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Veröffentlicht am 24.02.2019

Tragödie in einer Großfamilie

Niemals ohne sie
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Im Mittelpunkt steht die kinderreiche – 21 Kinder! – kanadische Familie Cardinal. In den 50er/60er Jahren lebt sie in dem Dorf Norco, das seine Existenz Vater Cardinal verdankt, der dort ein Zinkvorkommen ...

Im Mittelpunkt steht die kinderreiche – 21 Kinder! – kanadische Familie Cardinal. In den 50er/60er Jahren lebt sie in dem Dorf Norco, das seine Existenz Vater Cardinal verdankt, der dort ein Zinkvorkommen entdeckt hat. Leider verkauft er es unvorteilhaft an eine Minengesellschaft und die Familie kann nur ein armes Leben führen. Die Kinder Cardinal terrorisieren die anderen Dorfbewohner und treiben es noch ärger, als die Gesellschaft den Zinkabbau einstellt und Norco zu einem Phantomdorf wird. Die Familie schmiedet einen Plan. Dieser missglückt auf tragische Weise und in der Folge verstreuen sich die Kinder in der ganzen Welt. Warum?
Die Antwort wird von einigen der inzwischen erwachsenen Kinder Jahrzehnte später anlässlich des ersten Familientreffens gegeben. Nacheinander erzählen sie von ihrem damaligen Leben. Heraus kommt eine noch immer schmerzvolle familiäre Tragödie. Jedes Kind verfügt über seinen eigenen Teil an Erinnerungen, keines kennt die volle Wahrheit. Nach Art eines Puzzles fügt sich alles zusammen. Einfach nur spannend! Interessant zu lesen ist auch, wie das Leben in einer Großfamilie abläuft.
Das Buch hat mir wirklich gut gefallen. Am Anfang liest es sich allerdings nicht so einfach. Die vielen Namen der Kinder lassen sich schwer auseinanderhalten, zumal jedes auch noch einen Spitznamen trägt. Auch kommt der Perspektivenwechsel zum nächsten Erzähler oft unvermittelt und es ist nicht gleich klar, wer nun erzählt.

Veröffentlicht am 24.02.2019

Eine schwierige Großmutter-Mutter-Enkelin-Beziehung

Was man unter Wasser sehen kann
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Diese Familiengeschichte hat mir gut gefallen.
Die Geschichte der in einem Ort namens Ronnbach im Sauerland lebenden Familie Schreiber führt in die 60er Jahre zurück. Die Bewohner werden zwangsweise umgesiedelt, ...

Diese Familiengeschichte hat mir gut gefallen.
Die Geschichte der in einem Ort namens Ronnbach im Sauerland lebenden Familie Schreiber führt in die 60er Jahre zurück. Die Bewohner werden zwangsweise umgesiedelt, weil der alte Ort für den Bau einer Talsperre überflutet wird. Einige wie Cord Hennes überwinden dieses Trauma zeitlebens nicht, während sich andere mit der Situation arrangieren. Zwischen Cord und der Nachbarstochter Grete kommt es in der Nacht vor der Sprengung seines Hofes zu einem folgenreichen Treffen, werden später aber zu erbitterten Feinden. Grete heiratet ausgerechnet den Planer der Talsperre. Die Beziehung zu ihrer Tochter Marion bleibt angespannt. Marion wird zur Alkoholikerin und hat den Ruf eines leichten Mädchens. Als sie plötzlich spurlos verschwindet, kommt Marions Tochter Luca, die überwiegend von der Oma großgezogen wurde und sich von ihrer Mutter immer ungeliebt fühlte, in ihre alte Heimat zurück. Sie erfährt über den Ort und ihre Familie, vor allem das Verhältnis zwischen Oma und Mutter ihr bislang nicht bekannte Aspekte.
An dieser Geschichte ist deutlich zu erkennen, dass die Autorin selbst eine gebürtige Sauerländerin ist. Die Bewohner des beschaulichen fiktiven Ortes Ronnbach werden recht authentisch dargestellt. Ihre Ecken und Kanten wirken lebendig. Auch die Schilderungen zur Landschaft sind sehr anschaulich. Recht spannend bleibt die Frage, ob die verschwundene Marion wieder auftaucht. Die Spannung erhöht sich dadurch, dass sich die Darstellung der Geschehnisse aus der Vergangenheit mit denen aus der Gegenwart abwechselt. Das Mystische wird noch durch eingestreute und stets abgewandelte Sagen über die Ronne-Marie verstärkt. Was mir insbesondere gut gefallen hat, ist, dass am Ende längst nicht alle Fragen eindeutig beantwortet sind, der Leser aber in die Lage versetzt wird, sich selbst eine Vorstellung des Geschehenen zu bilden.
Das Buch zu lesen kann ich nur empfehlen.

Veröffentlicht am 20.02.2019

Das Bonner Polittheater Anfang der 70er Jahre

Rheinblick
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Mir hat dieser historische Roman besonders deshalb gut gefallen, weil seine Handlung in eine Zeit eingebettet ist, in die meine Kindheit und Jugend fiel und ich mich an viele Vorkommnisse und Personen ...

Mir hat dieser historische Roman besonders deshalb gut gefallen, weil seine Handlung in eine Zeit eingebettet ist, in die meine Kindheit und Jugend fiel und ich mich an viele Vorkommnisse und Personen aus eigener Anschauung erinnere – die beginnenden 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Es ist eine Zeit des Aufbruchs und der erstmaligen Reformen in der jungen Bundesrepublik. Wer heute jung ist, erhält ein schönes Bild darüber, wie die vorangegangenen ein/zwei Generationen für ihre Ziele gekämpft haben. Willy Brandt wird als der Politiker, der Demokratie verkörpert, 1972 zum Bundeskanzler gewählt. Leider werden die Koalitionsverhandlungen zwischen seiner Partei und der FDP dadurch erschwert, dass er sich einer Stimmbandoperation unterziehen muss und zwei Wochen zum Schweigen verdonnert ist. Hinter seinem Rücken beginnen die eigenen Genossen, der eigenen Karriere willen um Posten zu schachern und scheuen nicht davor zurück, Intrigen zu spinnen und Gerüchte in die Welt zu setzen, in die sie auch Personen involvieren, die mit Politik gar nichts am Hut haben. Zu ihnen gehören die Wirtin Hilde Kessler, deren Gaststätte „Rheinblick“ beliebter Treffpunkt der Bonner Politiker ist, und die Logopädin Sonja, deren Patient Brandt ist. Die beiden Frauen stehen vor der Gewissensfrage, loyal mit ihnen beruflich zur Kenntnis gelangtem Wissen umzugehen oder einen Vertrauensbruch zu begehen.
Alles eine fiktive Geschichte, die aber durchaus real sein könnte. Die Autorin hat wirklich gut recherchiert über die politischen und sozialen Verhältnisse der in Bezug genommenen Zeit. Von den in die Geschichte eingebrachten Politikern, von denen viele inzwischen gestorben sind, zeichnet sie ein informatives Bild. Es bleibt zu hoffen, dass es so wie von ihr geschildert nicht auch heute auf der politischen Bühne Berlins zugeht. Spannung wird dadurch in die Geschichte gebracht, dass ein ungeklärter Mordfall an einem jungen Mädchen eine Rolle spielt, der bis in die Politikerkreise zu führen scheint.

Klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 14.02.2019

Was ist tatsächlich geschehen?

Lügenmeer
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Die auf dem Buchcover abgedruckte Meinung des ZDF über den früheren Roman der Autorin „Das Scherbenhaus“ – „hochdramatisch, hochspannend“ – trifft auch den Kern ihres neuen Buches.
Nach fast 20 Jahren ...

Die auf dem Buchcover abgedruckte Meinung des ZDF über den früheren Roman der Autorin „Das Scherbenhaus“ – „hochdramatisch, hochspannend“ – trifft auch den Kern ihres neuen Buches.
Nach fast 20 Jahren kehrt Magnus in seine Heimatstadt zurück, die er seinerzeit nach einem Freispruch mangels Beweisen für die die ihm vorgeworfenen Tötung seiner Freundin Milla verlassen hat. Jetzt will er sich den Geistern der Vergangenheit stellen und wissen, was seinerzeit wirklich geschehen ist. Wurde Milla bei einer heimlichen nächtlichen Party im Hallenbad vom Fünfmeterturm gestoßen oder war es ein Unglück? Magnus sucht das Gespräch mit seinen damaligen Freunden und anderen Bewohnern der Stadt … Am Ende nimmt alles eine unvermutete Wendung.

Schon der formale Aufbau der Geschichte trägt zur Entwicklung von Spannung bei. Es wechseln sich Gegenwart und Rückblenden in die Vergangenheit ab, die zudem von wechselnden Erzählern dargestellt werden. Die früheren Geschehnisse werden in immer kürzeren Zeittakten bis zum eigentlichen Vorfall geschildert. Der Leser hat lange Zeit Gelegenheit, sich eine eigene Vorstellung zu bilden. Faszinierend ist, wie immer mehr Personen involviert sind und bei vielen von ihnen persönliche Tragödien zu Tage gefördert werden. Atmosphärisch passend ist, dass die Geschichte am Meer, nämlich einem fiktiven Ort an der Kieler Förde angesiedelt ist.

Sehr empfehlenswert.

Veröffentlicht am 04.02.2019

Außenseitertum in der japanischen Gesellschaft

Die Ladenhüterin
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Satireähnlich beleuchtet die Autorin die Gesellschaft ihrer japanischen Heimat, in der Arbeitseifer in einem ordentlichen Beruf und Gründung einer Familie in den 30ern „normal“ sind. Ihre Protagonistin ...

Satireähnlich beleuchtet die Autorin die Gesellschaft ihrer japanischen Heimat, in der Arbeitseifer in einem ordentlichen Beruf und Gründung einer Familie in den 30ern „normal“ sind. Ihre Protagonistin Keiko läuft diesem Bild völlig zuwider. Bereits seit ihrer Kindheit ist sie, weil recht gefühllos, sozial gestört. Ihren Platz und ihre Erfüllung findet sie in einer streng reglementierten Aushilfstätigkeit in einem 24-Stunden-Supermarkt, der sie immerhin 18 Jahre lang mit Übereifer nachgeht. Um endlich Ruhe vor Familie und Freunden zu haben, die sie zur Aufnahme eines ordentlichen Berufes oder Gründung einer Familie drängen, nimmt sie den arbeitslosen Schmarotzer Shiraka bei sich auf, wodurch ihr Alltag ins Wanken gerät.

Die Geschichte fasziniert durch ihre zwar der Norm nicht entsprechenden, aber dennoch sehr sympathischen Hauptfigur, die uns Europäern ein so reales Bild von der japanischen Gesellschaft und Arbeitswelt vermittelt und manches Klischee bestätigt. In der Vergangenheit habe ich schon einige Bücher japanischer Autoren gelesen und war oft enttäuscht ob der Distanziertheit der Geschichte. Erst dieses Buch lässt mich meine bislang negative Einstellung zu japanischer Literatur revidieren. Schade, dass es Buch so kurz ist.