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Veröffentlicht am 18.05.2019

Verdammt zu einem Leben in der DDR

Über alle Grenzen
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Jetzt ist es schon rund 30 Jahre her, dass die Mauer fiel. Wer allerdings dieses Hörbuch hört, wird meinen, die Geschehnisse hätten sich erst gestern zugetragen. Besonders an der DDR-Geschichte Interessierten, ...

Jetzt ist es schon rund 30 Jahre her, dass die Mauer fiel. Wer allerdings dieses Hörbuch hört, wird meinen, die Geschehnisse hätten sich erst gestern zugetragen. Besonders an der DDR-Geschichte Interessierten, die außerdem Familiengeschichten mögen, möchte ich das Hörbuch empfehlen.
Im Mittelpunkt steht die siebenköpfige Familie Alexander, die Ende der 1950er Jahre aus Bayern nach Erfurt zieht und nach dem bald folgenden Mauerbau so schnell nicht mehr aus der DDR gelangen soll. Schon bald geraten sie mit der allgegenwärtigen Obrigkeit in Konflikt und unter Beobachtung, weil der Vater seinem Chef einen Gefallen macht. Richtig kritisch wird es, als der einzige Sohn in den Westen flieht, später seine Frau und Kinder durch Fluchthilfe nachkommen lässt, was zur Inhaftierung des Vaters führt. Auf dem Weg zurück in die DDR, um seine sterbenskranke Mutter noch einmal zu sehen, wird auch er inhaftiert. Der Rest der Familie ist zunehmenden Repressalien ausgesetzt, so dass es nicht wundert, als die Tochter Lotti Mitte der 80er Jahre mit Mann und Kindern Ausreiseanträge stellt.

Chronologische Schilderungen aus dem Werdegang der Familie zwischen den späten 50er Jahren und Mitte der 80er Jahre wechseln sich ab mit Bruchstücken aus der Gegenwart (2010/11), als Lotti ihren todkranken Bruder Bruno erstmals wiedertrifft und ihn pflegt.

Was bin ich froh, nicht in der DDR aufgewachsen zu sein. Der eine Erzählstrang bringt uns so viele bedrückende Details nahe und lässt gut nachempfinden, warum die DDR-Bürger letztlich einen so großen Freiheitsdrang hatten. Irgendwie hat man das eine oder andere ja schon einmal gehört. Wenn alles aber so geballt erzählt wird, lässt es einen betroffen und mit mehr Verständnis für die Ostdeutschen zurück. Der zweite Erzählstrang prangert wohl die Pflegezustände in deutschen Altersheimen an. Hier habe ich mich etwas daran gestoßen, dass Lotti, die doch völlige Laiin in der Pflege ist, zu bestimmend und zu besserwisserisch auftritt und ihre völlige Aufopferung für den Bruder zu unrealistisch wirkt. Alles in allem waren es für mich aber 655 Minuten interessante Hörminuten, zumal Beate Rysopp gut gelesen hat.


Veröffentlicht am 12.05.2019

Umbrüche in der Familie

Der Sommer meiner Mutter
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Vom ersten Satz an weiß der Leser, dass das Buch ein tragisches Ende hat – den Suizid der Mutter des 11jährigen Erzählers Tobias. Über die Gründe lassen sich im Lauf der Geschichte nur Vermutungen anstellen, ...

Vom ersten Satz an weiß der Leser, dass das Buch ein tragisches Ende hat – den Suizid der Mutter des 11jährigen Erzählers Tobias. Über die Gründe lassen sich im Lauf der Geschichte nur Vermutungen anstellen, die sich dann – nur so viel sei verraten - bestimmt als völlig daneben liegend erweisen werden. Bis dahin erhält man Einblick in das Leben der gutbürgerlichen, katholischen Kleinfamilie aus einem Kölner Vorort im Frühjahr/Sommer 1969. Scheinbar ist bei ihnen alles in Ordnung. Dass dem nicht so ist, tritt zu Tage, als sie neue Nachbarn bekommen, die so völlig anders sind – der Vater Philosophieprofessor mit politischem Interesse, seine Frau berufstätig, beide Kommunisten. Die Eltern freunden sich an ebenso wie Sohn und Tochter, die erste sexuelle Erfahrungen miteinander erleben. Und in der Nacht der Mondlandung der Amerikaner verändert sich für beide Familien alles …
Die Geschichte ist ruhig geschrieben. Wessen Kindheit in die 1960er Jahre fällt, der wird viele Details aus eben dieser Zeit wiedererkennen. Eine wichtige Rolle kommt der Emanzipation der Frau und ihrer sexuellen Selbstbestimmung zu. Weil der Autor studierter Astrophysiker ist, flicht er sehr verständlich die Umstände um die erste Mondlandung ein.
Dieses Buch sollte man nicht verpassen.

Veröffentlicht am 10.05.2019

Frau mit Doppelleben

All das zu verlieren
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In dem Roman geht es um das Doppelleben der schönen Adèle aus Paris. Einerseits führt sie ein bürgerliches Leben in ihrer Ehe mit einem Arzt und als berufstätige Mutter eines kleinen Sohnes. Andererseits ...

In dem Roman geht es um das Doppelleben der schönen Adèle aus Paris. Einerseits führt sie ein bürgerliches Leben in ihrer Ehe mit einem Arzt und als berufstätige Mutter eines kleinen Sohnes. Andererseits aber ist sie eine Nymphomanin und hat maßlosen Sex mit fremden Männern. Mit einer Affäre scheint sie dann zu weit zu gehen …
Die Thematik der Sexsucht ist für eine marokkanisch-stämmige Autorin ungewöhnlich, wird von ihr aber hervorragend umgesetzt. Ohne große Umschweife dringt sie in schier unvorstellbare Bereiche ein und bringt die dunklen Seiten ihrer Romanfigur hervor, ohne dass diese beim Leser an Sympathie einbüßt. Dabei bleibt offen, warum Adèle dermaßen sexsüchtig ist, obwohl die Autorin durchaus einige Erklärungsversuche einbringt: z.B. eine Reise nach Paris mit der Mutter in der Kindheit, wo die Mutter sie allein im Hotelzimmer ließ und sich mit einem Mann traf, oder die Kindheit in einem heruntergekommenen Zuhause, die sie selbst mehr vom Leben verlangen ließ. Dem Leser bleiben also genug Deutungsversuche, die sich dann auch auf das Ende der Geschichte erstrecken müssen.
Ein wirklich lesenswerter Roman.

Veröffentlicht am 05.05.2019

Gesellschaftskritisch

Willkommen in Lake Success
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Die Lorbeeren, mit denen das Buch im Einband bedacht wird, erscheinen mir eher unverdient.
Der Protagonist Barry Cohen ist ein millionenschwerer Hedgefonds-Manager, der sich nur über Besitz und Einkommen ...

Die Lorbeeren, mit denen das Buch im Einband bedacht wird, erscheinen mir eher unverdient.
Der Protagonist Barry Cohen ist ein millionenschwerer Hedgefonds-Manager, der sich nur über Besitz und Einkommen definiert. Als ich die Börsenaufsicht auf die Spur kommt und bei seinem dreijährigen Sohn schwerer Autismus diagnostiziert wird, begibt er sich Knall auf Fall auf eine Tour mit einem Greyhound-Bus mit nur seinen kostbaren Designeruhren im Gepäck von New York nach El Paso, um dort mit seiner Jugendliebe Layla an frühere, ehrliche Zeiten anzuknüpfen.
Barry ist eine mir durchweg unsympathische Romanfigur, irgendwie passend zu Donald Trump, zu dessen Zeiten als Präsidentschaftskandidat die Geschichte angesiedelt ist. Interessant ist, welch vielfältigen Gesellschaftsschichten Barry auf seiner Reise begegnet und welche Gesellschaftskritik zu Tage kommt. Leider ist dabei vieles überzeichnet und irreal.

Veröffentlicht am 01.05.2019

Nicht nur eine leichte Urlaubslektüre

Marina, Marina
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Anders als das Buchcover es vermuten ließe, ist der Roman keineswegs nur eine klischeehafte Urlaubslektüre über Bella Italia und die berühmte italienische Amore. Sicherlich, es ist eine Geschichte über ...

Anders als das Buchcover es vermuten ließe, ist der Roman keineswegs nur eine klischeehafte Urlaubslektüre über Bella Italia und die berühmte italienische Amore. Sicherlich, es ist eine Geschichte über die Bewohner des fiktiven Ortes Sant’Amato an der Riviera sowie deren Verflechtungen untereinander und ist im Wesentlichen in den 1960er Jahren angesiedelt. An Tiefgang erhält die Geschichte, weil das zu dem Zeitpunkt solange noch nicht zurückliegende Geschehen in Italien im Zweiten Weltkrieg , vor allem die Partisanenkämpfe, worüber ich bislang nicht viel wusste, und die Rolle der Deutschen nicht nur oberflächlich thematisiert werden. In formaler Hinsicht weist das Buch einige schöne Besonderheiten auf. Im vorderen Klappendekel befinden sich schöne Fotos von der Riviera; jedes Kapitel beginnt mit einer Zusammenfassung zu einem bekannten italienischen Schlager, der einen als Ohrwurm geradezu verfolgt; am Ende sind drei Rezepte besonderer Gerichte abgedruckt. Sehr hilfreich sind das Personenregister am Anfang und das Glossar am Schluss. Ohne beides lässt sich nicht so einfach durch die vielen Romanfiguren und klangvollen eingestreuten italienischen Vokabeln navigieren.