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Veröffentlicht am 20.06.2020

Us Söl'ring Lön/Unser Sylter Land

Ozelot und Friesennerz
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In diesem wirklich lesenswerten Roman zeigt die Autorin auf, dass die vorgenannte Sylter Inselhymne mit dem so schön klingenden friesischen Titel schon lange nicht mehr der Wirklichkeit entspricht, da ...

In diesem wirklich lesenswerten Roman zeigt die Autorin auf, dass die vorgenannte Sylter Inselhymne mit dem so schön klingenden friesischen Titel schon lange nicht mehr der Wirklichkeit entspricht, da die Insel längst nicht mehr den dort geborenen Insulanern gehört, sondern den reichen Stars, Politikern, Industriellen, Investoren und Immobilienspekulanten, die jedes Haus und jeden freien Grund aufkaufen. Die Anfänge liegen eigentlich bereits in den Jahren des Wirtschaftswunders der 1960er und 1970er Jahren. Und exakt in diesem Zeitraum ist die Geschichte angesiedelt. Die 1963 geborene Autorin erzählt über ihre Kindheit auf Sylt. Die reichen und namhaften Touristen begannen auf der Insel einzufallen und der Tourismus wurde für die Insulaner zum auch sie in den Wohlstand führenden Lebensinhalt, dem sich das Familienleben unterzuordnen hatte. Typisch war, dass die Insulaner ein Unternehmen/einen Betriebe hatten (Susannes Eltern führten ein florierendes Pelzgeschäft) und nebenher noch Fremdenzimmer vermieteten, Touristen in der Hauptsaison sogar in den eigenen Ehebetten unterbrachten, und die Kinder nicht stören durften. Durchaus humorig wird uns die damalige Zeit auf Sylt geschildert und die eine oder andere Anekdote über namhafte Personen zum Besten gegeben. Die Insel als solche wird sehr bildhaft beschrieben und so mancher Einwohner wird als uriges Original dargestellt. Das Schöne ist, dass ich fast zur selben Zeit wie die Autorin geboren wurde und mir Vieles aus eigener Erinnerung bekannt ist. Sogar von dem Cover-Foto kann ich sagen – ja, exakt so waren die Menschen (und ich) damals angezogen. In Prolog und Epilog hält die Autorin nicht mit berechtigter Kritik an den Ursachen der heutigen unbefriedigenden Situation auf der Insel zurück.

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Veröffentlicht am 17.06.2020

Die Bandbreite der Themen und Schicksale erschlägt

Gott wohnt im Wedding
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Das Buch ist keine leichte Kost und verdient alle Hochachtung angesichts der in ihm behandelten Themen – Geschichte der Juden und Roma, ihre Verfolgung und Benachteiligung im Dritten Reich, Situation der ...

Das Buch ist keine leichte Kost und verdient alle Hochachtung angesichts der in ihm behandelten Themen – Geschichte der Juden und Roma, ihre Verfolgung und Benachteiligung im Dritten Reich, Situation der rumänischen Roma, Rassismus, Geschichte Israels, Immobilienspekulation. Gerade das aber hat auf mich eine erschlagende Wirkung. Es wurde doch etwas sehr viel in die Geschichte gepackt, so dass es schwer war, konzentriert allem zu folgen, zumal viele Zeitsprünge erfolgen und viele Einzelschicksale behandelt werden, die auch noch miteinander verwoben sind. Die gründliche und gute Recherche der Autorin verdient Lob. Es ist für mich der erste Roman, in dem ich etwas über Roma gelesen habe. Ich habe viel Neues erfahren. Die Darstellung wirkt auf mich oft sehr nüchtern und geben die wörtlichen Reden der Romanfiguren Ansichten wieder, die so aus dem Mund von Politikern oder ihren Interessenvertretern stammen könnten. Auf jeden Fall ist es eine schöne Idee, die Geschichte eines Hauses und seines Stadtviertels sowie seiner Bewohner vom Ende des 19.Jahrhunderts bis in die Gegenwart zu schildern und dabei abwechselnd das Haus selbst und wichtige Bewohner zu Wort kommen zu lassen.

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Veröffentlicht am 10.06.2020

Fesselnd

Neujahr
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Das Faszinierende an diesem Buch ist es, die Entwicklung des Protagonisten Henning zu verfolgen. Anfänglich wird der Eindruck vermittelt, er ist ein mit Ehe, Kindern und Beruf völlig zufriedener Mann. ...

Das Faszinierende an diesem Buch ist es, die Entwicklung des Protagonisten Henning zu verfolgen. Anfänglich wird der Eindruck vermittelt, er ist ein mit Ehe, Kindern und Beruf völlig zufriedener Mann. Nach und nach werden dann aber Informationen eingestreut, die ein so ganz anderes Bild von ihm zeichnen. Vor allem leidet er seit geraumer Zeit unter belastenden Panikattacken. Bei einem Familienurlaub auf Lanzarote begibt sich Henning auf eine beschwerliche Fahrradtour durch die Berge, wo ein sehr traumatisches Kindheitserlebnis das erste Mal überhaupt in ihm hochkommt. Worum es sich hierbei handelt, ist äußerst fesselnd zu lesen. Geschickt gemacht ist auch die formale Zweiteilung der Geschichte in die Beschreibung des gegenwärtigen Lebens des Protagonisten, vor allem der Radtour, und den Rückblick auf einen entscheidenden Zeitpunkt in seiner Kindheit. Was er seinerzeit erlebt hat, ist der blanke Horror und leider durchaus realistisch.

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Veröffentlicht am 06.06.2020

Eine Liebesgeschichte ohne glückliches Ende

Ein schönes Paar
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Der Ich-Erzähler, der Fotograf Philipp, spürt nach dem binnen kurzer Zeit aufeinanderfolgenden Tode beider Eltern um das Jahr 2000 deren Geschichte nach, mit Fotos, Erinnerungen, Aufsuchen von Orten. Anlass ...

Der Ich-Erzähler, der Fotograf Philipp, spürt nach dem binnen kurzer Zeit aufeinanderfolgenden Tode beider Eltern um das Jahr 2000 deren Geschichte nach, mit Fotos, Erinnerungen, Aufsuchen von Orten. Anlass ist der Fund einer Kamera im Nachlass. Beide lernen sich kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs kennen und leben anschließend in einer kleinen Stadt der DDR. Georg ist in leitender Stellung in einem Stahlwerk. Ihr Sohn vervollkommnet die kleine Familie. Das Unglück nimmt seinen Lauf, als Georg – noch vor dem Mauerbau - einen Freund im Westen besucht und zwecks vagen Auslotens seiner Arbeitsmöglichkeiten dort Kontakt zum Verteidigungsministerium aufnimmt. Dieses schickt ihm daraufhin einen Brief, von dem Georg annimmt, dass er ihn bei der Stasi in Schwierigkeiten bringen wird. Überstürzt flüchtet er nach Hessen. Frau und Kind folgen ihm nach, Herta mit einem von allem ersparten Ostgeld gekauften Fotoapparat als Geldanlage, der bald die Ursache für die Trennung der Eheleute setzt, die sich aber nie scheiden lassen. Philipp bleibt beim Vater, zur Mutter hat er Jahrzehnte nur losen Kontakt. Auf dem Dachboden des Vaters entdeckt er dann, dass es doch noch eine Verbindung der Eltern gegeben haben muss.

Dieser in ruhigem Ton, distanziert geschriebene Roman gefällt mir. Die Beziehung von Herta und Georg bleibt fragmentarisch, was letztlich auch nicht verwundert, denn ein Kind hat ja selten den kompletten und objektiven Einblick in die Beziehung seiner Eltern und stehen die toten Eltern nicht mehr für eine Klärung zur Verfügung. Auch ansonsten bleibt Vieles der Fantasie und Deutung des Lesers überlassen, denn nicht wenige Fragen bleiben unbeantwortet – Wo war Herta dreißig Jahre lang? Warum bezahlte Georg für Hertas Heimkosten? Warum kümmerte sich Herta kaum noch um ihren Sohn? Der vorgenannte Ton passt vorzüglich zu der zwischen allen Beteiligten herrschenden Sprachlosigkeit. Einziger Makel der Geschichte sind verwirrende Zeitsprünge.

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Veröffentlicht am 01.06.2020

Abschiednehmen

Kostbare Tage
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Wie schon „Lied der Weite“ ist auch diese Geschichte des Autors in der fiktiven Stadt Holt im amerikanischen Bundesstaat Colorado angesiedelt. Viel Handlung gibt es nicht. Vielmehr geht es um zwischenmenschliche ...

Wie schon „Lied der Weite“ ist auch diese Geschichte des Autors in der fiktiven Stadt Holt im amerikanischen Bundesstaat Colorado angesiedelt. Viel Handlung gibt es nicht. Vielmehr geht es um zwischenmenschliche Beziehungen und werden Impressionen von dem Leben in einer landwirtschaftlich geprägten Kleinstadt vermittelt. Im Vordergrund steht der betagte Eisenwarenhändler Dad Lewis, der aufgrund einer Krebserkrankung nur noch kurze Zeit leben wird. Seine Frau und Tochter umsorgen ihn, Nachbarn und Bekannte aus dem Ort kommen ihn besuchen. In Gedanken lässt er einige Fehler in seinem Leben Revue passieren, vor allem sein Zerwürfnis mit seinem Sohn. Alles wird in einer sehr ruhigen und beschaulichen Sprache erzählt. Da wörtliche Reden weder durch Anführungszeichen noch Spiegelstriche kenntlich gemacht werden, erfordert das Lesen eine gewisse Konzentration, um das Gesprochene den richtigen Personen zuordnen zu können. Das Buch erinnert an die Romane von Elizabeth Strout (z.B. „Die langen Abende“) und kann ihren Lesern empfohlen werden.

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