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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.10.2018

Mutter, wer bist du?

Ein Teil von ihr
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"Ein Teil von ihr" ist ein Stand alone der Autorin. Ich habe bis jetzt fast alle ihre Bücher gelesen und war schon sehr neugieig auf ihren neuen Thriller. Die Bewertungen waren ja eher durchwachsen...

Die ...

"Ein Teil von ihr" ist ein Stand alone der Autorin. Ich habe bis jetzt fast alle ihre Bücher gelesen und war schon sehr neugieig auf ihren neuen Thriller. Die Bewertungen waren ja eher durchwachsen...

Die Story beginnt allerdings mit einem Knalleffekt und mit einem großen Fragezeichen im Gesicht des Lesers. Wir begegnen Mutter und Tochter: Laura und Andrea.
Andrea ist Anfang 30 und hat ihren Weg im Leben noch nicht wirklich gefunden. Sie hat das Studium abgebrochen, kaum Freunde und ist noch Single. Ihre erfolgreiche Mutter ist Ärztin und hat soeben den Krebs besiegt. Andrea ist deswegen vor einiger Zeit aus New York zurückgekehrt, um sich um sie zu kümmern. An ihrem Geburtstag geht Andy gemeinsam mit ihrer Mutter in ein Diner, als plötzlich ein Amokschütze wild um sich schießt. Zwei Frauen hat er bereits getötet, als er auf Laura und Andrea zukommt. Laura stellt sich vor ihre Tochter und dem Täter entgegen...und tötet ihn. Auf einem Video, welches ein weiterer Besucher des Diners aufgenommen hat, sieht man wie emotionslos Laura den Mann tötet. Sie wird vom Opfer zum Täter und die Menschen beginnen sich gegen sie zu wenden. Laura befiehlt Andrea die Stadt zu verlassen und gibt ihr einige Koordinaten mit auf den Weg. Am ersten Ziel angelangt, stellt sie sehr bald fest, dass ihr Leben auf eine Lüge aufgebaut ist. Wer ist ihre Mutter wirklich? Und wer ist hinter ihnen her?

Die Geschichte besteht aus zwei zeitlich unterschiedlichen Handlungssträngen. Der Strang in der Gegenwart spielt 2018, der in der Vergangenheit 1986. In der Gegenwart hält sich Andrea an den Vorschlag un flüchtet. Sie begibt sich auf einen turbulenten Roadtrip. Die sehr unselbstständige Frau, die nicht wie Anfang 30 erscheint, sondern jünger und vorallem hilfloser wirkt, ahnt bald, dass sie verfolgt wird. In ihrer Not gelangt sie nach und nach zu mehr Selbstvertrauen. Trotzdem passieren ihr einige Fehler, bei der sie meiner Meinung nicht so glimpflich davonkommen würde, wie es hier erscheint...

Im Vergangenheitstsrang lernen wir die junge Jane kennen, eine erfolgreiche Pianistin, die jedoch in den Dunstkreis ihres Vaters und Freundes steht. Als es in Oslo zu einem Anschlag auf ihren Vater kommt, ändert sich Janes Leben von Grund auf...

Die Ausarbeitung der Charaktere blieb mir diesmal etwas zu oberflächlich. Zu Andrea konnte ich irgendwie kaum eine Verbindung aufbauen. Auch Laura blieb mir trotz der Rückblenden in die Vergangenheit fremd, obwohl mich ihre Vergangenheit anfangs fasziniert hat. Mit der Zeit konnte ich aber über sie nur mehr den Kopf schütteln. Auf der anderen Seite kann man aber auch ihr Verhalten nachvollziehen, da sie in ihrem Leben zuerst von ihrem Vater und danach von ihrem Freund manipuliert und beherrscht wurde. Einige Abschnitte fand ich jedoch ziemlich unglaubwürdig und kontruiert.

Der Spannungsbogen ist anfangs hoch, fällt jedoch sehr schnell ab und die Geschichte beginnt vor sich hin zu dümpeln. Trotzdem will man wissen, was alles hinter dem Ganzen steckt und liest und liest. Der Schreibstil der Autorin ist wie gewohnt fesselnd und eher einfach. So fliegt man durch die Seiten, auch wenn das Tempo nachlässt. Zum Ende hin zieht die Geschichte wieder an und alle Fragen werden überzeugend aufgelöst.

Die letzten Bücher der Autorin konnten mich leider nicht mehr so fesseln, wie damals die Grant County Reihe. Ich hoffe Karin Slaughter findet wieder zu ihrer alten Form.

Fazit:
Der hohe Spannungsbogen zu Beginn verliert sich mit der Zeit immer mehr und birgt einige Längen im Mittelteil. Mit den zwei Zeitebenen soll die Spannung aufrecht erhalten werden, was nur teilweise gelingt.
Ein solider Thriller, fast mehr Krimi - nicht mehr und nicht weniger. Die Autorin kann es auf jeden Fall besser...

Veröffentlicht am 05.10.2018

Atmosphärische Wintergeschichte

Unter dem Abendstern
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Der vierte Band der Winter Reihe von Elisabeth Büchle entführt und diesmal nach Dänemark.
Katja ist Lehrerin und liebt ihren Beruf und ihre Schüler sehr. Ihre Eltern sehen ihr Potential allerdings als ...

Der vierte Band der Winter Reihe von Elisabeth Büchle entführt und diesmal nach Dänemark.
Katja ist Lehrerin und liebt ihren Beruf und ihre Schüler sehr. Ihre Eltern sehen ihr Potential allerdings als verschwendet an, denn in ihrer Familie wimmelt es nur von Ärzten und Juristen. Umso willkommener ist ihr die eher spontane Einladung einer ehemaligen Schulkollegin, die sie bei einer Hochzeit wiedertrifft. Diese wird mit einigen ihrer Bekannten Weihnachten in einem Ferienhaus in Dänemark verbringen. Weil das Verhältnis zwischen Katja und ihren Eltern angespannt ist und sie eigentlich nicht über die Weihnachtsfeiertage zu ihnen fahren möchte, sagt Katja zu. Als sie jedoch im Ferienhaus am Strand ankommen, ist unter den Miturlaubern ihre heimliche Jugendliebe Nick. Sie kennen sich bereits seit ihrer Schulzeit und laufen sich immer wieder über den Weg. Doch die Vergangenheit und einige unschöne "Altlasten" haben bei Beiden Narben hinterlassen und eine Annäherung nie zugelassen. Inzwischen ist Nick der Chef einer Firma und die meisten Feriengäste sind seine Angestellten. Während sie sich anfangs eher aus dem Weg gehen, nähern sie sich mit der Zeit doch noch an. Dabei spielt auch Jeffrey, Nicks Freund, eine große Rolle. Aber auch die gemeinsame Freude auf die Weihnachtstage und die besinnliche Stimmung tut ihr Übriges. Während die anderen Feriengäste das Weihnachtsfest nicht althergebracht feiern wollen, liebt Katja die Vorweihnachtszeit. Sie schmückt das Haus und bäckt leckeren Lebkuchen. Bei einem Spaziergang trift sie auf die schwangere Chiara, die im Ferienhaus nebenan wohnt....

Die Beschreibung der Natur und der Landschaft ist sehr bildhaft und hat Atmosphäre. Man spürt die Kälte des Winters, hört das Eis knacken und hört die Geräusche des Windes zwischen den Zeilen. Die winterliche Stimmung verzaubert beim Lesen. Aber auch die leckeren Gerichte und Getränke die Katja zubereitet, lassen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Am liebsten wäre ich sofrt aufgesprungen und hätte mir auch eine heiße Schokolade mit Zimt gemacht. Die besinnliche Grundstimmung lässt schon Vorweihnachtsfreude aufkommen.

Die Charaktere sind wie immer sehr liebevoll gezeichnet. In allen Romanen der Reihe haben wir es mit mindestens einer Figur zu tun, die mit ihrer vergnagenheit zu kämpfen hat. So ist es auch hier.
Katja fühlt sich von ihren Eltern nicht verstanden Sie liebt ihren Job und hat keine hochfliegenden Karrierepläne. Sie fand sich nie gut genug.
Nick ist nach außen hin der toughte Chef. Sein Leben besteht aus Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit. Dahinter versteckt er seine Selbstzweifel und Ängste. Und diese sind nicht klein...
Mein liebster Charakter war jedoch Jeffrey, Nicks Freund. Der Amerikaner hat viel Humor und macht sich einen Spaß daraus Katja jeden Tag mit einem anderen Vornamen anzusprechen. Er zeigt jedoch sehr viel Empathie und ist auch Nick ein treuer Freund.

Wer schon eines oder mehrere Bücher aus der Reihe gelesen hat, kann sich auf ein Wiedersehen mit Figuren aus den Vorgängerbänden freuen.

Dieser Band der Reihe war mir allerdings ein bisschen zu kitschig. Das ewige Hin und Her zwischen Katja und Nick hat an meinen Nerven gezerrt. Und auch die "schlimme Vergangenheit" war für mich keine große Tragödie. Trotzdem hat der Roman, wie alle Bücher der Autorin, eine absolute Wohlfühlatmosphäre. Man muss die Figuren einfach lieben!

Schreibstil:
Elisabeth Büchle schreibt sehr einfühlsam und bildhaft. Landschaften und Figuren sind einzigartig beschrieben und bringen eine wunderbare Atmosphäre in die Geschichte. Freundschaft und Empathie spielen auch diesmal wieder eine große Rolle. Witzige Dialoge lockern die manchmal feierliche oder berührende Stimmung auf.
Die Kapitel sind eher kurz gehalten.

Fazit:
Wieder ein perfekter Roman zum Abtauchen und Entspannen - passend für die Vorweihnachtszeit. Die besinnliche Stimmung und die Wohlfühlatmosphäre tun das Übrige. Mir war dieses vierte Buch der Winter-Reihe allerdings ein bisschen zu romantisch... Wer davon nicht genug bekommen kann, sollte allerdings zugreifen!

Veröffentlicht am 03.10.2018

Es gibt besseres zu diesem Thema

Geborgen im Schatten deiner Flügel
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"Geborgen im Schatten deiner Flügel" erzählt die wahre Geschichte der Halbjüdin Anita Dittman, die in Breslau (dem heutigen Wroclaw in Polen) lebte. Sie ist 6 Jahre alt als Hitler's Judenhetze sich verstärkt ...

"Geborgen im Schatten deiner Flügel" erzählt die wahre Geschichte der Halbjüdin Anita Dittman, die in Breslau (dem heutigen Wroclaw in Polen) lebte. Sie ist 6 Jahre alt als Hitler's Judenhetze sich verstärkt und die Ehen zwischen Juden und Arier verboten werden. Anitas Vater, ein sozialistischer Arier, trennt sich daraufhin von seiner jüdischen Frau Hilde und den Töchtern Hella und Anna. Anna und ihre Mutter haben den christlichen Glauben angenommen und erwarten sich Hilfe von Pastor Hornig. Doch nur Hella erhält noch vor der Schließung der Grenzen ein Visum für England. Anita und ihre Mutter ist die Flucht ins Ausland somit verwehrt. Die Anfeindungen in der Schule werden immer mehr und schließlich wird Anita der Schulbesuch gänzlich verboten. Doch auch hier hilft die christliche Gemeinde unter Pater Hornig aus und das junge Mädchen erhält Unterricht in einer Privatschule. Durch den arischen Vater leben Anita und ihre Mutter längere Zeit im Breslauer Ghetto bis Hilde Dittmann deportiert und ins KZ Theresienstadt gebracht wird. Anita verrichtet Zwangsarbeit in einer Fabrik bis sie ebenfalls abgeholt und in das kleine Arbeitslager Barthold nahe Schmiegrode gebracht wird.

Es gibt viele Holocaust Biografien und ich finde diese enorm wichtig! Manche sind besser geschrieben, als andere und wie auch Anita Dittman nehmen Zeitzeugen einen Autor zu Hilfe. Trotzdem zählt "Geborgen im Schatten deiner Flügel" nicht unbedingt zu den besten Biografien zu diesem Thema.
Das beginnt beim Schreibstil, der mich anfangs etwas schwer ins Buch kommen ließ. Er ist zwar schlicht und einfach, konnte mich jedoch nicht wirklich packen - trotz der schrecklichen Erfahrungen, die Anita Dittmann in jungen Jahren machen musste.
Am Cover des Buches sieht man das gefürchtete Konzentrationslager Ausschwitz. Unsere Protagonistin war jedoch nie in diesem Lager, dem schlimmsten aller KZ's, sondern in einem kleinen Arbeitslager namens Barthold. Natürlich hat sie auch hier Grauenvolles erfahren, jedoch finde ich die Coverabbildung damit irreführend.

Der rote Faden im Roman ist der starke Glaube von Anita. Er gab ihr immer wieder Hoffnung und Zuversicht und wurde zu ihrer Überlebensstrategie. Ich hatte jedoch beim Lesen manchmal das Gefühl, dass alles andere im Hintergrund bleibt. Sicherlich handelt es sich hier um ein Buch aus einem christlichen Verlag, aber an erster Stelle sollten doch die Erinnerungen eines Zeitzeugen und daraus ein Mahnmal gegen das Vergessen sein. Natürlich versucht jeder Mensch, der sich in einer hoffnungslosen Situationen befindet, sich jemanden oder etwas zuzuwenden...etwas das einem Halt und Hoffnung gibt. Sehr oft ist es der Glaube an einem Gott...egal welcher. Hier hat mir nicht gefallen, dass Anita versucht die Insassen zu missionieren. Sie betrachtet die anderen jüdischen Gefangen als "Ungläubige", deren einzige Freude der Tod sei, während sie Gott an ihrer Seite und somit ein Recht zum Überleben hatte. Solche Aussagen finde ich anmaßend! Vielleicht wurden diese Aussagen aber auch nur schlecht übersetzt....trotzdem gehören sie nicht in ein Buch, das für #gegendasVergessen und Rassismus steht. Hier ist das Lektorat gefragt!

Leider muss ich sagen, dass dieses Buch nicht zu den Zeitzeugen Romanen gehört, die mich überzeugen konnten. Trotzdem sind Berichte über diese schlimme Zeit, die sich hoffentlich nie wieder wiederholen wird, eine wahnsinnig wichtige Botschaft, die verbreitet gehört. Deswegen finde ich es großartig, dass Anita Dittman uns an ihrer Überlebensgeschichte teilhaben lässt und diese für die kommenden Generationen als Mahnung niedergeschrieben hat.

Am Ende des Buches sind noch Fotos von Anita Dittmann und ihrer Familie abgedruckt. In einem kleinesn Epilog erzählt sie was aus einigen der Personen geworden ist, die sie in dieser schweren Zeit begleitet haben. Leider blieben hier noch einige Fragen offen, vorallem diejenigen über ihren eigenen weiteren Lebensweg.

Cover:
Die beiden englischsprachigen Cover

Fazit:
Es ist wichtig Geschichten wie diese aufzuschreiben und zu dokumentieren und trotzdem hat mich "Geborgen im Schatten deiner Flügel" nicht gänzlich überzeugen können. Für mich gehört dieses Buch leider zu den schwächeren Erzählungen, die sich dem Holocaust widmen.

Veröffentlicht am 02.10.2018

Lebendige Geschichtsstunde par excellence!

Land im Sturm
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Ulf Schiewe hat mit seinem fast 1000 Seiten langen Epos über genauso so viele Jahre deutscher Zeitgeschichte einen Roman vorgelegt, der bis jetzt einzigartig ist.
In fünf Abschnitten (Die Ungarn, Die Wenden, ...

Ulf Schiewe hat mit seinem fast 1000 Seiten langen Epos über genauso so viele Jahre deutscher Zeitgeschichte einen Roman vorgelegt, der bis jetzt einzigartig ist.
In fünf Abschnitten (Die Ungarn, Die Wenden, Der große Krieg, Napoleon und Preußen, Revolution) hat der Autor versucht die wichtigsten Epochen Deutschlands, verbunden mit einer Familiengeschichte, darzustellen. Der zeitliche Bogen spannt sich von 995 n. Chr. mit dem Beginn der Ungarnraubzüge bis zur Revolution in Berlin 1848.
Natürlich lebt kein Protagonist 1000 Jahre (außer in Vampirromanen), darum handelt es sich hier um Nachfahren einzelner Familien, die immer wieder vorkommen und so den roten Faden bilden. Die Namen Schmitt, Fischer und von Billung, sowie die immer wiederkehrenden Vornamen Arnulf, Ewalt, Gisela, Gero und Hedwig vereinfachen somit das Lesen und es ist kein Personenregister notwenig.

Die Basis für die Geschichte legt Arnulf, ein junger Schmied, der in einem kleinen Dorf in Tirol lebt. Die räuberischen Ungarn fallen zu dieser Zeit über das Land her und die Menschen versuchen sich so gut es geht darauf vorzubereiten und zu verteidigen. Doch nicht die Ungarn sind Arnulfs Schicksal, sondern ein verhängnisvoller Nachmittag im Wald, der mit einem Toten endet. Der junge Schmied muss alles hinter sich lassen und flieht in Richtung Augsburg. Auf den Weg dorthin begegnet er Hedwig, die vor den Ungarn flüchtet und die bereits über sie und ihr Dorf hergefallen sind. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg Richtung Augsburg. Doch die Stadt ist das Ziel der mordenden Krieger aus dem Osten. Nach der Belagerung der Stadt kommt es zur großen Schlacht am Lechfeld...und Arnulf ist mitten drin! Bald bemerkt der junge Mann, dass er kein Krieger ist. Trotzdem schlägt er sich tapfer und rettet sogar Ritter Ewalt von Billung das Leben. Außerdem erbeutet er einen außergewöhnlichen Säbel, der Arnulfs Nachfahren bis in 19. Jahrhundert begleiten wird.

Über Generationen hinweg erleben wir in diesem Schmöker die Entstehung Deutschlands. Ulf Schiewe hat sich bewusst jenen fünf Epochen gewidmet. Er fand diese Kriege und Umbrüche besonders wichtig oder merkte an, dass diese Epoche in historischen Romanen kaum Erwähnung finden. So war für mich zum Beispiel das Kapitel um die Wenden komplettes Neuland. (Als Österreicherin haben wir uns in der Schule auch hauptsächlich den Habsburgern gewidmet) Hingegen habe ich bereits mehrere Bücher über Napoleon und seine Kriege gelesen. Auch die Zeit des beginnenden 19. Jahrhunderts und die Revolution sind mir nicht unbekannt.

Durch die Zeitsprünge muss man sich daran gewöhnen, dass man seine liebgewonnen Charktere nach einiger Zeit wieder loslassen muss. Das fand ich ganz besonders nach dem ersten Abschnitt schade. Doch man begegnet in weiterer Folge den Nachfahren Arnulfs. Dabei lernen wir nicht in jeder Generation Helden oder Sympathieträger kennen. Außerdem hat jede der drei Familien im Laufe der fast tausend Jahre einmal Reichtum mit nicht rechten Mitteln angehäuft. Einzig der Abschnitt rund um den 30jährigen Krieg war mir zu kriegslastig, bietet aber auch kaum die Möglichkeit für andere Themen.

Die Figuren im Roman kommen aus allen erdenklichen Schichten, wobei Ulf Schiewe die Unterschiede in ihrer Lebensart sehr gut beschrieben hat. Und auch innerhalb einer Familie reicht die Spannweite vom einfachen Bauern oder Schmied bis hin zum Fabrikanten und Unternehmer. Auch die Frauenfiguren sind oft ihrer Zeit voraus und sind starke Persönlichkeiten, wobei sie natürlich der Zeit angepasst sind.
Trotz der Dicke wird der Roman nie langatmig und hat mich die mehr als 900 Seiten schneller verschlingen lassen, als ich dachte.

Schreibstil:
Ulf Schiewe schreibt sehr bildgewaltig. Die Sprache war zu Beginn nicht ganz der Zeit angepasst, aber das wäre wohl auch eher für uns Leser unleserlich gewesen ;) Und mit dem Fortschreiten der Zeit passt sich die Sprache auch immer mehr an. Trotzdem weiß man von der ersten Seite an, dass man es hier mit einem historischen Roman zu tun hat.
Trotz der immer wieder neuen Geschichten fand ich die Charaktere alle sehr lebendig und liebevoll gezeichnet. Alle haben Ecken und Kanten und sind nicht nur gut oder böse.

Fazit:
Dieser historische Roman von Ulf Schiewe über die fast tausendjährige Geschichte Deutschlands konnte mich überzeugen. Die atmosphärische Erzählung anhand des Schicksals einer Familie über Jahrhunderte hinweg ist eine Geschichtsstunde par excellence! Für wahre Historenfans ein Muss!

Veröffentlicht am 28.09.2018

Bis auf den Showdown am Ende wieder top!

Rachewinter
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Endlich ist er da - der dritte Band rund um Walter Pulaski und Evelyn Meyers. Montaelang habe ich dem neuen Thriller meines Lieblings-Thriller-Autoren Andreas Gruber entgegen gefiebert und wie gewohnt ...

Endlich ist er da - der dritte Band rund um Walter Pulaski und Evelyn Meyers. Montaelang habe ich dem neuen Thriller meines Lieblings-Thriller-Autoren Andreas Gruber entgegen gefiebert und wie gewohnt hat er mich nicht enttäuscht!
Vorweg an alle Leser, die Band 1 und 2 nicht kennen: Man kann "Rachewinter" (im Gegensatz zur Todesreihe mit Maarten S. Sneijder) auch ohne Vorkenntnisse lesen.

Wie üblich ist man bei Andreas Gruber ab der ersten Seite mitten im Geschehen. Wir befinden uns in Wien. Zwei Dachdecker werden bei ihrer Arbeit auf eine heiße Sexszene im gegenüberliegenden Penthouse aufmerksam. Sie beginnen mitzufilmen und erleben bald darauf einen großen Schock. Sie werden Zeuge eines Mordes. Als die Polizei eintrifft ist der Mörder bereits geflohen. Doch die Aufnahme liefert den Täter schnell ans Messer. Es soll sich um Michael Kotten handeln, der seinen Lebensgefährten Johann Wulf ermordet hat. Dieser steht kurze Zeit später im Büro von Anwältin Evelyn Meyers und bittet sie seine Verteidigung zu übernehmen. Michael Kotten erklärt Evelyn, dass er unschuldig sei, denn er ist nicht schwul, sondern Transgender und stecke mitten in seiner Verwandlung vom Mann zur Frau. Außerdem hat er den Mord nicht verübt. Evelyn und ihr neuer Assistent Florian Zock, genannt Flo, nehmen sich dem Fall an und entdecken schnell, dass ihr Verdächtiger aus einer mächtigen Familie kommt. Sein Vater, Richard von Kotten, betreibt ein Glücksspielimperium, sein Onkel ist Politiker, die Tante ist Ärztin. Michael sei außerdem das schwarze Schaf der Familie und sein Vater hasst ihn. Von Richard von Kotten sei deswegen keine Hilfe zu erwarten. Doch kurze Zeit später legt Michael Kotten ein Geständnis ab....

Im zweiten Handlungstrang in Leipzig wird Kommissar Walter Pulaski zu einem Toten in einem Motel gerufen. Der Geschäftsmann Klaus Hinze wird mit einer Schere im Ohr im Bad seines Hotelzimmer tot aufgefunden. Pulaski glaubt nicht, wie die Gerichtsmedizin, an einem Unfall. Diese geht davon aus, dass er aus der Dusche kommend beim Barthaar schneiden, ausgerutscht ist. Doch die fehlenden Leichenflecken und kleine Blutspritzer in der Unterhose erhärten seinen Verdacht. Pulaski ist noch immer im Kriminaldauerdienst, sprich er darf einen neuen Mordfall nur kurz nach dem Auffinden der Leiche bearbeiten und muss ihn danach abgeben. Wer den knurrigen und zynischen Kommisar kennt, weiß auch, dass er sich selten daran hält. Als er entdeckt, dass der Tote der Vater von Nina, der Freundin seiner Tochter Jasmin ist, recherchiert er auf eigene Faust weiter. Und auch Nina und Jasmin versuchen die letzten Tage und Stunden des Mordopfers zu ergründen und stoßen auf eine mysteriöse Frau im roten Kleid. Als weitere Morde geschehen und dieselben unerklärlichen Blutflecken auftauchen, legt Pulaski alle Hemmungen ab und ermittelt...

Wie bereits in den Vorgängerbänden des Autors werden wieder zwei Handlungsstränge verknüpft, die erst gegen Ende des Thrillers zusammenlaufen. Auch Personen und Handlungsorte sind ident, denn es handelt sich um Evelyn Meyers, Anwältin aus Wien, und Kriminalhauptkommissar Walter Pulaski aus Leipzig.
Der Wiener Erzählstrang ist dabei etwas präsenter, als der deutsche. Bis sich beide Handlungsstränge zum Finale in Leipzig treffen, verfolgt man mit angehaltenem Atem die temporeiche Geschichte und hofft auf ein positives Finale. Dabei hat der Autor diesmal einige interessante Gedanken und Inhalte in petto. Vorallem muss ich ein großes Lob betreffend dem Thema der Transsexualität aussprechen. Andreas Gruber hat sehr gut recherchiert und die Unterschiede immer wieder in verschiedenen Situationen dem Leser verständlich gemacht. Außerdem finde ich es klasse, dass sich ein Autor dem Thema widmet und noch dazu in einem Thriller.

Andreas Gruber überrascht wirklich in jedem neuen Buch mit verrückten Tatwaffen oder grausamen ungewöhnlichen Morden. Auch diesmal ist es so. Woher er die Ideen dazu nimmt, möchte ich gar nicht wissen ;)

Doch warum gebe ich meinem Lieblings-Thriller-Autor diesmal keine 5 Sterne?
Es ist das Ende, das mir einfach zu unrealistisch war. Ab dem Zeitpunkt des finalen Showdowns in der Villa hatte ich leichte Probleme mit der Glaubwürdigkeit des Ganzen. Die Spannung war zwar auf dem absoluten Höhepunkt und bis zu diesem Grande Finale war ich wieder absolut begeistert von Grubers gefinkelten Morden und überraschenden Wendungen. Jedoch war der für mich etwas konstruierte Schluss eine kleine Enttäuschung. Das bedeutet diesmal "nur" 4 1/2 Sterne statt meiner üblichen vollen 5 Sterne.

Schreibstil:
Der Autor schreibt gewohnt temporeich, bildhaft und rasant. Verblüffende Wendungen und ein konstant aufbauender Spannungsbogen lassen dem Leser an die Seiten fesseln. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Dazu erhöhen kurze Kapitel, die mit Datum versehen sind, so wie die wechselnden Perspektiven die Intensivität der Geschichte.
Die Charaktere sind nicht stereotyp, sondern facettenreich und lebendig.

Fazit:
Spannend von der ersten Seite an - ein echter Gruber eben! Überraschende Wendungen und überaus fantasievolle Mordpraktiken ließen mich kaum das Buch aus der Hand legen. Nur das Ende hat mich diesmal nicht zu 100% überzeugt. Deswegen sind es "nur" 4 1/2 Sterne statt 5, die ich bei Portalen, die nur ganze Sternebewertungen haben, gerne aufrunde.