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Veröffentlicht am 20.03.2021

Augenblicke, die ein Leben verändern

Lebenssekunden
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Katharina Fuchs begeisterte mich bereits mit ihrem Debüt "Zwei Handvoll Leben". Es bekam von mir, wie auch der Folgeband meinen selten vergebenen ♥♥♥ Lieblingsbuch-Status ♥♥♥.
Und auch ihr neuer Roman ...

Katharina Fuchs begeisterte mich bereits mit ihrem Debüt "Zwei Handvoll Leben". Es bekam von mir, wie auch der Folgeband meinen selten vergebenen ♥♥♥ Lieblingsbuch-Status ♥♥♥.
Und auch ihr neuer Roman bekommt dieses "Prädikat"....wow! Ich glaube sie ist bisher die einzige Autorin, die das geschafft hat!
In ihrem neuen Roman erzählt sie die Geschichte zweier junger Mädchen Ende der 1950iger Jahre bis hin zum Mauerbau.
Christine ist Leistungsturnerin und lebt in Ostberlin, Angelika lebt in Kassel und möchte Fotografin werden. Sie hat ein Auge für besondere Momente. Angelika wächst in einer kinderreichen Künstlerfamilie auf. Als sie vom Gymnasium fliegt, steht ihre Zukunft auf wackeligen Beinen. Ohne Schulabschluss findet sie schwer einen Beruf, vorallem nicht in der Männerdomäne der Fotografie.
Das Gegenstück ist Christine, die sich seit ihrem 12. Lebensjahr dem Leistungssport verschrieben hat. Sie ist ein Ausnahmetalent am Stufenbarren. Doch als Tochter eines Republikflüchtlings wird sie ganz besonders hart gedrillt, obwohl ihre Mutter vom Staatsmodell der jungen DDR überzeugt ist. Neben Sport und Schule bleibt ihr keine Zeit. Seit der Gründung des Deutschen Turn- und Sportvereies in der DDR 1957 wird sie auf Olympia getrimmt und darf in den Elite-Kader. An der Tagesordnung sind dabei Grenzenüberschreitungen betreffend Körperverletzungen, die absichtlich herbeigeführt werden, um noch mehr Leistung bringen zu können.

Obwohl die beiden Mädchen in unterschiedlichen Welten aufwachsen, haben sie doch einige Gemeinsamkeiten. Sie haben Träume und Ziele, doch die Lebensumstände machen es ihnen nicht einfach.
Wir begleiten Angelika und Christine von 1957 bis 1961. Ihre mitreißenden Lebensgeschichten werden abwechselnd aus ihrer Sicht erzählt. Dabei haben mich beide Erzählungen völlig mitgerissen. Man hat beim Lesen das Gefühl echte Figuren zu begleiten, doch sowohl Angelika, als auch Christine sind fiktive Charakter.
Ich bin wieder restlos begeistert von der lebendigen, einfühlsamen, bildhaften und atmosphärischen Erzählweise der Autorin. Zusätzlich hat Katharina Fuchs die politische Entwicklung dieser Zeit perfekt eingefangen: Pendelverkehr zwischen den Zonen, Überwachung durch die Stasi, die verschiedenen Grundgedanken von Ost und West zur Zukunft des Landes....

Auch der Titel ist wunderbar eingefangen: Lebenssekunden - das sind die Sekunden, die Angelika mit ihrer Kamera einfängt - der perfekte Moment. Aber auch der Zeitpunkt in Christines Leben, der sie immer wieder zweifeln lästt und sich immer öfters fragt: Wann wird aus irgendwann jetzt?

Die Figuren sind Menschen, wie du und ich, und zeigen doch viel Persönlichkeit und Stärke. Man erkennt aber genauso die Verzweiflung und Unsicherheit. Es sind Menschen, wie du und ich...mit Träumen und Hoffnungen, Gefühlen und Empfindungen. Wie ich schon in meiner letzten Rezension geschrieben habe gehört eine Menge Portion Gefühl und vorallem Schreibkunst dazu, dass man die Charaktere so transportieren kann, dass sie auch den Leser mitreißen und bewegen. Ich kann mich hier nur selbst wiederholen...ich hoffe ihr verzeiht!

Bei Bücher, die mich sehr begeisten, habe ich öfters Probleme diese in meiner Rezension zu transportieren, wie auch hier. Deshalb sage ich euch einfach: Greift zu dieser tollen Geschichte, die ein Stück Zeitgeschichte wunderbar leicht und lebendig vermittelt.

Fazit:
Wieder ein grandioser Roman aus der Feder von Katharina Fuch. Von mir gibt es auch zu ihrem dritten Roman den ♥♥♥ Lieblingsbuch-Status ♥♥♥ . Ein Stück Zeitgeschichte festgehalten durch zwei mutige junge Frauen, die ihre Träume verwirklichen möchten. Der Roman hat mich berührt und erschüttert und vollkommen gefangen genommen. Von mir gibt es eine große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 14.03.2021

Ein dunkles Stück Zeitgeschichte

Erzwungene Wege
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"Erzwungene Wege" ist mein erstes Buch von Annette Oppenlander, die sich besonders diesem Genre und dieser Zeit widmet. Die Geschichte beruht teilweise auf Zeitzeugenberichte und erzählt von der damaligen ...

"Erzwungene Wege" ist mein erstes Buch von Annette Oppenlander, die sich besonders diesem Genre und dieser Zeit widmet. Die Geschichte beruht teilweise auf Zeitzeugenberichte und erzählt von der damaligen Kindeslandverschickung. Ich muss gestehen, dass ich noch kein Buch zum Thema gelesen habe, außer zwei Romane, wo jüdische Kinder nach Großbritannien verschickt werden. Bei der KLV, über die Annette Oppenländer erzählt, geht es jedoch um deutsche Kinder.

Peter ist einer davon, der im 1943 von Solingen mit der gesamten Klasse nach Pommern verschickt wird. Er freut sich schon auf den Strand und Abende bei Lagerfeuer, doch als die Jungen und ihr Lehrer ankommen, erwartet sie eine verlassene Schule, Hunger und später militärischer Drill.
Auch Hilda, seine Nachbarin und beste Freundin, soll nach Bayern auf Kinderlandverschickung gehen. Hilda möchte aber ihre Mutter nicht alleine lassen, nachdem schon der Vater vor längerer Zeit die Familie verlassen hat und ihr Bruder Paul eingezogen wurde. Doch Hilda und ihre Mutter geben den Drohungen durch den Bürgermeister und der Partei nach. Hilda und ihre Freundin Bine, sowie der Rest der Klasse, müssen daraufhin unter den strengen Augen der Mutter Oberin in einem Kloster arbeiten und bekommen ebenfalls kaum zu essen. Während Hilda versucht ihrer Mitschülerin Tilly zu helfen, die nicht nur von der Oberin, sondern auch von zwei Mädchen besonders gequält wird, spitzt sich die Lage für die Kinder immer mehr zu. Auch bei Peter in Pommern wird der Drill immer strenger und der Hunger immer größer. Das versprochene halbe Jahr vergeht und eine Rückkehr zu ihren Familien nach Solingen erscheint immer unwahrscheinlicher, nachdem die Engländer immer mehr deutsche Städte bombardieren....

Die Autorin beschreibt die Zeit der anfangs noch 14-jährigen Protagonisten sehr eindringlich und lebendig. Viel zu schnell müssen Hilda und Peter, sowie all die Kinder für die die Beiden in dieser Geschichte stehen, erwachsen werden. Wieder einmal war ich entsetzt über die Kälte und Unmschenlichkeit von Nonnen, die eigentlich den Mitmenschen helfen sollen, aber vor Grausamkeit strotzen. Aber auch die Partei und Hitlers Ideen aus den Kindern Kämpfer zu formen, die er als Frischfleisch an die Front schicken kann, sind wie in all diesen Fällen erschreckend zu lesen. Immer wieder wird man mit der Härte und Grausamkeit des Regimes konfrontiert. Aber nicht nur die Hilda und Peter versuchen zu überleben, sondern auch ihre Familien kämpfen ums nackte Überleben. Hunger und Kälte sind allgegenwärtig, genauso wie die kräftezerrenden Bombardierungen. Ich habe mit den Menschen mitgefiebert und gebangt.

Für mich war das Thema Kinderlandverschickung bisher nicht wirklich negativ behaftet. Meine Großmutter hatte ein deutsches Mädchen, deren Mutter an Tuberkulose erkrankt war und die niemand beherbergen wollte, bei uns in Österreich aufgenommen. Sie wuchs mit meiner Mutter auf und die beiden Frauen blieben Freundinnen bis an ihr Lebensende. Für mich war es positiv, dass "Tante Grete" hier auf dem Land in "Sicherheit" war und bei meiner Großmutter Kost und Logie hatte. Die andere Seite der Kinderlandsverschickung kannte ich nicht.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Annette Oppenlander ist sehr einnehmend, fesselnd und intensiv. Die Geschichte ist in drei Teile aufgeteilt und zwar von Mai 1943 - Juli 1944, danach von August 1944 - April 1945 und abschließend von April 1945 - Juni 1945.
Es wird abwechselnd aus der Sicht von Peter oder Hilda erzählt. Die Protagonisten sind authentisch und ich habe sie schnell ins Herz geschlossen. Der Plot ist abwechslungsreich und die Autorin konnte mich mit ihrer fesselnden Erzählung überzeugen. Sie hat großartig recherchiert und
Am Ende befindet sich eine Chronik ab 1939 bis 1966, die einen kurzen Einblick in die wichtigsten Ereignisse gibt.

Fazit:
Ein weiteres Stück dunkler Zeitgeschichte, über dass man viel zu wenig weiß. Annette Oppenländers Roman basiert auf Zeitzeugenberichte und hat mich von der ersten bis zur letzten Seite überzeugt. Eine Geschichte, die unter die Haut geht und die ich wärmstens weiterempfehle!

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Veröffentlicht am 12.03.2021

Stainer ermittelt wieder

Abels Auferstehung
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Nachdem mir der erste Band "Der rote Judas" sehr gut gefallen und von mir 5 Sterne erhalten hat, war ich nun äußerst gespannt auf die Fortsetzung. Vorallem weil mich der historische Mittelalterroman, den ...

Nachdem mir der erste Band "Der rote Judas" sehr gut gefallen und von mir 5 Sterne erhalten hat, war ich nun äußerst gespannt auf die Fortsetzung. Vorallem weil mich der historische Mittelalterroman, den ich erst vor kurzem gelesen und den der Autor unter Pseudonym geschrieben hat, ziemlich enttäuscht hatte, waren meine Erwartungen an den Krimi umso höher. Ich kann euch aber schon vorab verraten, dass diese erfüllt wurden!

Paul Stainer kommt nicht zur Ruhe. Sein neuerster Fall führt ihn ins Hotel "Fürst Bismarck", wo der jüdische Maler und ehemalige Soldat Fritz Sternberg in seinem Hotelzimmer erstochen aufgefunden wurde. Nach dem Tod seiner Frau Edith vergräbt sich Stainer noch mehr in seine Arbeit, die ihn und Kollege Junghans, zu einer schlagenden Studentenverbindung führen. Kurz zuvor hat die Journalistin Marlene Wagner die Mensur zwischen den Ermordeten und einem jungen Studenten miterlebt. Den Artikel, den sie für die linke Leipziger Zeitung schreibt, schlägt nach der Veröffentlichung große Wellen. Doch Marlene hat keine Zeit sich damit auseianderzusetzen, denn sie wird nach Basel gerufen, als man eine männliche Leiche aus dem Rhein fischt. Der Tote hatte ein Zigarettenetui aus Leipzig bei sich. Ist der tote Soldat ihr vermisster Bruder? Während Marlene herauszufinden versucht, wer der tote Soldat ist, ermittelt Paul in Leipzig wegen des toten Malers und ahnt nicht, dass die beiden Toten in Verbindung stehen....

Sehr schnell war ich wieder in Leipzig und mit Paul Stainer und Siegfried Junghans unterwegs. Die Ermittlungen gestalten sich jedoch schwierig. Die Szenen werden sehr detailliert und komplex beschrieben. Ziebula gelingt es wieder vortrefflich die Atmosphäre der Zwanziger Jahre einzufangen. Man lebt förmlich mit seinen Protagonisten mit, mit denen der Autor auch diesmal nicht zimperlich umgeht. Zusätzlich setzt er sich mit den politischen und gesellschaftlichen Leben der jungen Weimarer Republik auseinander. Da ist zum Beispiel die Straßenbahnfahrerin Josefine, die wir schon aus dem ersten Teil kennen. Ihr droht nun der Verlust ihres Jobs, weil Frauen, die während des Krieges für Männer einsprangen, nun wieder zurück an den Herd sollen. Doch wovon soll die Kriegswitwe mit vier Kindern leben?
Auch der Antisemetismus beginnt bereits eine Rolle zu spielen. Die politischen und gesellschaftlichen Tendenzen zu dieser Zeit werden vom Autor gekonnt eingesetzt. Die Auswirkungen des ersten Weltkrieges sind noch spürbar und Stainer muss sich diesmal sehr in Acht nehmen...

Die Figuren sind lebendig und facettenreich. Stainer kämpft noch immer mit seiner Kriegsneurose und dem Tod von Edith. Junghans ist Stainer ein treuer Kollege, der eventuell zu meiner neuen Lieblingsfigur aufsteigen könnte. Aber auch Fine oder ihre Tochter Mona mag ich sehr. Auch Rosa Sonntag, die Clubbesitzerin, die wir aus dem ersten Band kennen ist wieder mit von der Partie und ihre Geschichte noch nicht auserzählt.

Thomas Ziebulas Schreibstil ist fesselnd, detailliert und sehr atmosphärisch. Ihm gelingt es hervorragend Stimmungen einzufangen. Überraschende Wendungen erhöhen die Spannung. Eine davon hat mich jedoch schockiert zurückgelassen. Miträtseln ist ebenso angesagt und der Autor hat mich gekonnt auf die falsche Fährte gelockt.

Gelegentlich kommt auch der Täter zu Wort. Seine Gedanken sind in kursiver Schrift abgedruckt. Eine Karte von Leipzig befindet sich auf der vorderen und hinteren Umschlagsseite.

Fazit:
Wer die historischen Wien Krimis von Alex Beer liebt, der sollte auch zu Ziebulas Leipzig Krimis greifen. Von mir gibt es wieder eine fette Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 04.03.2021

Gelungener Trilogie-Abschluss

Die Rache des Lombarden
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Nachdem ich die letzten historischen Romane, die im Mittelater spielten, alle eher mittelmäßig bis schlecht bewertet habe, hatte ich schon die Befürchtung, dass ich keinen Gefallen mehr an dieser Epoche ...

Nachdem ich die letzten historischen Romane, die im Mittelater spielten, alle eher mittelmäßig bis schlecht bewertet habe, hatte ich schon die Befürchtung, dass ich keinen Gefallen mehr an dieser Epoche finden kann. Petra Schier hat mich vom Gegenteil überzeugt, denn ihr dritter Band der Lombarden Reihe konnte mich wieder genauso fesseln, wie schon Band 1 und 2.
Wer vor hat "Die Rache des Lombarden" alleinstehend zu lesen, dem empfehle ich unbedingt die Reihenfolge einzuhalten, da die Geschichten aufeinander aufbauen.

Bereits der Prolog hat es in sich. Waffenknechte dringen in Aleydis Haus ein und entführen die Schwestern Ursel und Marlein. Ein Alptraum für die gutherzige Witwe, die ihre Mündel wie eigene Kinder liebt. Dahinter steckt Hartmut de Piacenza, der das Testament seines Onkels nicht anerkennen will. Aleydis kämpft mit Hilfe des Gewaltrichters Vinzenz van Cleve gegen dieses Unrecht. Aber vorallem bringen sie diesmal die ehemals undurchsichtigen Machenschaften ihres verstorbenen Mannes in arge Bedrängnis.

Dies ist der Ausgangspunkt des leider letzten Bandes dieser Trilogie. Wie von der Autorin gewohnt, bereitet sie uns Leser wieder äußerst spannende Lesestunden. Die knapp über 400 Seiten lesen sich weg wie nichts.
Die Figuren sind lebendig und facettenreich beschrieben. Man begegnet vielen alten Bekannten aus den Vorgängerbänden, die einem das Gefühl geben auf "Familienmitglieder" zu treffen. Zu Beginn des Buches findet man außerdem ein Personenregister.

Die damalige Zeit wurde von Petra Schier perfekt eingefangen. Man wandert durch die Gassen des mittelalterlichen Köln. Die zu Beginn gedruckte Karte der Stadt im 15. Jahrhundert ist dabei noch eine zusätzliche Hilfe.
Die Sprache ist der Zeit angepasst. Die Autorin verwendet oftmals Worte, die vielleicht Leser, die Einsteiger in historische Romane sind, nicht so sehr bekannt sind. Hier wäre vielleicht ein Glossar hilfreich. Die Dialoge zwischen Aleydis und Vinzenz sind wieder ein richtiger Genuss zu lesen. Ob die beiden sich im Abschlussband endlich näher kommen oder nicht, verrate ich euch nicht. Das müsst ihr schon selber lesen.

Die Autorin lässt zum Ende eine Frage offen, die zum Rätseln einlädt. Im Nachwort erzählt sie mehr darüber und ich fand diese Idee äußert gut gelöst.

Fazit:
Ein gelungenes Finale der Trilogie, die mich vom ersten Band weg begeistern konnte. Gerne hätte ich Aleydis noch bei weiteren Abenteuern begleitet. Von mir gibt es eine Leseempfahlung für die gesamte Reihe für Leser, die gerne spannende Mittelalterromane lesen.

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Veröffentlicht am 12.02.2021

Erinnerungen sind trübe

Das Geburtstagsfest
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Bereits im Spätherbst 2019 war ich bei der Lesung von Judith W.Taschler, als sie ihren Roman "Das Geburtstagsfest" in St. Pölten vorstellte, zu Gast. Hier könnt ihr darüber nachlesen. Es war sehr interessant, ...

Bereits im Spätherbst 2019 war ich bei der Lesung von Judith W.Taschler, als sie ihren Roman "Das Geburtstagsfest" in St. Pölten vorstellte, zu Gast. Hier könnt ihr darüber nachlesen. Es war sehr interessant, vorallem weil die Autorin selbst mit einer kambodschanischen Flüchtlingsfamilie im Haus aufgewachsen ist.

Kim und Tevi sind vierzehn und zwölf Jahre alt, als sie in den frühen Achziger Jahren als Flüchtlinge über Thailand nach Österreich kommen. Sie finden bei Monika und ihrer Tochter Ines ein neues Zuhause. Während Tevi das Land später wieder verlässt, bleibt Kim in Österreich, wird Architekt und heiratet Ines. Zum 50. Geburtstag möchte ihm sein jüngster Sohn Jonas eine ganz besondere Überraschung schenken. Er sucht nach Tevi und lädt sie zum Geburtstagsfest zu sich nach Hause ein. In all den Jahren wurde den Kindern erzählt, dass ihr Vater damals dem Mädchen das Leben gerettet hat. Kim selbst mag allerdings über seine Vergangenheit nicht sprechen. Jonas hofft mit seiner Einladung seinen Vater endlich aus der Reserve zu locken und endlich mehr über seine Kindheit zu erfahren.
Damit beginnt eine grandiose Geschichte, die den Leser an die Seiten fesselt. Die gut gemeinte Einladung der "Flüchtlingsschwester" Tevi lassen bei Kim alte Wunden aufbrechen. Die furchtbaren Gräueltaten der Roten Khmer, die beide gerade noch überlebt, aber nicht vergessen haben, kommen wieder hoch und das Fest wird zur Katastrophe....

Ich muss zugeben, dass ich zwar mit den Namen Pol Pot und Rote Khmer etwas anfangen konnte, aber das war es dann auch schon wieder. Ich bin genauso alt wie Kim im Roman und habe als Kind gar nichts davon mitbekommen, was sich in Kambodscha Schreckliches abgespielt hat, dabei wurden damals rund zwei Millionen Menschen umgebracht.Während Tevi ihre Kindheit immer und immer wieder heraufbeschwört, setzt Kim auf totale Verdrängung. Bis alles zusammenbricht.

Die Geschichte spielt auf meherern Zeitebenen. 2016 feiert Kim Mey seinen 50. Geburtsag. In Rückblenden, die sich immer mit dem Gegenwartstrang abwechseln, erfahren wir mehr über seine ärmliche Kindheit, aber auch über die Familie Tevis, die der oberen Schicht angehörte. Als es in den späten 70iger Jahren unter der Schreckensherrschaft von Pol Pot und den Roten Khmer in Kambodscha zu einem regelrechten Abschlachten der höher gebildeten Menschen kommt, finden viele Kinder Unterschlupf und werden als Kindersoldaten ausgebildet. Im dritten Strang sind Kim und Tevi als Flüchtlingskinder in Österreich gelandet und finden bei Monika und Iris eine Pflegefamilie. Die krassen Gegensätze haben mich sehr nachdenklich gemacht.

Die Autorin hält sich mit grausamen Beschreibungen durch die Roten Khmer nicht wirklich zurück. Oftmals muss man Pausen einlegen - auf der anderen Seite fesselt die Geschichte jedoch so extrem, dass man einfach immer weiterlesen möchte.
Die Autorin schafft es berührend zu schreiben, ohne rührselig zu werden. Sie zeigt auf, wie unterschiedlich sich die beiden Hauptcharaktere auf die Zeit in kambodschanischen Bürgerkrieg zurückerinnern. Man stellt sich die Frage, wer der Wahrheit näher kommt: Kim oder Tevi? Die seelischen Wunden, die beide als Kinder erfahren haben, sind auch in der Gegenwart spürbar.

Für ihre fiktive und vielschichtige Geschichte hat die Autorin nicht nur eine Reise durch Kambodscha gemacht, sondern sie wuchs selbst in ihrem Elternhaus mit einer kambodschanische Füchtlingsfamilie auf. Die Menschen dieses Landes stehen ihr sehr nahe und das merkt man in jeder Zeile ihres Romans.

Ein vielschichtiges Drama über Schuld, Lebenslügen und Verdrängung. Die unterschiedlichen Blickwinkel ergeben langsam ein Ganzes...doch nicht immer sind die Dinge wie sie scheinen, denn die eigenen Erinnerungen können täuschen.....

Fazit:
Eine intensive Geschichte über die Herrschaft der Roten Khmer in Kambodscha in den 1970iger Jahren. In ihrem Roman stellt die Autorin die Erlebnisse zweier mittlerweile erwachsener Menschen, die in Österreich bzw. den USA eine neue Heimat gefunden haben, ins Rampenlicht - stellvertretend für viele andere Flüchtlinge. Ein Buch, das noch lange nachhallt und das ich gerne weiterempfehle!

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