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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.06.2018

Über das Altwerden

Die Unruhigen
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Diese interessante Biografie (oder überwiegen doch fiktionale Elemente?) füllt die norwegische Schriftstellerin Linn Ullmann – Tochter der norwegischen Schauspielerin Liv Ullmann und des schwedischen Regisseurs ...

Diese interessante Biografie (oder überwiegen doch fiktionale Elemente?) füllt die norwegische Schriftstellerin Linn Ullmann – Tochter der norwegischen Schauspielerin Liv Ullmann und des schwedischen Regisseurs Ingmar Berman – mit schönen Aspekten über sich selbst und ihre Eltern, die sich trennen, als sie erst drei Jahre alt war. Nachvollziehbar schildert sie, dass es nicht gerade leicht war, das Kind dieser berühmten Eltern zu sein. Beide Künstler mögen ihre Tochter, doch ist ihre Beziehung auch von Problemen überschattet. Die Mutter erstickt sie mit ihrer Liebe, allerdings nur, wenn sie nicht wie meistens in der Welt umherreist und die Tochter rasch wechselnden Kindermädchen überlässt. Der Vater, immerhin 48 Jahre älter, weiß sich mit ihr angesichts des Altersunterschiedes nicht zu unterhalten; er will seine Ruhe haben, Regeln befolgt wissen und sieht die Tochter ohnehin nur einmal jährlich während der Sommerferien. Gegen Ende des Lebens ihres Vaters, der dann schon fast 90 ist, planen beide ein Buch über sein Altwerden zu schreiben. Das Projekt wird nicht beendet, weil der Vater gesundheitlich rasant verfällt. Erst nach sieben Jahren lauscht Linn den aufgenommenen Kassetten und führt sie und ihre Erinnerungen zu einem Buch, dem vorliegenden, zusammen. Das Buch ist eine Mischung aus Transkriptionen der Gespräche und Rückschauen auf die Beziehung zu Vater und Mutter. An sich liest es sich gut, wenngleich häufige Zeitsprünge, nicht chronologische Ereignisse und Wiederholungen vorzufinden sind. Letztere mögen das schwindende Erinnerungsvermögen des Vaters betonen.
Wer sich für da Leben der Ullmanns/Bergmans interessiert, sollte das Buch unbedingt lesen. Aber auch andere werden wie ich an ihm Gefallen finden.

Veröffentlicht am 07.06.2018

Nett zu lesen, aber ...

Ohne ein einziges Wort
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Nett zu lesen, denn die Grundidee zu dieser Geschichte gefällt mir: Zwei Erwachsene begegnen sich, für beide scheint es Liebe auf den ersten Blick zu sein, sie verbringen intensive sieben Tage miteinander ...

Nett zu lesen, denn die Grundidee zu dieser Geschichte gefällt mir: Zwei Erwachsene begegnen sich, für beide scheint es Liebe auf den ersten Blick zu sein, sie verbringen intensive sieben Tage miteinander und er verspricht, sich bei ihr zu melden, was jedoch nicht geschieht. Liegt der Grund hierfür vielleicht in beider Vergangenheit?
Aber … Dafür, dass der Roman immerhin 522 Seiten umfasst, geschieht zu wenig und das Wenige wird episch zu breit ausgeführt. Zudem ist Vieles wirklichkeitsfremd. Sie, immerhin eine gestandene Frau von bald 40 Jahren, ergeht sich nach dem unerwarteten Funkstillstand in überlang dargestelltem Selbstmitleid und teenagertypischem Verhalten. Wenn sie ihn wirklich persönlich zur Rede hätte stellen wollen, hätte sie doch andere Wege beschreiten können, als allein zu versuchen, ihn via Smartphone und soziale Medien zu kontaktieren. Immerhin war sie schon bei ihm zu Hause und hätte sich eben dorthin begeben können. Zu viel dreht sich auch um beider Trauer um ihre Geschwister, der Verbindungsstelle zwischen ihnen also, die sein Verhalten ihr gegenüber erklärt. Die Geschehnisse liegen doch bald 20 Jahre zurück. Positiv hervorzuheben ist allerdings, dass dieser Anknüpfungspunkt erst allmählich aufgedeckt wird, so dass das Lesen spannend bleibt.
Wenn man also nicht vergisst, dass es sich „nur“ um einen Unterhaltungsroman handelt und er sein Ziel zu unterhalten eigentlich ganz gut erreicht, lässt sich guten Gewissens eine Leseempfehlung geben.

Veröffentlicht am 25.05.2018

Davonlaufen ist vielleicht doch eine Lösung?

Helle Nächte am Meer
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Von dem Buchtitel und –cover sollte man sich vielleicht nicht irreführen lassen. Während beides auf eine leichte Sommerlektüre am Meer hindeutet, hat die Geschichte doch sehr viel mehr Tiefgang und einen ...

Von dem Buchtitel und –cover sollte man sich vielleicht nicht irreführen lassen. Während beides auf eine leichte Sommerlektüre am Meer hindeutet, hat die Geschichte doch sehr viel mehr Tiefgang und einen ernsten Hintergrund. Die Protagonistin Imogen flüchtet nämlich unter Abbruch aller Zelte und generalstabsmäßig vorbereitet aus einer unglücklichen Ehe mit einem Ekelpaket und totalen Kontrollfreak, in der sie ihr Selbstbewusstsein völlig verloren hat. Ihr Weg führt sie an einen Badeort an der französischen Atlantikküste, wo sie sich ein neues Leben aufbaut, allerdings auch in ständiger Furcht lebt, ihr Mann könne sie aufspüren.
Der Roman hat mich lange Zeit wirklich gepackt. Dafür sorgen sich abwechselnde Schilderungen aus Imogens neuem Leben mit wiederkehrenden Einschüben aus der Gedankenwelt ihres fast schon psychopathisch wirkenden* Mannes, der sich in der Tat auf die Suche nach der Nadel im Heuhaufen begibt, und Rückblenden in Imogens Kindheit und Jugend, also in eine Zeit, in der sie nie so recht verwurzelt war die Erklärung dafür ist, warum sie sich Geborgenheit von ihrem Mann versprach und es bei ihm aushielt. Allerdings empfand ich die Geschichte dann irgendwann doch als zu sehr in die Länge gezogen. Eine Straffung hätte ihr ganz gut getan, zumal an Handlung nicht wirklich viel und nichts ohnehin nicht schon Vorhersehbares geschieht. Gelungen ist die Darstellung von Imogens Entwicklung. Es wird beim Lesen fast schon spürbar, wie ihr Selbstbewusstsein allmählich zurückkehrt. Sehr schön fand ich auch die eine oder andere eingestreute Lebensweisheit, die Imogen von ihrer verstorbenen Mutter gelehrt bekommen hat.
Sehr empfehlenswert.

Veröffentlicht am 21.05.2018

Im Bücherparadies

Das Mädchen, das in der Metro las
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Die Autorin hat mehrere Jugendbücher und Erwachsenenromane geschrieben. Dieser neue Roman dürfte besonders bibliophile erwachsene Leser ansprechen. Aus ihm spricht überall die Liebe der Autorin zur Literatur. ...

Die Autorin hat mehrere Jugendbücher und Erwachsenenromane geschrieben. Dieser neue Roman dürfte besonders bibliophile erwachsene Leser ansprechen. Aus ihm spricht überall die Liebe der Autorin zur Literatur. Das fängt beim Titel an (der übrigens die wörtliche Übersetzung des französischen Originals ist), setzt sich fort im liebevoll, detailreich gestalteten Cover (das Bücherstapel in Regalen zeigt und einzelne Buchtitel erkennen lässt), den vielen Bezugnahmen auf klassische und zeitgenössische Literaturwerke und endet schließlich in der eigentlichen Geschichte, in der es um folgendes geht:
Juliette nimmt täglich zur gleichen Zeit dieselbe Linie der Metro, um zu ihrer ungeliebten Arbeitsstelle bei einem Pariser Makler zu gelangen. Dabei liebt sie es, die immer gleichen lesenden Leute um sie herum zu beobachten – die alte Dame mit einem Kochbuch, den Mann mit einer Insektenenzyklopädie, das junge Mädchen mit einem Liebesroman, das immer auf S. 247 weint. Es ist fast, als könnten diese unterschiedlichen Leute Leben in ihr eigenes monotones und so vorhersehbares Leben bringen. Eine Veränderung in Juliettes Leben tritt ein, als sie eines Tages eine Haltestelle früher aussteigt und sich in einer unbekannten Straße mit einem Lagerhaus wiederfindet, in dem der Iraner Soliman mit seiner Tochter unter Stapeln von Büchern lebt, die er durch Boten zu Leuten bringen lässt, zu denen sie passen.

Mir hat die Grundidee dieses Romans gut gefallen, die da wäre, dass ein Buch perfekt zu einer Person in einem Moment ihres Lebens passen kann und seine Lektüre unser Leben ändern kann. Im Falle der Protagonistin hat dann allerdings kein bestimmtes Buch Veränderungen hervorgerufen, wie ich erwartet hatte, sondern die Bekanntschaft mit dem kauzigen Soliman. Das Buch hat etwas Märchenhaftes an sich und ist für mich typisch französisch.

Veröffentlicht am 11.05.2018

Trennung und Trennungskind

Elternteile
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Dieses Buch sollten unbedingt jene lesen, deren Familie gerade am Zerbrechen ist.

Die Protagonistin Karen stellt schonungslos dar, was es für sie im Verhältnis zu ihrer kleinen Tochter Anna bedeutet, ...

Dieses Buch sollten unbedingt jene lesen, deren Familie gerade am Zerbrechen ist.

Die Protagonistin Karen stellt schonungslos dar, was es für sie im Verhältnis zu ihrer kleinen Tochter Anna bedeutet, sich vom Ehemann und Vater zu trennen. Vor allem die Scheidungsfolgenvereinbarung ist es, die sie mit sich selbst hart ins Gericht gehen lässt. Nach ihr wohnt das Kind nämlich abwechselnd eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim Vater und teilen sich die Eltern Feiertage u.ä. auf. Karen lässt der Gedanke nicht los, vielleicht keine gute Mutter zu sein, weil sie sich auf solch eine Vereinbarung eingelassen hat, wie es ihr eigenes Umfeld sie spüren lässt. Andererseits preisen Familienpädagogen sie immerhin als im Sinne des Kindeswohls an. Der Roman ist nicht als durchgängige Erzählung gestaltet, sondern ein Gefüge von Karens Gedanken. Manchmal steht auf einer Seite sogar nur ein einziger Satz. Genau das ist es, was sie dem Leser so nahe sein und ihn mit ihr fühlen lässt. Es wird zum Nachdenken über die Frage angeregt, wie man in ähnlicher Lage die Sorgerechtsfrage für die eigenen Kinder regeln würde.
Sehr lesenswert.