Profilbild von uli123

uli123

Lesejury Star
offline

uli123 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit uli123 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.07.2017

Französisch-vietnamesisches Familienepos

Die Tochter des Seidenhändlers
0

Ein Roman wie der vorliegende, der eine interessante Familiengeschichte mischt mit vielen Informationen über eine fremde, hier die vietnamesische Kultur, trifft meinen Lesegeschmack gut.
Die Geschichte ...

Ein Roman wie der vorliegende, der eine interessante Familiengeschichte mischt mit vielen Informationen über eine fremde, hier die vietnamesische Kultur, trifft meinen Lesegeschmack gut.
Die Geschichte ist angesiedelt in Vietnam, vorwiegend Hanoi, zu Beginn der 50er Jahre. Die 18jährige Nicole – Tochter eines Franzosen und einer Vietnamesin – ist hin und hergerissen zwischen zwei Welten. Immer stand sie im Schatten ihrer schönen älteren Schwester Sylvie, die das europäische Aussehen ihres Vaters geerbt hat, während Nicole äußerlich nach ihrer verstorbenen Mutter geraten ist. Als der Vater , ein wohlhabender Seidenhändler, einen wichtigen Regierungsposten übernimmt, wird Sylvie die Leitung des familieneigenen Seidenimperiums übertragen, während Nicole nur einen aufgegebenen Stoffladen im vietnamesischen Viertel von Hanoi erhält. Es ist die Zeit, in der vietnamesische Rebellen gegen die französische Kolonialherrschaft kämpfen. Nicole muss erkennen, dass ihre eigene Familie eine wichtige Rolle in dem Konflikt spielt. Selbst erregt sie bei den Franzosen Misstrauen und fühlt sich von ihrer Familie im Stich gelassen. Sie beginnt sich zu fragen, wo ihre Loyalitäten liegen. Obendrein ist sie noch zwischen zwei Männern hin und hergerissen – dem von der Sache der Vietminh überzeugten Vietnamesen Tran und dem charmanten und schönen amerikanischen Geheimdienstler Mark. Nicole wird tief in den brutalen französisch-vietnamesischen Krieg hineingezogen und weiß nicht mehr, wem sie vertrauen kann, ist doch niemand das, was er zu sein scheint.
Die Autorin, die ihre ersten Kindheitsjahre in Malaysia zubrachte, ist prädestiniert, einen Roman zu schreiben, der in einem exotischen Land spielt. Die Bezeichnung „Kopfkino Edition“ auf dem Cover trifft haargenau zu. Leute und Umgebung sind so bildhaft beschrieben, dass man sich quasi an den Ort des Geschehens hineinversetzt fühlt. Ob es um Geräusche, Essen, Kleidung, die Seidenstoffe oder den berühmten Eierkaffee geht – alles hat man gut vor Augen. Der besondere Konflikt des Mischlingskindes Nicole wird gut herausgearbeitet. Gelungen ist, wie viel über die Geschichte des asiatischen, mir nicht so geläufigen Landes Vietnam zu erfahren ist. Es empfiehlt sich, vor der eigentlichen Lektüre den historischen Abriss im Anhang zu lesen. Denn wer weiß schon wirklich etwas von der französischen Kolonialisierung Vietnams, die Unabhängigkeitsbestrebungen der Vietminh, die französischen und amerikanischen Vietnam-Kriege? Auf vieles wird in der Geschichte eingegangen und sie ist sehr lehrreich. Als gelungene Mischung aus Historiengeschichte, Drama, Romanze sowie Abenteuer und mit seiner Themenvielfalt (Korruption, Intrigen, Verrat) spricht das Buch sicherlich eine unterschiedliche Leserschaft an.
Ein sehr empfehlenswertes Buch.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Dramaturgie
  • Figuren
  • Gefühl
Veröffentlicht am 08.07.2017

Über dörfliches Leben und die Weite der Welt

Was man von hier aus sehen kann
0

Wer gerne zu anspruchsvoller deutscher Literatur greift, dem kann ich diesen Roman nur ans Herz legen. Im Klappentext heißt es über die Autorin zu Recht, dass sie zu den kraftvollsten, den unverwechselbaren ...

Wer gerne zu anspruchsvoller deutscher Literatur greift, dem kann ich diesen Roman nur ans Herz legen. Im Klappentext heißt es über die Autorin zu Recht, dass sie zu den kraftvollsten, den unverwechselbaren Stimmen deutscher Literatur gehört.

Sie lässt die Ich-Erzählerin Luise ab einem Alter von 10 Jahren über etwa ein Vierteljahrhundert hinweg das Leben in ihrem kleinen Dorf im Westerwald schildern. Im Mittelpunkt stehen einige der Dorfbewohner. Manche von ihnen werden mit Vornamen eingeführt, andere werden nach ihrem Beruf eingeordnet (der Optiker, der Einzelhändler). Alle haben kleine Marotten, die sie liebenswert erscheinen lassen und einprägsam sind. So steckt „der Optiker“ etwa regelmäßig seinen Kopf ins Perimeter, hilft die abergläubische Elsbeth mit so manchem Mittelchen oder Ratschlag, erläutert Palm Bibelstellen. Luises Großmutter Selma, deren nächtliche Träume von einem Okapi jeweils den Tod eines Dorfbewohners nachfolgen lassen, steht im Zentrum. Alle bilden eine eingeschworene Gemeinschaft, sind bei Freud und Leid immer füreinander dar. Als Leser wünscht man sich gerade angesichts der Schnelllebigkeit unserer Zeit, in diesem Dorf zu wohnen. Die Sprache und der Schreibstil sind von ganz besonderer Art, vielleicht trifft es bildhaft oder poetisch am ehesten („Sinfonie in blau, grün und gelb“). Einzelne Szenen, Sätze und Wörter durchlaufen wie ein roter Faden das ganze Buch, wenngleich sie immer in einem anderen Kontext stehen. Es wird deutlich, dass die Autorin eine genaue Beobachtungsgabe hat und das Detail liebt. Philosophische Züge erlangt die Geschichte dadurch, dass sich Luise in einen buddhistischen Mönch aus Japan verliebt und über ein Jahrzehnt hinweg mit ihm in Briefkontakt steht. Ihr Ziehgroßvater („der Optiker“) nimmt das zum Anlass, sich selbst intensiv mit dem Buddhismus zu befassen. Er sucht rastlos nach der Bedeutung für den interessanten, im Buchtitel aufgenommenen Satz „Wenn wir etwas anschauen, kann es aus unserer Sicht verschwinden, aber wenn wir nicht versuchen, es zu sehen, kann dieses Etwas nicht verschwinden“. Ob er eine Antwort findet, muss jeder selbst lesen.

Veröffentlicht am 27.06.2017

Wie weit Mutterliebe geht

Solange die Hoffnung uns gehört
0

Dieser Roman schlägt wie schon „Das Haus der verlorenen Kinder (2016) ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte auf. Er spielt zwischen 1933 und 1955. Quäker organisierten für konfessionslose oder konvertierte ...

Dieser Roman schlägt wie schon „Das Haus der verlorenen Kinder (2016) ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte auf. Er spielt zwischen 1933 und 1955. Quäker organisierten für konfessionslose oder konvertierte Juden Kindertransporte nach England, wo die Kinder getrennt von ihren in Deutschland verbleibenden Eltern in Internaten oder Gastfamilien sicher vor den Gräueltaten der Nationalsozialisten untergebracht wurden. Auch die renommierte jüdische Opernsängerin Anni aus Frankfurt greift schweren Herzens zu diesem Rettungsanker für ihre Tochter Ruth, stets hoffend, ihr rasch nachfolgen zu können. Aber die Jahre vergehen ohne eine Wiedervereinigung von Mutter und Tochter. Anni sieht sich zusehends Repressalien ausgesetzt, Ruth versucht in die Fußstapfen der Mutter als Sängerin zu treten.

Der Roman zeichnet sich durch fundierte historische Kenntnisvermittlung aus. Die Autorin hat gut recherchiert und lässt so manches wahre Schicksal in die Geschichte einfließen. Die Darstellung der historischen Zusammenhänge erfolgt eingebettet in eine berührende Mutter-Tochter-Geschichte. Die Spannung dauert bis zum Ende an, wird doch erst hier eine Antwort auf die Frage gegeben, ob Anni und Ruth einander wiederfinden.

Ein Buch, das ich empfehlen kann.

Veröffentlicht am 21.06.2017

Kampf gegen Korruption in der Justiz

Bestechung
0

Grishams neuester Roman ist wieder einmal ein Justizthriller, also ein Genre, in dem er sich schon früher sehr erfolgreich bewiesen hat.

Ermittlerin ist Lacy Stoltz, eine Mitarbeiterin der Rechtsaufsichtsbehörde ...

Grishams neuester Roman ist wieder einmal ein Justizthriller, also ein Genre, in dem er sich schon früher sehr erfolgreich bewiesen hat.

Ermittlerin ist Lacy Stoltz, eine Mitarbeiterin der Rechtsaufsichtsbehörde in Florida, die für Berufsaufsicht und standeswidriges Verhalten von Richtern zuständig ist. Durch einen Mittelsmann eines anonymen Whistleblowers erhält sie Informationen über eine in höchstem Grade korrupte Richterin, Claudia McDover. Diese steht in Verbindung zu einer kriminellen Vereinigung namens Küsten-Mafia. In korruptem Zusammenwirken haben sie vor Jahren den Bau eines Kasinos auf Indianerland und andere Bauvorhaben erwirkt. Im Zuge ihrer Ermittlungen gegen die korrupteste Richterin in der amerikanischen Geschichte, bei denen sie sich Hilfe vom FBI holt, stößt Lacy auf zwei mysteriöse Morde im Indianer-Milieu, für die ein Unschuldiger nach einem nicht gesetzeskonformen Urteil McDovers in der Todeszelle sitzt, und gerät selbst in Todesgefahr.

Die Geschichte ist allein schon lesenswert durch den informativen Einblick, den sie in das Justizwesen und den Justizaufbau in Amerika gibt. Beides unterscheidet sich ja sehr von deutschen Verhältnissen. Sie fesselt bis zum Schluss, da der Richterin und der hinter ihr stehenden Mafia das Handwerk erst recht spät gelegt werden kann. Wie ein roter Faden zieht sich auch die Frage nach der Identität des Whistleblowers durch das Buch. Als positiv empfinde ich, dass gewaltreiche Szenen kaum eine Rolle spielen. Zwar gibt es Schilderungen über vergangene Morde und auch einen schweren, blutigen Verkehrsunfall. Dabei bleibt es dann aber auch. Nicht einmal der auf den Whistleblower angesetzte bewaffnete Auftragskiller wird zu seiner Waffe greifen. Der Autor lässt seine Figuren einfach nur ermitteln. Als etwas übertrieben wirkt das Ende, das eigentlich nur noch eine Aufzählung der unzähligen Verhaftungen, Verurteilungen und Zerschlagungen des Mafia-Imperiums ist – halt typisch amerikanisch.

Das Buch sei Lesern spannender, unblutiger Thriller empfohlen.

Veröffentlicht am 15.06.2017

Freundschaft und Liebe ist, was im Leben zählt

Als wir unbesiegbar waren
0

Das Thema Freundschaft steht im Mittelpunkt dieser Geschichte. Wir begleiten zwei Frauen und zwei Männer über zwanzig Jahre hindurch ab Beendigung ihres Studiums in den 90er Jahren. In diesem Zeitraum ...

Das Thema Freundschaft steht im Mittelpunkt dieser Geschichte. Wir begleiten zwei Frauen und zwei Männer über zwanzig Jahre hindurch ab Beendigung ihres Studiums in den 90er Jahren. In diesem Zeitraum sind ihre Verbindungen untereinander mal lockerer, mal intensiver, letzteres besonders wieder am Ende, als sie sich erneut aufeinander besinnen. Natürlich gibt es auch wechselseitige geschlechtliche Beziehungen.
Ich persönlich siedle das Buch im Mittelfeld an. Die Distanz zu den Protagonisten blieb durchweg. Vor allem was Eva, die die Hauptrolle einnimmt, anbelangt, stand ich vor dem Problem, ihre Berufstätigkeit im Investmentbanking nicht so recht nachvollziehen zu können. Bei der Beschreibung ihrer Tätigkeit wurden geschäftstypische Schlagworte und Machenschaften eingebracht, die mir fremd sind. Ähnlich erging es mir mit Benedict, dessen wissenschaftliche Tätigkeit in der Teilchenphysik mir zu abstrakt ist. Anschaulicher waren da schon die Künstlerin Sylvie und ihr in der Nachtclubszene tätiger Bruder Lucien. Vermisst habe ich zu erfahren, wie es überhaupt zu einer Freundschaft der vier gekommen ist. Etwas Biss bekommt die Geschichte dadurch, dass die vier immer mal wieder philosophieren, z.B. über den Geist ihrer Generation, was den Leser zum Nachdenken anregt.

Ein Buch, das sich mal nebenher lesen lässt, aber keinen nachhallenden Eindruck hinterlässt.