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Veröffentlicht am 23.07.2023

Eine berührende Vatersuche

Paradise Garden
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Romane zu schreiben, in denen sich eine Figur auf die Suche nach ihren familiären Wurzeln begibt, scheint unter Autoren gegenwärtig sehr angesagt zu sein. So einige an der Zahl habe ich in der Vergangenheit ...

Romane zu schreiben, in denen sich eine Figur auf die Suche nach ihren familiären Wurzeln begibt, scheint unter Autoren gegenwärtig sehr angesagt zu sein. So einige an der Zahl habe ich in der Vergangenheit gelesen und war anschließend mal mehr, mal weniger zufrieden. Doch der vorliegende toppt sie alle.
Ganz im erfrischenden Stil einer Vierzehnjährigen – denn so alt ist die Ich-Erzählerin, die selbst gerne liest und vor allem aber Schriftstellerin werden will und sich deshalb vieles in ihre Notizbücher schreibt – wird uns ihr Leben mit ihrer allein erziehenden Mutter in einer Sozialwohnung einer Hochhaussiedlung geschildert. Die materiellen Entbehrungen werden um ein Vielfaches wettgemacht durch die fantasievollen Ideen einer liebevollen Mutter, die einst von Ungarn nach Deutschland übergesiedelt ist. Nur über den biologischen Vater schweigt sich die Mutter aus. Ganz wenige Hinweise notiert sich Billie akribisch. Als die Großmutter aus Ungarn zu Besuch anreist, eskalieren die Ereignisse. Denn die Beziehung zwischen Mutter und Oma ist konfliktbeladen. Billie jedenfalls begibt sich ganz allein auf die Suche nach ihrem Vater, die wie die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen ist.
Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen. Obwohl so manche traurige Ereignisse einfließen, versprüht es so viel Hoffnung und gibt zu verstehen, dass es immer weiter geht. Die Erzählerin Billie ist einfach nur sympathisch mit ihrer erfrischenden Lebenssicht. Etwas frühreif, aber humorvoll und lakonisch erzählt sie ihre Geschichte, die für sie gut ausgeht, wenngleich anders als gedacht.

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Veröffentlicht am 14.07.2023

Eine Frau am Wendepunkt ihres Lebens

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Zu gerne wüsste ich, ob es sich möglicherweise um einen autobiografischen Roman handelt, weil es so viele Parallelen in den Leben der Protagonistin und der Autorin gibt. Schonungslos und offen zieht die ...

Zu gerne wüsste ich, ob es sich möglicherweise um einen autobiografischen Roman handelt, weil es so viele Parallelen in den Leben der Protagonistin und der Autorin gibt. Schonungslos und offen zieht die Ich-Erzählerin, so um die Mitte 40, eine Bilanz ihres Lebens, die für Außenstehende den Eindruck erwecken mag, dass sie es nicht gerade zu etwas gebracht hat. Und auch die Erzählerin selbst fragt sich, ob sie im Gegensatz zu ihren Geschwistern sowie Freunden und Bekannten gescheitert ist. Denn früh hat sie das in der katholischen, österreichischen Provinz liegende Elternhaus verlassen, um ein freies Leben im fernen Wien führen zu können. Dort hat sie offensichtlich Bekanntschaft mit allerlei Männern und Drogen gemacht, hatte Abtreibungen, lebte nicht gerade einträglich von der Schreiberei, war nach einer Scheidung alleinerziehende Mutter eines Zwillingspärchens. In einer kapitelweise erfolgenden Aufreihung von Erinnerungen bringt sie uns ihren Lebenslauf nahe. Das Faszinierende ist, dass die eigenen Erinnerungen der Erzählerin sehr viel negativer ausfallen, als sich die vergangenen Ereignisse für Dritte darstellen. Ein weiterer Kunstgriff liegt darin, alles um Wichtigkeit einer eigenen Wohnung für die Erzählerin ranken zu lassen. Passend dazu wird mehrfach Virginia Wolfs „Ein Zimmer für sich“ aufgegriffen.
Das Buch bekommt von mir eine volle Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 06.07.2023

Schöne Legende(n)

Nincshof
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Dieses wirklich lesenswerte Buch enthält gleich zwei schöne Legenden im Sinne der heutzutage angewendeten Definition, wonach unter Legende auch die Lebensgeschichte von bekannten Personen zu verstehen ...

Dieses wirklich lesenswerte Buch enthält gleich zwei schöne Legenden im Sinne der heutzutage angewendeten Definition, wonach unter Legende auch die Lebensgeschichte von bekannten Personen zu verstehen ist: Einmal die der alten Dorfbewohnerin Erna und zum anderen die ihrer Großmutter. Erna schließt sich in ihrem im Burgenland gelegenen Dorf Nincshof der vom Bürgermeister und zwei weiteren Männern begründeten, noch im Geheimen verschwörerisch agierenden Bewegung der von ihnen so benannten Oblivisten an, deren Ziel es ist, das Dorf in die totale Vergessenheit zu führen, damit fortan alle Bewohner in Freiheit und Ruhe leben können. Ihre Großmutter hatte 100 Jahre zuvor bereits ähnliche Ideen, die sie genauso vehement verfolgte wie die Oblivisten in der Gegenwart. Die Großmutter ist seinerzeit zu einer – wenn auch gescheiterten – Revolutionärin geworden. Ihr Wirken hat sie in Gestalt von Gutenachtgeschichten an ihre Enkelin weiter vermittelt. Auch das Vorhaben von Erna und den Oblivisten steht in Frage, denn zwei zugezogene Wiener steigern mit ihrer Lebensform den Bekanntheitsgrad des Dorfes eher noch und konterkarieren damit die oblivistischen Bestrebungen. Über den Zeitraum eines ganzen Sommer können wir Leser uns jedenfalls an den verrückten Ausmaßen erfreuen, die der von Grund auf verrückte Plan der Oblivisten in seiner praktischen Durchführung annimmt. Das und die skurrilen Neubürger und übrigen Dorfbewohner lassen einen immer wieder schmunzeln. An den Städtern mit ihren Ansichten wird gehörig berechtigte Kritik geübt.
Ein ausgezeichneter Roman, an den ich mich noch lange erinnern werde.


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Veröffentlicht am 25.06.2023

Sehr eigenwilliger Roman über eine deutsche Familie

Schönwald
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Die kurze Beschreibung des Buchs auf dem rückwärtigen Cover als „Roman einer deutschen Familie“ hat mich zu seiner Lektüre veranlasst. Doch entgegen meiner Erwartung, eine ganz normale Familie mit ihren ...

Die kurze Beschreibung des Buchs auf dem rückwärtigen Cover als „Roman einer deutschen Familie“ hat mich zu seiner Lektüre veranlasst. Doch entgegen meiner Erwartung, eine ganz normale Familie mit ihren Alltagsproblemen geschildert zu bekommen, bekam ich es dann mit sehr speziellen Charakteren zu tun, was sowohl für die zur Familie gehörenden als auch die weiteren Romanfiguren gilt. Jeden umgibt ein Problem oder Geheimnis, das er nicht preisgeben will. Jeder will auch von den Problemen der anderen nichts wissen. Es geht etwa um ein langjähriges außereheliches Verhältnis, Kindesmissbrauch, berufliches Versagen. Daneben spielen aktuelle Themen wie Sexismus, sexuelle Orientierung, die Bedeutung Donald Trumps eine Rolle. Die Werdegänge der Personen sind abstrus und sagenhaft und wirken auf mich stark überzeichnet. Hier denke ich vor allem an den ältesten Sohn mit seiner Karriere in den USA, an den Schwiegervater des jüngsten Sohnes, der es zum Milliardär gebracht hat und die Freundin des ältesten Sohnes, die Trump-Anwältin ist. Mit der Sprache, vor allem dem Denglisch, hatte ich oft Probleme. Gefallen haben mir eigentlich nur die – sogar ansatzweise humorvollen - Passagen, in denen die Eltern im Vordergrund stehen. Hier wird der Anschein geweckt, man habe es mit einer glücklichen, gut situierten Familie zu tun.

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Veröffentlicht am 18.05.2023

Über eine Kamera und die Familien hinter ihrer Erfindung

Das Licht im Rücken
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Dieser historische Roman spielt in einem Zeitraum (Anfang Erster Weltkrieg bis Ende Zweiter Weltkrieg), über den ich eigentlich immer wieder gerne lese. Und auch der Umstand, dass ein Objekt im Mittelpunkt ...

Dieser historische Roman spielt in einem Zeitraum (Anfang Erster Weltkrieg bis Ende Zweiter Weltkrieg), über den ich eigentlich immer wieder gerne lese. Und auch der Umstand, dass ein Objekt im Mittelpunkt steht, nämlich Erfindung und Fortentwicklung der Kleinfilmkamera Leica, womit es Elemente eines Sachbuchs gibt, erscheint mir wie bestimmt auch so manchem Hobbyfotografen interessant. Allerdings krankt die Geschichte daran, dass sowohl die Personen als auch das Setting künstlich wirken, „gestellt“, um es mit einem Wort der Fotografie zu beschreiben. Die Romanfiguren sind durchweg keine Sympathieträger und oft widersprüchlich in ihrem Denken und Tun. Hinzu kommt ein sehr monotoner Erzählton. Positiv gefallen haben mir die Ausschmückung der Textpassagen durch Schwarz-Weiß-Fotos der Leica im Laufe ihrer Entwicklung und die Weltkarten, aus denen ersichtlich wird, welches Ausmaß der Siegeszug der Leica um die Welt hatte.
Insgesamt ein nur mittelmäßiges Buch.

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