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Veröffentlicht am 30.03.2022

Biografisches Sachbuch, das unter die Haut geht

Versteckt vor aller Augen
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Bei diesem Buch von Pieter van Os handelt es sich nicht um einen Roman, sondern um ein Sachbuch bzw. eine Biografie, die der Autor mit vielen weiteren Informationen und Quellen verbunden hat. Der Einstieg ...

Bei diesem Buch von Pieter van Os handelt es sich nicht um einen Roman, sondern um ein Sachbuch bzw. eine Biografie, die der Autor mit vielen weiteren Informationen und Quellen verbunden hat. Der Einstieg fiel mir etwas schwer, da ich doch eher eine Romanbiografie erwartet hatte. Die Lektüre benötigt höchste Konzentration und Aufmerksamkeit.

Die im Klappentext beschriebene Lebensgeschichte von Mala Rivka Kizel, deren Erinnerungen Pieter van Os akribisch recherchiert hat, bildet die Kerngeschichte.
Mala wurde in einer streng jüdisch-orthodoxen Familie in Warschau geboren. Sie erinnert sich zurück an ihre Familie, das Warschauer Ghetto, ihre Flucht und weitere Lebenstationen. Diese versuchte der Autor aufzufinden, was nicht immer einfach war. Die Erinneurngen von Mala decken sich nicht immer mit den von ihr angegeben Orten und Beschreibungen. Einige schwer zu findende Dörfer befinden sich an der polnisch- ukrainischen Grenze, wie auch in der Ukraine. Ihr weiterer Lebensweg führte Mala nach Magdeburg und zur erwähnten Familie, die Hitler und seiner Ideologie nahe stand. Wie es Mala gelang dort zu landen, müsst ihr selbst lesen.
Was man aber auf jeden Fall sagen kann ist, dass Mala wirklich großes Glück hatte. Dabei half ihr sicher auch ihr äußeres Erscheinungsbild (blond und blauäugig), wie auch ihr Charme und ihre Sprachkenntnisse.

Das Buch ist vollgepackt mit Fakten und politischen Zusammenhängen rund um die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Entsetzt hat mich die Haltung der Polen gegenüber den Juden. Diese spielt eine ganz besonders große Rolle. Gleich zu Beginn wird auch Mala vermittelt, dass es Polen und Juden gibt, aber keine polnische Juden. Der Hass und die Verleumdungen der polnischen Bevölkerung gegenüber den Juden hat mich entsetzt, vorallem weil normaler Weise nur Deutsche und Österreicher als Judenhasser bekannt sind und dies noch immer in der dritten und vierten Generation zu spüren bekommen. Die Polen werden dabei nicht erwähnt.
Diesen Hass findet man aber in Polen auch noch in der Nachkriegszeit. Überlebende aus den KZs wurden von der polnischen Bevölkerung wieder vertrieben.

Der Schreibstil ist sachlich und detailliert. Der Autor schweift immer wieder ab, um genannte Figuren oder Orte zu analysieren und näher zu beschreiben. Oftmals schließt sich wieder der Kreis zu Mala oder ihrer Familie. Der Autor vermittelt neben der Geschichte um Mala viel Fachwissen rund um den jüdischen Glauben, den Widerstandskämpfern oder verschiedene Lebensweisen, wie auch ein Blick auf Israel und die Entstehung des Staates. Dies fand ich besonders interessant, weil es mir, den bis heute andauernden Kampf zwischen Israel und Plästina, näher gebracht hat.
Am Anfang des Buches befindet sich eine Karte und ein Stammbaum

Erschreckend fand ich so einige Parallelen zum momentanen Ukraine-Krieg. Hitlers Strategien und seine ungerechtfertigte Kriegserklärung an Polen ähnelt auf schrecklicher Weise der von Putin. Auch die Ziele und Aussagen haben ein vergleichbares Muster und bereiten mir Angst.


Fazit:
Dieses biografische Sachbuch ist ein Stück Zeitgeschichte, das hervorragend recherchiert wurde und mir viele neue Einblicke geboten hat, obwohl ich schon sehr viel Lektüre zum Zweuien Weltkrieg und #gegendasvergessen gelesen habe. Ich hätte mir allerdings "etwas mehr Mala" gewünscht. Trotzdem empfehle ich dieses Buch auf jeden Fall an alle Interessierten zum Thema weiter.

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Veröffentlicht am 27.03.2022

Die Apfelmänner

Steirerwahn
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Nachdem mich der letzte Band der Reihe nicht ganz abholen konnte, hat Claudia Rossbacher diesmal wieder mehr Spannung und auch neue Themen in ihren zwölften Band rund um Sascha Bergmann und Sandra Mohr ...

Nachdem mich der letzte Band der Reihe nicht ganz abholen konnte, hat Claudia Rossbacher diesmal wieder mehr Spannung und auch neue Themen in ihren zwölften Band rund um Sascha Bergmann und Sandra Mohr eingebaut. Natürlich sind wir wieder in der Steiermark angesiedelt und zwar entlang der Steirischen Apfelstraße. Wir Österreicher wissen, dass "frisch, saftig, steirisch" für steirische Äpfel steht.

Sascha ist diesmal alles ander als "amused", als er nicht den erwünschten Chefposten im LKA Graz bekommt. Noch schlimmer wird es für ihn allerdings, als seine Ex-Verlobte Nicole Herbst den Job antritt. Doch Zeit zum Schmollen bleibt ihm nicht wirklich, denn er wird noch auf der Einstandsfeier zu einem Mord in die idyllische Apfelstraße nach Puch bei Weiz gerufen. Ein Obstbauer liegt, mit einem Strick erdrosselt und einer ominösen Kugel im Mund, vor seinem Haus. Schnell stellt sich heraus, dass der Tote zu den sogeannten "Apfelmännern" gehört. Die Gruppe besteht aus eingefleischten und lange ansäßigen Obstbauern. Jedes Jahr ziehen sie sich für ein paar Tage zurück in Klausur um ihren geheimnisvollen Apfelschnaps, den "Abakus", zu brennen. Dazu gehören strenge Regeln, eine Kutte als Bekleidung und völlige Geheimhaltung der Rezeptur. Nun liegt am ersten Tag ihrer geheimen Zusammenkunft einer von ihnen tot vor seinem eigenen Haus. Doch es soll nicht der letzte tote Apfelmann sein....

Claudia Rossbachers zwölfter Steirerkrimi beginnt nach Auffindung des Toten gemächtlich. Doch es dauert gar nicht lange, bis der nächste tote Apfelmann aufgefunden wird und die Story an Fahrt gewinnt. Dabei greift die Autorin, neben der Aufklärung des Kriminalfalles, Themen wie Nachhaltigkeit und Biologische Landwirtschaft auf.
Sascha schlägt sich neben den Ermittlungen zum Fall zusätzlich noch mit anderen Problemen herum. Erstens die Zurückweisung des Chefpostens für den er sich beworben hat und zweitens seine neue Chefin, die für ihn keine Unbekannte ist. Nicole Herbst war vor Jahrzehnten mit ihm verlobt.
Aber nicht nur Sascha erlebt ein Auf und Ab im Privatleben. Sandra lernt Hubert Müllner kennen, der in die Wohnung ihrer ehemaligen Nachbarin einzieht. Der attraktive Mann lässt ihr Herz höher schlagen, jedoch hat er einige sehr seltsame Angewohnheiten und im Internet ist ebenfalls nichts über ihn zu finden. Obwohl Sandra kein gutes Bauchgefühl hat, trifft sie sich immer wieder mit ihm....
Mit Hubert Müllner hat Claudia Rossbacher einen sehr interessanten Charakter erschaffen, der bei mir Gänsehaut erzeugt. Ich bin schon sehr gespannt, was sich daraus entwickeln wird....

Die Mischung aus Kriminalfall und Privatleben der beiden Ermittler ist wieder sehr gut gelungen. Die kleinen Sticheleien zwischen Sascha und Sandra sind diesmal ein bisschen zurückhaltender geworden. Trotzdem sind die kleinen Kabbeleien wieder das Salz in der Suppe. Natürlich spielt bei dieser Reihe das Lokalkolorit eine große Rolle.
Das Cover mit dem Herz passt wieder hervorragend zum Erkennungsmerkmal der Reihe. Diesmal ist es aus einer Sisalschnur gelegt und von Blutstropfen umgeben.

Fazit:
Wieder ein interessanter Fall aus der Steiermark, der mich gut unterhalten hat und mit zwei neuen Figuren frischen Wind in die Reihe bringt. Durch die geheimnisvollen Apfelmänner bekommt der Krimi einen ganz besonderen Touch.

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Veröffentlicht am 23.03.2022

Ein ungewöhnliches Ermittlerpaar

Amissa. Die Verlorenen
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Frank Kodiak bzw. Andreas Winkelmann ist in letzter Zeit zu einem Thrillerautor aufgestiegen, den ich sehr gerne lese.

Mit Privatdetektiv Jan Katzius und seiner Frau Rica, die als Ermittlerin bei Amissa, ...

Frank Kodiak bzw. Andreas Winkelmann ist in letzter Zeit zu einem Thrillerautor aufgestiegen, den ich sehr gerne lese.

Mit Privatdetektiv Jan Katzius und seiner Frau Rica, die als Ermittlerin bei Amissa, einer Hilfsorganisation für vermisste Personen arbeitet, haben wir ein sehr ungewöhnliches Pärchen.
Eines Tages werden sie Zeugen eines Zwischenfalls auf der Autobahn, auf der sie sich gerade befinden. Eine junge Frau rennt panisch auf die Fahrbahn und wird von einem Auto erfasst. An der Raststätte gegenüber wird die Leiche eines Mannes gefunden, der das Mädchen offenbar entführt hatte. Für die ermittelnde Polizei scheint damit der Fall klar. Rica und Jan haben jedoch Bedenken, weil einige Zeugen plötzlich verschwunden sind. Außerdem stoßen sie kurze kurze Zeit später auf weitere Fälle von abgängigen Jugendlichen.
Es handelt sich überwiegend um Teenager, die vor kurzem umgezogen sind und ihren Unmut darüber in den sozialen Medien verbreitet haben. In Chatforen suchen sie Hilfe und vertrauen den falschen Leuten. Die Polizei ist nicht wirklich aktiv, denn Vermisstenfälle von Teenager häufen sich in diesem Alter, um kurze Zeit später wieder aufzutauchen. Doch dann entdeckt Rica eine Spur zu „Amissa“....

"Amissa - Die Verlorenen" ist der erste Band einer Trilogie um Jan Katzius, einem ehemaligen Polizisten, dessen Methoden nicht immer gesetzeskonform sind. Er ist nicht immer ein Sympathieträger und ermittelt meistens im Alleingang. Als Ex-Polizist hat er keinen Kontakt mehr zu seinen Kollegen von damals - mit einer Ausnahme: sein Freund Olaf. Seine Frau Rica stammt aus der Karibik und ist eine geniale Hackerin. Rassismus und die eigene Erfahrung mit Zwangsprostitution haben sie zur Hilfsorganisation Amissa gebracht, wo sie sich für Menschen einsetzen kann.
Ohne langes Vorgeplänkel wird man in die Geschichte hineingesogen. Kodiak erzählt aus verschiedenen Perspektiven und auf unterschiedlichen Zeitebenen, wie auch an unterschiedlichen Orten. Der Schreibstil ist temporeich und einfach, wie es meistens bei Thriller der Fall ist.

Der Autor spricht mit dieser Geschichte ein sehr wichtiges Thema an: die sozialen Medien, die oft allzu leichtfertig verwendet werden. Teenager, die genau dort ihr Innerstes nach außen kehren, sind für Soziopathen leichte Opfer. Es ist für mich nicht der erste Thriller, der dies anspricht und trotzdem finde ich, dass dieses Thema noch immer viel zu wenig präsent ist.

Einige Passagen sind nicht wirklich etwas für Zartbesaitete, denn es gibt doch oftmals einige brutale Szenen. Der Spannungsbogen ist konstant. Etwas zu extrem fand ich die vielen Alleingänge von Jan, die manchmal zu drastisch und unrealistisch dargestellt werden. Am Ende gibt es kleinen Cliffhanger, der bereits auf Teil zwei hindeutet...

Fazit:
Ein packender und brisanter Thriller, ein Pageturner, den ich in kürzester Zeit ausgelesen hatte. Gestört hat mich nur der etwas zu drastische Alleingang von Jan, der mir manchmal zu unglaubwürdig war. Wer allerdings einen temporeichen Thriller, der sich um das Thema Menschenhandel dreht und auch einiges an Brutalität vorweisen kann, der ist hier richtig. Auf jeden Fall ein spannender Auftakt einer Thriller-Trilogie.

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Veröffentlicht am 19.03.2022

Kllimakatastrophe im 18. Jahrhundert

Eisflut 1784
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Marco Hasenkopf erzählt in seinem historischen Roman die Geschichte der großen Eisflut im Jahre 1784. In Mülheim am Rhein und der verfeindeten Stadt Cöln herrschen Eiseskälte, Hunger und Not. Durch einen ...

Marco Hasenkopf erzählt in seinem historischen Roman die Geschichte der großen Eisflut im Jahre 1784. In Mülheim am Rhein und der verfeindeten Stadt Cöln herrschen Eiseskälte, Hunger und Not. Durch einen Vulkanausbruch in Island bricht dieses seltene Wetterphänomen über die Menschen herein und bringt eine gigantische Naturkatastrophe ins Rollen.
Das streng katholische Cöln ist deswegen voll von Wanderheilern und fanatischen Frömmlern, die das Ende der Welt voraussagen. Statt die Deiche am Rhein zu erhöhen, um die Hochwassergefahr für die Stadt zu bannen, ruft man die Menschen auf Buße zu tun. Gleichzeitig feiern die Adeligen ausgelassen Feste rund um die Zeit des Karnevals, als gäbe es kein Morgen. Karnevalistische Exzesse stehen den bigotten Prozessionen gegenüber...was für ein Bild!
Während die Menschen jeden neuen Tag hoffen, dass die Temperaturen endlich ins Plus steigen, damit die Zeit der Aussaat bald beginnen kann und die Aussicht auf eine reiche Ernte steigt, bleibt die Kälte und der Schnee bestehen.
Im etwas gemäßigteren Mülheim werden zwar Andersgläubige nicht verfolgt, trotzdem ziehen auch hier plünderne Räuberbanden durch die Gegend. Kaum jemand hat mehr Vorräte oder genug zu essen. Deswegen wird Henrik Freiherr van Venray, Amtmann für policeyliche Wohlfahrterei im Dienst des bergischen Herzogs, nach Mülheim gerufen. Er soll für Recht und Ordnung sorgen und überprüfen, ob der Deich rechtzeitig und hoch genug gegen die drohende Flut gebaut wurde. Auf seinem Weg findet er die Leiche eines Mönchs, der erfroren zu sein scheint. Doch die Apothekerswitwe Anna-Maria Scheidt stellt schnell fest, dass der Mann ermordet wurde.
Sowohl Venray, als auch Anna-Maria Scheidt, werden von den Einwohnern, alles andere als wohlwollend behandelt. Die selbstbewusste Apothekerin ist einigen Mülheimern schon länger ein Dorn im Auge. Das liegt nicht nur daran, dass sie eine Frau ist, sondern auch, dass sie sich für die Armen und Kinder einsetzt.

Neben den Mordermittlungen, die Venray nach Cöln zieht und die ihn in Lebensgefahr bringen, findet er außerdem heraus, dass der vom Fürsten geforderte Deich nicht rechtzeitig fertiggestellt wurde. Nun droht eine riesige Eisflut, die Cöln und Mülheim unter sich begraben wird.....

Marco Hasenkopf hat in seinem Roman historische Begebenheiten mit der fiktiven Geschichte rund um Venray und Anna-Maria geschickt verwoben. Die Beschreibungen der damaligen Zeit, wie den Menschen, der Kleidung und den Behausungen, sind sehr bildhaft und detailliert. Religiöse und politische Konflikte beherrschen die Menschen, Machtmissbrauch und Aberglaube sind weit verbreitet. Ein Sittengemälde des späten 18. Jahrhunderts....

Die Sprache ist historisch und der Zeit angepasst. Zu Beginn benötigt man einige Zeit, um sich darin zurechtzufinden. Ich fand es jedoch hervorragend authentisch, auch wenn man natürlich die Originalsprache aus dem 18. Jahrhundert nicht verwenden kann. Trotzdem gibt es einige Begriffe, die selbst ich noch nachschlagen muss, obwohl ich sehr viele historische Romane lese.

Die Grundstimmung ist düster und man spürt die Kälte in jeder Zeile, die man liest. Besonders im letzten Drittel ist die Spannung sehr hoch und ich musste den Roman in einem Rutsch fertig lesen, denn man spürt förmlich die Katastrophe auf sich zukommen.....

Am Ende des historischen Krimis gibt es ein informatives Nachwort.

Fazit:
Wer Spannung, Mord und Totschlag in einem richtigen historischen Roman mag, dem empfehle ich diesen historischen Krimi gerne weiter.

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Veröffentlicht am 16.03.2022

Ein Blick zurück auf die "wilden" Fünfziger Jahre

Der Salon. Wunder einer neuen Zeit
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In "Der Salon" versucht sich Autorin Julia Fischer das erste Mal im historischen Fach und es ist ihr wirklich gelungen.
Ich durfte bei der Lesejury nach langer, langer Zeit wieder einmal bei einer Leserunde ...

In "Der Salon" versucht sich Autorin Julia Fischer das erste Mal im historischen Fach und es ist ihr wirklich gelungen.
Ich durfte bei der Lesejury nach langer, langer Zeit wieder einmal bei einer Leserunde dabei sein. Darüber habe ich mich ganz besonders gefreut, denn die Bücher der Autorin liebe ich sehr. Und sie hat auch diesmal wieder einen wunderbaren Roman erschaffen, der zeigt, dass sie auch historisch kann.

Wir begeben uns im Jahr 1951 nach Hebertshausen bei Dachau in Oberbayern, wo Leni bei ihrer Mutter im Salon das Friseurhandwerk erlernt. Fünf Jahre später träumt die junge Frau davon den Salon zu Hause zu modernisieren, doch ihre Mutter will davon nichts wissen. Als sie ein Stellenangebot beim angesagten Münchner Salon Keller entdeckt, bewirbt sie sich und bekommt eine Zusage. An einer der besten Adressen Münchens lernt Leni nicht nur neue moderne Frisuren, sondern auch mondäne Kundinnen kennen, wie die ehemalige Tänzerin Sasa Sorell oder die Amerikanerin Miss Randall.

Auch Lenis Bruder Hans lebt in München, wo er Medizin studiert. Leni und ihre Mutter Käthe finanzieren mit ihrer Arbeit sein Studium, doch seine Liebe gilt der (Jazz)Musik. Er ist ein begnadeter Trompeter und müht sich durch das Medizinstudium, um den letzten Wunsch seines Vaters zu erfüllen, der als verschollen gilt. Hans verliebt sich in die verheiratete Charlotte, die in einer unglücklichen Ehe gefangen ist. Neben Hans und Leni treffen wir auch noch auf seine Kommilitonen Karl und Schorsch, sowie die unkonventionelle Frieda. Während Karl aus reichem Hause kommt und das Studium nicht so ernst nimmt, arbeitet Frieda als Schaffnerin, um sich dieses zu finanzieren. Georg, genannt Schorsch, möchte vorallem den Menschen helfen und später einmal Landarzt werden. Alle von ihnen suchen noch einen Platz im Leben und es war spannend ihre Jahre in München zu mitzuverfolgen.

Julia Fischer hat die Atmosphäre dieser Zeit wunderbar eingefangen. Nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren erfahren die Jugendlichen eine neue Zeitrechnung mit hipper Jazzmusik, Tanzkellern und neuen Filmsternchen. Die Mode wird bunter und fröhlicher, die Frisuren kürzer oder pfiffiger. München gehörte damals zur amerikanischen Besatzungszone und wurde durch die Kultur und Lebensweise die Soldaten beeinflusst. Die jungen Leute träumten von einer Zukunft ohne Konventionen. Noch waren die Gesetze und der Verhaltenskodex - vorallem für Frauen - aber streng. Das spürt auch Charlotte, deren Ehemann sie weder arbeiten lässt, noch unterstützt. Im Gegenteil....

Die Autorin hat ihre Figuren wunderbar lebendig gezeichnet. Mit Leni hat sie eine sehr ehrgeizige junge Frau erschaffen, die nur so voller Ideen sprüht. Neben der Friseurausbildung widmet sie sich auch noch der Herstellung von Naturkosmetik, die sie von ihrer Großmutter erlernt hat. Manchmal erschien mir Leni wie ein Tausendsassa. denn als Frau hat sie es zu dieser Zeit besonders schwer. Der musikalische Anteil durch Hans, der mit seiner Trompete in diversen Jazzkellers auftritt, hat mein Herz ebenfalls höher schlagen lassen. Und mit Frieda und Schorsch, wie auch mit Karl und Charlotte, habe ich eine tolle Zeit in München der Fünfziger Jahre verbtacht. Ich war mit Hans im Jazzkeller, habe mit Leni Cremen hergestellt und mit Schorsch fotografiert. Sehr ans Herz gewachsen ist mir aber auch Käthe, die Mutter von Leni und Hans.

Doch Julia Fischer hat ihre Figuren nicht nur auf der Sonnenseite des Lebens geparkt, sondern ihnen auch Leid und Schmerz zugefügt. Im Leben gibt es nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen, sondern auch schwere Schicksalsschläge und neue Herausforderungen. Genau dieses Gefühl hat die Autorin hier wunderbar vermittelt. Trotzdem hat mich das Ende dann doch etwas schockiert zurückgelassen.
Im zweiten Teil der Dilogie werden wir mehr über das weitere Schicksal von Leni erfahren. Darauf freue ich mich schon sehr.

Fazit:
Eine wunderbare Reise in die Fünfziger Jahre, die mich Zeit und Raum haben vergessen lassen. Julia Fischer hat großartig recherchiert und KEINEN Wohlfühlroman geliefert, sondern eine lebensahe Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe und weiterempfehle.

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