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Veröffentlicht am 18.01.2019

Auch der neunte Band ist gelungen

Muttertag (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 9)
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Ungeduldig habe ich auf den neunten Band der Bodenstein-Kirchhoff Reihe von Nele Neuhaus gewartet. Schneller als gedacht waren die 560 Seiten dann auch schon wieder gelesen. Wie bereits in den Vorgängerbänden ...

Ungeduldig habe ich auf den neunten Band der Bodenstein-Kirchhoff Reihe von Nele Neuhaus gewartet. Schneller als gedacht waren die 560 Seiten dann auch schon wieder gelesen. Wie bereits in den Vorgängerbänden der Autorin gibt es auch in "Muttertag" jede Menge Figuren. Ich behielt zwar gut den Überblick, jedoch ist dies ein deutliches Manko der Autorin. Hilfreich ist das Personenregister am Beginn des Buches. Für Einsteiger empfehle ich aber auf jeden Fall mit dem ersten Band zu beginnen.

Als die Leiche von Theo Reifenrath nach mehr als einer Woche gefunden wird, glaubt jeder an einen natürlichen Tod des alten Mannes. Doch dann findet man seinen geliebten Hund halb verhungert im Zwinger, daneben Überreste menschlicher Knochen. Pia Sander ist alarmiert und fordert die Spurensicherung und Leichensuchhunde an, die unter dem Hundezwinger noch mehr Knochen und Skelette finden. Bald ist klar, dass es sich hier um eine Mordserie handelt, die bereits in den Achziger Jahren begonnen hat. Wie viele Leichen wurden hier vergraben? Gibt es noch mehr Opfer? War der alte Mann ein Serienmörder?

Von Beginn an hat mich der neue Krimi von Nele Neuhaus mitgerissen. Vorallem der Prolog macht neugierig. Das Buch lässt sich flüssig lesen und ich war die ganze Zeit am rätseln, wer hinter den Morden stecken könnte. Pia und Oliver durchforsten Theo Reifenraths Vergangenheit und entdecken, dass das Ehepaar jahrelang Pflegekinder aufgenommen hat. Nach Rücksprache mit einigen der heute Erwachsenen, wird bald klar, dass sie es bei den Reifenraths nicht wirklich gut getroffen hatten. Schwere Misshandlungen und perfider Psychoterror standen an der Tagesordnung. Das nach außen vorgespielte Idyll wurde für das Jugendamt perfekt insziniert. Pflegemutter Rita zitierte ihre Pflegekinder regelmäßig zum Muttertag nach Hause, bis sie selbst vor 20 Jahren plötzlich verschwand...pünktlich am Muttertag. Bald ist klar, dass der Mörder aus dem Kreis der ehemaligen Pflegekinder kommen muss.....

Ein weiterer Handlungsstrang spielt in der Schweiz. Eine junge Frau ist auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Erst ganz am Ende führt dieser Strang mit den Mordfällen im Taunus zusammen. Zwischendurch gibt es auch Kapitel aus der Sicht des Serienmörders, der seine nächste Tat vorbereitet.

Die privaten Entwicklungen von Pia und Oliver stehen diesmal deutlich im Hintergrund. Seit dem letzten Fall vor drei Jahren, in dem Oliver von Bodenstein sehr im Fokus stand, hat sich einiges geändert. Pia nimmt immer mehr seinen Platz als Leiter der Ermittlungen ein, was auch ihre Vorgesetzte Dr. Nicola Engel langsam zu akzeptieren beginnt. Oliver bleibt diesmal etwas blass und ich bin gespannt, wie es mit ihm weiter gehen wird. Dafür rückt Pias Schwester Kim diesmal mehr in den Mittelpunkt. Sympathiepunkte hat sie trotzdem von mir nicht erhalten.

Der Fall ist komplex und die Atmosphäre oft düster. Nach und nach werden immer mehr menschliche Abgründe sichtbar. Pia und Oliver ermitteln teilweise getrennt voneinander. Die Suche nach mehr Hinweisen ist mühsam. Außer dem Todeszeitpunkt rund um den Muttertag, scheinen die Opfer keine Gemeinsamkeiten zu haben. Dr. Nicola Engel stellt dem Team um Pia Sander daraufhin den amerikanischen Profiler Dr. Harding zur Seite, bei dem einst Pias Schwester Kim gelernt hat. Er soll herausfinden, wer von den Pflegekindern als Täter in Frage kommen könnte.
In der Mitte des Buches bricht leider der Spannungsbogen etwas ein, jedoch kommt es am Ende zu einem richtig guten Showdown, der alle Handlungsstränge perfekt miteinander verbindet. Ich freue mich schon auf die Verfilmung.

Schreibstil:
Nele Neuhaus schreibt sehr flüssig und detailliert. Ihre Ermittler sind sympathische Charaktere, auf die ich mich jedes Mal freue, wenn ein neuer Band der Reihe erscheint. Allzu viele Figuren machen es jedoch manchen Leser schwer diese zuzuordnen. Da hilft oft nicht einmal die Bücher der Reihe nach zu lesen.
Nele Neuhaus bringt viel Lokalkolorit und eine tolle Atmosphäre in ihren Krimis mit ein.

Fazit:
Wieder ein spannender Taunuskrimi aus der Feder von Nele Neuhaus, der die menschlichen Abgründe aufzeigt. Mit ein paar Längen in der Mitte und einigen Wiederholungen kommt er nicht an meinen Lieblingsteil "Schneewittchen muss sterben" heran, aber "Muttertag" ist definitiv lesenwert....für Liebhaber der Reihe sowieso ;)

Veröffentlicht am 16.01.2019

Spannung, Dramatik und Gefühle vereint in einem tollen Roman

Flammen und Seide
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Der neue Roman von Petra Schier entführte mich ins 17. Jahrhundert nach Rheinbach. Hier lebt Madlen, Tochter eines Tuchhändlers. Sie ist seit langem dem sympathischen Peter von Werdt versprochen, den sie ...

Der neue Roman von Petra Schier entführte mich ins 17. Jahrhundert nach Rheinbach. Hier lebt Madlen, Tochter eines Tuchhändlers. Sie ist seit langem dem sympathischen Peter von Werdt versprochen, den sie heiraten soll, wenn er vom Militärdienst zurückkehrt. Doch auch ihr Freund aus Kindertagen, Lucas Cuchenheim, steht ihr sehr nahe. Vor fünf Jahren musste er aus der Stadt fliehen, weil ihm ein Prozess wegen Vergewaltigung drohte. Als er Jahre später als Hauptmann nach Rheinbach zurückkehrt, um einen Verräter ausfindig zu machen, ist sich Madlen ihren Gefühlen nicht mehr so sicher....

Was sich hier nach einer Dreiecksgeschichte, wie in Young Adult Romanen, nur ins 17. Jahrhundert zurückversetzt, anhört, ist so viel mehr. Petra Schier beherrscht die Kunst keinerlei Kitsch einfließen zu lassen, jedoch eine kleine Spur Erotik. Sie hat mit diesem Roman eine perfekte Kombiantion aus Romantik, Dramatik und Historie geschaffen.
Mit unserer Hauptprotagonnistin Madlen ist ihr ein wunderbarer Charakter gelungen. Sie ist für ihre Zeit eine starke und mutige Frau, die ihrem Vater eine große Hilfe im Kontor ist. Dies erweist sich als äußerst hilfreich, als dieser verunfallt und sein Geschäft nur mehr teilweise verrichten kann. Wilhelmi, der Handelsgehilfe der Familie Thynen, ist alles andere als erfreut mit einer Frau "zusammenzuarbeiten". Doch Madlen ist intelligent und feilscht wie ein Straßenhändler. Sie ist die perfekte Geschäftsfrau. Mit dem gutsituierten Peter von Werdt hat sie außerdem einen zukünftigen Ehemann von Rang und Namen. Als der Krieg immer näher kommt und ein Verräter in der Stadt sein soll, der für die Niederländer spioniert, spitzen sich die Dinge zu....
Mit der Verbindung der fiktiven Geschichte rund um Madlen und dem tatsächlichen historischen Geschehen hat die Autorin wieder ein gutes Händchen bewiesen.

Zwischendurch erfährt der Leser in Rückblicken, was vor fünf Jahren passiert ist und warum Lucas seine Heimatsstadt verlassen musste. Dabei geht es um das blanke Überleben, denn Lucas ist das Opfer eines Komplottes. Wer dahintersteckt und wie alles aufgelöst wird, erzählt Petra Schier über spannende fast 500 Seiten. Dabei spielt die Stadt Rheinbach eine große Rolle, die zu dieser Zeit ein strategisch wichtiger Punkt der kriegsführenden Niederländer und Franzosen war. Mit der Auflösung konnte mich Petra Schier noch zusätzlich überraschen...

Die Charaktere sind wunderbar lebendig und jeder hat seine Ecken und Kanten. Der immer optimistische und positive Peter ist sympathisch. Er ist der Sohn eines Kaufmanns und Ratsherren und ist für Madlen eine gute Partie. Sie sind sich seit Jahren versprochen und Peter liebt Madlen aus ganzem Herzen. Manchmal kam er mir allerdings "zu gut, um wahr zu sein" vor und ich wartete immer auf seine dunkle Seite. Ob es diese gibt, verrate ich euch natürlich nicht.
Lucas ist zu Beginn noch ein Hallodri, aber ein sympathischer. Er ist der Sohn eines Kaufmanns und kommt aus eher ärmlicheren Verhältnissen. Nach seiner Flucht aus Rheinbach kehrt er als angesehener Hauptmann zurück, doch die Rheinbacher haben nicht vergessen. Lucas ist noch immer unbeschwert, ist aber trotzdem erwachsen geworden. Er hat Verantwortungsbewusstein und steht für seine Ideen ein.
Auch alle weiteren Figuren sind sehr lebendig und individuell gezeichnet. Manche Charaktere waren mir allerdings für diese Zeit doch etwas zu modern dargestellt. Für mich agieren Madlens Eltern, als auch Peter und Lucas, zu fortschrittlich, um richtig glaubwürdig zu erscheinen. Dies ist jedoch mein einziger Kritikpunkt an diesem tollen Roman.

Die damaligen Sitten und Bräuche, wie das Mailehen oder das Schlutgehen, werden am Ende des Buches erklärt. Besonders das Mailehen bzw. die Mailehenversteigerung spielt im Roman eine große Rolle.

Schreibstil:
Petra Schier schreibt einfach toll! Egal, ob historischer Roman oder einer ihrer süßen Hundegeschichten, man fiebert mit den Protagonisten mit und hat sie als Figur plastisch vor Augen. Sie schreibt emotioanl und lebendig. Gefühle, Emotionen und Spannung sind hier hervorragend vereint.
Die Sprache ist der damaligen Zeit angepasst, lässt sich aber leicht und flüssig lesen.

Am Anfang des Romanes befindet sich eine Karte und eine Zeichnung von Rheinbach, ein Personenregister und am Ende das bereits erwähnte Glossar zum Brauchtum, sowie ein nachwort der Autorin.

Fazit:
Petra Schier konnte mich mit ihrem neuen historischen Roman "Flammen und Seide" wieder richtig abholen und hat mir tolle Lesestunden beschert. Spannung, Dramatik und Gefühle, zusammen mit historischen Fakten, ergeben eine tolle Mischung, die mich an sie Seiten fesselte.

Veröffentlicht am 26.12.2018

Die Gefahr des Dopings

Eiskalte Spiele
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Nun habe ich bereits den dritten Band rund um den Schweizer Skirennläufer Marc Gassmann und Polizistin Andrea Brunner gelesen und kann mich dieser Reihe einfach nicht entziehen!
Wie schon in den ersten ...

Nun habe ich bereits den dritten Band rund um den Schweizer Skirennläufer Marc Gassmann und Polizistin Andrea Brunner gelesen und kann mich dieser Reihe einfach nicht entziehen!
Wie schon in den ersten beiden Fällen konnten mich Michaela Grünig und Ex-Skirennläufer Marc Girardelli mit ihrem Krimi im Ski-Weltcup Milieu wiederum begeistern.

Marc Gassmann ist am Überlegen seine Profikarriere zu beenden. Er hat kaum trainiert und irgendwie die Lust am Skisport verloren. Eigentlich würde er gerne mit Andrea zusammenziehen, doch seine On/Off Freundin möchte lieber ihre Eigenständigkeit behalten. Das führt zu einigen Missverständnissen zwischen den Beiden. Erst ein Drohbrief an seinen langjährigen Trainer Hans lässt Marc seine Situation überdenken und er beginnt sich für die Olympischen Winterspiele in Korea vorzubereiten. Auch wenn er seinen Trainingsrückstand nicht mehr aufholen kann, versucht Marc doch sein Bestes zu geben und ein Auge auf Hans zu werfen. Zwei mysteriöse Todesfälle unter Profi-Trainern und das Verschwinden eines weiteren, veranlassen Oberst Alberto Passini Andrea in seine Abteilung zu versetzen. Sie soll als verdeckte Ermittlerin mit nach Korea reisen und ebenfalls an Hans Seite bleiben.

Schon der Prolog beginnt rasant. Ein gefesselter Mann wird von einem Helikopter aus in einem See gestoßen und die Neugier des Lesers ist damit schnell geweckt. Die Spannung bleibt auch auf den übrigen Seiten weiterhin bestehen.
Neben den mysteriösen Todesfällen (sind es wirklich Selbtstmorde?) und den Drohbriefen an Hans ist Doping ein weiterer wichtiger Punkt in diesem dritten Teil. Die aktuellen und brisanten Themen, die das Autorenteam in ihren Krimis ansprechen, sind immer auf den Punkt gebracht. Mit Marc Giradelli, der durch den Skisport hier einiges an Insiderwissen verrät, ist das Thema spannend aufbereitet und auch für Laien unkompliziert erklärt.
Gemeinsam miit Marc stehen wir wieder auf Skiern und bestreiten einige Rennen, die uns das Gefühl geben selbst auf der Rennstrecke zu stehen.
Während der Leser Andrea, Hans und Marc nach Südkorea folgt und sich den Kopf zerbricht, wer hinter den Anschlägen stecken könnte, lässt uns das Autorenduo wieder einen Blick in die Gedanken des Täters werfen. Diese heben sich in kursiver Schrift vom Rest der Story ab. Die Spannung steigt kontinuierlich an und bis zuletzt hatte ich keine Ahnung wer der Täter sein könnte.

Marc Girardelli lässt uns mit seinem Insiderwissen wieder interessante Einblicke hinter die Kulissen des Sports werfen. Ich erwarte noch weitere Bücher aus dieser Reihe und hoffe Marc Gassmann legt seine Skisport-Karriere noch nicht ad acta.

Schreibstil:
Mit ihrem gewohnt flüssigen Schreibstil, viel Spannung und überraschenden Wendungen punktet das Dreamteam Grünig/Girardelli auch im dritten Teil ihrer Reihe rund um Marc Gassmann. Das Tempo ist - wie gewohnt - rasant und fesselnd.
Die Charaktere sind sehr lebendig und haben Ecken und Kanten. Die Probleme zwischen Andrea und Marc sind allgegenwärtig, nehmen aber nicht zu viel Raum ein. Perfekt für einen Krimi, bei dem sich die Handlung vorallem um die Todesfälle und Morddrohungen drehen soll.

Fazit:
Ich liebe diese Reihe! Kein Band dieser außergewöhnlichen Serie scheint schwächer oder stärker zu sein. Alle drei Krimis überzeugen mit Speed und überraschenden Wendungen, sowie aktuellen Themen. Einfach ein Muss für Wintersport- und Krimifans!

Veröffentlicht am 09.12.2018

Freundinnen fürs Leben - oder doch nicht?

Drei Frauen am See
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Dora Heldt ist bekannt für ihre humorvollen Romane und ihre Syltkrimis. Die Autorin kann aber auch anders und hat mich mit ihrem Roman "Drei Frauen am See" wirklich überrascht und überzeugt. Die tiefgründige ...

Dora Heldt ist bekannt für ihre humorvollen Romane und ihre Syltkrimis. Die Autorin kann aber auch anders und hat mich mit ihrem Roman "Drei Frauen am See" wirklich überrascht und überzeugt. Die tiefgründige Geschichte ist vielleicht nicht wirklich etwas für die Leserinnen, die sonst ihre leichteren Romane bevorzugen, wie ich auch schon aus den Bewertungen ersehen konnte.
Wer aber eine Geschichte über Freundschaft, Schicksalsschläge und einfach über Dinge, die das Leben schreibt, lesen möchte, sollte hier zugreifen!

Es gibt einige Bücher, die sich um Freundinnen ranken, die sich aus den Augen verloren haben und/oder durch den Tod einer von ihnen, wieder zusammentreffen. Es gibt auch Geschichten, in denen ein Wunsch erfüllt werden soll oder jemand eine Wunschliste abarbeitet. Obwohl das Thema doch schmerzlich ist, sind diese Romane meistens humorvoll geschrieben. Dora Heldts Buch "Die Frauen vom See" hingegen ist melancholisch, tiefgründig und berührte mein Herz.
Endlich konnte ich wieder in einem Roman versinken und tat mir richtig schwer aus der Welt rund um Alex, Friederike, Jule und Marie aufzutauchen.

Dieses Kleeblatt hat sich als Teenager ewige Freundschaft geschworen. Sie verbrachten einst wunderschöne gemeinsame Sommer am Haus am See, welches Maries Eltern gehörte. Dort schmiedeten sie Pläne, kümmerten sich umeinander, teilten Glück, Freud und Leid. Als Teenager beschlossen sie in einem Brief aufzuschreiben, wie sie sich ihr Leben und ihre Freundschaft in 30 Jahren vorstellen und versprechen ihre Zeilen erst nach dieser Zeit zu lesen. Doch mit dem Erwachsenwerden driften die Mädchen immer mehr auseinander bis es zu einem großen Streit kommt, der die Freundschaft der vier Frauen beendet. Als Alex, Friederike und Jule eines Tages von Maries Tod erfahren, sind sie schockiert. Doch Marie hat ihre damaligen Freundinnen nicht vergessen. Kurze Zeit später flattert der Brief eines Notars bei den drei Frauen ein, der eine große Überraschung birgt und der ihr Leben verändert...

Der Roman wird sowohl in der Gegenwart, als auch in der Vergangenheit aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Das erfordert Konzentration. Lediglich am Anfang hatte ich ein bisschen Schwierigkeiten die vielen Informationen den einzelnen Figuren zuzuordnen. Die Lebensläufe von Alex und Friederike sind doch sehr ähnlich gestrickt. Allerdings hatte ich schnell ein Gefühl für jede der vier Frauen, die sich im Laufe der Jahre alle weiterentwickelt haben.
In Rückblenden erleben wir die gemeinsame Zeit der vier Mädchen, sowie ihre sehr unterschiedlichen Charaktere. Dieser Strang spielt in den 1970iger und 1980iger Jahren und somit auch teilweise in meiner eigenen Kinder- und Jugendzeit. Die damalige Zeit wurde sehr authentisch und lebendig dargestellt. Auch die Familie der vier Teenager spielt dabei ein große Rolle - bei der einen mehr, bei der anderen weniger.
Alex, Verlegerin, und Friederike, Leiterin eines 5 Sterne Hotels, sind beide erfolgreich im Beruf, trotzdem sind sie unterschiedlich und haben auch verschiedene Charaktereigenschaften. Beide wirken anfangs etwas kühl. Jule hingegen ist seit 20 Jahren geschieden und alleinerziehende Mutter. Sie ist die Gefühlvolle des einstigen Kleeblattes. Jede von ihnen hat ihr eigenes schweres Päckchen zu tragen.
Alle Charaktere wurden von der Autorin wunderbar ausgearbeitet. Dora Heldt hat sich jeder der vier Frauen länger gewidmet und deswegen konnte ich ihre Gefühlswelt wunderbar nachvollziehen. Die verstorbene Marie ist durchwegs präsent und eine sehr sympathische Frau, die bereits in ihrer Kindheit durch ihr schweres Herzleiden viel zurückstecken musste. Trotzdem war sie immer für alle da und der eigentliche Zusammenhalt von Alex, Friederike und Jule.

Nun zu den Kritikpunkten anderer Leser beim großen Online Portal....ja, das Buch ist dick und beinhaltet ein paar kleine Längen. Doch ich habe mir überlegt, welche Informationen man hätte weglassen können und bin zu dem Schluss gekommen, dass es genau diese Menge an Informationen benötigt, um alles gut zu verstehen und um sich in die Figuren hineinversetzen zu können.
Manche kritisieren, es sei zu vorhersehbar...jein! Man hofft darauf, dass die übrigen Frauen wieder zueinander finden...natürlich. In gewisser Weise glaubt man daran, aber bis zum Ende hin bleibt diese Hoffnung (meiner Meinung) offen. Auf jeden Fall ist es kein Roman, bei dem man nach den ersten Seiten weiß, wie er ausgeht. Absolut nicht! Vielleicht muss man aber auch ein bestimmtes Alter haben, um die Geschichte richtig zu verstehen (ich bin einige Jahre jünger als die Protagonisten)....oder sie hat gerade meinen Nerv getroffen. Und deswegen war dieser Roman für mich authentisch, gefühlvoll, tiefgründig und somit definitiv eine wunderschöne Geschichte, die mit viel Einfühlungsvermögen geschrieben wurde.

Fazit:
Dieser Roman beinhaltet viele Themen: Freundschaft, Lebenslügen, Trauer, Abschied, Enttäuschung, Schicksal und Zusammenhalt. Allen davon wird die Autorin gerecht. Für mich war dieser Roman absolut gelungen, der eine etwas andere Dora Heldt zeigt. Wer sich darauf einlassen kann und keine leichte humorvolle Geshichte sucht, sondern etwas mehr Tiefgang, ist hier richtig.

Veröffentlicht am 03.12.2018

Toller Auftakt einer Familiensaga rund um die Schokoladenmanufaktur

Die Schokoladenvilla
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Die Schokoladenmanufaktur Rothmann ist in Stuttgart des Jahres 1903 eine der führenden Arbeitgeber der Stadt. Tochter Judith interessiert sich selbst sehr für die Schokoladenherstellung und probiert immer ...

Die Schokoladenmanufaktur Rothmann ist in Stuttgart des Jahres 1903 eine der führenden Arbeitgeber der Stadt. Tochter Judith interessiert sich selbst sehr für die Schokoladenherstellung und probiert immer wieder neue Ideen aus, doch ihr Vater sieht die Firma in den Händen ihrer jüngeren Zwillingsbrüder Karl und Anton. Judith möchte er hingegen gewinnbringend verheiraten und hat auch schon - ohne ihr Wissen - einen potentiellen jungen Mann im Auge.
Zur selben Zeit wird Victor Rheinberger aus der Gefangenschaft auf Burg Ehrenbreitstein entlassen. Der Weg zurück in seine Heimatstadt Berlin ist ihm verwehrt und so sucht er sein Glück in der auftrebenden schwäbischen Stadt Stuttgart. Seine Liebe zu Maschinen und seine Fertigkeiten sind schnell gefragt. Als er Karl bei einem ihren vielen Dummenjungen-Streiche, die die Zwillinge aushecken, das Leben rettet, lernt er Wilhelm Rothmann kennen. Als Belohnung wünscht er sich kein Geld, sondern einen Job in seiner Schokoladenfabrik und entdeckt bald, dass die Manufaktor nicht mehr auf den neuersten Stand ist. Doch Rothmann will nicht investieren. Außerdem macht er sich Sorgen um seine Frau Hélène, die schon viel zu lange auf Kur am Gardasee weilt....

Gleich vornweg eine Warnung an alle Leser:
Ohne Schokolade in unmittelbarer Nähe kann man dieses Buch einfach nicht lesen! Es läuft einem bei der Beschreibung all der schokoladigen Köstlichkeiten immer wieder das Wasser im Mund zusammen.
Judiths Begeisterung für die Schokoladenherstellung ist aus jeder Zeile zu spüren, wenn sie in der Manufaktur neue Rezepte ausprobiert. Ihr Vater ist jedoch ein alter Patriarch, der Frauen keinerlei Rechte zugesteht. Seine Frau Hélène leidet unter der lieblosen Ehe und unter Depressionen. Sie flüchtet an den Gardasee, in ein zur damaligen Zeit beliebtes Kurhaus, welches Treffpunkt von Künstlern und Adeligen ist. Judith hat seitdem die Aufgabe auf ihre jüngeren Brüder aufzupassen, die genauso lieblos vom Vater behandelt werden, wie sie selbst. Beide Frauen lieben ihre Unabhängigkeit und möchten sich nicht in das enge Korsett der damaligen Zeit pressen lassen, vorallem wo diese gerade im Wandel ist und Frauen beginnen für ihre Rechte zu kämpfen. In ihrer Zofe Dora hat Judith eine Freundin gefunden, die obwohl als Dienstbote im Herrenhaus arbeitet, zu ihrer Herrin steht. Judith ist auch eine der seltenen hochgestellten Töchter, die sich für ihre Arbeiter und Dienstboten interessiert und sie in der Manufaktur miteinbezieht. Sie ist wissbegierig, liebenswürdig und hartnäckig. Judith verfolgt ihre Ziele mit einer Vehemenz und lebt für die Schokolade.

Die Autorin lässt uns auch einen Blick auf das Leben der Dienstboten werfen. Der beginnende Wirtschaftsumschwung und die Politik sind immer wieder Thema bei den Dienstboten. Während Fabriksarbeiter mehr Lohn und Freizeit bekommen, haben die Hausangestellten der Herrenhäuser kaum einen freien Tag und oft nur Kost und Logis. Auch Hausknecht Robert möchte nicht mehr unter den Arbeitsbedingungen arbeiten, die bei den Rothmanns herrscht. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten wird sehr deutlich angesprochen. Aber auch die Aufbruchsstimmung ins kommende neue Zeitalter ist spürbar.

Victor kämpft ebenfalls gegen die ihm auferlegte Zukunft. Sein Vater ist in der Armeé und erwartet sich von seinem Sohn denselben Aufstieg, den er gemacht hat. Victor ist jedoch kein Offizier. Er liebt es zu tüfteln und mit seinen Händen zu arbeiten. Bald schon weiß man, dass Judith und Victor das ideale Paar wären, jedoch steht dem nicht nur Victors Vergangenheit im Wege, sondern auch die Pläne von Wilhelm Rothmann, der unter keinen Umständen von seinem Plan abweicht.

Die Charaktere sind lebendig und wunderbar ausgearbeitet - und das bis in den kleinsten Nebencharakter. Besonders ans Herz gewachsen sind mir Karl und Anton. Die Streiche der Zwillinge haben immer wieder ein Lächeln in mein Gesicht gezaubert. Auf welche Ideen die beiden Lausbuben kommen, ist einfach nur genial. So kommt auch der Humor im Roman nicht zu kurz.

Einzig die Handlung am Gardasee hat der Geschichte ein bisschen an Schwung genommen. Als Nebenschauplatz nahm mir dieser Strang etwa zu viel Raum ein.
Die Schokoladenvilla wird weitergehen und ich freue mich schon jetzt auf die Fortsetzung. Und jetzt mache ich mir eine leckere Gewürz-Schokolade...

Schreibstil:
Der Schreibstil von Maria Nikolai ist flüssig und lässt sich wunderbar lesen. Er ist leicht und trotzdem hat die Autorin die Sprache dieser Zeit perfekt eingefangen. Man fühlt sich, als befände man sich selbst im letzten Jahrhundert und versuche gegen den Strom zu schwimmen. Maria Nikolai hat großartig recherchiert, erzählt lebendig und hat sich liebevoll ihren Charakteren angenommen.
Am Anfang jedes Kapitels sind Zeit und Ort des Geschehens angegeben. Auf den beiden Innenseiten des Covers gibt es ein leckeres Rezept.

Am Ende des Romans gibt es ein Personenregister, ein Glossar und einige Erklärungen zum historischen Hintergrund.

Fazit:
Ein toller Auftakt einer Trilogie rund um die Schokoladenmanufaktor Rothmann in Stuttgart, die man nicht ohne Schokolade in Griffnähe lesen sollte. Der Autorin gelingt ein faszinierendes Bild der verschiedenen Gesellschaftschichten, sowie die Aufbruchstimmung in ein neues Zeitalter. Gerne gebe ich eine Leseempfehlung und warte sehnsüchtig auf den nächsten Teil.