war noch gleich die Rede?

Und dann sind auch noch komplett unverständliche Sätze darunter: "Das Kleid, das sie vom Stuhl nahm, hing im Schrank." - Ist das witzig? Poetisch? Spitzfindig? Kunst?

Man verfolgt das Schicksal der Familie bis in die 60er Jahre hinein. Im letzten Drittel, nach dem Zweiten Weltkrieg, wird es ein bisschen interessanter. Wie die Russen mit dem ungarischen Adel umgegangen sind steht den Nazis in nichts nach. So etwas habe ich noch nie gelesen, das war interessant, auch wenn die Figuren noch immer durch die Bank Schemen bleiben. Lajos Sohn Pista hat die Privilegien des Adels nie richtig kennengelernt, ist aber trotzdem durch und durch weltfremd.

In Summe fand ich das Buch durchaus interessant, wenn auch nicht besonders angenehm zu lesen. Es ist ein Buch, das man sich erarbeiten muss. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das gewollt hätte, hätte ich es vorher gewusst.

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Veröffentlicht am 23.08.2025

Ein böses Buch

Gym
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Was böses Buch!

Am Anfang amüsiert man sich noch. Da ist eine Frau, die sich im Mega Gym um einen Job bewirbt. Sie braucht einfach irgendeinen Job und ist nicht in Form, deshalb behauptet sie, gerade ...

Was böses Buch!

Am Anfang amüsiert man sich noch. Da ist eine Frau, die sich im Mega Gym um einen Job bewirbt. Sie braucht einfach irgendeinen Job und ist nicht in Form, deshalb behauptet sie, gerade ein Kind bekommen zu haben. Der Besitzer des Mega Gym ist Feminist, schon hat sie den Job und den kostenlosen Fitnessplan zur Rückbildung.

Anfangs fällt es ihr schwer, alles, das Training, 8 Stunden am Tresen stehen, Babygeschichten erfinden, aber dann entwickelt sie Ehrgeiz. Sie hat schon früher erlebt, wie Engagement zum Erfolg führt. Und, mal ehrlich, die Welt will doch belogen werden, oder?

Es ist wirklich erstaunlich, wie dieses Buch funktioniert. Da ist eine durch und durch unsympathische Protagonistin, die eskaliert, aber man ist bei ihr und verfolgt gespannt, wie sie einen Fehler nach dem nächsten begeht. Dieses Buch hat absolute Sogwirkung.

Hier liest man erst ein originelles, witziges Buch und bekommt am Ende ein irres Spektakel um die Ohren. „Gym“ ist eine ganz böse Satire auf unsere Leistungsgesellschaft, auf Selbstoptimierungswahn und Karrierestreben, verteilt ordentlich Seitenhiebe zu so mancher Modeerscheinung. Es ist ein Buch mit bissigem Humor und einigem Ekelfaktor, es macht Spaß und wühlt einen auf. Am Ende fehlt mir ein Hauch irgendwas, aber ein großartiges Buch ist es trotzdem.

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