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Veröffentlicht am 24.06.2024

Von Schein und Sein

Die Perserinnen
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Sie sind speziell, die Perserinnen, die Frauen der Familie Valiat, die in Amerika leben, seitdem im Iran das Regime gewechselt hat. Sie waren zur Zeit des Schahs die Oberschicht, privilegiert, snobistisch, ...

Sie sind speziell, die Perserinnen, die Frauen der Familie Valiat, die in Amerika leben, seitdem im Iran das Regime gewechselt hat. Sie waren zur Zeit des Schahs die Oberschicht, privilegiert, snobistisch, elitär. Jetzt sind sie nur noch snobistisch und versuchen so zu tun, als wäre nichts.

Jede Einzelne erzählt aus ihrem Leben und von ihrer Familie. Wie sie zueinander stehen, variiert, je nach Erzählerin. Und wie sie sich in Amerika eingerichtet haben, variiert auch.

Ihre Geschichten drehen sich viel um Schein und Sein. Als sich Elisabeth als junges Mädchen in den Chauffeurssohn verliebte, war die Beziehung unstandesgemäß und konnte nur heimlich gelebt werden. Wer ist eigentlich der Vater ihrer Töchter?

Shirin ist in Amerika eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Ihre Anzeige wegen Prostitution kann nur ein Scherz sein. Und Nias musste im Iran bleiben, hat sich aber schnell zur Drogenexpertin entwickelt.

Sie führen alle irgendein Doppelleben, zeigen der Welt das Gesicht, das sie sehen möchte und denken sich ihren Teil. Genau den erzählen sie aber uns in einer gnadenlosen Offenheit. Plötzlich nehmen sie kein Blatt mehr vor den Mund und lästern und kriteln und schmeißen uns ihren ganzen Frust vor die Füße. Wie sie sich hier präsentieren, ist ganz weit entfernt von dem Ideal einer braven muslimischen Frau. Diese Frauen sind Hyänen, nehmen sich, was sie wollen und heucheln Sanftmut.

Grundsätzlich bekommt man die tragische Geschichte einer Familie erzählt, die zwischen zwei Kulturen im Niemandsland lebt. Es könnte hoch interessant sein, leider habe ich viel zu wenig verstanden.

Das Hörbuch wird wirklich toll von verschiedenen Sprecherinnen gelesen, nur gibt es kaum Orientierungshilfen. Es wechseln ständig die Erzählerinnen, die Zeit und der Ort und man bekommt nur selten Hinweise. Dieses Buch muss man wahrscheinlich lieber lesen als hören.

Am Ende habe ich das Gefühl, eine ganz besondere Flüchtlingskultur kennengelernt zu haben, allerdings hält sich mein Mitleid in Grenzen.

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Veröffentlicht am 10.06.2024

Eher seltsame Märchenadaptation

Cascadia
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Dieses Buch müsste eigentlich genau meins sein. Ich liebe Märchen und Märchenadaptationen, „Schneeweißchen und Rosenrot“ ist ein ungewöhnliches Thema und die Autorin schreibt toll. Vielleicht ist in diesem ...

Dieses Buch müsste eigentlich genau meins sein. Ich liebe Märchen und Märchenadaptationen, „Schneeweißchen und Rosenrot“ ist ein ungewöhnliches Thema und die Autorin schreibt toll. Vielleicht ist in diesem Fall das Thema doch etwas sehr gewöhnungsbedürftig.

Da leben zwei Schwestern mit ihrer kranken Mutter allein im Wald, sind bitterarm aber fleißig. Als Elena eines Tages die Tür öffnet, steht ein Bär vor ihr, ein riesiger Grizzly, der in dieser Gegend gar nicht sein dürfte. Während ringsherum alle geschockt und beängstigt sind, empfindet Elena eine seltsame Faszination für das wilde Tier und versucht, sich mit ihm anzufreunden.

Das ist schräg, dafür muss man aber Verständnis aufbringen, um dieses Buch zu mögen. Die Figuren werden mit viel Hintergrund versehen. Man lernt die ganze Familie und ihre Geschichte gut kennen. Elena, Sam und ihre Mutter sind sympathisch und haben es nicht leicht. Umso merkwürdiger ist es, wenn die brave Elena plötzlich ausschert und eine Obsession für diesen Bären entwickelt. Dafür bekommen wir keine Erklärung, das ist einfach so. Auswirkungen hat es allerdings schon, sogar weitreichende.

Hier ist im Grunde das Spiel mit dem Feuer das Thema: Kann man sich wirklich mit einem wilden Tier anfreunden? Ist das leichtsinnig oder bereichernd? Sollte man einschreiten oder beobachten? Alles gute Fragen. Ich frage mich allerdings eher: Haben wir heutzutage nicht andere Sorgen und mag tatsächlich irgendjemand das Märchen von Schneeweißchen und Rosenrot, wenn der Bär ein Bär und kein verzauberter Prinz ist?

Von diesem Buch hatte ich mir viel versprochen, stehe am Ende aber etwas ratlos vor einer wirklich seltsamen Geschichte, hübsch erzählt, aber sehr seltsam.

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Veröffentlicht am 16.05.2024

Mehr Streitschrift als Roman

Und alle so still
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Meine Freundinnen schwärmen alle von Büchern von Mareike Fallwickl. Dies ist mein erstes und ich vermute, das ist kein glücklicher Einstieg, diese Autorin kennenzulernen. Dieses Buch wirkt mehr wie eine ...

Meine Freundinnen schwärmen alle von Büchern von Mareike Fallwickl. Dies ist mein erstes und ich vermute, das ist kein glücklicher Einstieg, diese Autorin kennenzulernen. Dieses Buch wirkt mehr wie eine Streitschrift als wie ein Roman, wobei es mit einem vehementen Rundumschlag sämtliche Probleme unserer Gesellschaft anprangert, an denen Männer Schuld sind.

Natürlich werden Frauen überall unterdrückt und als minderwertig angesehen und es muss etwas passieren. Dringend sogar. Nur hilft es nicht sehr, wenn man der Welt fast trotzig die Missstände vor die Füße spuckt.

Hier lernen wir ein paar wütende Frauen und einen jungen Mann kennen, die repräsentative Probleme haben. Pflegenotstand, Ausbeutung, sexuelle Gewalt, geringere Bezahlung, psychische und körperliche Unterdrückung, das ist alles ganz furchtbar und von Männern gemacht. Ja, unterschreibe ich.

Diese Frauen haben es satt, lassen alles liegen und legen sich auf die Straße. Draußen zeigen sie stummen Protest, drinnen werfen sie mit Parolen um sich. Da wird das Ganze schwierig. Obwohl jede einzelne Figur ihre ganz eigene Geschichte bekommt, ist niemand wirklich glaubwürdig. Das Geschehen wirkt wie reißerischer Problemsalat, der sich zu einer Art feministischem Manifest verdichtet und wird am Ende nahezu lächerlich.

Mareike Fallwickl trifft auf jeden Fall einen Nerv. Wir halten uns für emanzipierte Frauen und lassen uns noch immer viel zu viel gefallen, das macht sie sehr deutlich, wenn auch ein bisschen mit der Brechstange. Ein nobles Ansinnen ist noch kein gutes Buch.

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Veröffentlicht am 18.04.2024

Ein bisschen schnell gestrickt

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Dieses Buch zeigt einen eher unbekannten Aspekt des Zweiten Weltkriegs. Während die Nazis in Russland einfallen, nehmen Japaner die Insel Java ein und internieren alle potenziellen Feinde. Das trifft die ...

Dieses Buch zeigt einen eher unbekannten Aspekt des Zweiten Weltkriegs. Während die Nazis in Russland einfallen, nehmen Japaner die Insel Java ein und internieren alle potenziellen Feinde. Das trifft die junge Sigrid, die als Norwegerin dort aufgewachsen ist. Ihre ganze Familie landet in einem Straflager, wo schlimme Zustände herrschen.

Auch Konrad, der titelgebende Großvater und Seemann, wird gefangengenommen, nachdem sein Schiff zerstört wurde. Im Lazarett lernt er die Krankenschwester Sigrid kennen.

Wir bekommen hier eine bedrückende Geschichte voller Kriegsgräuel, mit Hunger, Brutalität, Folter und allem Drum und Dran. Das ist natürlich schrecklich, es ist aber auch eine wirklich schreckliche Lektüre. Man steht hier knietief im Leid. Da nimmt sich die Triggerwarnung am Ende des Buches aus wie ein Witz.

Ich fand das Thema des Buches grundsätzlich sehr interessant, aber das Geschehen konzentriert sich sehr auf das entbehrungsreiche Lagerleben. Zum politischen Rahmen bekommt man allenfalls Häppchen gereicht. Wir sind auf Java, aber Javaner scheint es da gar nicht zu geben.

Geradezu lächerlich nimmt sich die Rahmenhandlung aus, die aus einem kurzen Vorwort besteht, das sagt, dass ihr Großvater der jungen Juni das Folgende erzählt hat. Danach bekommt Juni keinen Auftritt mehr und jeder, der nicht mit Großmutter im Regen tanzte, wundert sich. Das ist ein wirklich müder Versuch, den Bezug zum ersten Teil herzustellen.

Insgesamt ist das Buch schön erzählt, es wirkt nur leider mehr wie eine schnell gestrickte Fortsetzung eines Erfolgstitels. Schade. Konrads Geschichte wäre es wert gewesen, mit mehr Fürsorge behandelt zu werden.

Das Hörbuch liest Yara Blümel sehr schön, es dauert 8 Stunden und 11 Minuten.

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Veröffentlicht am 18.04.2024

Interessantes Thema, sehr blumig präsentiert

Das unsichtbare Band
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Am Anfang fand ich dieses Buch durchaus fesselnd. Die 15jährige Amal wird verheiratet, dabei möchte sie eigentlich nur zur Schule gehen und später studieren und kennt ihren Bräutigam gar nicht. Sie ist ...

Am Anfang fand ich dieses Buch durchaus fesselnd. Die 15jährige Amal wird verheiratet, dabei möchte sie eigentlich nur zur Schule gehen und später studieren und kennt ihren Bräutigam gar nicht. Sie ist Drusin, ein Mädchen aus einem libanesischem Dorf, das gelernt hat, dass Männer das Sagen haben.

Hier lernt man einiges über diese Religionsgemeinschaft, die selbst für muslimische Maßstäbe streng ist und durch ein irrwitziges Gerüst funktioniert, das Ängste schürt und in dem Frauen das letzte Glied sind.

Amal schafft es mit der Zeit, sich zu lösen, fängt an, ihre Situation zu hinterfragen, auch wenn da immer ein unsichtbares Band ist, dass sie mit ihrem alten Leben verbindet. Die tief verinnerlichten Gedankenstrukturen, lassen sich nur schwer ablegen.

Das ist der Kern des Themas, der interessant sein könnte. Leider verfällt Amal in eine schlimme Depression und vermittelt uns in erster Linie das. Der Großteil des Textes ist ein mehr oder weniger philosophisches Ringen, Hadern und Verzweifeln in äußerst blumiger Sprache. Amal hat natürlich jeden Grund dazu und studiert auch noch Literatur, nur ist es wirklich anstrengend, das zu lesen, wenn man keinen Sinn für eine Art Poesie hat, die nüchterne Gemüter Kitsch nennen würden.

Das Hörbuch liest Alexandra Sagurna schön und mit angemessener Betroffenheit. Es dauert 9 Stunden und 53 Minuten.

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