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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.05.2017

Tolles Emotionskino, das nicht nach Gefühlen heischt, sondern durch Ehrlichkeit und Realität überzeugt.

Vielleicht ist es sogar schön
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Dieses Buch hat mich weinend und mit Herzklopfen zurück gelassen. Krebs ist in meiner Familie ein Thema, schon drei Familienmitglieder hat er sich genommen, vor fast einem Jahr erst meinen Vater. Trotzdem ...

Dieses Buch hat mich weinend und mit Herzklopfen zurück gelassen. Krebs ist in meiner Familie ein Thema, schon drei Familienmitglieder hat er sich genommen, vor fast einem Jahr erst meinen Vater. Trotzdem oder gerade deshalb lese ich ab und zu ein „Krebsbuch“. In diesem Buch geht es um den Brustkrebs von Jakob Heins Mutter, aber nicht allein um ihn, nein, er wird sogar erzählerisch ziemlich zurückgestellt. Es geht um den zweiten Weltkrieg, seinen jüdischen Großvater, Jakobs Versuch, sich selbst in eine jüdische Gruppe zu integrieren, und um die erlebten Momente mit seiner Mutter. In kleinen Episoden arbeitet Hein seine Vergangenheit auf. In der Gegenwart geben Alltäglichkeiten Anstoß zu Gedankengängen, die sogleich trivial als auch einleuchtend sind, weil man selbst über diese gewissen Dinge (bisher) nie besonders nachgedacht hat.

Teilweise beinhalten die Kapitel Fragmente aus der Gegenwart, die den Verlauf der Krankheit von Jakobs Mutter wiedergeben, manchmal werden aber auch Dinge aus der Vergangenheit erzählt, beispielsweise Jakobs Zeit in Amerika und die jüdischen Gemeinschaften dort. Ein starkes Thema ist auch der zweite Weltkrieg, Hein erzählt von seinen Großeltern und der Kindheit seiner Mutter. Ich fand die Sprache und die Erzählweise sehr angenehm, sodass ich das Buch direkt in einer Sitzung verschlungen habe. Hein erzählt, wie er mit den Gedanken daran klarkommt, dass seine Mutter erneut an Krebs erkrankt ist, was sehr inspirierend ist. Teilweise musste ich echt schlucken bei den Schilderungen, weil ich es leider genau so mitansehen musste. Am Ende schiebt Hein noch eine Kindheits-Erinnerung ein, die mich dann richtig zum Weinen gebracht hat.

Die komplette Rezension findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.wordpress.com

Veröffentlicht am 28.05.2017

Bissig, philosophisch und witzig. Wer hätte gedacht, dass eine Diskussion über Religion und Glauben so unterhaltsam sein kann?

Shylock
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Ich habe gestern „Shylock“ von Howard Jacobson beendet und bin positiv überrascht! Dies ist Jacobsons Version vom „Kaufmann von Venedig“, die im Rahmen des Hogarth Shakespeare Projekts erschienen ist. ...

Ich habe gestern „Shylock“ von Howard Jacobson beendet und bin positiv überrascht! Dies ist Jacobsons Version vom „Kaufmann von Venedig“, die im Rahmen des Hogarth Shakespeare Projekts erschienen ist. Es war irgendwie etwas komplett anderes als erwartet, aber trotzdem hat es mir richtig gut gefallen. Doch erst mal zum Inhalt: Es geht generell um drei jüdische Männer, die alle drei ihre jeweiligen Töchter vor den Gefahren der Welt (speziell: der Goi [Nicht-Juden]; spezieller: der Christen) bewahren möchten, und das um jeden Preis. Wir lernen Peter Shalcross und seine Tochter Plurabelle kennen, den leicht wahnsinnigen Simon Strulovitch und seine Tochter Beatrice, und Shylock, dessen Tochter Jessica bereits vor ihm geflüchtet ist. Shalcross begeht Selbstmord und hinterlässt Plurabelle Forderungen an die Männer, die an ihr Herz (und ihre Wäsche) wollen. Erzürnt davon, ignoriert Plury diese und stellt ihre eigenen Anforderungen für Bewerber auf. Auf einem jüdischen Friedhof „erscheint“ dem nachdenklichen Strulovitch Shylock, und die beiden beginnen ein Gespräch, das quasi das gesamte Buch lang fortgeführt wird: Was macht einen guten Juden aus? Ist das Christentum tatsächlich so anders als das Judentum? Und am Allerwichtigsten: Wie kann er (Strulovitch) verhindern, dass seine Beatrice mit einem Goi durchbrennt? Als diese dann tatsächlich einen solchen, nämlich den etwas dümmlichen Fußballschönling Gratan, mit nach Hause bringt, ist Strulovitch außer sich vor Zorn. Aus Angst, Beatrice komplett zu vergraulen, bemüht er sich, Fassung zu behalten, stellt Gratan aber trotzdem eine Forderung: Um seinen Segen zu bekommen, muss er zum Judaismus konvertieren – inklusive Beschneidung.

Was geschieht mit mir?, dachte Strulovitch. Werde ich zu einem jener Juden, die sich dauernd beleidigt fühlen? Gott behüte. So ein Mensch beleidigt nur sich selbst. Ich werde nicht so, versprach er sich. Ich werde es mir nicht erlauben, mich selbst noch vom Rascheln einer Maus beleidigt zu fühlen. Und wenn die Maus bösartig war? Eine bösartige, mürrische, menschenfeindliche Mamser-Maus?

„Shylock“ hat mir von der Handlung her ziemlich gut gefallen, obwohl ich mit der Ausführung anfangs Schwierigkeiten hatte: Am Anfang des Buches war ich von der Erzählweise und vor allem von der hochgestochenen Sprache noch nicht überzeugt, da es mir sehr so vorkam, als hätte sich Howard Jacobson bewusst so gewichtig ausgedrückt, damit man es möglichst schwer hat, allen Gedankengängen und Gesprächen der Charaktere zu folgen. Aber im Verlauf kommt man gut rein und vor allem der Humor lockert alles ein wenig auf. Die Gespräche zwischen Shylock und Strulovitch sind interessant, wenn auch nicht zwingend realistisch. Es dreht sich generell immer um die Frage, wie sehr sich Juden und Christen unterscheiden. Strulovitch vertritt einen sehr fragwürdigen Standpunkt, da er gewissermaßen zwischen dem Jüdischsein und Nicht-Jüdischsein hin- und hergerissen ist: Zum einen verachtet er Bräuche und Rituale der Juden, zum Beispiel der wöchentliche Gang in die Shul. Noch während er an den Kirchgängern vorbeigeht, schimpft er darüber und schnaubt verächtlich, weil sie es anscheinend nicht richtig machen. Er ist besessen davon, nicht an jüdischen Traditionen festzuhalten, indem er beispielsweise auf ebendiese Gebräuchlichkeiten verzichtet, gleichzeitig kritisiert er aber alle, die diesen seiner Meinung nach nicht korrekt nachgehen. Er möchte für seine Tochter auch nicht zwingend einen Juden als Mann an ihrer Seite, zwingt nun aber diesen Goi Gratan dazu, zum Judentum zu konvertieren, da er sonst nicht gut genug für sie sei.

Die komplette Rezension findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.wordpress.com

Veröffentlicht am 28.05.2017

Die „Röhre“ ist zurück! Frech, intelligent und immer hungrig: nach Büchern, Anerkennung, Liebe – und Schokolade!

Biographie des Hungers
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Juhu! Nach dem zweiten autobiographischen Buch (chronologisch nach ihrem Alter), „Liebessabotage“, kehrt Amélie Nothomb wieder zu dem herrlich egozentrischen, lockeren und zum Teil auch poetischen Schreibstil, ...

Juhu! Nach dem zweiten autobiographischen Buch (chronologisch nach ihrem Alter), „Liebessabotage“, kehrt Amélie Nothomb wieder zu dem herrlich egozentrischen, lockeren und zum Teil auch poetischen Schreibstil, den ich in „Metaphysik der Röhren“ lieben gelernt habe, zurück – mit einem Thema, mit dem ich mich auch viel besser identifizieren kann als „Krieg“: nämlich dem Hunger. Sie erzählt über ihre Kindheit, die Länder, die sie und ihre Familie bewohnt haben, und den permanenten Hunger: nicht nach Essen (außer Süßigkeiten!), sondern nach Erfahrungen und Liebe. Nothomb stürzt sich im Kindesalter schon in leichten Alkoholismus, findet die Liebe zur Literatur und verschlingt Bücher ohne Ende, und sehnt sich gleichzeitig nach Erfüllung – von was, ist sie sich selbst noch nicht ganz sicher. Nothombs „Hunger“ beschreibt nämlich nicht nur den ständigen Antrieb, Süßigkeiten zu verspeisen, sondern auch die Sehnsucht nach so vielem, vor allem aber nach dem Leben. Vor ihrem ersten Selbstmordversuch mit drei Jahren glaubte sie, bereits alles erlebt zu haben, und fand die Vorstellung scheußlich, noch mindestens doppelt so viele Jahre zu leben, und mit sechs hat sie denselben Gedanken erneut: Was soll denn noch auf mich warten? Bis sie realisiert, dass sie noch nicht die Liebe in allen ihren Facetten erlebt hat – und jetzt kann sie natürlich auf keinen Fall sterben, bevor dies abgehakt ist.

Die Physiker träumen davon, das Universum aus einem einzigen Gesetz zu erklären. Das ist wohl ziemlich schwierig. Wäre ich ein Universum, ich ließe nur eine Macht gelten: den Hunger.

Die komplette Rezension findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.wordpress.com

Veröffentlicht am 28.05.2017

Die egozentrische Wahrnehmung einer 0-bis-3-Jährigen: Witzig und lesenswert!

Metaphysik der Röhren
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Dieses kleine Buch war mein erstes von Amélie Nothomb, und ich muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht! Bisher hatte ich nur Gutes über die Autorin und ihre (vielen!) Bücher gehört und dachte, dass es womöglich ...

Dieses kleine Buch war mein erstes von Amélie Nothomb, und ich muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht! Bisher hatte ich nur Gutes über die Autorin und ihre (vielen!) Bücher gehört und dachte, dass es womöglich nichts für mich sein könnte, aber ich wurde positiv überrascht. Die ersten drei Jahre ihres Lebens beschreibt Nothomb in einer wunderbaren, leichten Art und Weise, voller Witz und Erstaunlichkeiten. Ihre ersten zwei Jahre verbringt sie als göttliche Röhre, einzig und allein den Nahrungsaufnahme- und Verdauungstätigkeiten gewidmet, verschwendet keine Bewegung, keinen Laut an die Außenwelt, bis sie von einer Köstlichkeit namens Schokolade ins Leben gerufen wird. Plötzlich ist sie da, richtig da, ihr Bewusstsein kommt zu Tage, das Leben nimmt Gestalt an und es gibt plötzlich einen Sinn:

„Ohne mich ist diese Schokolade gar nichts. Aber in meinen Mund gesteckt, wird sie Freude. Sie braucht mich.“

Mit dieser Erkenntnis beginnt sie, sich zu regen und aus ihrer Starre herauszukommen. Sie beginnt ihre kleine Welt, ihr Zuhause, zu erkunden, und legt eine Gedankenfülle an den Tag, die mich teilweise an die „Hallo Mister Gott, hier spricht Anna“-Romane erinnert hat. Sie beginnt Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, wenn auch zunächst nicht so, wie sie eigentlich sind; Bei ihrem ersten Strandausflug hat sie Angst vor dem Wasser, aber das Wasser natürlich auch, es wagt sich immer ein paar Stücke vor, nur um sich dann wieder ängstlich zurückzuziehen.

Die komplette Rezension findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.wordpress.com

Veröffentlicht am 28.05.2017

Witziger und zugleich trauriger Roman über eine jüdische Familie. Im Zentrum: ihre Kommunikationsschwäche.

Die Middlesteins
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Massel tov! Dieses Buch ist wirklich gelungen. Obwohl seine Handlung nur dadurch zu Tage kommt, weil ein Mangel an Kommunikation besteht. Niemand spricht wirklich das Problem mit Edies Fresssucht an, niemand ...

Massel tov! Dieses Buch ist wirklich gelungen. Obwohl seine Handlung nur dadurch zu Tage kommt, weil ein Mangel an Kommunikation besteht. Niemand spricht wirklich das Problem mit Edies Fresssucht an, niemand kommuniziert überhaupt irgendwie! Das macht die Geschichte aber auch so menschlich (ich kenne es z.B. von mir selbst, dass ich Probleme so lange nicht anspreche, bis sie sich irgendwann von selbst aufgelöst haben – oder auch nicht. Die gesamte Familie Middlestein wirkt so charmant und sympathisch, obwohl alle gar nicht so richtig miteinander können. Über jede Person der Familie erfährt man allerhand, es wird aus der Jugend erzählt oder aus der Zeit der Eheschließung. Ab und zu lässt der Erzähler auch eine kleine Zukunftsaussicht einfließen, die die ganze Geschichte meiner Meinung nach noch um einiges interessanter macht. Jüdische Bräuche etc. setzen dem Ganzen noch das Häubchen (oder die Kippa?) auf und runden diesen literarischen Leckerbissen so richtig ab. 4/5 Sternen!


Diese und weitere Rezensionen findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.wordpress.com