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Veröffentlicht am 19.01.2021

Man kann seine Bestimmung nicht verfehlen, solange man seiner Sehnsucht folgt

Zwischen Tod und Leben
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Selena wurde ihr ganzes Leben dazu ausgebildet, eine Seelendiebin zu werden und ihrem Vater in sein Amt als Anführer der Seelendiebe nachzufolgen. Die Aufgabe eines Seelendiebes sieht vor, einem Todgeweihten ...

Selena wurde ihr ganzes Leben dazu ausgebildet, eine Seelendiebin zu werden und ihrem Vater in sein Amt als Anführer der Seelendiebe nachzufolgen. Die Aufgabe eines Seelendiebes sieht vor, einem Todgeweihten kurz vor seinem Ende noch einmal die Möglichkeit zu geben, im Austausch gegen seine Seele sein Leben zu verlängern. Allerdings gibt es da nur ein Problem: Selena hasst es, eine Seelendiebin zu sein. Als sie sich vehement weigert, auf einem Schlachtfeld die Seele eines Mannes zu nehmen und sich offen gegen ihren Vater stellt, sieht ihr Vater nur eine Konsequenz: Selena soll dem Tod geopfert werden. Als Tod jedoch Selena aus dem Opferritual befreit und mit ihr flieht, fangen die Probleme gerade erst an..

Ich war von Anfang an von der Welt, in die uns das Buch „Zwischen Tod und Leben“ entführt, fasziniert. Es gibt Schwarz, Weiß und das Dazwischen. Die Gebiete sind in verschiedene Ebenen unterteilt und durch Treppen und Leitern miteinander verbunden. An manchen Stellen hat mich diese Aufteilung an ein Gemälde eines surrealen Künstlers erinnert, in denen Treppen irgendwo ins Nichts verschwinden und an anderer Stelle wiederauftauchen. In Schwarz regiert als oberster Unsterblicher der Tod, dessen Untergebene z.B. Hunger, Krankheit, Krieg und Trauer sind und auf der anderen Seite in Weiß regiert als oberste Unsterbliche das Leben mit ihren Untergebenen, die das Gegenteil zu den Untergebenen von Schwarz bilden z.B. Überfluss und Glück.

Ich fand es sehr interessant, nach und nach herauszufinden, welche Unsterbliche es gibt und vor allem wie sich ihre Fähigkeiten auswirken. Scheinbar sind alle miteinander verbunden und können nur existieren, wenn es einen Gegenpart zu ihnen gibt. Die einzige Ausnahme bildet das Schicksal und das Dazwischen. Das im Gegensatz zu Schwarz und Weiß eine bedrohliche Übergangswelt darstellt.

Zudem fand ich den Charakter von Selena sehr sympathisch. Ihr ganzes Leben wird sie dazu gezwungen, jemand zu sein, der sie eigentlich nicht ist, weil ihr Leben vorherbestimmt wurde. Allerdings lässt sie sich davon nicht unterkriegen, sondern stellt sich offen gegen ihren Vater, obwohl sie Angst hat.

Ein weiterer interessanter Charakter ist Tod. Obwohl er das nicht möchte, geht ihm das Schicksal seiner Untergebenen nahe. Er reagiert menschlich und kann sich gegen seine Gefühle nicht wehren. Dies macht ihn jedoch angreifbar und einer seiner Untergebenen sieht damit eine große Chance, seinen Platz einzunehmen. Ein schönes Dilemma, das innerhalb der Geschichte eingebettet wurde.

Darüber hinaus fand ich auch die Kapitelüberschriften gelungen. Vor jedem Kapitel erwartet den Leser einen Spruch wie z.B. „Ehrgeiz macht blind. Blind für Menschen, die einem etwas bedeuten sollten.“ Ich bin ein großer Fan solcher Überschriften, da sie einem auch immer einen Überblick darüber geben, was einen im nächsten Kapitel erwartet.

Aus diesem Grund kann ich jedem dieses Buch empfehlen, der eine spannende Geschichte in einer vollkommen neuartigen Welt erleben möchte mit zwei starken Hauptcharakteren.

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Veröffentlicht am 13.01.2021

Ich bin Realist, deshalb glaube ich an Wunder

Die Douglas-Schwestern
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„Sie riechen aber gut“. Marie Carstens hätte nie für möglich gehalten, dass diese unbedachten Wörter, die sie als Kind ausgesprochen hatte, ihr Leben von Grund auf verändern würde. Durch diese Worte lernt ...

„Sie riechen aber gut“. Marie Carstens hätte nie für möglich gehalten, dass diese unbedachten Wörter, die sie als Kind ausgesprochen hatte, ihr Leben von Grund auf verändern würde. Durch diese Worte lernt sie auf einem Fischmarkt Berta Kolbe kennen, die Marie in die Welt der Düfte entführt und damit auch einen Traum in ihr erweckt: Sie möchte als Erwachsene eine eigene Parfümerie eröffnen. Aus der anfänglichen Begegnung erwächst eine tiefe Freundschaft zwischen Marie und Berta, die sich in den Jahren gegenseitig unterstützen. Denn der Weg von Marie ist von Anfang mit Steinen gepflastert, war es doch unüblich, dass eine Frau im Jahre 1910 berufstätig war. Zusammen mit ihrer Schwester Anna geht sie jedoch ein Wagnis ein und kämpft fortan für ihren Traum. Werden die Schwestern damit auch erfolgreich sein?

Ich habe sehr gerne die Geschichten der Carstens-Schwestern gelesen, war ich doch von Anfang an von ihrem Mut begeistert, in einer Gesellschaft, die noch nicht bereit ist, Frauen in der Arbeitswelt zu akzeptieren, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Von überall erhalten sie Gegenwind, sei es von ihrem eigenen Vater, ihrer Mutter, ihren Verlobten. Niemand scheint begeistert von dieser Idee. Allerdings lassen sich die Schwestern davon nicht unterkriegen und arbeiten konsequent an der Erfüllung ihres Traumes.

In den Jahren lernen sie so viele verschiedene bekannte Persönlichkeiten kennen wie z.B. Carl Heinrich Karstadt, Ernest Daltroff, Gertrude Stein, Helena Rubinstein oder auch Coco Chanel. Sie alle helfen den Schwestern zu wachsen und mehr über sich selbst und die Menschen in ihrer Umgebung zu lernen. Zwar kann man davon ausgehen, dass die realen Carstens-Schwestern nie alle diese Persönlichkeiten kennengelernt haben, aber das hat mich beim Lesen zu keiner Zeit gestört. Ganz im Gegenteil war ich eher davon begeistert, viele bekannte Namen zu lesen und zu erfahren, wie sie zu dieser Zeit lebten.

Zudem fand ich es auch schön, mehr über die Parfümherstellung zu erfahren und wie das Traditionsunternehmen zum Namen „Douglas“ gekommen ist. Die Geschichte der beiden Schwestern hat mich förmlich mitgerissen, sodass ich Lust bekommen habe, noch mehr über die Parfümherstellung zu erfahren und sogar vielleicht irgendwann auch mein eigenes Parfüm zu kreieren. Denn eine Sache habe ich über Parfüms durch das Buch auch gelernt: „Die Geschichte seiner Entstehung ist das eine. Und dann ist es die Geschichte des Dufts in Verbindung mit der Geschichte des Menschen, der ihn trägt. Ein Duft muss zu einem Charakter passen, ihn umschmeicheln und unterstreichen.“

Demnach kann ich jedem dieses Buch ans Herz legen, der eine Unternehmensgeschichte über zwei Heldinnen lesen möchte, die in einer von Männern dominierenden Arbeitswelt Fuß fassen wollen.

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Veröffentlicht am 30.12.2020

Was wir wissen, ist ein Tropfen, was wir nicht wissen, ist ein Ozean

Kaleidra - Wer das Dunkel ruft
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Nur noch wenige Tage trennen Emilia und ihre besten Freunde Matti und Tizi von ihrem Schulabschluss. Eine ihrer letzten Schulstunden im Fach Geschichte führt sie ins Museo Nazionale Romano. Dort wird das ...

Nur noch wenige Tage trennen Emilia und ihre besten Freunde Matti und Tizi von ihrem Schulabschluss. Eine ihrer letzten Schulstunden im Fach Geschichte führt sie ins Museo Nazionale Romano. Dort wird das sagenumwobene Voynich-Manuskript ausgestellt, dessen Inhalt bis dato noch von keinem Wissenschaftler entschlüsselt werden konnte. Als Emilia jedoch einen Blick auf den Text wirft, kann sie nicht verstehen, warum die anderen diesen Text nicht lesen können. Der Text ist klar und deutlich, in einem altmodischen Stil, aber unverkennbar in ihrer Muttersprache italienisch geschrieben. Als sie ihre Verwirrung kundtut, stößt sie nur auf Unverständnis, ohne zu wissen, dass sie damit die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes, der sich im Hintergrund aufhält, auf sich zieht. Schon bald wird Emilia in eine jahrhundertealte Fehde gezogen, dessen Ursprung in einer verbotenen Liebesbeziehung fußt. Wie konnte Emilia da nur hineingeraten?

Am Anfang brauchte ich zunächst meine Zeit, um mit den Charakteren warm zu werden, da sie mir alle etwas „überdreht“ erschienen. Als ich gelesen habe, dass Mariagrazia Visconti ihren Vater selbst als „Paperino“ bezeichnet, der ihrer Principessa nichts abschlagen kann oder von einem Matti gelesen habe, der eine Wette verloren hat und nun fortan ein neongrünes Scrunchie mit glitzernden Einhörnern in seinen Haaren tragen muss, hat dies zunächst sehr schräg auf mich gewirkt, da ich mir nur dachte: „Wer redet so?“. Zum Glück zeigt sich diese Überdrehtheit nur am Anfang und spätestens als Emilia von der Existenz der Gold-Loge erfährt, wird das Buch zunehmend ernster.

Mit dem Ernst zieht auch die Spannung spürbar an. Ich wollte unbedingt wissen, warum Emilia scheinbar die Einzige ist, die das Voynich-Manuskript lesen kann. Zudem wird es ab dem Auftauchen der Gold-Lodge schön mystisch und geheimnisvoll, warten doch jahrhundertealte Geheimnisse darauf, von Emilia entschlüsselt zu werden. Damit entwickelt sich das Buch zu einer spannenden Schatzsuche rund um den Erdball.

Ein weiteres interessantes Element stellen die Kämpfe auf Basis der Alchemie dar. Zwar konnte ich mich in der Schule nie wirklich für Chemie begeistern, dafür empfand ich die Kämpfe zwischen den einzelnen Logen in diesem Buch als äußerst spannend. So kann sich Emilia z.B. nur aus einer Situation retten, da sie es schafft, Chlorgas in harmloses Streusalz zu verwandeln mit Hilfe von Natrium. Gerade diese Kämpfe besitzen viel Potenzial, da sie sehr taktisch sind und von den Kämpfern ein großes Wissen über die chemischen Elemente erfordern. Zudem lernt man als Leser so ganz nebenbei einiges über die Elemente und wie sie miteinander reagieren.

Natürlich darf auch neben der ganzen Schatzsuche rund um das Voynich-Manuskript nicht die Liebe zu kurz kommen. Oder wie man auch immer das bezeichnet, was Ben und Emilia miteinander verbindet. Am besten passt der Spruch „was sich liebt, das neckt sich“ zu ihrer Beziehung. Emilia und Ben schenken sich nichts und geraten wegen jeder Kleinigkeit aneinander. Aber gerade diese Streitereien sind sehr unterhaltsam und lockern die Geschichte auf.

Aus diesem Grund kann ich jedem dieses Buch empfehlen, der eine spannende und wendungsreiche Geschichte rund um das sagenumwobene Voynich-Manuskript sucht, in dessen Zentrum eine ganz normale Schulabsolventin steht.

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Veröffentlicht am 10.12.2020

Manchmal bedeutet eine Flucht großen Mut zu haben

Wir sind für die Ewigkeit
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1939: Mercedes lebt mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Felix in Barcelona. Als jedoch eines Tages Mercedes Vater gefangen genommen wird, ändert sich ihr Leben vollständig. Der letzte Rat des Vaters ...

1939: Mercedes lebt mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Felix in Barcelona. Als jedoch eines Tages Mercedes Vater gefangen genommen wird, ändert sich ihr Leben vollständig. Der letzte Rat des Vaters an seine Familie lautete „Flieht!“ und so machen sich Mercedes, Felix und ihre Mutter zu Fuß auf den Weg nach Figueres zu ihrem Onkel. Doch schon der Weg dorthin gestaltet sich als schwieriges Unterfangen. Viele Menschen fliehen in den Norden, nur weg von der Diktatur Francos und den Kämpfen innerhalb des Landes. Der spanische Bürgerkrieg wütet und macht keine Ausnahmen, wer ihm zum Opfer fällt. Als Mercedes Mutter von einer Salve eines Militärflugzeugs tödlich verwundet wird und noch an Ort und Stelle stirbt, beginnen die Schrecken für Mercedes erst. Wird Mercedes dieser Hölle entkommen können?

Das Buch hat mich mit sehr gemischten Gefühlen zurückgelassen. Auf der einen Seite fand ich das Buch sehr gut geschrieben. Der flüssige Schreibstil hat mich direkt in die Geschichte von Mercedes eintauchen und mit ihr mitfühlen lassen. Zudem fand ich es interessant, dass immer wieder geschichtliche Details aus dem Spanischen Bürgerkrieg aufgegriffen worden sind. Da ich doch recht wenig von Spanien aus dieser Zeit weiß, konnte ich so gut meine vorhandenen Lücken füllen. Allerdings und jetzt kommt das große „aber“ fand ich die Geschichte an manchen Stellen zu „überdramatisch“.

Darauf möchte ich gerne näher eingehen. Im Laufe des Buches (ohne viel vorwegzunehmen) passieren Mercedes allerhand „Katastrophen“, die wahrscheinlich auch für 2 oder sogar 3 Leben ausgereicht hätten. Man hat ständig das Gefühl, dass Mercedes das Unglück förmlich anzieht. Kaum kommt sie ein Kapitel mal zur Ruhe, passiert das nächste Unglück. Es gibt sogar eine Stelle im Buch, da dachte ich nur noch, dass man so viel Unglück überhaupt nicht haben kann und mir erschien dieser „Zufall“ doch sehr unwirklich. Allerdings, wenn jemand solch dramatische Wendungen mag, empfindet er es wahrscheinlich weniger als Kritikpunkt, sondern fühlt sich bis zum Schluss gut unterhalten. Ich möchte das Buch an dieser Stelle auch nicht unnötig kritisieren. Es ist einfach nur mein subjektives Empfinden, dass mir das Buch eine Brise zu dramatisch war.

Positiv kann man aber hervorheben, dass durch die Katastrophen das Buch sehr spannend bleibt. Es gibt einfach keine „Ruhephasen“ im Laufe der Geschichte. Zudem werden viele Probleme wie z.B. die Flüchtlingswelle von Spanien nach Frankreich, die Bedingungen in den Flüchtlingslagern oder auch die Identitätsprobleme vieler Katalanen um das Jahr 1939 angesprochen, die einen nachdenklich zurücklassen.

Trotz allem hat mich das Buch gut unterhalten und ich kann jedem das Buch empfehlen, der gerne eine Geschichte über den Spanischen Bürgerkrieg lesen möchte und der nichts gegen ein bisschen Drama hat.

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Veröffentlicht am 30.11.2020

Unsere Identität ist nichts stabiles, sie entwickelt sich ständig weiter

Fräulein Gold: Scheunenkinder
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Die Berliner Hebamme Hulda Gold hat nach den Ereignissen aus Band 1, als sie nach und nach einem Serienmörder auf die Schliche gekommen ist, kaum Zeit, sich auszuruhen. Immer öfters erlebt sie durchwachte ...

Die Berliner Hebamme Hulda Gold hat nach den Ereignissen aus Band 1, als sie nach und nach einem Serienmörder auf die Schliche gekommen ist, kaum Zeit, sich auszuruhen. Immer öfters erlebt sie durchwachte Nächte und hat es mit komplizierten Fällen zu tun, die ihre vollkommene Aufmerksamkeit bei ihren Wöchnerinnen erfordert. Immerhin sitzt ihr Dr. Schneider im Nacken, der nur darauf wartet, dass sie einen Behandlungsfehler macht. Einer dieser Fälle führt sie ins Scheunenviertel. Dort soll sie einer jüdischen Frau bei der Geburt helfen. Zunächst wirkt alles normal und die Geburt verläuft ohne Komplikationen. Als das Neugeborene jedoch ein paar Tage später spurlos verschwindet, macht sich Hulda auf dessen Suche und stößt dabei auf großen Widerstand. Kann Hulda das Kind wieder mit seiner Mutter vereinen?

Auch dieses Mal konnte mich das Buch rund um die Hebamme Hulda Gold begeistern. Ich empfand diesen Band fast noch besser als den ersten Band. Zum einen deswegen, da man Hulda und ihre Welt schon kannte. Es musste nicht mehr viel erklärt werden. Wenn es Anne Stern auch versteht, die Geschehnisse von Band 1 zusammen mit der politischen Lage im Jahre 1923 meisterlich in die Geschichte einzuweben, ohne dass man sich großartig davon gestört fühlt. Dadurch eröffnete sich die Möglichkeit, mehr auf die inneren Einstellungen von Hulda Gold einzugehen, bis hin zu der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Identität.

Genau diese Identitätsfindung fand ich mit am spannendsten. Im Laufe der Geschichte lernt Hulda eine jüdische Familie kennen, die sich streng an die Regeln und Traditionen des jüdischen Glaubens halten. Hulda als Halb-Jüdin, die nie in diesem Glauben erzogen worden ist, tut sich zunächst schwer Anschluss in diese Gemeinschaft zu finden, ist aber zusehends faszinierter von dieser Welt. Dies liegt vor allem an Rabbiner Esra. Schon von Beginn an fühlt sie sich auf eine merkwürdige Weise zu ihm hingezogen. Allerdings wird nicht nur ihre Glaubenswelt auf den Kopf gestellt. Ebenso muss sie sich mit der Beziehung zu ihrem Vater auseinandersetzen und ihrem Problem mit Nähe.

Generell habe ich zu jeder Zeit Hulda nachempfinden können, warum sie so handelt, wie sie handelt. Für mich ist Hulda immer noch eine starke, unabhängige Frau, die leider zu einer Zeit geboren ist, die nicht viele Möglichkeiten für Frauen vorgesehen hatte. Zu gerne hätte sie ein Medizinstudium absolviert, aber Frauen war zu dieser Zeit ein Studium nicht gestattet. Sie brennt für ihren Job als Hebamme und geht darin auf, für ihre Wöchnerinnen da zu sein, auch wenn es heißt, dass sie sich wieder in Gefahr begeben muss. Für eine Ehe mit Kindern scheint einfach kein Platz zu sein, da sie dann wahrscheinlich auch ihren Job aufgeben muss. Genau diesen Zwiespalt finde ich klasse dargestellt, da es Hulda auch nicht vollkommen egal ist, dass sie schon 28 Jahre ist und unverheiratet. Sie möchte ja eine richtige Beziehung mit Karl führen, hat aber Angst vor den Konsequenzen. Wahrlich keine einfache Entscheidung!

Zudem fand ich es auch gelungen, wie die geschichtlichen Ereignisse mit den Erlebnissen von Hulda verflochten worden sind. Hulda findet sich eines Tages z.B. mitten im Pogrom von 1923 wieder und erlebt hautnah, wie der Judenhass sich auf die Bevölkerung des Scheunenviertels entlädt. Zudem erlebt sie tagtäglich die Auswirkungen der Inflation und wie die Bevölkerung darunter leidet.

Demnach kann ich jedem dieses Buch empfehlen, der gerne historische Romane liest und sich von einer Zeit gefangen nehmen lassen will, die für viele Menschen der Anfang einer beunruhigenden Zeit bedeutet hat.

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