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Veröffentlicht am 23.10.2021

Meisterhafte Literatur

Die Enkelin
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Mit seinem neuen Roman beweist Schlink wie schon bei seinen mir bekannten Romanen „Der Vorleser“ und „Olga“, dass er ein begnadeter zeitgenössischer Autor ist. Thematisch ähneln sich die vorgenannten Bücher ...

Mit seinem neuen Roman beweist Schlink wie schon bei seinen mir bekannten Romanen „Der Vorleser“ und „Olga“, dass er ein begnadeter zeitgenössischer Autor ist. Thematisch ähneln sich die vorgenannten Bücher in gewisser Weise. Auch vorliegend nehmen Rechtsradikalismus bzw. völkischer Nationalismus Raum ein. Hinzu kommen der Sozialismus in der ehemaligen DDR und das Leben in ihr in der Nachwendezeit, also alles gesellschaftspolitisch bedeutsame Aspekte, die entsprechend interessierte Leser ansprechen.
Doch worum geht es? In den 1960er Jahren verlieben sich der Student Konrad aus West-Berlin und die Studentin Birgit aus Ost-Berlin bei einem Pfingsttreffen. Sie ist schwanger von einem Parteimitglied, ohne dass Konrad davon weiß. Er verhilft ihr zur Flucht in den Westen. Das Kind hat sie von einer Freundin vermeintlich aussetzen lassen, tatsächlich wurde es dem leiblichen Vater überlassen. Jahrzehnte später schreibt Birgit ein Buch über ihr Leben und will sich auf die Suche nach ihrer Tochter machen. Beide Vorhaben bleiben unvollendet, weil sie stirbt. Konrad erfährt aus den Aufzeichnungen von der Tochter. Nunmehr sucht er nach ihr und findet sie in einer völkischen Siedlung in einem ostdeutschen Dorf. Listig stellt er Kontakte zu deren Tochter Sigrun her und bringt dieser ein Leben jenseits rechten Denkens nahe. Sigrun wendet sich tatsächlich gegen ihre Eltern, schließt sich aber der autonomen rechten Szene in Berlin an, wo die Situation eskaliert.
All das und noch viel mehr erzählt Schlink in seiner gewohnt bedächtigen, gleichwohl kraftvollen Schreibweise. Verschiedene weltanschauliche Ansätze, die zu verfolgen äußerst interessant ist, führt er durch die verschiedenen Romanfiguren ein. Konrad mit seinen liberalen Ansichten steht in krassem Gegensatz zu den rechten Parolen und Denkweisen, die sich Sigrun und ihre Familie zueigen machen. Ohne sie belehren zu wollen, will Konrad sie geduldig auf den rechten Weg bringen.
Volle Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 17.10.2021

Aufstieg und Fall eines Unternehmers

Rückwind
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Das Buch erzählt vom hohen Aufstieg und tiefen Fall eines Unternehmers für Windkraft. Eigentlich sperrt sich der Protagonist Hartmut Trössner, die mittelständische Firma für Sondermaschinen seines Vaters ...

Das Buch erzählt vom hohen Aufstieg und tiefen Fall eines Unternehmers für Windkraft. Eigentlich sperrt sich der Protagonist Hartmut Trössner, die mittelständische Firma für Sondermaschinen seines Vaters fortzuführen, besinnt sich nach dessen Tod aber unvermutet eines anderen und macht aus dem Erbe ein Weltunternehmen für Windräder. Privat ist er ebenfalls auf der Sonnenseite des Lebens mit einer bekannten Schauspielerin als Ehefrau, einem kleinen Sohn und Eigenheim. Doch an nur einem einzigen Tag verliert Trössner dann alles und verbringt einige Monate in der Psychiatrie. Nach seiner Entlassung begibt er sich mit dem Zug nach Berlin und erzählt seine Lebensgeschichte einer mitreisenden jungen Frau. In Berlin landet er einen Coup.
Interessant ist der Roman allemal, enthält er doch viele satirische Elemente betreffend Unternehmertum, Medien, Windenergie. Zum Nachdenken regt er hinsichtlich der immer wieder von Trössner aufgeworfenen Frage nach dem Warum für so viel kumuliertes Leid in seiner Person an. Leicht zu lesen ist er aber nicht. Denn Vieles wird von einem den Protagonisten umgebenden unsichtbaren Ich geschildert und kommentiert. Der Sinn des fulminanten Endes hat sich mir dann leider nicht erschlossen.

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Veröffentlicht am 05.10.2021

Rückblick auf eine alte Ehe

Solange sie tanzen
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Wer gerne Liebesromane mit dem gewissen Etwas liest, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen. Sowohl die beiden Liebenden selbst als auch ihre ureigene Liebesgeschichte sind etwas ganz Besonderes. Ihren ...

Wer gerne Liebesromane mit dem gewissen Etwas liest, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen. Sowohl die beiden Liebenden selbst als auch ihre ureigene Liebesgeschichte sind etwas ganz Besonderes. Ihren Beginn nimmt die Geschichte 1957, als die beiden – Ada und Hans – bei einem Kinobesuch durch Freunde verkuppelt werden sollen und sich tatsächlich ineinander verlieben. Da die Eltern gegen die Beziehung sind, besuchen sie über Jahre hinweg gemeinsam Tanzkurse, um sich wenigstens dort treffen zu können. Schließlich kann eine Heirat doch stattfinden und die Ehe hält mehr als 50 Jahre bis zum Tod von Hans. Im Alter blickt Ada auf diese Jahrzehnte zurück, die auch ihre Schattenseiten hatten. Doch auch ihre Zeit neigt sich dem Ende zu und wird von fortschreitender Demenz geprägt.
Über eine solche alte Ehe, die durchaus ihre Probleme hatte, zu lesen, war sehr unterhaltsam. Sich mit Senioren zu befassen, macht sich die Autorin wohl zur Aufgabe, denn auch „Fritz und Emma“ hatte Senioren als Protagonisten. Hier kommt als zusätzlicher schöner Aspekt hinzu, dass Ada einen ebenfalls in die Jahre gekommenen Boxerhund um sich hat, um den sie sich rührende kümmert (und auch umgekehrt).
Das Buch bekommt von mir eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 30.09.2021

Ein einziges Lamentieren

Eine Frau am Telefon
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Erst kürzlich habe ich den neuesten Roman der Autorin „Kleine Fluchten“ gelesen, der mich sehr beeindruckt hat. Er war der Grund, zu dem vorliegenden früheren Buch zu greifen. Doch ich war sehr enttäuscht. ...

Erst kürzlich habe ich den neuesten Roman der Autorin „Kleine Fluchten“ gelesen, der mich sehr beeindruckt hat. Er war der Grund, zu dem vorliegenden früheren Buch zu greifen. Doch ich war sehr enttäuscht. In unendlich langen Monologen telefoniert eine Frau um die 60 mit ihrer erwachsenen Tochter bzw. bespricht deren Anrufbeantworter. Sie lamentiert unentwegt über ihren Ex-Ehemann, Krankheiten, Partnersuche auf Datingportalen. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass sie eine psychische Störung hat, was im Text auch angedeutet wird. Mir fehlt jeglicher Tiefsinn und ich war froh, das kurze Büchlein rasch ausgelesen zu haben.

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Veröffentlicht am 25.09.2021

Wunderbare Erzählung über eine osteuropäische Pflegekraft

Wenn ich wiederkomme
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Bei uns in Deutschland werden osteuropäische Pflegekräfte in Privathaushalten schon seit geraumer Zeit beschäftigt, um Senioren im Alter einen Verbleib in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. In diesem ...

Bei uns in Deutschland werden osteuropäische Pflegekräfte in Privathaushalten schon seit geraumer Zeit beschäftigt, um Senioren im Alter einen Verbleib in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist dann aber meistens nur von den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen und der Erleichterung für die Angehörigen die Rede. In diesem Roman nun widmet sich der Autor einmal der anderen Seite, nämlich der Pflegekraft und deren eigener Familie. Am Beispiel der Rumänin Daniela und ihrer beiden Kinder Angelica und Manuel schildert er, wie allein und verlassen sich die zurückgelassene Familie ohne die Mutter fühlt, die die überwiegende Zeit im Jahr im Ausland (hier: Italien) tätig ist, um die Familie mit dem hart, zumeist schwarz verdienten Geld zu Hause über die Runden kriegen und ihr vor allem ein besseres Leben ermöglichen zu können. Dabei teilt er die Geschichte in drei Teile und lässt in jedem einen der drei Beteiligten seine Situation und Sicht der Dinge schildern. Die Probleme und Belastungen der Frauen und ihrer Familie werden gut herausgearbeitet. Sie waren mir in dieser Tragweite gar nicht bewusst. Vor allem kannte ich das sog. „Italiensyndrom“ bislang nicht, also die depressive Erkrankung der Pflegerinnen. Der Autor hat gute Recherche geleistet. Mich als Zugehörige zu einer Wohlstandsgesellschaft hat sie betroffen zurückgelassen.
Sehr lesenswert.

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