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Veröffentlicht am 17.10.2018

Die geheime Sprache der Briefmarken

Das Mädchen mit dem Edelweiß
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Vom Verlag erhielt ich die Anfrage, ob ich diesen Roman lesen und rezensieren möchte. Da ich selbst in Österreich lebe und Bücher mit dem Thema Zweiten Weltkrieg gerne lese, war meine Neugierde geweckt. ...

Vom Verlag erhielt ich die Anfrage, ob ich diesen Roman lesen und rezensieren möchte. Da ich selbst in Österreich lebe und Bücher mit dem Thema Zweiten Weltkrieg gerne lese, war meine Neugierde geweckt. Außerdem war mein Vater ebenfalls Briefmarkensammler und hat mich schon als Kind in diese Materie eingeführt. Trotzdem hatte ich etwas Bedenken, denn ich fragte mich, ob es eine amerikanische Autorin schafft mein Heimatland zur Zeit des 2. Weltkrieges und das Thema Briefmarken realitätsnah und authentisch zu beschreiben. Da ich bereits einmal einen Roman einer britischen Autorin gelesen habe, die über das Schi fahren schrieb und dabei wirklich hanebücherne Dinge verfasste (ich muss noch heute den Kopf darüber schütteln!), war ich sehr skeptisch. Doch Jillian Cantor hat mich positiv überrascht und schließlich überzeugt!

Die Handlung wird in zwei Zeitebenen aufgeteilt. Wir befinden uns 1989 in Kalifornien und 1938/39 in einem kleinen Dorf in Österreich.
Katie lebt in L.A. und hat im Moment eine schwere Zeit. Die Scheidungspapiere liegen zum Unterzeichnen in ihrer Wohnung, ihr baldiger Ex-Mann ist noch dazu ihr Chef und ihr Vater leidet immer mehr an Demenz. Schweren Herzens muss sie ihn ins Heim bringen. Seine große Leidenschaft im Leben waren seine Briefmarken. Jeden Sonntag nahm er seine Tochter mit auf diverse Flohmärkte und träumte davon, irgendwann einen besonderen Schatz zu finden. Katie bringt seine Sammlung zum Schätzen zum Briefmarkenhändler Benjamin Grossmann. Dieser findet tatsächlich etwas Außergewöhnliches: einen nicht abgeschickten Briefumschlag an Fräulein Elena Faber mit einer sonderbaren Briefmarke darauf. Es ist eine alte Marke aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges und zeigt den Stephansdom in Wien. Doch auf der Kirchturmspitze befindet sich, fast unkenntlich, ein Edelweiß. Katie und Benjamin beschließen daraufhin herauszufinden, welches Geheimnis diese Marke birgt.
1938: Christoph, ein Waisenjunge, darf das Handwerk des Briefmarkengraveurs beim berühmten jüdischen Graveur Friedrich Faber erlernen. Dort wird er liebevoll in die Familie aufgenommen. Christoph ist faszniert von der kunstvollen Arbeit. Er ist ein guter Zeichner, doch mit dem Stichel und der Metallplatte tut er sich anfangs sehr schwer. Fabers Tochter Elena arbeitet selbst heimlich mit dem Stichel und ist nicht ungeschickt. Politisch ist die Zeit keine leichte, denn Österreich wird von Deutschland ins Deutsche Reich "aufgenommen" und die Hetzte gegen die Juden wird immer schlimmer. Friedrich Faber, seine Frau und die Töchter Miriam und Elena sind in Gefahr....

Jillian Cantor hat die Faszination des Gravurhandwerks hervorragend beschrieben. Im Widerstand gegen Hitler wurden auf Briefmarken öfters geheime Botschaften versteckt und so weiter gegeben.
Die Autorin hat die Lage in Österreich zur Zeit der Besatzung und des anschließenden Beginn des Zweiten Weltkrieges sehr anschaulich dargestellt. Das Niederbrennen und die Ausrottung einzelner Dörfer, die Enteignung der Juden und ihrer Geschäfte, sowie im besonderen Fall die Aufgabe eigene österreichische Briefmarken im Deutschen Reich herzustellen. Es geht auch um Fluchthilfe und Widerstand.
Aber auch das Jahr 1989 ist ein politisch wichtiges Jahr. Mit Katie reisen wir kurz nach dem Fall der Mauer nach Berlin und der Leser erlebt auch hier einen denkwürdigen Moment. Im Gegenwartstrang nimmt sich die Autorin der Alzheimererkrankung und menschlichen Verlusten an. Auch diese Themen hat sie gut umgesetzt.

Die Charaktere seind sehr lebendig und liebevoll gestaltet. Ich hatte sie alle vor Augen und die individuellen Charaktere haben mir äußerst gut gefallen. Katie liebt ihren Vater sehr und kümmert sich rührend um ihn. Benjamin blieb mir allerdings ein bisschen zu blass. Er war generell die einzige Figur, die ich nicht richtig greifen konnte. Katies Großmutter hingegen ist mir besonders ans Herz gewachsen. Auch Christoph ist ein sehr liebenswürdiger Mensch, der vorallem für Andere da ist. Elena ist eine sehr impulsive junge Frau, die oft handelt und erst später denkt. Sie ist im Widerstand tätig und sich oftmals der Gefahr, in die sie sich begibt, nicht richtig bewusst. Eine sehr starke Frau!

Was ich nicht unbedingt gebraucht hätte, war die Liebesgeschichte in der Gegenwart. Sie hat mich auch nicht zu 100% überzeugt.

Schreibstil:
Der bewegende und bildhafte Schreibstil der Autorin hat mich mit den Figuren mitfiebern lassen. Jilliane Cantor hat hervorragend zu den Themen Briefmarken, Beginn des zweiten Weltkrieges in Österreich und auch zum Thema Alzheimer recherchiert. Ihre Ausführungen über die politischen Ereignisse in Österreich 1938/39 und die der Wende in Deutschland 1989 wurden sehr interessant und authentisch dargestellt.

Fazit:
Ein Roman auf zwei Zeitebenen, der teilweise in meinem Heimatland spielt. Eine bewegende Geschichte mit Tiefe, die mich überzeugen konnte und mir spannende Lesestunden gebracht hat. Gerne empfehle ich diesen Roman weiter.
Vielen Dank an den Heyne Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!

Veröffentlicht am 14.10.2018

Herb e Enttäuschung

Ab morgen für immer
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Hätte ich dieses Buch nicht in einer Lovelybooks Leserunde gelesen, hätte ich es spätestens nach den ersten 100 Seiten abgebrochen.
Normaler Weise liebe ich Romane die ähnliche Inhalte haben wie eines ...

Hätte ich dieses Buch nicht in einer Lovelybooks Leserunde gelesen, hätte ich es spätestens nach den ersten 100 Seiten abgebrochen.
Normaler Weise liebe ich Romane die ähnliche Inhalte haben wie eines meiner absoluten Lieblingsbücher "Zwei an einem Tag" von David Nicholls", wo ein Mann und einen Frau erst nach Jahren zusammenfindet. In dieser Art hatte ich mir laut Klappentext auch diesen Roman vorgestellt. Bekommen habe ich nichts davon.

Der Roman wird aus der Perspektive von Eve und von Ben erzählt, wobei derjenige von Eve den Hauptteil der Geschichte einnimmt. Schon der Einstieg bereitete mir Schwierigkeiten. Die in der Inhaltsangabe angegebene Liebesgeschichte zwischen Eve und Ben findet erst ab cirka der Hälfte des Buches statt. Zuvor begleiten wir die junge Frau, die ihr letztes Jahr am College absolviert, durch Bars oder nehmen Teil an Parties, Drogenkonsum und One Night Stands. Dabei lernen wir ihre Freundinnen Maya und Kate kennen. Eve hat jedoch ein Auge auf Jesse geworfen, einen drogenabhängigen und egozentrischen Musiker, mit dem sie eine Beziehung eingeht. Die Beiden agieren jedoch eher selbstzerstörerisch und ziehen sich gegenseitig in den Abgrund.
Durch Rückblenden in Eves Kindheit erhält man ein genaueres Bild von ihr. Seit dem Weggang ihres Vaters, der die Familie verließ, als sie noch klein war und dem Tod der Mutter, vermeidet sie engere Beziehungen. Sie hat immense Verlustängste. Auch zu ihrer Schwester hat sie keine feste Bindung. Diese Rückblenden fand ich etwas interessanter und auch der Schreibstil, der mir oft wirr und hölzern vorkam, besserte sich bei diesen kurzen Rückblenden.
Eve empfand ich als unsympathisch, extrem und zerstörerisch. Dabei auch egoistisch und verletzend. Mit ihr wurde ich absolut nicht warm.
Ben lernen wir gleich zu Beginn bei Eve's wilden Partytreiben kennen, jedoch bleibt er eine Figur am Rande. Er ist das Gegenteil von Eve: besonnen und liebenswürdig. Für Eve ist er zu Beginn einfach nur ein Langweiler. Von der Liebe zwischen den Beiden konnte ich auch im zweiten Teil des Romans nichts spüren. Da sprühen keine Funken, da gibt es keine Gefühle und auch kein Knistern. Ich spürte absolut nichts! Einzig Ben gibt sich große Mühe Eve zu gefallen. Für eine Beziehung oder die große Lovestory, wie im Klappentext angekündigt, war es mir viel zu wenig. Dabei brauche ich keinen Kitsch, aber wenigstens glauben muss ich, dass sich die Beiden lieben....

Die Figuren bleiben insgesamt sehr an der Oberfläche und sind eindimensional. Eves Freundinnen scheinen zu Beginn und am Ende des Romans auf, aber ich kann über Maya überhaupt nichts sagen und über Kate nur, dass sie anscheinend den falschen Mann heiratet. Charaktereigenschaften oder tiefgründige Gedanken der Figuren sucht man in diesem Roman vergebens.

Leslie Cohen greift auch kurz das Thema 9/11 auf, ebenso wie Trennung und Untreue, aber mir kam das Ganze wie hingeworfene Teile vor, die erwähnt, aber nicht wieder aufgegriffen wurden.
Aufgefallen ist mir auch, dass sehr oft Essen weggeschmissen wurde. Eve kauft sich zum Beispiel einen Burger und als Ben oder Jesse etwas zu ihr sagt, was ihr nicht passt, vergeht ihr der Appetit und sie wirft den noch unangetasteten Burger in den Mistkübel. Auch ein Eis mit bunten Streusel muss daran glauben. Ist dies nun sehr amerikanisch (wie der Roman generell) oder einfach ein schlechter Charakterzug der Protagonistin? Ist es das Alter oder ??? Ich habe keine Ahnung!

Generell hat der Roman keinerlei Vorbildfunktion...eigentlich weiß ich nach dem Beenden nicht einmal was er mir sagen will.....traurig! Hier finden wir weder eine Liebesgeschichte, noch eine wohldurchdachte Story....sorry!

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist nüchtern und hölzern. Ich hatte große Schwierigkeiten beim Lesen. Die wirren Gedanken der Protagonistin, denen ich nicht immer folgen konnte und der plötzliche Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit, machte es mir noch schwerer.
Die Charaktere sind oberflächlich. Ich hatte kein genaues Bild von den Figuren im Kopf. Manche Namen waren gleich wieder vergessen.

Fazit:
So einen schlechten Roman habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Ich kann das Buch leider nicht weiter empfehlen!

Veröffentlicht am 13.10.2018

Wohin führt das Leben?

Ein Winter in Paris
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Jean-Philippe Blondel hat mich mit seinem neuen Roman in meine eigene Schulzeit zurückversetzt. Sein Protagonist Victor, Autor und Englischlehrer, erhält etwa 30 Jahre nach dem Beenden seiner Schulzeit ...

Jean-Philippe Blondel hat mich mit seinem neuen Roman in meine eigene Schulzeit zurückversetzt. Sein Protagonist Victor, Autor und Englischlehrer, erhält etwa 30 Jahre nach dem Beenden seiner Schulzeit einen Brief von einem gewissen Patrick Lestaing, der ihn zurück ins Jahr 1984 katapultiert.

Damals kam er als 19jähriger junger Mann von der Provinz nach Paris, wo er die Vorbereitungsklasse des Lycée D. besuchte. Im ersten Jahr büffelte er für die Aufnahmeprüfung, um einen Platz an einer der französischen Eliteunis zu bekommen. Der Druck am Lycée D. ist außergewöhnlich hoch. Victor fühlt sich in der Hauptstadt einsam. Er ist ein Außenseiter, der aus der Provinz kommt und nicht zu den gewohnten Eliteschülern gehört. Seine Eltern sind einfache Leute, die ihm weder einen gesellschaftlichen, noch einen kulturellen Hintergrund vermittelt haben. Victor ist der Erste der Familie, der studiert. In seinem kleinen Zimmer in Nanterre lernt er stundenlang, um den Demütigungen der Lehrer zu entkommen. Obwohl er selbst nicht daran glaubt, meistert er das erste Vorbereitungsjahr. Im Pausenhof begegnet er Mathieu. Dieser erinnert ihn an sich selbst. Mathieu kommt ebenfalls aus der Provinz und bleibt wie Victor ein Außenseiter. Doch er hält dem Druck nicht stand und springt in den Tod.
Plötzlich ist Victor nicht mehr unsichtbar, sondern wird von seinen Mitstudenten, und auch den Lehrern, wahrgenommen. Er fühlt sich dadurch verunsichert, doch mit der Zeit findet er gefallen daran. Selbst Paul Rialto, der Klassenbeste und Eliteschüler will mit ihm befreundet sein.
Trotz des Unglücks ändert sich bei der Lehrerschaft nichts. Am System wird weiter festgehalten und Victor beginnt dagegen zu rebellieren. Als Mathieus Vater ebenfalls seine Nähe sucht, um mit ihm über die letzten Stunden von Mathieu zu sprechen, wird dieser mit der Zeit zu einem Art väterlichen Freund.

Obwohl dieser Roman nicht viele Seiten hat, überzeugt er durch Tiefe und Dramatik. Die eher melancholische Stimmung nimmt den Leser gefangen. Sprachlich einfach großartig, beschreibt Blondel die verwirrenden Gefühle von Victor authentisch und sehr einfühlsam. Man fühlt sich dem Protagonisten sehr nahe, der vom Außenseiter im elitären System plötzlich zu einer Art "Star" wird und von Mathieus Tod profitiert. Victor genießt es zu Beginn, doch mit der Zeit beginnt er sein Leben in Frage zu stellen.

Der Roman zeigt auf, wie verunsichert Jugendliche in diesem Alter sind und nicht wissen, wohin der weitere Lebensweg führen soll. Sie stehen an einer Wegkreuzung und sind voller Zweifel. Blondel zeigt aber auch die verschiedenen Arten zu trauern auf. Mathieus Vater klammert sich an die letzten Stunden seines Sohnes und möchte mit Victor darüber reden. Er versucht Antworten zu finden und mit der Zeit wird Victor eine Art "Ersatzsohn" für ihn. Mathieus Mutter hingegen stand ihrem Sohn sehr nahe, blickt jedoch der Realität ins Auge und kann das Verhalten von Victor und ihrem Exmann nicht verstehen.

Blondel prangert in seinem Roman das französische Schulsystem an. Ich kann zu meinem Leidwesen sagen, dass auch ich unter einer ähnlichen Professorin gelitten habe, die ihre Schüler täglich gedemütigt hat und die mir noch bis zu meinem 30. Lebensjahr Alpträume beschert hat! Diese "Pädagogen" wird es immer geben - leider!

Es ist ein Roman der leisen Töne. Es geht um Freundschaft, Trauer, Leistungsdruck und das Leben an sich. Man kann sich unzählige wundervolle Zitate aus diesem Büchlein notieren oder herausschreiben. Einzig das Ende hatte für mich ein bisschen zu wenig Aussagekraft.

Fazit:
Nicht immer ist die Seitenanzahl ausschlaggebend darüber, was ein Buch zu sagen hat. Hier steckt wahnsining viel in 192 Seiten drinnen! Einzig zum Ende hätte ich mir noch ein wenig mehr Aussagekraft gewünscht - sonst aber ein absolutes Lesevergnügen!

Veröffentlicht am 11.10.2018

Verliebt in deine Stimme

Die Stunde der Señorita Leo
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Stellt euch vor es wäre die letzte Folge von "Game of Thrones" oder das Finalspiel der Fußball-WM im TV....und dann blenden wir zurück ins Jahr 1977 nach Barcelona. Dort spielt der neue Roman von Ángeles ...

Stellt euch vor es wäre die letzte Folge von "Game of Thrones" oder das Finalspiel der Fußball-WM im TV....und dann blenden wir zurück ins Jahr 1977 nach Barcelona. Dort spielt der neue Roman von Ángeles Doñate. Was heute ein Straßenfeger ist, ist Ende der Siebziger die Radiosendung "Die Stunde der Senorita Leo", der Aurora ihre Stimme verleiht. Die Zuhörer lieben sie und die Geschichten, die sie vorliest. Es sind oftmals Hilferufe oder einfach Briefe, in denen Menschen ihren Kummer niederschreiben und ihr Herz ausschütten. Wer hinter Señorita Leo steckt, hält der Sender geheim, denn auch Aurora ist nur ein Spielball der Presse. Sie bekommt nur bestimmte Briefe, die von Psychologen ausgesucht und beantwortet werden. Eines Tages fragt sie nach all der Post, die in Postsäcken verschwindet und nicht vorgelesen werden. Sie ist entsetzt als sie erfährt, dass sie verbrannt werden und nimmt diese Briefe zu ihr mit nach Hause, um sie alle perönlich zu beantworten. Dabei fällt ihr der Brief von Sole, einer vierfachen Mutter in die Hände, die von ihrem Mann geschlagen wird und aus der Ehe ausbrechen möchte. Als sie die Zeilen von Sole ohne Zustimmung vorliest, steht nicht nur ihr Job auf dem Spiel....

Die Charaktere sind ganz wunderbar gezeichnet. Oft hatte ich das Gefühl all die Sorgen und Ängste, aber auch die Hoffnungen und die Liebe mit den Figuren zu teilen. Da ist, wie oben schon angesprochen Sole, deren Mann trinkt und sie schlägt. Oder auch die 17jährige Elisa, die jeden Lebensmut verloren hat, nachdem ihr Bruder gestorben ist und ihre Eltern im Kummer versinken. Oder Germán, ein Handelsvertreter für Dessous, der sich in die Stimme von Señorita Leo verliebt hat und unbedingt herausfinden möchte, wer sie ist. Und natürlich Aurora selbst, die nicht - wie sich ihre Hörer das Vorstellen - in Saus und Braus lebt und von einer liebevollen Familie umgeben ist, sondern in einer kleinen Wohnung alleine mit ihrem Papagei Paquito lebt. Sie hat eine gescheiterte Beziehung hinter sich und kümmert sich um ihren drogenabhängigen Bruder, der sie nur besucht, wenn er Geld braucht.
Drei Frauen, die die Hoffnung verloren haben je wieder Glück und Liebe zu finden. Ihre Schicksale haben mich sehr berührt.
Unbeholfen, aber sehr sympathisch ist auch Germán, der ebenfalls alleine lebt und als Handelsvertreter im ganzen Land herumreist. In seinem Job als Dessousvertreter ist er wirklicht gut, was Frauen betrifft weniger. Seine Nächte verbringt er in den Hotelzimmern der Städte, die er auf seiner Route abklappert. Seine Eltern und seine Schwester samt Familie sind ihm irgendwie entglitten und so legt er seine ganze Leidenschaft in die Entdeckung der wahren Identität von Señorita Leo und ihrer zauberhaften Stimme.

Die Autorin nahm sich das spanische Radioprogramm "El Consultorio de la Señorita Francis", welches von 1947 - 1984 ausgestrahlt wurde, als Vorbild für ihren Roman. Oft hatte ich das Gefühl eine französische Geschichte vor mir zu haben. Das Buch vermittelte für mich einen französichen Charme, obwohl er von einer Spanierin geschrieben wurde und in Barcelona spielt.
Gefallen hat mir auch das Nostalgische, der Retro-Touch aus den 1970-igern. Das Radio spielte damals noch eine wesentlich größere Rolle und auch das Frauenbild war ein ganz anderes. Das Land befand sich nach der Franco Diktatur im Wandel und die Spanierinnen erhielten erst jetzt die Chance für ihr Wahlrecht zu kämpfen.

Schreibstil:
Ich bin begeistert vom charmanten und einnehmenden Schreibstil der Autorin. Sie bringt uns diese einfühlsame Geschichte näher, indem sie aus der Sicht der verschiedenen Protagonisten erzählt. Auch die Romantik kommt nicht zu kurz. Das Gefühl beim Lesen der Geschichte war wie ein Wohlfühlprogramm, trotz der doch oft traurigen Schicksale. Man verspürte keinerlei negativen Gedanken dabei, sondern Lebensmut. Ángeles Doñate hat ein Händchen dafür dies wunderbar umzusetzen.

Fazit:
Ein einfühlsamer Roman, der sich leicht lesen lässt und doch Tiefgang hat. Romantisch und charmant, aber auch mit einer kleinen Prise Humor und einem Hauch Nostalgie. Am Ende schließt man das Buch mit einem leichten und zufriedenen Lächeln im Gesicht. Empfehlenswert!

Veröffentlicht am 09.10.2018

Die Mätresse des Herzogs und ihre Spionin

Die Meisterbanditin
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Der neue historische Roman von Silvia Stolzenburg ist der Beginn einer neuer Reihe, die im 18. Jahrundert spielt.

Marie und Bartholomäus sind ein Paar, doch beim Erntedankfest erklärt er ihr, dass er ...

Der neue historische Roman von Silvia Stolzenburg ist der Beginn einer neuer Reihe, die im 18. Jahrundert spielt.

Marie und Bartholomäus sind ein Paar, doch beim Erntedankfest erklärt er ihr, dass er die Tochter des reichen Pferdebauern heiraten wird. Marie ist entsetzt und unfassbar traurig. Ihr Schicksal ist somit beschlossen, denn ihr Ruf ist dahin und die Eltern wollen sie nicht mehr durchfüttern. Marie muss das Dorf verlassen und sich eine Anstellung suchen. Doch die Aussicht bei einem Schweinebauern als Magd zu arbeiten behagt ihr gar nicht. Da probiert sie es doch lieber auf Schloss Brenz, wo Gräfin Wilhelmine residiert. Sie hat einen eher zweifelhaften Ruf, denn sie ist die Mätresse des Herzogs von Würtemberg. Im Dorf wird sie als Hexe bezeichnet, weil ihr der Herzog hörig ist. Marie hat Glück, denn die Köchin benötigt tatsächlich eine Küchenmagd. Doch auch auf Schloss Brenz hält dieses nicht lange an, denn der Geliebte der Gräfin, Jägermeister Hubertus, stellt dem jungen Mädchen nach. Als sich Marie wehrt, bezichtigt er sie des Diebstahls. Sie wird eingekerkert. Sie kann der Bestrafung nur entgehen, wenn sie die Burg mit der Schaustellergruppe verlässt und als Spionin für die Mätresse des Herzogs arbeitet. La Bonelle, der Anführer der Gaukler und Wilhelmines Meisterspion, nimmt sie unter seine Fittiche und bildet sie als Schauspielerin und Diebin aus. Doch die Feinde von Wilhelmina sind zahlreich und geben nicht so schnell auf. Und auch Jäger Hubertus sinnt auf Rache....

Der neue historische Roman mit Krimielementen ist wieder wahnsinnig schnell gelesen, denn der flüssige und anschauliche Schreibstil der Autorin lässt einem sofort in die Geschichte eintauchen. Die Handlung ist kurzweilig und man liest sich sehr schnell durch die gerade mal 315 Seiten, was für einen historischen Roman nicht sehr viel ist.
Mit ihren beiden weiblichen Protaginistinnen, die trotz vieler Gefahren und Anfeindungen ihren eigenen Weg gehen, hat sie zwei starke Frauen geschaffen. Wilhelmina ist dabei keine fiktive Figur, sondern hat tatsächlich gelebt und war die Mätresse des Herzogs Eberhard Ludwig. Sein großes Vorbild war der Sonnenkönig, Ludwig der XVI..
Auch der Herzog hat sich sein eigens Schloss bauen lassen, Schloss Ludwigsburg, wo er fröhliche Feste feierte und Jagdgesellschaften gab. Der Politik konnte er nicht viel abgewinnen und so überließ er Wilhelmine die politischen Ränkespiele.

Marie ist ein fiktiver Charakter und steht für einige jungen Frauen dieser Zeit, die viel zu schnell durch ihre Unbedarftheit oder wegen wollüstiger Männer aus Adelskreisen ihren Ruf und ihre Unschuld verlieren. Marie ist noch nie aus ihrem Dorf hinausgekommen und muss sich, früher als ihr lieb ist, auf eigene Beine stellen, denn auch in der Gauklergruppe ist sie wieder einigen Anfeindungen ausgesetzt. Die junge, und anfangs eher naive Frau, lernt schnell und muss bald erkennen, dass sie niemand wirklich trauen darf. Auch Diebstahl und Spionage will gelernt sein und dauert seine Zeit...

Zum Ende hin steigt der Spannungsbogen nochmals an und lässt einige Fragen (Cliffhanger) offen. Deswegen ließ es mich ein bisschen unzufrieden zurück. Nun heißt es auf Band 2 warten....

Schreibstil:
Der Schreibstil von Silvia Stolzenburg liest sich sehr flüssig und temporeich. Die Figuren sind sehr bildhaft und lebendig beschrieben. Man fühlt sich mitten im Ränkespiel der adeligen Herrschaften oder in der Schaustellertruppe. Dieser historische Roman ist auch für Histo-Quereinsteiger geeignet, da er sich leicht und schnell lesen lässt.
Die Kapitel sind eher kurz gehalten. Im Nachwort gibt es noch Wissenwertes über Herzog Eberhard, seine Mätresse Wilhelmina und der Ludwigsburg, aber auch über die damaligen Gaukler.

Fazit:
Ein temporeicher historischer Roman, der sich leicht lesen lässt und ideal für Einsteiger in das historische Genre ist. Schnell hat man die 300 Seiten gelesen und ist erstaunt, dass am Ende doch einige Fragen offen bleiben und die Geschichte mit einem kleinen Cliffhanger endet. Somit heißt es geduldig auf Band 2 warten...