Profilbild von uli123

uli123

Lesejury Star
offline

uli123 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit uli123 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.03.2018

Ein Bergdorf im Wandel der Zeit

Alles was glänzt
0

In melancholischer, distanzierter Tonart erzählt dieses Romandebüt von dem Leben in einem namenlosen, abgelegenen Bergdorf. Bis vor einigen Jahren wurde dort Erz abgebaut; seit das Bergwerk still gelegt ...

In melancholischer, distanzierter Tonart erzählt dieses Romandebüt von dem Leben in einem namenlosen, abgelegenen Bergdorf. Bis vor einigen Jahren wurde dort Erz abgebaut; seit das Bergwerk still gelegt ist, droht der Ort zu veröden, weil seine Bewohner in die Stadt ziehen. Ein Journalist hat sein Übriges dazu beigetragen, indem er prophezeite, der Ort werde unter Geröll verschwinden. Und tatsächlich bilden sich Erdspalten. Die wenigen verbliebenen Bewohner sind genauso verletzt wie der Berg – die Gastwirtin Susa hat ihren Mann durch Suizid verloren, der ehemalige Bergmann Wenisch fühlt sich im Alter von seiner entfernt lebenden Tochter vernachlässigt, die Jugendliche Teresa sehnt sich danach, in die Stadt zu ziehen, ihre Schwester Esther trauert um ihren verunfallten Freund. In dieser Situation trifft der Regionalmanager Merih ein, um das Dorf umzusiedeln.
Eigentlich mag ich solch ungewöhnliche Bücher wie das vorliegende, in denen in wechselnden Perspektiven gesellschaftliche Probleme abgehandelt werden. Allerdings wirkt diese Geschichte auf mich zu bedrückend, als dass sie mir tatsächlich gefallen hätte. Zudem stehen die verschiedenen Romanfiguren recht isoliert nebeneinander. Vermutlich habe ich den Sinn nicht wirklich erfasst.

Veröffentlicht am 25.03.2018

Ein Leben für die Justiz

Justizpalast
0

Auf dieses Buch aufmerksam wurde ich im letzten Herbst bei seiner Vorstellung durch eine Literaturkritikerin. Ich war seinerzeit der Überzeugung, es mit einem wahren Lesehighlight zu tun zu bekommen. ...

Auf dieses Buch aufmerksam wurde ich im letzten Herbst bei seiner Vorstellung durch eine Literaturkritikerin. Ich war seinerzeit der Überzeugung, es mit einem wahren Lesehighlight zu tun zu bekommen. Der Preis von immerhin 25,00 EUR hielt mich dann noch geraume Zeit von seinem Kauf ab. Jetzt ist es endlich so weit, dass ich das Buch in den Händen halte. Aber wie wurden meine hohen Erwartungen doch enttäuscht, so dass ich letztendlich nur eine durchschnittliche Bewertung von drei Sternen abgebe, wenngleich objektiv betrachtet das Buch vielleicht mehr verdient. Denn die Autorin, die selbst wohl keine Juristin ist, hat sich so viel sichtbare Mühe gegeben. Sie hat über neun Jahre hinweg fundierte Recherchen betrieben und die Arbeit mit fünfzig Juristen besprochen. Genau das ist es dann wohl, was mich ein wenig gegen das Buch einnimmt.
Herausgekommen ist eine penible und akribische Aneinanderreihung einer Vielzahl juristischer Fälle, die die Protagonistin, die Vorsitzende Richterin am Landgericht Thirza Zorniger, im Laufe ihrer Karriere bearbeitet hat. Gegen Ende ihrer Berufslaufbahn versucht sie selbst die Anzahl zu berechnen und kommt auf horrende Zahlen. Diese Fälle sind zwar nicht seitenlang eingefügt. Dennoch sind sie für einen Laien nicht immer gut verständlich. Sie sind in nicht chronologischer Reihenfolge allen Dezernaten entnommen, mit denen Thirza in ihrem Berufsleben befasst war. Somit stammen sie aus ihrer anfänglichen Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft, ihrer Tätigkeit als Familienrichterin beim Amtsgericht, als Sachbearbeiterin für Gnadenentscheidungen im Ministerium, als Mediatorin und vor allem ihrer am Ende des Berufslebens stehenden Tätigkeit als Vorsitzende Richterin einer Kartellkammer. Diesem Bereich ist etwa das letzte Buchdrittel gewidmet, und ab da hatte ich erhebliche Mühe, der Geschichte zu folgen. Die geschilderten anspruchsvollen kartellrechtlichen Streitigkeiten konnte ich geistig einfach nicht nachvollziehen. Meinen vorigen Ausführungen lässt sich schon entnehmen, dass im Vordergrund das Berufsleben der Protagonistin steht. Ein Privatleben hat sie auch lange Jahre nicht. Nach zwei kurzen Liebschaften findet sie erst spät ihr Glück mit einem Mann. Dieser bevorzugt zudem anspruchsvolle Literatur und diese liest er gerne Thirza vor, was ein weiterer Aspekt ist, der für mich den Lesefluss gestört hat. Die ausgewählte Literatur habe ich oft nicht verstanden, wie übrigens auch Thirza nicht, die lieber auf Liebesromane von Courts-Mahler zurückgreift. Was mich ebenfalls am letzten Buchdrittel stört, ist der Umstand, dass Thirza hier oft private Gespräche mit einem pensionierten Kollegen führt, dessen Ansichten auch recht wirr sind. Schwierig zu verstehen sind auch rechtsphilosophische Ausführungen. Der Schreibstil ist insgesamt nüchtern und sachlich gehalten.
Eigentlich schade, dass dieses Buch, auf das so viel Mühe verwandt wurde, wohl nicht die breite Leserschaft ansprechen wird.

Veröffentlicht am 17.03.2018

Eine wunderschöne Liebesgeschichte in leiser Tonart

Eine Liebe, in Gedanken
0

Im Hamburg der 60er Jahre verliebt sich Antonia in Edgar. Sie - das Leben genießend, beruflichen Erfolg und Selbständigkeit anstrebend, etwas naiv; Er – etwas steif, vorsichtig, zahllose romantische Briefe ...

Im Hamburg der 60er Jahre verliebt sich Antonia in Edgar. Sie - das Leben genießend, beruflichen Erfolg und Selbständigkeit anstrebend, etwas naiv; Er – etwas steif, vorsichtig, zahllose romantische Briefe schreibend. Antonias Traum von einem gemeinsamen Leben erfüllt sich nicht. Sein Versprechen, sie zu sich nach Hongkong zu holen, wo er für seine Firma ein Außenhandelsbüro aufbaut, hält Edgar nie, obwohl Antonia zu Hause für ihn schon Wohnung, Arbeit und Familie aufgebeben hat und auf gepackten Koffern sitzt. 50 Jahr später, in der Zeit der Trauer um ihre gerade verstorbene Mutter, geht Antonias Tochter der Frage nach, warum es für Antonia und Edgar keine gemeinsame Zukunft gab.
Dies ist eine wunderschöne Liebesgeschichte der leisen, nachdenklichen Tonart, die, wie von Anbeginn aufgrund des Klappentextes bekannt, kein Happy End hat. Auf die Frage nach dem Grund hierfür wird sich jeder Leser letztlich eine eigene Meinung bilden müssen. Sehr interessant ist es zu lesen, welche Rolle einer jungen Frau in den 60er Jahren in Deutschland zugedacht war und wie sehr Antonia von eben diesem Erwartungsbild abwich. Als junge Frau in einer eigenen Wohnung zu leben, einem Beruf nachzugehen und Karriere zu machen, mit einem Mann das Leben zu genießen, ja sich sogar die Pille verschreiben lassen zu wollen, wurde von der Gesellschaft wie auch von der eigenen Familie argwöhnisch beäugt. Wie schön ist es doch dagegen, ein halbes Jahrhundert später als Frau ganz selbstverständlich selbstbewusst und eigenbestimmt leben zu können. Wir haben es aber nicht nur mit einer Liebesgeschichte zu tun. Zusätzlich wird das Mutter-Tochter-Verhältnis beleuchtet. Das geschieht sehr berührend, indem die namenlos bleibende Erzählerin = Antonias Tochter noch in der Phase der Trauer Zwiegespräche mit der toten Mutter führt. Beide Stränge werden abwechselnd fortgeführt.
Ein Roman, den zu lesen ich ans Herz lege.

Veröffentlicht am 14.03.2018

Eine Fernbeziehung zwischen Himmel und Erde

Zeit für Wolke 7
0

Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, wie es wohl zugeht im Himmel, in den die Verstorbenen kommen? Einen schönen – natürlich fiktiven – Einblick vermittelt uns Lena, die mit nur 26 Jahren bei einem ...

Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, wie es wohl zugeht im Himmel, in den die Verstorbenen kommen? Einen schönen – natürlich fiktiven – Einblick vermittelt uns Lena, die mit nur 26 Jahren bei einem Motorradunfall ums Leben kommt und eben dorthin gelangt. Nur kann sie sich überhaupt nicht damit abfinden, dass sie schon mit dem Leben abgeschlossen haben soll, und will unbedingt wieder zurück auf die Erde. Dasselbe Ziel verfolgt Nils, der sich kurz vorher unsterblich in Lena verliebt hat, ohne sich ihr aber noch offenbart zu haben. Er ergreift die Chance, 473352 Stunden von Dritten gespendete Lebenszeit zu sammeln, um Lena zurück auf die Erde zu holen. Ob es hier für beide ein Happy End geben wird?
Diesen Roman zu lesen, macht sehr viel Spaß. Er sprüht nur so von Wortwitz und Wortspielereien. Das geschieht manchmal sogar völlig ohne Worte, so wie in einer mir noch in guter Erinnerung befindlichen Passage, wo Nils und ein Pater im Kloster durch gegenseitiges Schweigen kommunizieren und dieser „Dialog“ dann optisch eine Dreiviertelseite in Pünktchen anstelle von Worten und Anführungszeichen einnimmt (S. 103). Etwas Märchenhaftes wohnt der Geschichte inne, indem der Lena betreffende Teil im Himmel angesiedelt ist und dort Wesen wie Petrus und Engel eine Rolle spielen, und natürlich wohnt auch der ungewöhnlichen Liebesgeschichte zwischen einem Lebenden und einer Toten etwas Verzauberndes inne. Der auf der Erde in Bremen und auf Sylt spielende Teil lässt Leser wie mich, die ich aus dem Umland von Bremen komme, richtig zu Hause fühlen, da viele Bremer Örtlichkeiten erwähnt werden. Der Roman hat mich wunderbar unterhalten. Einziger Kritikpunkt ist, dass gegen Ende etwas zu viel Action – in Form von Banküberfall und Entführungen – einfließt. Hier wollte wohl der Autor unbedingt seine Erfahrungen aus dem Tatort einbringen, in dem er seit langen Jahren eine wiederkehrende Rolle hat.
Wer humorvolle Lektüre mag, solle dieses Buch unbedingt lesen.

Veröffentlicht am 09.03.2018

Heimkehr in die Provinz

Das Kaff
0

Michael Schürtz, ein Berliner Architekt in den 40ern, kehrt nach Jahren in seine norddeutsche kleine Heimatstadt zurück, was er eigentlich nie wieder tun wollte und wo er jetzt einen Sommer lang einen ...

Michael Schürtz, ein Berliner Architekt in den 40ern, kehrt nach Jahren in seine norddeutsche kleine Heimatstadt zurück, was er eigentlich nie wieder tun wollte und wo er jetzt einen Sommer lang einen Job als Bauleiter angenommen hat. Erstaunlich ist, wie er schnell er, der sich als großspuriger Großstädter gibt und auf die Kleingeister des „Kaffs“ herabschaut, sich ebendort wieder einlebt. Und so wechseln sich Schilderungen über seine Re-Integration (Übernahme der Rolle eines Trainers der Fußballjugend, Treffen mit seinen Geschwistern und dem früheren Chef, Verhältnis mit einer Wohnungseigentümerin des von ihm betreuten Bauprojekts) und sein Leben als kleiner Rebell vor seinem Weggang ab. Eigentlich wird nur über banale, ganz normale Begebenheiten berichtet. Aber gerade darin kann sich der Leser gut wiederfinden. Am Ende verwundert es nicht, dass Michael eine völlig neue Meinung von den Kleinstädtern hat. Gefällig ist der leise, sarkastische Grundton der Geschichte.