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Veröffentlicht am 01.05.2022

Gepflegter britischer Cosy-Krimi mit viel Humor

Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbar
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Wenn man Death in Paradise kennt und liebt, war es eigentlich klar, dass der Debutroman des Drehbuchautors auch Klasse werden muss! Die 77jährige Protagonistin Judith Potts ist gerade exzentrisch genug, ...

Wenn man Death in Paradise kennt und liebt, war es eigentlich klar, dass der Debutroman des Drehbuchautors auch Klasse werden muss! Die 77jährige Protagonistin Judith Potts ist gerade exzentrisch genug, um dabei noch sympathisch zu wirken. Ihre beiden Mitstreiterinnen - die bodenständige Hundesitterin Suzie und Becks, die nach außen hin perfekte, aber innerlich unausgefüllte Pfarrersgattin - sind auch recht ausgeprägte Persönlichkeiten, liebenswert verkorkst, aber durchaus lernfähig.
Als Judith beim nächtlichen Schwimmen in der Themse aus dem Haus des Nachbarn Schreie und einen Schuß hört, die Polizei aber nach dem Auffinden seiner Leiche den Tod als Unfall deklariert, bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Aufklärung des Falles selbst in die Hand zu nehmen.
Die Krimihandlung kommt relativ langsam in Gang, denn zuerst lernen wir erst einmal die Mitglieder des Mordclubs genauer kennen so wie auch diverse mehr oder weniger schrullige Dorfbewohner und mehrere Verdächtige. Diese Beschreibungen sind sehr unterhaltsam, der Schreibstil ist wunderbar humorvoll und macht richtig Spaß zu lesen, daher stört es auch überhaupt nicht, dass anfänglich noch nicht allzu viel Spannung aufkommt. Doch dann nehmen die Ermittlungen allmählich Fahrt auf, es werden Verdächtige gefunden und wieder verworfen, es gibt viele Sackgassen und Rückschläge, actionreiche Szenen, teilweise mit Slapstick-Charakter und zum Ende hin wird es richtig spannend mit einigen (für mich jedenfalls) völlig unerwarteten Wendungen und einem furiosen Finale.
Für alle, die blutige und brutale Thriller nicht mögen, in denen psychisch gestörte Serienmörder ihr Unwesen treiben, genau das Richtige: Ein gepflegter britischer Cosy-Krimi mit viel Humor!
Es scheint ja gerade ein ziemlicher Trend zu sein, Krimis mit Rentnern als Ermittler zu schreiben, da es in unserer überalterten Gesellschaft eine große Zielgruppe dafür gibt. Doch selbst wenn dieses Kalkül dahinterstecken sollte, tut es doch dem Lesevergnügen keinen Abbruch.
Ich kann diesen Krimi nur empfehlen und freue mich schon auf den zweiten Band, der für Januar 2023 angekündigt ist.

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Veröffentlicht am 01.05.2022

Ein spannender und genussreicher Selbstfindungstrip in Japan

Butter
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Dieser Roman scheint die Leserschaft zu spalten: Man liebt ihn oder man hasst ihn!
Mich hat er gleich von Anfang an in seinen Bann gezogen.
Die Journalistin Rika will ein großes Interview mit Manako Kajii ...

Dieser Roman scheint die Leserschaft zu spalten: Man liebt ihn oder man hasst ihn!
Mich hat er gleich von Anfang an in seinen Bann gezogen.
Die Journalistin Rika will ein großes Interview mit Manako Kajii - einer angeblichen Serienmörderin - durchführen, deren Gerichtsverfahren demnächst wieder aufgenommen werden soll.
Bei ihren Besuchen im Gefängnis ist sie seltsam fasziniert von dieser Frau und lässt sich auf diverse Experimente ein, die Kajii ihr aufträgt. Dadurch verändern sich ihr Leben und ihre Einstellungen stark, z. B. in Bezug auf das, was ihr im Leben wichtig ist, auf ihre Stellung als Frau in der japanischen Gesellschaft und vieles mehr.
Obwohl es sich schon auch um die Frage dreht, ob Kajii schuldig ist oder nicht, ist das kein Krimi, sondern eher ein gesellschaftskritischer Roman. Man erfährt viel über die japanische Gesellschaft und über die Rolle der Frau in Japan. Diese unterscheidet sich im Grunde nur um Nuancen von der Rolle der Frau in Deutschland. Die Autorin berichtet dies in ausgesprochen amüsanter Weise, sehr humorvoll, nicht mit erhobenem Zeigefinger.
Außerdem geht es sehr viel ums Essen, besonders um die titelgebende Butter, auch um Genuss, Verführung und Erotik Denn Kajii hat ihre Männer mit ihren Kochkünsten verführt und legt großen Wert auf gutes Essen. Rika beginnt, Rezepte nachzukochen und sich auch mehr für das, was sie isst zu interessieren. Vorher hatte sie als vielbeschäftigte Reporterin meist nur Instant Nudeln in sich hineingestopft oder das Essen ganz und gar vergessen, so dass sie mühelos ihre jungenhaft schlanke Figur erhalten konnte. Das ändert sich jetzt, und schon mit ein paar Kilos mehr auf den Hüften hört sie von allen Seiten, dass sie dick geworden sei. Das ist ein weiteres Thema dieses Buches, dass die meisten Menschen, Männer wie Frauen, eine feste Vorstellung davon haben, wie ein weiblicher Körper auszusehen hat.
Es gibt noch eine Reihe anderer Personen in diesem Buch, die Rika wichtig sind und die man als Leser nach und nach auch besser kennenlernt. Alle machen eine Entwicklung durch.
Mich hat dieser Roman begeistert und gefesselt (bis auf kleinere Längen im mittleren Teil), besonders zum Ende hin konnte ich es kaum noch aus der Hand legen. Ich fühlte mich auf literarisch anspruchsvolle Weise bestens unterhalten und kann die Lektüre wärmstens empfehlen - jedenfalls für Menschen die gern essen und kochen und sich für Japan interessieren!

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Veröffentlicht am 01.05.2022

Anders als erwartet: kein richtiger Krimi mit einer ungewöhnlichen Protagonistin

The Maid
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Ein Buch, mit dem ich erst nach den ersten 100 Seiten allmählich warm geworden bin. Das Zimmermädchen Molly, 25 Jahre alt, ist eine seltsame Protagonistin, die mir anfänglich ziemlich auf die Nerven ging, ...

Ein Buch, mit dem ich erst nach den ersten 100 Seiten allmählich warm geworden bin. Das Zimmermädchen Molly, 25 Jahre alt, ist eine seltsame Protagonistin, die mir anfänglich ziemlich auf die Nerven ging, bis mir allmählich klar wurde, was hinter ihrem seltsamen Verhalten steckt. Sie scheint relativ milde autistische Symptome aufzuweisen. Ihr fehlen die "Soft Skills" im Umgang mit anderen Menschen, sie nimmt alles wörtlich, ist naiv und leichtgläubig, kann das Mienenspiel ihrer Mitmenschen häufig nicht deuten, versteht Witze nicht, braucht immer ein festes Regelwerk, an das sie sich halten kann, etc. Vor allem hat sie ein schier unerschöpfliches Repertoire von Kalenderweisheiten ihrer verstorbenen Großmutter für jede erdenkliche Gelegenheit auf Lager, die sie auch immer ausspricht und damit ihr Gegenüber häufig irritiert. Sie weiß selbst, dass sie anders ist, als die anderen und merkt häufig, dass man sich über sie lustig macht.
In dem Hotel, in dem sie arbeitet, stößt sie beim Saubermachen auf die Leiche eines Stammgastes und wird in einen Kriminalfall verwickelt und sogar verdächtigt. Um sich von diesem Verdacht reinzuwaschen, muss sie selbst versuchen den Schuldigen zu finden.
Obwohl es schon um diesen Mordfall geht, empfand ich die Krimihandlung doch als eher nebensächlich, denn das eigentliche Thema scheint mir die Entwicklung dieser jungen Frau zu sein, die nach dem Tode ihrer Großmutter große Schwierigkeiten hat, ihr Leben zu meistern. Im Laufe der Mordermittlungen schließt sie neue Freundschaften und lernt es, ein wenig besser unterscheiden zu können, wer ihr Freund und wer ihr Feind ist.
Das wird zwar leicht und locker beschrieben, ist für mich aber nicht eigentlich ein Cosy Krimi, denn es steckt doch ein ziemlich ernstes Thema dahinter. Mir ist die Protagonistin schließlich doch irgendwie ans Herz gewachsen und ich wollte wissen, wie die Geschichte ausgeht. Ich fand das Buch nicht schlecht, auch wenn ich etwas anderes erwarte, wenn mir ein Buch als Cosy angepriesen wird.

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Veröffentlicht am 07.12.2021

Ein bisschen zu bayerisch und nicht genug Biss

Betongold
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Bei dem Titel "Betongold" und der Erwähnung von Immobiliengeschäften im Klappentext hatte ich so etwas ähnliches erwartet, wie den Kreuzberg Blues von Wolfgang Schorlau, in dem es auch um Entmietung und ...

Bei dem Titel "Betongold" und der Erwähnung von Immobiliengeschäften im Klappentext hatte ich so etwas ähnliches erwartet, wie den Kreuzberg Blues von Wolfgang Schorlau, in dem es auch um Entmietung und Immobilien-Haie ging - ein packender, hochaktueller Politkrimi! Bei Tanja Weber geht es etwas behäbiger zu - die Thematik der Bauspekulationen wird zwar auch angesprochen, aber eine größere Rolle spielt die alte Freundschaft zwischen einem Bauunternehmer, "der Schani", einem Frührentner und Ex-Polizisten mit Morbus Bechterew, "der Smokey" und einem verwitweten Kneipenwirt und ehemaligem Weltreisenden, "der Moni".
Der Bauunternehmer mit Dreck am Stecken wird tot aufgefunden und sein alter Freund der Ex-Bulle versucht zu ergründen, was passiert ist, wie es dazu kommen konnte. Und sticht in ein Wespennest ob der zahllosen Verstrickungen der handelnden Personen. Sein Freund Schani war für ihn nicht eindeutig ein Böser, er hatte auch seine guten Seiten, nicht schwarz oder weiß, eher grau ...
Richtig spannend wird es dabei leider nicht, und obwohl ich anfangs noch recht wohlgemut am Lesen war, ging mir der umgangssprachliche Schreibstil immer mehr gegen den Strich, denn alle auftretenden Personen sind immer "der" oder "die" plus Spitzname. Mich konnte dieser sehr bayerische Krimi nicht so recht überzeugen und ich fand den Titel eher etwas irreführend. Wenn jemand einen spannenden Krimi über unsaubere Immobiliengeschäfte lesen möchte, würde ich ihn eher nach Berlin Kreuzberg als nach München Giesing schicken!

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Veröffentlicht am 24.11.2021

Urkomisch und gleichzeitig todtraurig

Barbara stirbt nicht
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Barbara ist seit ca. 50 Jahren die Ehefrau von Herrn Schmidt, Walter Schmidt. Die Geschichte wird größtenteils aus Herrn Schmidts Perspektive geschildert und wir Leser habe teil an seinen Gedankengängen. ...

Barbara ist seit ca. 50 Jahren die Ehefrau von Herrn Schmidt, Walter Schmidt. Die Geschichte wird größtenteils aus Herrn Schmidts Perspektive geschildert und wir Leser habe teil an seinen Gedankengängen. Als eines Morgens beim Aufwachen nicht der übliche Kaffeeduft durchs Haus schwebt, ist Herr Schmidt irritiert. Ist Barbara tot umgefallen? Nun ja, sie ist umgefallen, aber nicht tot, liegt im Badezimmer und braucht Hilfe beim Aufstehen. Er bringt sie ins Bett und da bleibt sie von nun an. Herr Schmidt - ein Meister im Verleugnen und Verdrängen - nimmt den Ernst der Lage nicht zur Kenntnis und ist der Meinung, wenn Barbara nur genug äße, ginge es ihr bald wieder gut. Nun hat Herr Schmidt bislang im Haushalt noch nie einen Finger gerührt und es wirkt rührend wie er, der nicht einmal weiß, wie man Kaffee kocht, allmählich mit etwas Hilfe von außen kochen lernt. Da wir seinen Gedanken folgen können, erschließt sich allmählich auch die Vorgeschichte der Schmidtschen Ehe.
Alina Bronsky beschreibt diesen Herrn Schmidt mit viel schwarzem Humor und schafft es, dass einem dieser eigentlich sehr unsympathische Protagonist sogar irgendwie ans Herz wächst. Es ist höchst amüsant, sein Verhältnis anderen Menschen gegenüber, seine Gedanken über diese Menschen und sein eingeschränktes Weltbild zu beobachten. Aber irgendwann wird das Amüsement von Mitleid unterwandert. Denn eigentlich ist Herr Schmidt kein schlechter Mensch, sondern nur ein armes Würstchen, gefangen in den Konventionen, die er von seiner Erziehung und seiner Herkunft her mit auf den Weg bekommen hat. Nun fängt er sogar an, durch Barbaras Krankheit bedingt, im letzten Abschnitt seines Lebens ein wenig über sich selbst hinauszuwachsen.
„Kaum jemand kann so böse, so witzig und rasant von eigenwilligen und doch so liebenswerten Charakteren erzählen wie Alina Bronsky“ hieß es im Verlagstext zu Bronskys "Der Zopf meiner Großmutter". Die besagte Großmutter fand ich damals alles andere als liebenswert, aber in Bezug auf Walter Schmidt kann ich dieser Beschreibung zustimmen. Alina Bronsky beherrscht ihr Handwerk meisterhaft und schafft es, mit wenigen Pinselstrichen die von ihr beschriebenen Charaktere auf den Punkt zu bringen. Eine großartige, sehr unterhaltsame Tragikomödie!

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