Mehr als die Erinnerung
Mehr als die ErinnerungMelanie Metzenthin entführt uns in das Jahr 1920 eine Zeit in der die moderne Psychiatrie, wie wir sie heute kennen noch in den Kinderschuhen steckte und manche Ärzte psychisch Kranke Menschen im Namen ...
Melanie Metzenthin entführt uns in das Jahr 1920 eine Zeit in der die moderne Psychiatrie, wie wir sie heute kennen noch in den Kinderschuhen steckte und manche Ärzte psychisch Kranke Menschen im Namen der Wissenschaft für grausame Experimente missbrauchten, von denen sie sich Heilung oder wenigstens Linderung für ihre Patienten versprachen. Je nach schwere der Beeinträchtigung vegetierten die Patienten in den Pflege und Heilanstalten vor sich hin oder verrichteten Arbeiten zu denen sie noch fähig waren.
Auf Gut Mohlenberg, dem Schauplatz dieses historischen Krimis, kümmern sich Friederike von Aaalen als ehemalige Medizinstudentin und ihr Vater Dr. Meinhardt, liebevoll um die Insassen einer von den Dorfbewohnern Irrenkolonie genannten Einrichtung unterstützt werden sie von Dr. Weiß und Dr.Fliedtner Auch Friederikes Mann, Bernhardt gehört zu den Patienten, eine Kriegsverletzung zerstörte einen großen Teil seines Intellekts, zurück blieb ein Mann auf dem Stand eines 5jährigen Kindes, freundlich und liebevoll und voller Zuneigung zu Friederike.
Diese Idylle wird kurz nach der Ankunft des ebenfalls kriegsversehrten Walter Pietsch gestört, zwei grausame Morde versetzen die Bewohner Gut Mohlenberg und des angrenzenden Dorfes in Angst und Schrecken und Pietsch scheint ein Geheimnis zu bewahren.
Die Autorin behandelt viele Themen. Die Umstände in den Heil und Pflegeanstalten, Kindesmissbrauch, Homosexualität, andeutungsweise die Schwierigkeiten die eine Frau als Studentin der Medizin zur damaligen Zeit hat und auch die Herausforderung die eine Beziehung zu beeinträchtigten Menschen mit sich bringt.
Und das ist das was mir an dem Buch nicht ganz so gut gefiel, jedes Thema hätte eine eigene Geschichte verdient und Friederike wäre eine wundervolle Protagonistin für weitere Kriminalfälle im Umfeld der Psychiatrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die junge Frau besticht durch ihre warmherzige Art und ihren scharfen Verstand.
Wer jetzt allerdings einen Wohlfühlkrimi erwartet, der sei gewarnt, die Autorin erspart ihren Lesern kein Detail, die Beschreibungen der Umstände in den Heil und Pflegeeinrichtungen, sind sicherlich nicht übertrieben.
Über die Autorin
Melanie Metzenthin lebt in Hamburg, wo sie als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie arbeitet. Sie hat bereits zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen psychische Erkrankungen oft eine wichtige Rolle spielen, zuletzt die beiden Bestseller »Im Lautlosen« und »Die Stimmlosen«.
Beim Schreiben greift die Autorin gern auf ihre berufliche Erfahrung zurück, um aus ihren fiktiven Charakteren glaubhafte Figuren vor einem realistischen Hintergrund zu machen.
Im Anhang, erklärt Melanie Metzenthin u.a. die Wandlung der Wortbedeutungen. Idiot oder Irre zum Beispiel waren nicht immer Schimpfworte, sondern ganz normale medizinische Fachbegriffe, die erst im Laufe der Zeit missbraucht wurden um andere herabzusetzen, um dann durch andere ersetzt zu werden bis auch diese wieder zum Schimpfwort wurden.
Beim schreiben dieser Rezension habe ich auch so manches mal überlegt, ob dieses eine Wort nun noch politisch und gesellschaftlich korrekt ist oder ob ich jemanden damit kränken könnte, ich hoffe nicht und wenn, dann entschuldige ich mich aufrichtig dafür.