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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.02.2018

Im Alter auf den Spuren der Vergangenheit

Ein mögliches Leben
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Mit fast 90 Jahren reist Franz mit seinem Enkel nach Amerika, um dort die Orte zu besuchen, in denen er als 18jähriger in amerikanischer Kriegsgefangenschaft war. Viele Erinnerungen werden in ihm wach ...

Mit fast 90 Jahren reist Franz mit seinem Enkel nach Amerika, um dort die Orte zu besuchen, in denen er als 18jähriger in amerikanischer Kriegsgefangenschaft war. Viele Erinnerungen werden in ihm wach – an eben jene Zeit und an die Jahre davor sowie nach seiner Rückkehr in die Heimat, in denen er eine Familie gegründet hat, die ihn stets als harten, unnachgiebigen Mann erlebt hat. Der amerikanische Freiheitsgedanke hat Franz nie losgelassen und gerne wäre er nach Amerika ausgewandert, eben in ein anderes mögliches Leben, wenn da nicht Frau und Tochter gewesen wären.
Dieser Roman besticht durch seine gelungene Mischung aus Familiengeschichte und historischer Erzählung und spricht eine entsprechend interessierte Leserschaft an. Mit großem Interesse habe ich die Thematik der deutschen Kriegsgefangenen in den USA im Zweiten Weltkrieg gelesen, die mir so gar nicht geläufig war. Deutsche Soldaten in russischer Kriegsgefangenenschaft – ja, das ist mir bekannt. Dass aber deutsche Soldaten wie Franz von Cherbourg in Frankreich aus in die USA verschifft und in Lagern interniert wurden, wusste ich nicht. Dabei werden interessante Aspekte angesprochen – den Deutschen ging es dort vergleichsweise gut, es gab erhebliche Rivalitäten zwischen Nazigegnern und unbelehrbaren Linientreuen. Dass ein Buch so lehrreich sein kann, nimmt mich auf jeden Fall für es ein. Zum Nachdenken stimmt, wie die wenigen Jahre im jungen Erwachsenenalter, die Franz unter dem Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg erlebte, sein ganzes weiteres Leben prägten und veränderten, vor allem auch in Bezug auf seine Familie.
Die Erzählweise ist recht ruhig gehalten. Die Sprünge von Vergangenheit auf Gegenwart geschehen manchmal unvermutet und äußerlich nicht gut sichtbar gemacht, passen damit aber gut zu den Gedankengängen, die der Protagonist ja vermittelt.
Auf jeden Fall ein sehr lesenswertes Buch.

Veröffentlicht am 21.01.2018

Kein Beitrag, um Männer zu verstehen

Die Herzen der Männer
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Schade, das Buch hat so gut begonnen und wurde dann leider zusehends schwächer. Vielleicht liegt es daran, dass ich als Frau nicht zu dem Leserkreis der Männer gehöre, die das Buch ansprechen will, wie ...

Schade, das Buch hat so gut begonnen und wurde dann leider zusehends schwächer. Vielleicht liegt es daran, dass ich als Frau nicht zu dem Leserkreis der Männer gehöre, die das Buch ansprechen will, wie schon sein Titel vermuten lässt. Jedenfalls stehen im Mittelpunkt drei Generationen von Männern.
Die Geschichte beginnt in Wisconsin im Jahr 1962, als der Protagonist Nelson 13 Jahre alt ist. Er ist ein cleverer und sensibler Junge, Außenseiter, vom Vater ungeliebt. In dem etwas älteren Jonathan, Pfadfinder wie er, scheint er endlich den ersehnten Freund zu finden und wird obendrein noch vom alten Pfadfinderführer unter seine Fittiche genommen, der seine Fähigkeiten zu schätzen und zu fördern weiß. In dem ersten Abschnitt über Nelsons Aufenthalt im Pfadfinderlager wird er als Person wirklich gut dargestellt und als Leser fühlt man mit ihm – mit seiner Einsamkeit, seinem Wunsch nach Freundschaft und väterlicher Zuwendung, seinem Konflikt, als er mehrere moralisch fragwürdige Entscheidungen zu treffen hat. Die weiteren beiden Hauptabschnitte, die zusammen mit dem ersten über das Band des Pfadfindertums verknüpft sind, konnten mich dann nicht wirklich fesseln, einige Geschehnisse haben mich sogar abgestoßen. Der zweite ist Jonathan im Erwachsenenalter im Jahr 1996 gewidmet. Viel zu langatmig und ausführlich wird geschildert, wie Jonathan aus seinem 16jährigen Sohn einen richtigen Mann machen will, indem er ihn zu einer Prostituierten führt und ihm seine bevorstehende Scheidung über die eingefädelte Bekanntschaft mit seiner Geliebten schmackhaft macht. Alles ist Jonathans Sympathiewerten abträglich. Im dritten Teil, wir sind jetzt im Jahr 2019, stehen Jonathans Enkel und seine Schwiegertochter wiederum im Pfadfinderlager im Mittelpunkt. Endlich rückt einmal eine Frau in den Fokus, um dann aber auf das Klischee einer Zielscheibe für Männer (wie schon besagte Prostituierte) herabgewürdigt zu werden, während der Enkel zum Helden gemacht wird.
Welche Botschaft das Buch vermitteln will, weiß ich nicht. Im Text auf dem Buchrücken heißt es diesbezüglich, dass der Roman die Herzen der Männer erkunden will, ihre Schwächen und Geheimnisse, ihre Bedürfnisse und Werte. Das ist m.E. nicht so recht gelungen. Täuschen lassen darf man sich auch nicht von dem zuvor erwähnten Text, wenn er davon spricht, dass drei Kriege eine Rolle spielen. Auf den Zweiten Weltkrieg, den Vietnamkrieg und den Krieg in Afghanistan wird jedenfalls nur ganz sporadisch eingegangen, indem kurze traumatische Erlebnisse der männlichen Protagonisten geschildert werden.

Dieses Buch kann, muss man aber nicht lesen und es reicht nicht heran an den früheren Roman des Autors „Shotgun Lovesongs“.

Veröffentlicht am 14.01.2018

Eine verkorkste Eltern-Kind-Beziehung

Töchter wie wir
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Um es vorwegzunehmen: Das Buch ist absolut lesens- und empfehlenswert. Wie es sein Titel schon vermuten lässt, geht es vorrangig um eine Mutter-Tochter-Beziehung, wenngleich auch eine (nicht vorhandene) ...

Um es vorwegzunehmen: Das Buch ist absolut lesens- und empfehlenswert. Wie es sein Titel schon vermuten lässt, geht es vorrangig um eine Mutter-Tochter-Beziehung, wenngleich auch eine (nicht vorhandene) Vater-Tochter-Beziehung eine wichtige Rolle spielt. Tochter ist die 40jährige Mona, die 68jährige Hella ihre Mutter. Mona hadert schon ihr ganzes Leben mit ihren Eltern, von denen sie sich nur versorgt, aber nie geliebt gefühlt hat. Sie kann ihrer Mutter nur wütend und unfreundlich gegenübertreten. Hella hat in jahrzehntelanger Ehe unter ihrem kalten Ehemann gelitten und Trost im Alkohol gesucht. In abwechselnden kurzen Kapiteln decken beide Frauen ihre Gedanken und Erinnerungen an ihre Vergangenheit auf, die sie so sehr geprägt hat. So wird dem Leser nach und nach vor Augen geführt und ihm zu verstehen gegeben, warum die Protagonistinnen auch in ihrem Verhältnis zueinander so geworden sind, wie sie sind. Vieles regt zum Nachdenken an und lässt einen das eigene Leben reflektieren. Beide Frauen sind nicht gerade Sympathieträger. Umso schöner ist, dass sie sich – auch durch den Einfluss neuer Personen, die in ihr Leben treten – allmählich verändern und sich schrittweise auf die andere zu bewegen. Und so gibt es die schöne Chance eines neuen Umgangs miteinander.

Veröffentlicht am 10.01.2018

Zutreffendes Zitat auf dem Buchrücken: "Einer der besten Thriller des Jahres (2017)

Wenn das Eis bricht
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Dieser Psychothriller sollte durch seinen Umfang – mehr als 600 Seiten – keinesfalls vom Lesen abschrecken. Er liest sich letztlich recht einfach und schnell und allzu viel passiert auch nicht. Die Handlung ...

Dieser Psychothriller sollte durch seinen Umfang – mehr als 600 Seiten – keinesfalls vom Lesen abschrecken. Er liest sich letztlich recht einfach und schnell und allzu viel passiert auch nicht. Die Handlung lässt sich kurz wie folgt zusammenfassen: Im Haus des reichen Geschäftsmannes Jesper wird die brutal zugerichtete Leiche einer jungen Frau gefunden. Er selbst ist verschwunden. Zehn Jahre zuvor gab es einen ungelösten Mordfall mit Parallelen. Die Ermittlungen werden u.a. von dem unter privater Beziehungsunfähigkeit leidenden Peter unter Mithilfe der an beginnender Alzheimer erkrankten Kriminalpsychologin Hanne, die einmal ein Verhältnis hatten, geführt. In den Blickpunkt gerät irgendwann die aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammende junge Verkäuferin Emma, die eine heimliche Liebesbeziehung zu Jesper hatte. Alles wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Peter, Hanne und Emma erzählt, so dass der Leser die Sicht von drei Personen erhält und sich die Puzzlestücke nach und nach zusammenfügen. Jeder Erzähler blendet zudem noch auf Ereignisse in der eigenen Vergangenheit zurück, die einem eine besondere Sicht auf sie vermitteln. Erinnerungen und Gedanken machen einen großen Teil der Geschichte aus. Sie ist sehr spannend, und lange Zeit ist der Leser unschlüssig, was passiert ist.
Ein raffinierter schwedischer Psychothriller, den das Skanska Dagbladet zu Recht als „einen der besten des Jahres“ bezeichnet.

Veröffentlicht am 08.01.2018

Das furchtbare Schicksal einer jüdischen Familie

Das Erbe der Rosenthals
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Der Autor verarbeitet in diesem fiktiven Roman die wahren Ereignisse rund um die Überfahrt des deutschen Überseedampfers St. Louis von Hamburg nach Havanna/Kuba im Mai 1939. An Bord waren über 900 Passagiere, ...

Der Autor verarbeitet in diesem fiktiven Roman die wahren Ereignisse rund um die Überfahrt des deutschen Überseedampfers St. Louis von Hamburg nach Havanna/Kuba im Mai 1939. An Bord waren über 900 Passagiere, hauptsächlich deutsche Juden auf der Flucht vor dem NS-Regime. Tragischer Weise wendeten sich während der Überfahrt die Dinge zu ihrem Nachteil. Trotz vorhandener Einreisepapiere durften nur ganz wenige in Havanna an Land gehen, während die meisten zur Rückkehr gezwungen wurden. Mitgereist ist auch die zwölfjährige Hannah Rosenthal mit ihren Eltern. Die wohlhabende jüdische Familie hat zuvor Berlin angesichts der zunehmenden Repressalien gegenüber Juden unter dem Naziregime verlassen. Die Familie wird auseinandergerissen, ein Umstand, der jahrzehntelang wie ein Fluch auf ihr lastet. Ein Dreivierteljahrhundert später reist Hannahs einzige Verwandte, ihre zwölfjährige Großnichte Anna aus New York, nach Kuba, um die Wurzeln ihres beim Terroranschlag 2001 ums Leben gekommenen Vaters zu suchen.

Der Roman ist sehr lehrreich, bringt er uns doch ein weiteres, den meisten sicherlich unbekanntes düsteres Kapitel der deutschen Geschichte während des Nationalsozialismus nahe. Er ist recht ehrgeizig angelegt. Die Geschichte erstreckt sich über Kontinente und umspannt einen recht großen Zeitraum von mehr als 70 Jahren. Sprachlich lässt sich ihr gut folgen, was daran liegt, dass aus der Perspektive zweier junger Mädchen erzählt wird. Dazu passt, dass Hannah die Ereignisse treffsicher vereinfacht, indem sie immer wieder von den Juden als den „Unreinen“ und den Nationalsozialisten als den „Barbaren“ spricht. Den historischen Teil empfand ich als gelungener als die Schilderung der Ereignisse in der Gegenwart, die mir etwas zu sentimental erscheint. Der Autor hat gut recherchiert, übrigens auch bzgl. der ebenfalls eingearbeiteten Kubanischen Revolution, die sich erneut auf die Rosenthals auswirkt. Abgerundet wird alles durch die im Anhang befindlichen Passagierlisten der St. Louis und einigen Fotos. Auf jeden Fall vermittelt das Buch angesichts auch gegenwärtiger Flüchtlingsbewegungen die eindringliche Botschaft, Flüchtlingen Asyl zu gewähren und ist ein wichtiger Beitrag, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten.

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