Nebel über Rønne
Nebel über RønneLou Bihl erzählt in ihrem Kurzgeschichtenband aus dem Alltag von Ärzten, Pflegern und Patienten. In zehn Geschichten nimmt sie uns mit in die Welt des Gesundheitswesens und zeigt, dass der medizinische ...
Lou Bihl erzählt in ihrem Kurzgeschichtenband aus dem Alltag von Ärzten, Pflegern und Patienten. In zehn Geschichten nimmt sie uns mit in die Welt des Gesundheitswesens und zeigt, dass der medizinische Alltag weit mehr ist als reine Behandlung – er berührt auch persönliche und intime Bereiche des Lebens.
Gleich in der ersten Story wird ein ernstes Thema aufgegriffen: Die ehemalige Kollegin des Gynäkologen Finn Egemann, Frau Krakl, kommt in Begleitung einer jungen Geflüchteten aus der Ukraine in die Praxis. Zunächst scheint es, als würde Krakl die junge Frau nur begleiten, doch es stellt sich heraus, dass sie die Ukrainerin als Leihmutter engagiert hat. Als die junge Frau eines Tages verschwindet, ist Krakl in großer Sorge. Zunächst scheint es, als würde die Geschichte nur von der Enttäuschung einer Frau handeln, die sich verzweifelt ein Kind wünscht. Doch im Laufe der Story wird klar, dass es um mehr geht: um den langen und schwierigen Weg, den Menschen manchmal gehen müssen, um Glück zu finden.
Die Autorin greift auch kontroverse Themen auf, wie in der Story „Viagra, rettet Leben und schützt das Herz“. Als Sofia im Medikamentenschrank ihres Vaters im Altersheim Viagra findet, ist sie entsetzt. Erst durch die behandelnde Ärztin erfährt sie, dass Viagra auch zur Behandlung anderer Erkrankungen verwendet wird und dass ihr Vater zudem eine Beziehung zu einer Mitbewohnerin hat. Die beiden Senioren dürfen sich jedoch nicht erwischen lassen, was auf eine ungesunde Heimkultur hinweist. Diese Geschichte regt zum Nachdenken an und zeigt, wie schwierig es sein kann, in Seniorenheimen ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Nicht alle Geschichten konnten mich gleichermaßen überzeugen, was bei Kurzgeschichtensammlungen jedoch nicht ungewöhnlich ist. Insgesamt sind die Themen abwechslungsreich und reichen vom Ukraine-Krieg über Stalking bis hin zu selbstbestimmtem Sterben. Die Autorin verwendet trotz ihres leicht verständlichen Stils einige Fachbegriffe, die am Ende jeder Geschichte erklärt werden, was den Lesefluss angenehm macht.
Wer im medizinischen Bereich arbeitet oder sich für den ärztlichen Alltag interessiert, wird an „Ohne Befund“ Gefallen finden. Lou Bihl, erfahrene Ärztin und Autorin, bietet spannende Einblicke und erzählt Geschichten, die zum Nachdenken anregen. Ihr Stil ist flüssig und zugänglich, und ihre Geschichten vermitteln ein authentisches Bild der Herausforderungen des Gesundheitswesens.