Viel zu unglaubwürdig
Das verschlossene ZimmerDer Roman beginnt mit dem Versuch der siebzehnjährigen Marie das versperrte Schlafzimmer ihres Vaters zu öffnen, während er die Messe besucht. Sie möchte endlich mehr über ihre Mutter erfahren, die sie ...
Der Roman beginnt mit dem Versuch der siebzehnjährigen Marie das versperrte Schlafzimmer ihres Vaters zu öffnen, während er die Messe besucht. Sie möchte endlich mehr über ihre Mutter erfahren, die sie angeblich vor 15 Jahren verlassen hat. Seitdem lebt sie mit ihrem Vater, Doktor Dominik Karski, der in einer Krakauer Klinik arbeitet, ein zurückgezogenes Leben. Er kümmert sich aufopferungsvoll um seine Tochter, seine Patienten und den Haushalt. Gleichzeitig verweigert er ihr sämtliche Informationen zu ihrer Mutter, doch Maries Fragen werden mit der Zeit immer drängender. Deshalb versucht sie Nachforschungen anzustellen.
Danach schwenkt der Roman in die nahe Vergangenheit, als der junge Arzt Dominik Karksi eine vielversprechenden Methode entwickelt, mit der er einem Jungen das Leben rettet.
Diese beiden Einblicke in die Geschichte (Leseprobe) haben mir sehr gut gefallen und so hatte ich große Erwartungen an den Roman, die leider nicht ganz erfüllt wurden.
Der Plot gab für mich sehr viel her, denn er startet vor dem Hintergrund der beginnenden Kriegsereignisse im Jahr 1939, machte mich neugierig, welches Geheimnis hinter dem Verschwinden von Maries Mutter steckt und zusätzlich fesselte mich der medizinische Hintergrund. Stattdessen bekam ich über weite Strecken eine Liebesgeschichte und Figuren, die mich so überhaupt nicht berühren konnten.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: 1939 und zwischen 1918 und 1922. In Rückblenden lernen wir die junge Helena Kolnikiv kennen, die als Diesntmädchen in einer Apotheke in Lemberg arbeitet. Dort lernt sie Dominik, den Sohn des Apothekers, kennen und verliebt sich in ihn.
Im Strang um 1939 steht ebenfalls eine Liebesgeschichte im Vordergrund. Bevor sich Marie auf den Weg nach Lemberg macht (was erst im letzten Drittel der Geschichte passiert), trifft sie auf Ben Rosen, den Nachbarsjungen von früher, in den sie schon als Kind verliebt war. Trotz der bereits begonnenen Judenverfolgung erkennt Marie nicht die Gefahr in der Ben steckt und konvertiert für eine Hochzeit zum Judentum. Vor Schreck ist mir fast das Buch aus der Hand gefallen und ich fragte mich, wie naiv diese junge Frau wohl sein muss, dass sie anscheinend mit Scheuklappen durch die Gegend läuft. Auf der anderen Seite wird sie als überdurchschnittlich intelligent dargestellt, denn sie möchte unbedingt Medizin studieren und hat sich bereits einiges an Wissen angeeignet. Dabei greift die Autorin ein weiteres Thema auf: die schwierige Rolle der Frau zur damaligen Zeit, die weitgehend vom Mann abhängig ist, sowie die Ablehnung des Studiums für Frauen.
Mit der Zeit begann sich die Geschichte zu ziehen und in Nebensächlichkeiten abzudriften. Einige Nebenstränge fand ich überflüssig und gaben der Geschichte keinerlei Input, manche verliefen einfach im Sand. Immer wieder häuften sich unrealistische Passagen, die mich nur den Kopf schütteln ließen. Zusätzlich passten für mich auch historisch einige Fakten nicht zusammen. Das Zeitgeschehen und die Umgebung spielen nur untergeordnete Rollen, was ich extrem schade fand. Die Autorin hat sich die Freiheit genommen und die Realität ihrer Romanidee angepasst, was ich als absolut unglücklich gelaufen finde.
Einzelne Charaktere waren teilweise sehr stereotyp oder überzeichnet, wie der junge Arzt Johnny oder auch Karskis Widersacher Doktor Wolanski, der mit ihm um den Titel des Chefarztes konkurriert. Irgendwie blieben mir alle Figuren fremd und ich konnte den Großteil ihrer Handlungen nicht nachvollziehen. Ich vermisste realistische Emotionen und Tiefe.
Aber es gibt auch positive Aspekte:
Das Cover ist wunderschön und edel, wie auch die Innenseite ohne Schutzumschlag. Der Schreibstil der Autorin ist durchaus gelungen, denn die Geschichte liest sich flüssig und sie versteht es beim Leser Neugier und Spannung zu wecken. Ich habe mich trotz einiger Längen nie gelangweilt, sondern wollte stets wissen, wie es weitergeht. Es gab immer wieder kleine Cliffhanger, die viele offene Fragen hinterließen und die ich natürlich beantwortet haben wollte.
Doch dann kam das Ende und die Auflösung, die die Autorin parat hatte, hat mich überhaupt nicht überzeugen können. Ich fand sie total unglaubwürdig und schlug ziemlich enttäuscht das Buch zu. Leider kann ich für diesen Roman keine Empfehlung abgeben!
Fazit:
Eine Geschichte, die mir durch die tolle Leseprobe etwas ganz anderes vermittelt hatte, als ich letztendlich bekam. Figuren, die mich nicht erreichen konnten, unrealistische Passagen und ein Ende, das ich total unglaubwürdig fand. Einzig der Schreibstil der Autorin und der Beginn der Geschichte konnte mich überzeugen, der Rest leider nicht. Sehr, sehr schade!