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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.10.2023

Sehr langatmig und zäh

Pirlo - Gefährlicher Freispruch
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In Düsseldorf brennt in der Nacht ein riesiges Corona-Testzentrum ab, in dem zahlreiche, neue Masken gelagert wurden. Schnell steht Brandstiftung im Raum und die Polizei nimmt Emre Ben Hamid in Gewahrsam. ...

In Düsseldorf brennt in der Nacht ein riesiges Corona-Testzentrum ab, in dem zahlreiche, neue Masken gelagert wurden. Schnell steht Brandstiftung im Raum und die Polizei nimmt Emre Ben Hamid in Gewahrsam. Er ist der Sohn einer Clan-Familie in Düsseldorf, die recht frisch ins Maskengeschäft eingestiegen ist und der dadurch sehr verdächtig ist und ein Motiv hätte. Emre, den Pirlo bereits durch sein Privatleben kennt, behauptet jedoch, nicht für den Brand verantwortlich zu sein, er jedoch wisse, wer das Testzentrum angezündet habe. Pirlo sieht sich dazu gezwungen, Emre zu verteidigen und einen Freispruch für ihn zu erzielen.

Ich habe bereits den ersten Teil um Pirlo gelesen und mochte die humorvolle und spannende Art, wie Ingo Bott schrieb. Gerade die Szenen der Verhandlungen und des Prozesses konnten mich im ersten Band überzeugen. Hier allerdings war ich enttäuscht und kann "Gefährlicher Freispruch" eher weniger als fesselnden Justiz-Krimi bezeichnen. Bott verliert sich in Nebensächlichkeiten, schweift ab und fokussiert sich auf Äußerlichkeiten, Pirlos negative Gedanken und das Geplänkel mit diversen Akteuren, das gar nicht relevant scheint. Auch das Verhältnis zwischen dem Fall und den Ermittlungen sowie des Privatlebens von Sophie Mahler und Pirlo war nicht ausgeglichen, sondern die persönlichen Befindlichkeiten der beiden nahm sehr viel mehr Raum ein. Darin sah ich wenige Entwicklungen und vor allem keine Spannung.

Es gab sehr viele Wiederholungen, der Plot wird nicht in seinem Potential genutzt und mich konnten nur die letzten Seiten, auf denen wir uns dann tatsächlich im Gericht befunden haben, fesseln. Gemessen an den Längen zuvor konnte mich der Schluss jedoch nicht begeistern bzw. die zähen Schilderungen zuvor, die den Großteil des Buches ausmachen, nicht ausgleichen.

Ich weiß nicht, wie der zweite Band war, aber der dritte ist definitiv um einiges schwächer als der erste und ich weiß nicht, ob ich Pirlo nochmal eine Chance geben würde.

Veröffentlicht am 22.10.2023

Machtgefüge und Denkmuster hinterfragen

Nie mehr „Ladies First“
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Als Aufhänger ihres Buches wählt Dorothee Ebert den Satz "Ladies First...", den sicherlich jede*r schon in diversen alltäglichen und beruflichen Situationen gehört hat. Vermeintlich ein Akt der Höflichkeit ...

Als Aufhänger ihres Buches wählt Dorothee Ebert den Satz "Ladies First...", den sicherlich jede*r schon in diversen alltäglichen und beruflichen Situationen gehört hat. Vermeintlich ein Akt der Höflichkeit von Männern dekonstruiert die Autorin den Satz und verweist auf das traditionelle Machtgefüge zwischen Männern und Frauen, das noch immer - und ganz besonders im beruflichen Kontext - existiert und alles andere als Ausdruck von Gleichberechtigung ist.

Dorothee Ebert schreibt humorvoll, flüssig und beschreibt die theoretischen Grundlagen sehr alltags- und praxisorientiert, indem sie alle Aussagen und Denkmuster durch zahlreiche Beispiele untermauert. Deutlich wird, dass Gleichberechtigung nicht einfach so mit der Zeit geschieht, sondern dass wir alle einen Beitrag leisten und Gleichberechtigung aktiv schaffen und einfordern müssen. Dafür deckt sie (unbewusste) Denkmuster und Stereotype auf, die beispielsweise erklären, weshalb in Führungspositionen immer noch überwiegend Männer sind, weshalb Frauen es nicht leicht haben, aufzusteigen und weshalb Diversität oft als Label von Unternehmen gilt, Diversität jedoch nicht gelebt wird.

Anhand zahlreicher Alltagssituationen, von denen ich fast alle selbst (mit)erlebt habe, regt die Autorin zum Reflektieren und zum Umdenken an - von den Denkmustern des Machtgefüges hin zu gleichberechtigtem Denken und Handeln. Die psychologischen Mechanismen, auf denen das Denken und Handeln basiert, zeigt sie anhand wissenschaftlicher Studien auf.

Eine gute und leicht lesbare Einführung in das Thema fehlender Gleichberechtigung im Arbeitskontext. Empfehlenswert für alle, die sich für Gleichberechtigung interessieren, das eigene Denken und Handeln reflektieren und ändern möchten!

Veröffentlicht am 18.10.2023

Intensiv und tief berührend

Warum wir noch hier sind
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Etty ist nur vierzehn Jahre alt geworden und wurde vor der Haustür vergewaltigt und brutal ermordet, was ihrer Mutter Heide den Boden unter den Füßen wegreißt. Marlen Pelny lässt in "Warum wir noch hier ...

Etty ist nur vierzehn Jahre alt geworden und wurde vor der Haustür vergewaltigt und brutal ermordet, was ihrer Mutter Heide den Boden unter den Füßen wegreißt. Marlen Pelny lässt in "Warum wir noch hier sind" ausschließlich die Erzählerin zu Wort kommen, die eine enge Freundin von Heide ist und ihr in den Wochen nach Ettys Tod nicht von der Seite weicht. Doch sie muss sich nicht nur mit dem Tod der geliebten Etty und dem eigenen sowie Heides Trauerprozess auseinandersetzen, sondern kümmert sich auch um ihre Großmutter, deren Krankheit immer weiter fortschreitet und für die sich die Erzählerin verantwortlich fühlt.

Marlen Pelny erzählt sehr eindringlich und berührend, weil sie die einzelnen Szenen, Gefühle und Gedanken so intensiv und nachfühlbar darstellt und ausführt. In diesem Fall ist die Art des Todes (Femizid) natürlich besonders brutal, weil Etty noch so jung war und niemand mit ihrem Tod rechnen konnte. Die Erzählerin zeigt die verschiedenen Phasen und Dynamiken von Trauer auf, stellt die Frage in den Raum, weshalb junge Mädchen und Frauen so brutal durch Femizide ihr Leben verlieren, wie mit dem Täter umgegangen werden kann und wie sie überhaupt noch weiterleben können, ohne an der Trauer und dem großen Verlust zu zerbrechen. Keine Figur kann verstehen, was passiert ist und wie sie damit umgehen sollen, doch der Zusammenhalt, die Bedeutung von Freundschaft und die fehlende Kontrolle über die Geschehnissen werden deutlich.

Mich hat Marlen Pelny sehr mit diesem Buch berührt. Gerade der Ton wird mir noch lange in Erinnerung bleiben und "Warum wir noch hier sind" gehört zu meinen Lesehighlights in diesem Jahr und generell zu den Buch-Highlights, die Tod und Trauer thematisieren.

Veröffentlicht am 17.10.2023

Leichte Sommerlektüre

Sommertage im Quartier Latin
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Lola Mercier ist in Paris, im Quartier Latin, aufgewachsen und verbindet die Zeit stark mit ihrer Kindheit und Jugend. In ihren Jahren als (frühe) Erwachsene ist sie durch die Welt gereist und hat jede ...

Lola Mercier ist in Paris, im Quartier Latin, aufgewachsen und verbindet die Zeit stark mit ihrer Kindheit und Jugend. In ihren Jahren als (frühe) Erwachsene ist sie durch die Welt gereist und hat jede Menge neue Eindrücke und Erfahrungen gesammelt. Als sie erfährt, dass ihre Großmutter Rose plötzlich verschwunden ist, kehrt Lola ins Quartier Latin zurück und macht sich auf die Suche nach dem Verbleib ihrer Großmutter. Dabei werden alte Erinnerungen wach, sie begegnet den Menschen, die sie schon früher kannte und entdeckt das Quartier noch einmal auf eine neue Art. In diesem Sommer knüpft sie unter anderem Kontakt zu Jacobine, einer älteren Opernsängerin, dem Lebkuchenverkäufer Pierre und den Cafébesitzer Fabien, dem sie früher einmal näher gekommen ist.

Lily Martin lässt Lola in das Pariser Stadtleben eintauchen, den Sommer genießen und sich selbst sowie ihrem Sinn im Leben ein Stück näher kommen. Ich mochte die Begegnungen im Viertel, die Liebesgeschichte, die sich entwickelt und auch Lolas Gedanken und Gefühle, auf der Suche zu sein, zu überlegen, wieder nach Paris zu ziehen und sich dort niederzulassen. Allerdings hatte ich erwartet, dass im Fokus des Romans das Verschwinden der Großmutter steht, das tatsächlich arg in den Hintergrund rückt. Zwischendurch gibt es eine Spur, jedoch steht Lolas fröhlich-leichter Sommer im Quartier eher im Mittelpunkt.
Die Autorin schreibt flüssig, sehr leicht und die eingebetteten fränzösischen Phrasen haben das Paris-Gefühl beim Lesen verstärkt.

Ein leichter, sommerlicher Roman, den ich für den Urlaub empfehlen würde, der mir jedoch nicht lange in Erinnerung bleiben wird.

Veröffentlicht am 09.10.2023

Sehr mühsam zu lesen

Frau des Himmels und der Stürme
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Im aufgetauten Permafrostboden in Russland entdeckt der Schamane Num aus dem Nomadenvolk der Nenzen das Grab einer Schwarzen Frau, das mehr als 10.000 Jahre alt ist. Nun stellt sich ihm die Frage, ob die ...

Im aufgetauten Permafrostboden in Russland entdeckt der Schamane Num aus dem Nomadenvolk der Nenzen das Grab einer Schwarzen Frau, das mehr als 10.000 Jahre alt ist. Nun stellt sich ihm die Frage, ob die sibirischen Völker Vorfahren aus Afrika haben und er sieht die Möglichkeit, die Ausbeutung der Tundra durch ein gefundenes Erdgasvorkommen zu verhindern. Daher kontaktiert er einen befreundeten Wissenschaftler aus Frankreich, der sofort ein Forschungsteam zusammenstellt, bestehend aus einer deutsch-japanischen Rechtsmedizinerin und einem Anthropologen mit kongolesischen Wurzeln. Gemeinsam brechen sie zu einer geheimen Expedition auf.

Während ich - ausgehend von Cover und Klappentext - eine mystische, ökologisch-wirtschaftlich-kritische Geschichte mit spirituellen Elementen erwartet habe und nach den ersten Seiten von Wilfried N'Sondés sehr poetischem Schreibstil angetan war, ließ die Begeisterung recht schnell nach. Spätestens nach dem ersten Drittel bzw. der Hälfte fehlte mir der Fokus. Es gab zig Nebenschauplätze, die Figuren blieben für mich blass und ich konnte ihr Denken und Handeln nicht nachvollziehen. Gerade was die Rolle der Frau anging bzw. die (Liebes)Beziehung zu Num, in die sie gestellt wurde, hat sich der Autor an Klischees abgearbeitet und sich meines Erachtens darin verrannt.

Was ich zu Beginn als mystisch und poetisch wahrgenommen habe, ist schnell umgeschwungen in wirr, skurril und anstrengend. Ich empfand es als mühsam, mich durch die einzelnen Passagen zu arbeiten, die verschachtelten, langen Sätze immer wieder zu lesen und doch immer wieder mit meinen Gedanken abzuschweifen.

Mich konnte "Frau des Himmels und der Stürme" leider überhaupt nicht abholen und ich konnte gerade den Switch in das Gewaltvolle, Actionreiche nicht nachvollziehen und habe auch das Ende im Gesamtkontext gar nicht verstanden.