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Veröffentlicht am 11.06.2018

Das größte und vergessene Schiffsunglück

Salz für die See
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Vor sieben Jahren habe ich bereits den Jugendroman "Und in mir der unbesiegbare Sommer" der Autorin gelesen, der ebenfalls den zweiten Weltkrieg als Thema hatte, und der mir wirklich sehr gut gefallen ...

Vor sieben Jahren habe ich bereits den Jugendroman "Und in mir der unbesiegbare Sommer" der Autorin gelesen, der ebenfalls den zweiten Weltkrieg als Thema hatte, und der mir wirklich sehr gut gefallen hat. Deshalb sind ihre weiteren Romane sofort auf meine Wunschliste gelandet. Leider steht der eine oder andere noch im Regal, aber "Salz für die See" haben wir nun in einer kleinen, aber feinen Blogger-Leserunde gemeinsam gelesen.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges versuchen tausende Menschen aus Polen, Ostpreussen und dem Baltikum vor der russischen Armee in Richtung Westen zu fliehen. In Gotenhafen stehen einige Schiffe bereit, die die Flüchtlinge mit mehrheitlich deutscher Abstammung aufnehmen sollen. Darunter auch die Wilhelm Gustloff, ein ehemaliges Kreuzfahrtschiff, das sie in den sichern Hafen nach Kiel bringen soll.

Unter den Flüchtlingen sind auch Florian, ein Preuße und Deserteur, der in seiner eigenen Mission unterwegs ist. In seinem Rucksack hat er etwas Wichtiges versteckt und gibt sich als Soldat mit einem Spezialauftrag aus. Ebenso die litauische Krankenschwester Joana, die unter Schuldgefühlen leidet und als eine Art Buße ihr Helfersyndom auslebt. Zu Joana und Florian gesellt sich die junge schwangere Polin Emilia, die sowohl vor den Deutschen, als auch den Russen auf der Flucht ist. Jeder von den Dreien trägt ein Geheimnis mit sich. Die mögliche Gefahr aufzufallen oder entlarvt zu werden, schweißt sie zusammen. Der eiskalte Winter und der Fluchtweg über die zugefrorene Frische Haff nach Gotenhafen, stellt neben dem Hunger und der Angst vor den feindlichen Soldaten eine weitere große Gefahr für die Flüchtlinge dar.....

Die Autorin erzählt schonungslos und trotzdem sehr sensibel über die letzten Kriegsmonate. Wir begleiten die drei Hauptprotagonisten und einige Nebencharaktere auf ihren harten Weg voller Gefahren Richtung Gotenhafen. Wir schließen uns dem Flüchtlingstrek an und erfahren so immer mehr über die Lebensumstände der einzelnen Figuren und deren Vergangenheit.
Abwechselnd wird aus der Sicht von Joana, Emilia, Florian und dem deutschen Matrosen Alfred in der Ich-Perspektive erzählt.
Alfred ist auf der Wilhelm Gustloff und ein sehr eigener Charakter. Er ist treuer Anhänger von Hitler, wurde jedoch als Kind immer verspottet und träumt als Kriegsheld nach Hause zu kommen. In seinen Tagträumen ist er ein bedeutender Marinesoldat, seinem Vaterland treu ergeben. In Wahrheit ist er ein Feigling, der sich bei Gefahr im Verzug sofort aus dem Staub macht.

Auch die liebenswerten Nebencharaktere, wie der Schuh-Poet, Ingrid oder der kleine Klaus sind sehr lebendig und authentisch dargestellt. Diese Drei sind mir besonders ans Herz gewachsen.

Trotz der etwas schweren Thematik hat die Autorin ihrem Roman immer eine hoffnungsvolle Note beigefügt, die zum Ende hin dramatisch wird. Einziger Kritikpounkt war für mich, wie auch der meiner Mitleserin, dass ein Handlungsstrang, der wie ein roter Faden durch den Roman führte, offen blieb.

Warum, fragt man sich, weiß kaum jemand von dieser größten Schiffskatastrophe, bei der MEHR Menschen gestorben sind, als beim Untergang der Titanic?
Die Wilhelm Gustloff, die als Flüchtlings- und Lazarettschiff zweckentfremdet wurde, hatte insgesamt 10.000 Menschen an Board - 8.000 mehr als ursprünglich vorgesehen.
Die Autorin hat dieses schwere Unglück zum Anlass genommen und hat historische Ereignisse mit fiktiven Figuren verknüpft. Das Jugendbuch, das mehr ein All-Age-Roman ist (er sollte auch wirklich von allen Altersgruppen gelesen werden!) soll ein Andenken an die Menschen sein, die ihr Leben auf der Wilhelm Gustloff ließen.

Im Nachwort erzählt die Autorin warum sie diese Geschichte schreiben musste und wie aufwendig ihre Recherche war. Sie hat dabei viele Überlebende befragt und versucht keine Partei zu ergreifen, sondern zu zeigen, dass es immer auf beiden Seiten gute und schlechte Menschen gibt.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Ruta Sepetys ist sehr einfühlsam und anschaulich. Der Inhalt ist bedrückend. Trotzdem erwischt die Autorin genau die richtige Dosis, um den Leser nicht damit zu erdrücken.
Die Kapitel sind sehr kurz gehalten und mit dem Namen des Erzählers versehen. Am Anfang und am Ende des Buches gibt es eine Karte des Gebietes von Russland bis Deutschland. Im vorderen Teil sieht man die damaligen Länderverhältnisse im Jahre 1945 und am Ende des Romans die aktuellen .


Fazit:
Ein eindringlicher Roman, der von allen Altersstufen gelesen werden kann und sollte. Ein Vermächtnis an die vergessenen Opfer der Wilhelm Gustloff, die sich ähnlich unserem heutigen Flüchtlingsstrom vor Not und Hunger auf einen gefährlichen Weg machten. Ich gebe gerne eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 06.06.2018

Ein excellenter Butler

Was vom Tage übrig blieb
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Kazuo Ishiguro wurde 2017 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Somit war es endlich an der Zeit auch einmal ein Buch des Autors zu lesen. Mit "Was vom Tage übrig blieb" habe ich bereits vor Wochen ...

Kazuo Ishiguro wurde 2017 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Somit war es endlich an der Zeit auch einmal ein Buch des Autors zu lesen. Mit "Was vom Tage übrig blieb" habe ich bereits vor Wochen meinen ersten Ishigura gelesen. Nun habe ich auch meine Rezension fertig...

Die Roman erzählt die Geschichte des Butlers Stevens in einem englischen Adelhaus. Der Leser begleitet Mister Stevens auf seiner mehrtägigen Reise durch Südengland. Er ist auf dem Weg zur ehemaligen Hausdame Miss Kenton. Der neue Besitzer von Darlington Hall, der Amerikaner Mister Farraday, legt zwar nicht mehr so viel Wert auf gesellschaftliche Anlässe und Festivitäten wie sein Vorgänger, jedoch mangelt es an einer richtigen Hausdame. Für Mister Stevens gibt es keine Alternative zu Miss Kenton, die er gerne nach Darlington Hall zurückholen möchte.
Wir begleiten Mister Stevens, dessen Vornamen der Leser nie erfährt, auf seinem Weg zu seiner ehemaligen Kollegin, die er sehr geschätzt hat und für die er auch einige Gefühle hegte. Auf der langen Autofahrt begegnen wir interessanten und vielschichtigen Personen. In Rückblenden finden wir mehr über seine Vergangenheit und seinen Arbeitsalltag als Butler, sowie über die Unterschiede zu seinem alten Hausherren Lord Darringotn gegenüber Mister Farraday heraus. Die straffen Benimmregeln und wie ein richtig guter Butler zu arbeiten hat, sind Mister Stevens sehr wichtig. Auch sein Vater war bereits Butler bei Lord Darrington und hat ihm gelehrt, dass Pflichterfüllung und Traditionen das Wichtigste im Leben sind.

Stevens lebt für seinen Beruf und der Loyalität seinem Lord gegenüber, der viele Gesellschaften gab und politisch sehr interessiert war. Es erfüllt ihn mit Stolz, dass er einige wichtige Politiker auf Darlington Hall empfangen und bedienen durfte. Deutsche und Engländer geben sich genauso die Türklinke in die Hand, wie auch Amerikaner. Stevens ordnet sein Leben völlig seinem "Butler sein" unter, wie er es von seinem Vater gelernt hat. Persönliche Befindlichkeiten und Gefühle spielen dabei keine Rolle. Besonders schmerzlich empfand ich die Sterbeszene mit Stevens Vater, der noch auf Darlington Hall lebt und bis zum Ende nicht einsehen will, dass er seine Aufgaben nicht mehr vollwertig erfüllen kann. So viel Gefühlskälte, wie der Vater seinen Sohn auf dem Sterbebett vermittelt, ist sogar beim Lesen erschreckend. Das ganze Leben machte für Stevens und seinem Vater nur Sinn, wenn man sich wie ein perfekter Butler verhält. Das eigene Leben, die Liebe oder Gefühle werden vollkommen ignoriert. Selbstaufgabe und Verzicht bestimmen seinen Alltag. Doch die Zeiten ändern sich. Mit Wehmut blickt Stevens deswegen auf die Zeit mit seinem alten Dienstherren zurück, denn der Amerikaner, der nun sein neuer Chef ist, vertritt auch den Wandel der Zeit. Butler zu sein erscheint nicht mehr zeitgemäß und Stevens fühlt sich "aus der Zeit gefallen"... Man fragt sich als Leser, was das Leben ausmacht und ob die völlige Aufgabe für seine Arbeit sinnvoll ist.

Der sehr ruhige Roman hat mich in eine längst vergangene Zeit in England versetzt. Er spiegelt die englische Kultur wider und entführt uns in die Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Trotz der einfühlsamen Erzählung gab es für mich einige Längen, die mich das Buch hin und wieder zur Seite legen ließen.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist sehr poetisch, der erahnen lässt, warum der Autor den Literaturnobelpreis erhalten hat. Es gibt lange verschachtelte Sätze und einige Szenen sind sehr ausschweifend und detailverliebt. Die Einblicke in Stevens Denken und Handeln werden sehr eindrucksvoll erzählt.

Cover:

von links nach rechts:
Die schwedische, zwei englischsprachige und die polnische Ausgabe. Danach das Cover der Verfilmung mit Anthony Hopkins und Emma Thompson, sowie ein weiteres englisches Cover.


Fazit:
Ein sehr ruhiger, aber eindringlicher Roman über ein Leben der absoluten Hingabe an den Beruf und der Loyalität gegenüber seinen Hausherren. Für mich trotz der wunderschönen poetischen und detailverliebten Sprache etwas zu langatmig.

Veröffentlicht am 06.06.2018

Die Sprache der Blumen

Sommerglück und Blütenzauber
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Gemeinsam mit ihrer Großmutter steht die Floristin Rita tagtäglich in ihrem Geschäft Ritas Blütenzauber. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter hat sie den Blumenladen im Herzen von Wien geerbt. Umgeben von ...

Gemeinsam mit ihrer Großmutter steht die Floristin Rita tagtäglich in ihrem Geschäft Ritas Blütenzauber. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter hat sie den Blumenladen im Herzen von Wien geerbt. Umgeben von Rosen, Duftveilchen oder Lilien stellt Rita wunderschöne Sträuße und Blumenarrangements zusammen. Mit ihrer Kenntnis der Blumensprache verzaubert sie ihre Kunden. Auch für die Hochzeit ihrer Freundin Charlie und ihren zukünftigen Mann Daniel organisiert sie den gesamten Blumenschmuck, bevor sie selbst an den Feierlichkeiten teilnimmt. Als ihr Charlie verrät, dass sie nicht bei den Freunden, sondern am Singletisch Platz nehmen soll, ist Rita entsetzt. In ihrer Not erfindet sie einen neuen Partner - doch wo so schnell hernehmen? Freunde und Verwandte schicken sie zu Blind Dates, ihr Bruder quartiert seinen Eishockey-Kumpel René in der gemeinsamen Wohnung über dem Blumenladen ein und sogar ihre Stiefmutter möchte sie mit ihrem Lehrerkollegen verkuppeln. Als der charmante und gutaussehende Marcel eines Tages in ihrem Laden steht, ist Rita plötzlich sicher ihren Traummann gefunden zu haben. Er scheint der perfekte Mann für sie zu sein. Doch gibt es tatsächlich noch den "Prinzen auf dem weißen Pferd"?

Der erfrischende Roman der österreichischen Autorin Emilia Schilling lässt einem sofort eintauchen in die süße Liebesgeschichte, die zwischen zarten Blütenblättern und rauhen Eishockeyspielern angesiedelt ist. Rita ist nämlich, neben dem Blumenladen ihrer Mutter, in der Eishockeyhalle aufgewachsen. Ihr Vater ist Trainer einer Eishockeymannschaft und Bruder Clemens träumt schon Jahre von einer Profikarriere. Deshalb kommt auch für sie ein ruppiger Eishockeyspieler wie Bruder Clemens oder seine testosterongeschwängerten Kumpel als Hochzeitsbegleitung nie in Frage. Doch dann lässt ausgerechnet René Ritas Herz immer heftiger schlagen. Plötzlich hat sie zwei Männer zur Auswahl: Marcel und René.

Äußerst amüsant sind die Dates, die Freunde und Bekannte für Rita organisieren. Die Autorin hat die Suche nach dem Traummann humorvoll verpackt. Neben der Liebesgeschichte gibt es noch jede Menge andere Themen, die als Rahmenhandlung perfekt ins Bild passen und so die Geschichte ergänzen. Man fliegt hier wirklich durch die Seiten: Man sitzt als Zuschauer beim Eishockeyspiel, testet Rollschuhe auf der Donauinsel oder grillt Tofu im Garten von Ritas Vater.
Auch die Sprache der Blumen zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Über den einzelnen Kapiteln steht keine Zahl oder ein Datum, sondern der Name einer Blume und darunter ihre Bedeutung. Diese hat im darauffolgenden Kapitel eine bedeutende Rolle.

Die Charaktere sind allesamt liebenswert, haben aber ihre Ecken und Kanten. Clemens ist der Sunnyboy, der die Finger nicht von den Mädchen lassen kann und immer auf einen neuen Aufriss aus. Eine feste Beziehung kommt nicht in Frage. Eishockey ist sein Leben. Sein Freund René hingegen scheint einige verdeckte Talente zu haben. Tanja, die neue Lebensgefährtin ihres Vaters ist Lehrerin und überzeugte Vegetarierin. Ritas beste und ziemlich schrille Freundin Klara ist Überlebenskünstlerin und möchte einen Rollschuhladen eröffnen. Mit diesem etwas chaotischen Haufen wird sowohl Rita, als auch dem Leser nie langweilig.

Ein toller Wohlfühlroman für laue Sommerabende - zum Entspannen und genießen!

Schreibstil:
Emilia Schillings Schreibstil ist leicht, humorvoll und lässt sich wunderbar lesen. Man taucht sofort in die Geschichte ein und lebt mit den Figuren mit. Man erfährt mehr über die Sprache der Blumen und auch die Stadt Wien wird bildhaft beschrieben.

Fazit:
Auch wenn die Handlung teilweise etwas vorhersehbar ist, hat man hier den perfekten Wohlfühl-Sommerroman mit zauberhaftem Flair, amüsanten Charakteren und einem Hauch Romantik. Ich werde mir nun auch den ersten Roman der Autorin kaufen, der vom Brautpaar Charlie und Daniel handelt und deren Geschichte ich gerne nachlesen möchte.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Auch in der idyllsischen Wachau wird gemordet

Jenseits auf Rezept
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Ich liebe es Bücher zu lesen, die dort spielen, wo ich wohne?. Sehr viele gibt es ja nicht, aber dieses Jahr ist es schon der zweite Roman/Krimi, der in der Wachau spielt, den ich lesen durfte.
"Jenseits ...

Ich liebe es Bücher zu lesen, die dort spielen, wo ich wohne?. Sehr viele gibt es ja nicht, aber dieses Jahr ist es schon der zweite Roman/Krimi, der in der Wachau spielt, den ich lesen durfte.
"Jenseits auf Rezept" ist ein klassischer Regionalkrimi, der den Leser miträtseln lässt. Es ist Band 2 rund um Major Paul Eigner, den ich schon in "Faule Marillen" kennenlernen durfte. Der Krimi kann aber auch ohne Vorkenntniss zu Teil 1 gelesen werden.

Als die alte Rosl Nienführ tödllich die Kellertreppe hinunterstürzt und Tobias Fischer im Bett eines "natürlichen" Todes stirbt, glaubt noch niemand an Mord. Doch dann wird die attraktive Sonja König, die im neuen Therapiezentrum für einen Anstieg der männlichen Patienten verantwortlich ist, als vermisst gemeldet. Bald darauf wird die Leiche der sportlichen jungen Frau aus der Donau gefischt. War es ein Mord aus Eifersucht? Oder Konkurrenzneid? Oder ist jemand aus Sonjas Vergangenheit aufgetaucht, die sie seltsamer Weise unter Verschluss hält? Major Paul Eigner ermittelt....

Nach der Versetzung vom Posten in Klein Dürnspitz, wo Major Paul Eigners Wiedersacher Stierschneider endlich seinen Chefposten bekommen hat, ist Paul eigentlich sehr zufrieden mit seinem Job im kriminalpolizeilichen Beratungsdienst bei der Kremser Kriminalpolizei. Als er zur Leiche von Sonja König gerufen wird, ist er sich sicher, dass es sich um Mord handelt. Und es gibt auch einige Personen, die nicht so begeistert von der wunderhübschen Sonja sind. Auch Rosl Nienführs Tochter glaubt nicht an einem normalen Sturz über die Kellertreppe ihrer Mutter, die erst operiert wurde und sich sicherlich nicht über die steilen Treppen in den Keller wagen würde. Hängen etwa die Todesfälle doch zusammen?

Die Autorin versteht es immer wieder falsche Spuren zu legen. Es gibt jede Menge Verdächtige, trotzdem habe ich bis zum Schluss gerätselt, wer der Täter ist. Der Krimi ist eher unblutig, bietet aber auf einigen Seiten einige grausige Szenen, bei denen die Autorin ihre Fortbildung bei diversen Body Farms in den USA miteinfließen lassen konnte. (Anmerkung Wikipädia: Als Body Farm wird im Allgemeinen ein Gelände bezeichnet, auf dem wissenschaftliche Studien zu postmortalen Veränderungen an Menschen, also über Verwesungsprozesse von Leichen, an freier Luft erfolgen können). Nun lässt eure Fantasie spielen....

Der Krimi beinhaltet viel Atmosphäre und Lokalkolorit. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Man bemerkt eindeutig eine Steigerung zum ersten Fall. Der Spannungsbogen beginnt zwar auch diesmal eher spät anzusteigen, jedoch mochte in den Krimi kaum aus der Hand legen. Der Autorin gelang es eine gelungene Mischung zwischen Polizeiarbeit und Major Eigners Privatleben zu vermitteln.

Charaktere:
Die Figuren sind sehr lebendig gezeichnet und kommen sicher jedem Leser auch im realen Leben unter, wie die geschwätzige Gebetspielerin oder die etwas von oben herab agierende Mutter von Doktor Donaubaumer. Pauls Schwester Hanni, ist eine gutmütige Seele, die ihren Bruder verwöhnt, den Vater pflegt und einheimisches Produkte erntet, verarbeitet und verkauft. Sie ist immer mit Rat und Tat zur Stelle. Dabei hat sie mit ihrem Mann nicht gerade das große Los gezogen, der als schmieriger Politiker zu Hause keinen Finger krümmt und sich lieber im Dorfwirtshaus herumtreibt. Hanni gerät diesmal auch an ihre Grenzen.... Auch der Enkel von Paul, Simon, spielt wieder eine kleine Rolle und die Ex-Kollegin aus "Faule Marillen" Dorothea Dürr, arbeitet lieber mit Paul zusammen, als mit ihrem neuem Chef Stierschneider.
Auch die Figuren im Therapiezentrum sind sehr authentisch beschrieben.

Schreibstil:
Lisa Lerchers Schreibstil lässt sich einfach sehr gut lesen. Man fühlt sich mitten im Geschehen und lebt mit den Figuren mit. Da ich die Gegend, in der dieser Krimi spielt selbst kenne, hatte ich alle Plätze sofort vor Augen. Ich denke aber, dass sich jeder Leser die wunderschöne Umgebung der Wachau durch die detaillierten und bildhaften Beschreibungen der Autorin wunderbar vorstellen kann. Auch der manchmal trockene Humor kommt nicht zu kurz.
Der Krimi wird aus der Sicht von Major Paul Eigner in der 3. Person erzählt. Es gibt keine Kapitel, die einzelnen Abschnitte sind durch Sternchen getrennt.

Fazit:
Lisa Lercher ist mit diesem klassischen Regionalkrimi eine großartige Milieustudie gelungen. Der Krimi beginnt langsam und trotzdem kann man ihn schwer aus der Hand legen. Die Geschichte lebt vorallem durch die bildhafte Beschreibung der Gegend und den ausgezeichneten Charakterdarstellungen. Eine eindeutige Steigerung zu Band 1 und eine Leseempfehlung für alle Krimifreunde!

Veröffentlicht am 30.05.2018

Wo geht es hier bitte zum Strand??

Der kleine Brautladen am Strand
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Der Titel und das süße Cover versprechen hier einen leichten Liebesroman rund um Brautmode/Hochzeiten und einem sommerlichen Feeling am Meer. Bekommen habe ich einen seichten Liebesroman, der zwischen ...

Der Titel und das süße Cover versprechen hier einen leichten Liebesroman rund um Brautmode/Hochzeiten und einem sommerlichen Feeling am Meer. Bekommen habe ich einen seichten Liebesroman, der zwischen Kühen und Farmhäusern spielt und wo unsere Protagonistin, die eigentlich Hochzeitstorten bäckt, von einem Tag auf den anderen Hochzeiten organisieren soll. Ich habe mir hier keine höhere Literatur erwartet, sondern leichte und romantische Unterhaltung - die suchte ich allerdings vergeblich.
Wo bitte ist das Meer und der Strand, der im Titel vorkommt? (ebenso im Originaltitel!) Der einzige Hinweis darauf ist die Erwähnung, dass Poppys Wohnung über den Brautsalon einen Meerblick hat, danach kommt das Wort "Meer" auf den 400 Seiten allerdings nicht mehr vor. Wäre der Roman richtig toll geschrieben..... mit berührenden Momenten, einem Hauch Romantik und humorvollen Szenen, dann hätte ich noch ein Auge zudrücken können, denn es geht ja um den Inhalt und nicht um Titel und Cover.
Aber was mich hier erwartet hat, hat mich teilweise nur den Kopf schütteln lassen: unsympathische und unrealistische Charaktere, eine sehr flache Handlung, sehr viel Alkohol, weder ein Spannungsbogen noch ein roter Faden. Tussis, die sich nur um Äußerlichkeiten sorgen und deren einzige Sorgen sind, dass der Farbton des Brautjungfernkleidchen nicht zu ihrem Teint passt...

Auch Poppy, unsere Hauptprotagonnistin, ein Stadtpflänzchen, obwohl auf dem Land aufgewachsen, aber sehr bald von dort geflüchtet, bekam von mir nicht viele Sympathiepunkte. Die etwas naive und oberflächliche Poppy hat die Trennung von ihrem langjährigen Freund und Verlobten noch nicht ganz überwunden, als sie neben ihren Job als Tortenbäckerin für die abgesprungene Hochzeitsplanerin ihrer Freundin Cate einspringen soll. Die Location für die Hochzeitsfeierlichkeiten ist ein etwas heruntergekommener Gutshof mit einem mürrischen Besitzer. Als Poppy dort aufkreuzt, teilt sie ihr Büro mit Henne Berta, die im Papierkorb ihre Eier ausbrütet. Und Poppy nimmt die neue Herausforderung natürlich mit links und verwandelt innerhalb eines halbes Jahres den Gutshof in eine hippe Hochzeitslocation...ohne Ausbildung und noch neben ihrem eigentlichen Hauptjob...eh klar! Dabei schaut sie des öfteren zu tief ins Glas und wird im kleinen Dorf gleich von zwei attraktiven Männern umgarnt.
Die besagten Freundinnen sind ziemlich oberflächlich und stereotyp. Cate gibt zu viel Geld für die Hochzeit aus, Immie wird anfangs als eher biedere Landfrau dargestellt und wird dann zum männermordenen Vamp (konnte sich die Autorin hier nicht entscheiden?), Jess, die Besitzerin des Brautladens ist eine knallharte Geschäftsfrau und Sera, die Designerin der Brautkleider, wird nur anfangs kurz erwähnt. Auch Jule, der Fotograf, entsprang dem Modejournal, sah umwerfend aus, ist aber ein Schlappschwanz.
Einzig Rafe, der grummelige Gutsbesitzer, bei dem die zukünftigen Hochzeitsfeierlichkeiten stattfinden sollen, damit etwas Geld zur Renovierung in die Kasse kommt, war mir sympathisch.
Der Großteil des Romans spielt sich auf diesen besagten Gutshof ab, wo sich Poppy um die Organisation der geplanten Hochzeiten bemüht. Statt Strand sind wir auf der Wiese oder am Bach, im Matsch vor einem Zelt oder im verstaubten Hinterzimmer. Das Rafe sehr schnell Poppys Herz höher schlagen lässt, sie sich ihre Gefühle nicht eingestehen will, ist ebenso klar, wie das ewige Hin und Her bis zum Happy End.

Zusätzlich erinnerte mich der Roman wirklich sehr an "Hinter dem Café das Meer" von der ebenfalls englischen Autorin Philippa Ashley, das von mir auch nur 2 Sterne bekommen hat. Einziger austauschbarer Punkt: statt dem Brautsalon ein Café.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist flüssig, ziemlich dialoglastig und die Beschreibung der Örtlichkeiten bildhaft. Sehr gut vorstellen konnte ich mir die Kleidung (Brautkleid, Brautjungfern, Jungesellinnenabschied), doch die Beschreibung der Charaktere war umso oberflächlicher. Diese sind sehr stereotyp, unglaubwürdig und machen auch keinerlei Entwicklung durch. Humor oder Romantik suchte ich vergebens.
Die Geschichte wird im Präsens und aus der Ich-Perspektive erzählt. Trotzdem konnten mich die Figuren nicht erreichen.


Zum kleinen Brautladen am Strand wird es noch Folgebücher geben, denn dies ist Band Eins einer Reihe rund um den Shop.
"Winter im kleinen Brautladen am Strand" erscheint im November 2018 und wird von mir definitiv nicht mehr gelesen werden.

Fazit:
Der Roman konnte mich leider gar nicht abholen, plätscherte dahin und war mir zu oberflächlich. Die Charaktere waren großteils unsympathisch und entwickelten sich nicht weiter. Romantik oder witzige Dialoge hat man vergebens gesucht. Ich werde die Fortsetzung nicht mehr lesen und kann hier auch keine Leseempfehlung abgeben.