Auszeit einer Ehe
Auszeit bei den AbendrotsHelene und Josef sind seit über 25 Jahren ein (eigentlich) glückliches Paar, der erwachsene Sohn ist schon längst ausgezogen, Josef ist ein erfolgreicher Chirurg. Helene gibt ein paar Stunden die Woche ...
Helene und Josef sind seit über 25 Jahren ein (eigentlich) glückliches Paar, der erwachsene Sohn ist schon längst ausgezogen, Josef ist ein erfolgreicher Chirurg. Helene gibt ein paar Stunden die Woche Sprachunterricht, hat eine Kolummne in einer Hundezeitschrift, führt den Haushalt und kredenzt Josef aufwendige Mahlzeiten. Doch anscheinend ist nicht alles so wie es scheint, denn auf dem Weg in den gemeinsamen Urlaub, der nach Venedig gehen sollte, ist schon auf der Fahrt eine gehörige Disharmonie spürbar. Und in Venedig kommt dann auch nur Helene an, denn Josef zieht urplötzlich die Reißleine in ihrer Ehe und verlässt ohne ein Wort oder eine Aussprache das Auto, als sie an einer Mautstelle halten müssen, und verschwindet. Erst nach einigen Tagen meldet er sich kurzbündig per Mail bei Helene und bittet um eine Auszeit. Dass diese Auszeit Nathalie heißt und nur etwas so halb so alt wie Josef, dass weiß Helene nicht. Doch einfach nur abwarten bis diese Auszeit vorbei ist, davon bringt sie ihre treue Freundin Adrienne schnell ab. Und so macht sich Helene selbst auf die Suche nach ihren Wünschen und Vorstellungen vom Leben und entdeckt sich wieder neu. Will sie um ihre Ehe kämpfen? Und was will Josef? Eine sehr turbulente Zeit mit einigen überraschenden Wendungen beginnt.
Wieder einmal hat mich der filigrane Erzählstil, der humoriges mit Tiefsinn, realistische Figuren verbindet, kombiniert mit einer feinen Prise Tragik, Drama und Komödie, gefesselt. Alexandra Holenstein erzählt abwechselnd aus den Perspektiven der Eheleute, wenn auch Helene die wahre Heldin des Romans ist und ihre Sichtweise daher auch die Ich-Perspektive. Durch beide Sichten kann der Leser die Gefühle, die Euphorie und Trauer, die inneren Kämpfe, aber auch die Entwicklung, die die beiden nehmen, miterleben. Starke Worte, ausdrucksstarke Sätze, bildhafte Begebenheiten, gelungene Dialoge, Situationskomik, aber auch Ernsthaftigkeit - das ist das, was man alles in diesem Roman findet. Die Protagonisten wachsen einem ans Herz, sogar Josef ! Vielleicht auch , weil gerade bei Josefs oft impulsives Verhalten einige Klischees bedient und aufs Korn genommen werden, so dass man als Leser ziemlich oft auch schmunzeln muss, weil seine Aktionen mitunter sehr humorvoll und vor allem bildhaft beschrieben werden. Aber auch Helene tappt in die ein oder andere ungeplante und lustige Situation. Zudem gibt es einige sehr gut pointierte Nebencharaktere, die einem beim Lesen ebenfalls gute Laune machen. Aber es ist auch ein Roman, der einem zum Nachdenken anregt, der vieles hinterfragt, gerade rückt , der beleuchtet, dass zu einer Ehe immer zwei gehören und dass jeder wichtig ist.
Mit hat die Mischung aus guter Unterhaltung, Witz, aber vor allem auch Tiefsinn sehr gut gefallen.