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Veröffentlicht am 07.10.2018

Ein starkes Stück Steinzeit

Kha – Der Anfang
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Vor 33.000 Jahren: Der zehnjährige Kha folgt seiner älteren Freundin Oa, die davor flüchtet, dem hässlichen Schamanen zu dienen. Sie verlässt den Klan und Kha möchte seine heißgeliebte und vertraute Oa ...

Vor 33.000 Jahren: Der zehnjährige Kha folgt seiner älteren Freundin Oa, die davor flüchtet, dem hässlichen Schamanen zu dienen. Sie verlässt den Klan und Kha möchte seine heißgeliebte und vertraute Oa nicht ohne Schutz ziehen lassen. Sie ziehen hinaus in die unbekannte Welt, die viele Gefahren für die beiden bereit hält. Gott sei Dank ist Oa in vielen Dingen bewandert und kann sie erst mal vor Bösem beschützen und ernähren. Das soll sich ändern, bald schon treffen sie auf unbekannte Menschen, die ihnen nicht gut gesonnen sind.

Kha lernt viel auf seiner fünf Jahre dauernden Wanderschaft. Er lernt unterschiedliche sonderbare wie auch gefährliche Menschen kennen. Für ihn steht an erster Stelle das Überleben, an zweiter Stelle jedoch, in Höhlen zu malen. Durch das Malen können die Tiergötter um ihren Schutz angerufen werden.

Seine Reise stärkt ihn, er kehrt nach Hause zurück und kann den Daheimgebliebenen, die nicht damit rechnen, dass er überlebt hat, viel berichten. Doch die größte Gefahr erwartet ihn noch.

Peter Starck hat einen tollen Roman geschrieben, als sei er selbst in der Steinzeit dabei gewesen. Besonders Oa hat mir gut gefallen, so eine kluge junge Frau, die jagen kann und weiß, wie man Sprachen lernt - soweit das mit den Fremden möglich ist. Kha wiederum hat von Oa gelernt.

Das Ende des Romans lässt hoffen, dass es ein weiteres Buch mit Kha geben wird. Mich würde das sehr freuen.

Peter Starck hat einen flüssigen Schreibstil. Ich mochte das Buch nicht aus der Hand legen. Es gibt Spannungswellen: Ist mal wieder für einige Zeit Ruhe eingekehrt, wird es urplötzlich für die Protagonisten äußerst eng. Ich habe mit Oa und Kha gelitten und auf das Beste gehofft. - Mit dem Ende habe ich nicht rechnen können.

Peter Starck hat sich viele Gedanken über das Leben in der Steinzeit gemacht. Auch ich bin jetzt klüger als zuvor. Warum soll nicht alles so gewesen sein?

Das in 15 Kapitel unterteilte Buch mit 343 Seiten wurde im Verlag tredition veröffentlicht.

Veröffentlicht am 03.10.2018

Freiheit und Gleichheit - in den ern des letzten Jahrhunderts

Deine Küsse schmecken wie frische Erdbeeren
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Vorab, es handelt sich, trotz des Titels, nicht um eine seichte Liebesgeschichte!

Amélie, Tochter aus dem Hause eines angesehenen Weinbauern in der Dordogne und seiner Frau, die aus einem der besten Häuser ...

Vorab, es handelt sich, trotz des Titels, nicht um eine seichte Liebesgeschichte!

Amélie, Tochter aus dem Hause eines angesehenen Weinbauern in der Dordogne und seiner Frau, die aus einem der besten Häuser in Paris stammt, hat zwei Brüder. Der ältere der beiden ist Louis, ein musikalisch begabter junger Mann, der jedoch vom Vater nicht für voll genommen wird, ja eher noch gemieden. Der jüngere ist Benjamin, ein noch unfertiger Junge, mit dem "Maman" als einzigem nachsichtig umgeht.

Nach einem Besuch der Siedlung von Arbeiterhäusern, aus denen der Vater die ArbeiterInnen zur Weinlese rekrutiert, steht für sie fest: Sie wird Ärztin werden und als solche auf dem Land praktizieren.

Es gibt natürlich einen Riesenkampf mit ihren Eltern, vor allem mit ihrer Mutter, die besonders auf Etikette achtet und befürchtet, man werde auf die Familie herabsehen. Doch Amélie setzt sich durch und studiert.

Vor dem Hintergrund des Kampfes der Frauen für Gleichberechtigung, schildert uns Verena Dahms die Schwierigkeiten, die Frauen seinerzeit hatten, sich durchzusetzen. Amélie hat das Glück, aus dem Elternhaus herauszukommen, nicht heiraten und Kinderkriegen als Ziel haben zu müssen. Ihrem Bruder Louis, der die Musik über alles liebt, geht es leider anders; er darf seinen Neigungen nicht folgen. Er soll das Weingut übernehmen.

Wie es immer ist, kommt das "Leben dazwischen". Muss Amélie ihre Freiheiten aufgeben? -

Verena Dahms, eine tolle Autorin, die seit Jahren in der Dordogne wohnt, hat in diesem Roman die Liebe nicht vergessen. Deshalb hat die Autorin wohl diesen Titel gewählt, hinterdem man eigentlich einen Liebesroman vermutet. Aber weit gefehlt. Es ist schon eine Riesenanstrengung, die die Vorkämpferinnen für uns Frauen übernommen haben.

Es geht um die Emanzipation und Freiheit im Allgemeinen und im privaten Bereich - und wir sollten all den Frauen in all den Ländern danken, die seinerzeit für uns gegen die gesellschaftlichen Regeln verstießen und für uns gekämpft haben.

Danke an Verena Dahms. Ein wunderbarer Roman ist jetzt ausgelesen. Ich freue mich auf den nächsten.

Veröffentlicht am 30.09.2018

Ein Dienstmädchen und der Sohn eines Weingutes, kann das gutgehen?

Das Weingut. In stürmischen Zeiten
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Im Gebärhaus in Heidelberg wird ein Mädchen geboren und wächst in verschiedenen Waisenhäusern auf, bis es 1870 vom reichen Weinhändler Wilhelm Gebhardt in Speyer abgeholt wird, um in seinem Gutshaus in ...

Im Gebärhaus in Heidelberg wird ein Mädchen geboren und wächst in verschiedenen Waisenhäusern auf, bis es 1870 vom reichen Weinhändler Wilhelm Gebhardt in Speyer abgeholt wird, um in seinem Gutshaus in Weißenburg im Elsass als Dienstmädchen zu dienen. Er besteht darauf, dass es Irene sein muss, so habe seine Frau es einer Freundin versprochen. Den wahren Grund erfährt der werte Leser erst gegen Ende des Buches.

Im Weingut geht es Irene gut, so gut, wie es ihr bisher nie ging. Die Hausdame Frau Burger leitet sie gut an. Die Hausherrin Pauline scheint es auch gut mit ihr zu meinen und Irene fügt sich gut ins Haus ein. Sie teilt mit einem anderen Dienstmädchen die Kammer und freundet sich mit ihr an. Einzig die Tochter des Hauses Mathilde ist der Meinung, dass alles im Haus sich um sie selbst drehen muss und so kehrt sie auch immer ihren Stand gegenüber den Dienstboten unangemessen heraus. Sie ist äußerst missgünstig, insbesondere Irene gegenüber. Zur Familie gehört noch ein Sohn, Franz, der seine eigenen Ansichten hat und aus diesem Grunde häufig mit dem Vater aneinander gerät.

Es kommt, wie es kommen muss. Franz und Irene verlieben sich ineinander und Franz steht offen dafür ein, er will Irene heiraten.

Seine Mutter Pauline ist gebürtige Französin, sein Vater Wilhelm Deutscher, weshalb Franz sich beim Deutsch-Französichen Krieg 1870/71 entscheiden muss, ob und auf welcher Seite er mitkämpft.

Dieser Krieg ist gut recherchiert - zumindest glaube ich das, ich habe ihn ja auch nicht miterlebt -, aber besonders die Sinnlosigkeit eines jeden Krieges: Hunger, Verletzungen, Tote, Verwüstungen.

Franz wird fernab der Heimat schwerverletzt, seine Mutter und seine Verlobte Irene ahnen nichts davon. Wilhelm und Mathilde konterkarieren fleissig gegen die beiden. Wilhelm schreckt aber auch vor gar nichts zurück. Man kann mit Irene und Pauline nur leiden, aber vor allem mit Franz.

Marie Lacrosse hat die Charaktere der Protagonisten wunderbar herausgearbeitet. Manchmal habe ich die Wut bekommen, doch zwischendurch doch immer wieder an das Gute im Menschen glauben können. Der Roman ist aus der Sicht von Irene und Franz, aber auch über die Hergänge im Weingut geschrieben. Er endet genau da, wo wir neugierig sind, wie die Handlung im zweiten Teil weitergeht. Gott sei Dank ist im Anhang des Buches der Prolog des zweiten Teils dieser Familiensage. Das lässt hoffen. Leider kommt dieser erst im Frühjahr 2019 heraus.

Das Cover zeigt ein Gutshaus, so wie ich mir ein Weingut vorstellen kann. Das Buch ist als Printausgabe, eBook und Audio-Book erhältlich, es wurde verlegt bei Goldmann-Verlag.

Ich danke dem Bloggerportal / Randomhouse für die Zurverfügungstellung des Rezensionsexemplares.

Veröffentlicht am 16.09.2018

Ein verzwickter Fall mit unvorhersehbarem Ende

Kreuzwege
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Ein verzwickter Fall mit unvorherbarem Ausgang


Kommissar Weller ermittelt wieder in der Eifel. Ins streng katholische Dörfchen Beerenroth ist die protestantische Familie Bleck, Vater Joachim, Mutter ...

Ein verzwickter Fall mit unvorherbarem Ausgang


Kommissar Weller ermittelt wieder in der Eifel. Ins streng katholische Dörfchen Beerenroth ist die protestantische Familie Bleck, Vater Joachim, Mutter Brigitte sowie Sohn Jakob aus beruflichen Gründen des Vater gezogen. Doch sie bekommen kein Bein auf die Erde. Der Sohn wird in der Schule gehänselt und geschlagen, mit der Mutter redet niemand bis auf eine Frau Babsi Schmitz, mit deren Tochter Henriette Jakob befreundet ist. Der Vater merkt durch die Arbeit wenig davon.

Am Morgen nach der Feldkircher Kirmes ist der zugezogene Joachim Bleck tot an einem Weg-Altar aufgefunden worden. Er hängt dort wie Jesus selbst gekreuzigt wurde, einzig, dass er mit Tauen festgemacht ist.

Weller stellt bei seinen Ermittlungen natürlich fest, dass die Familie Bleck, Vater, Mutter und Sohn Jakob in dem Dorf nicht gelitten wurden. Es ist einfach nicht zu glauben, wie verbohrt diese Dörfler sind. Aber es kann doch nicht nur an der Konfession liegen, dass ein Mensch getötet wird!? Seine Ermittlungen werden, wo es nur geht behindert. Dennoch wird bald ein Verdächtiger verhaftet.

Markus Theisen hat einen tollen Kriminalroman mit viel Lokalkolorit geschrieben, der immer spannender wird. Er hat aufgezeigt, was verbohrtes Kirchendenken verursachen kann. Letztendlich sind aber wir alle es selbst, die handeln.

Da sollten wir uns ein Beispiel an Gott (Vorweg-Wort) und am Pastor (während der gesamten Handlung und Hintendran) nehmen. Der Autor lässt seinen Kommissar 1976 ermitteln, doch ich bin überzeugt, auch heute gibt es noch so verbohrte Menschen und ganze Dörfer. Aber er hat dankenswerter Weise auch nicht den Humor dabei vergessen.

Markus Theisen hat einen lockeren Schreibstil und lässt uns bis zur Auflösung des Falls, bis ganz zum Schluss, auf dem Holzweg sein. Sollte mal bei uns in der Nähe eine Lesung stattfinden, bin ich mit Sicherheit dabei.

Das Cover zeigt ein Wegkreuz, passend zum Roman und macht schon mal neugierig. Veröffentlicht wurde das Buch bei smp / swb-verlag

Veröffentlicht am 04.09.2018

Die Geschichte des Eises aus der Sicht einer Eismacherfamilie

Die Eismacher
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Die Familie Talamini lebt inmitten der malerischen Dolomiten. Der Ururgroßvater des Protagonisten Giovanni ist mit Freunden und Nachbarn 1891 auf die Idee gekommen, aus dem St. Gotthard-Tunnel Schnee und ...

Die Familie Talamini lebt inmitten der malerischen Dolomiten. Der Ururgroßvater des Protagonisten Giovanni ist mit Freunden und Nachbarn 1891 auf die Idee gekommen, aus dem St. Gotthard-Tunnel Schnee und Eis zu ernten. Anschließend haben sie es um eine Trommel gepackt, Salz hinzuzufügen, damit es nicht zu schnell schmilzt. In die Trommel kommt der Brei, der gerührt werden und immer wieder von der kalten Wand abgestreift werden muss. Drehen, drehen, drehen. Die Masse wird mehr und berkommt die richtige Konsistenz, doch man muss aufpassen. Drehen, drehen, drehen, das ist die Melodie, mit der die Familie lebt.

Natürlich wussten die Italiener nicht, dass auch auf anderen Flecken unserer Erde die gleichen Versuche mit Erfolg unternommen wurden. Ebenso wurde z.B. die Eistüte wahrscheinlich von einem aus Syrien stammenden Italiener erfunden.

Die Familie der Talaminis ist sehr erfolgreich, sie haben auch in Rotterdam ein Eiscafe. Giovanni hat einen jüngeren Bruder Luca, für den er immer da ist. Doch es kommt der Tag, als sich Giovanni dazu entscheidet, für die Literatur zu leben. Er ist sehr erfolgreich, veranstaltet große Poetry Festivals und umgibt sich mit Schriftstellern. Sein Bruder spricht von Stund an kein Wort mehr mit ihm, hat er doch sein Leben der Familientradition vorgezogen und sein jüngerer Bruder muss seinen Platz einnehmen. Allerdings im Privatleben bekommt Luca das schönste Mädchen des Dorfes, in das auch Giovanni verliebt war.

Wenn man sich die Geschichte der Talaminis ansieht, so merkt man, dass in jeder Generation das Eismachen mehr als Pflicht gesehen wird. Der Vater von Vater Guiseppe wird erst einmal Abenteurer, nachdem er durch den St. Gotthardttunnel verschwunden ist; Giovannis Vater wäre gerne Erfinder geworden, tja, und er hat die Poesie.

Natürlich hat er ständig Kontakt zu seiner Familie, nur sein ehemals bester Freund, sein Bruder Luca, meidet ihn und spricht mehrere Jahre kein Wort mit ihm. Bis auf den Tag, als er eine an ihn herantritt und ihn um etwas Außergewöhnliches bittet.

Ernest van der Kwast hat eine wunderbare bildhafte Sprache, ich sehe alles vor mir und kann das Eis schmecken. Wortgewaltig berichtet er über das Leben einer Eismacherfamilie mit all ihren Sorgen und Nöten. Besonders schön finde ich die Zitate der Schriftsteller/Poeten.

Das Buch erschien im April 2018 in der Taschenbuchausgabe bei btb und Randomhouse.